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Charlotte von Schiller

Charlotte wurde am 22. November 1766 als zweite Tochter des Landjägermeisters Karl Christoph von Lengefeld zu Rudolstadt geboren. Ihre Mutter, eine geborene von Wurmb, die über ein Vierteljahrhundert jünger war als ihr Gatte, mit dem sie aber trotz dieses Altersunterschieds in überaus glücklicher Ehe lebte, leitete ihre erste Erziehung und die der Schwester Karoline. Während Karoline ihren Vetter, den Kammerherrn von Beulwitz, heiratete, wurde Charlotte durch die dem Hause Lengefeld befreundete Frau von Stein in die Weimarer Hofkreise eingeführt. Die Herzogin hätte sie gern als Hofdame um sich gesehen; da es ihr aber an Sprachtalent gebrach, so beschloß die Mutter, ihre Töchter zunächst auf einige Zeit in die französische Schweiz zu begleiten. Dies geschah im Frühling 1783. In Stuttgart führte eine Freundin, die alte Baronin Wolzogen, die Reisenden zu Schillers Eltern auf die Solitüde. Ihr Sohn Wilhelm war von der Karlsschule her ein Jugendfreund Schillers, aber bei diesem Besuche auf der Solitüde dachte wohl Keiner daran, daß Wilhelm von Wolzogen einmal der zweite Gatte Karolinens und daß Friedrich Schiller der Gatte Charlottens werden würde.

Ein Jahr hindurch blieb man am Genfer See. Auf der Rückreise konnte man Schiller in Mannheim, dessen Herz damals zwischen Charlotte von Kalb und Margarethe Schwan schwankte, Grüße von den Wolzogens bringen. Den nächsten Winter verlebte Lotte von Lengefeld in Weimar bei Frau von Stein, durch die sie einen jungen Engländer kennen lernte. Nun kam das erste Frühlingslieben; aber sei es, daß ihre Familie der Verbindung mit Kapitän Heron widerstrebte, sei es, daß Anderweitiges dagegen sprach: das Verhältnis löste sich bald, und Charlotte kehrte zu ihren Eltern zurück.

Hier erhielt sie – am 6. Dezember 1787 – den Besuch Schillers, der mit seinem Freunde Wolzogen über Rudolstadt nach Weimar wollte. Schillers Herz schwankte wieder: Karoline erschien ihm so anmutig und anziehend wie Charlotte. Im Frühjahr 1788 trat er mit den Schwestern in Briefwechsel. Er schrieb Verse in Charlottens Stammbuch und beschloß auch, in ihrer Nähe zu verbleiben. Er mietete sich in dem Dörfchen Volkstädt bei Rudolstadt ein, wo er an seinem »Abfall der Niederlande« arbeitete und die Abende dazu benutzte, auf seinen Spaziergängen mit den beiden reizenden Schwestern zusammen zu treffen.

Nun wußte er freilich, daß sein Herz Charlotte gehörte; aber eine Aussprache wagte er noch nicht. Erst als er durch die Empfehlungen der Frau von Stein an Goethe den Lehrstuhl für Geschichte in Jena erhielt und seine Zukunft ihm dadurch einigermaßen gesichert erschien, kam es zur Entscheidung. Im Sommer 1789 verlobte er sich in Lauchstädt heimlich mit Charlotte. Karoline bildete die Fürsprecherin, die Mutter – die »chere mere« – erfuhr erst später davon, gab aber mit Freuden ihre Einwilligung. Am 22. Februar 1790 fand in dem Kirchlein von Wenigenjena die Trauung in aller Stille statt. Kurz vorher hatte der Herzog von Meiningen ihn zum Hofrat befördert und der Herzog von Weimar ihm 200 Taler Jahresgehalt gegeben. Mit dem Hofratstitel und den 200 Talern fing die Ehe an.

In Jena richtete man sich unendlich bescheiden ein. Die chère mère hatte noch 150 Taler Extrazuschuß bewilligt; für alles übrige sollten die fleißige Feder und die Verleger Göschen und Cotta sorgen. Die Junggesellenwohnung Schillers war durch ein viertes Zimmerchen ergänzt worden, und als man drei Jahre später eine geräumigere Wohnung bezog, empfand man fast etwas wie Sehnsucht nach dem dürftigen Heim, das das erste Glück ihrer jungen Liebe umschlossen hatte.

Krankheiten trübten häufig den Frieden der Ehe. Ende 1790 war Schiller mit Charlotte nach Erfurt gereist, um dort den Coadjutor von Dalberg zu besuchen. Hier warf ihn ein heftiger Katarrh auf das Krankenlager, der von neuem ausbrach, als er über Weimar nach Jena zurückgekehrt war. Lotte war die liebevollste und zärtlichste Pflegerin; da aber die Krankheit nicht weichen wollte, so wurde eine Kur in Karlsbad nötig. Damals verbreitete sich das Gerücht von Schillers Tode und die Folge war jene großherzige Unterstützung, die er von dem Augustenburger und dem dänischen Minister Grafen Schimmelmann erhielt.

Erst in Weimar kamen bessere Jahre. Nun brauchte Lotte nicht mehr beständig zu rechnen und sich über ihr Haushaltungsbuch Sorgen zu machen. Zwei Kinder hatte sie Schiller bereits geschenkt: Karl und Ernst. »Jetzt also kann ich meine kleine Familie anfangen zu zählen«, schrieb er nach Ernstens Geburt an Goethe; »es ist eine eigene Empfindung, und der Schritt von Eins zu Zwei ist größer, als ich dachte«. Es kamen auch noch die Schritte zu Drei und Vier: 1799 wurde Karoline, 1804 Emilie geboren.

Wie glücklich diese Dichterehe war, beweist der Briefwechsel, den Emilie zuerst veröffentlichte. »Ich könnte die ganze Welt aufbieten, um Dir Glück zu geben«, schreibt Lotte einmal an Schiller. Und in der Tat: sein Glück war das ihre. Häufig ist sie von ihm getrennt, aber ihre Gedanken überbrücken die Ferne. »Niemand kannte ihn wie ich«, heißt es in ihren »Fragmenten«, »kannte den Reichthum seines Herzens. Er sprach wenig von den Gefühlen, die er uns bewahrte; aber sein heiterer Blick, seine Äußerungen der Liebe ließen mich oft tiefer in das liebende Herz schauen, als eine lange Folge von Handlungen bei anderen Menschen es würde verrathen haben ... Ein solches Wesen, von allem Gemeinen fern und entfremdet, giebt es wohl nicht mehr. Man mochte den hohen Geist zu fassen vermögen oder nicht, man fühlte seine Hoheit und eine gewisse Scheu, etwas Unedles in seiner Nähe zu dulden.«

Der ganze Briefwechsel Charlottens zeugt von der treuen und hingebenden Liebe dieser Frau. »0, ich könnte die ganze Welt aufbieten, um Dir Glück zu geben«, schrieb sie als Braut an den Geliebten, und später wieder einmal: »Arm und leer wäre mein Herz ohne Dich – mein besseres Leben lebe ich nur bei Dir« ... Ihre Tochter Emilie hat dem Deutschen Volke durch die Veröffentlichung dieser Briefe ein teures Vermächtnis geschenkt.

Noch einundzwanzig Jahre überlebte Charlotte den Gatten. Sie starb am 9. Juli 1826 in Bonn, wohin sie zum Besuch ihrer Söhne gereist war, an den Folgen einer Augenoperation, und liegt auch dort auf dem alten Friedhof begraben.

Portrait

Briefe von Charlotte von Schiller.

An Fritz v. Stein.

Rudolstadt den 11. Juli 1785.

Wir wurden letzt recht in Angst gesetzt, denn wir hörten, der Herr Geheimerath Goethe. wäre so sehr krank in Neustadt; Neustadt an der Orla. recht gut ist's, daß die Krankheit nicht so gefährlich war, als man sie bei uns machte.

Ihre liebe Mutter kommt nun wohl bald wieder, von Karlsbad zurück. ich freue mich so sehr, sie wieder zu sehen. Ach, ohne sie in unsrer Gegend zu wissen, ist es doch weniger hübsch hier! und im Sommer sind wir ihrer lieben Gesellschaft so gewohnt, aber nun ist ja die Zeit bald verflossen. Den 20sten will sie, habe ich gehört, wieder kommen.

* * *

Rudolstadt, den 17. Juni 88.

Wie geht es Ihnen? Sind Sie wohl recht froh jetzt? Das Rollen jedes Wagens macht Ihnen wohl Freude, weil Sie denken, es wäre der Geheimerath. – Ich erwarte eigentlich recht ungern Menschen, die mir lieb sind, weil sie mir immer nicht bald genug kommen können, und da werde ich am Ende ungeduldig. So weit wird es aber Ihr männlicher ernsthafter Geist nicht kommen lassen; ich weiß gar wohl, daß ich die Dinge als ein Mädchen ansehe; wir haben einmal lange keine Lanze über die Vortheile unsres Geschlechts gebrochen.

Schreiben Sie mir, wenn Sie können, bald wieder und recht viel vom Geheimerath. – Ich freue mich, daß er nun wieder in Deutschland ist, und nun wohl auch bald bei Ihnen; er wird Sie recht groß finden ...

* * *

Rudolstadt, den 30. Nov. 1788.

Wie leben Sie und mit was beschäftigen Sie sich eben? ... Ich lese so gern Reisebeschreibungen; es macht eine angenehme Empfindung, wenn man von dem kleinen Fleck Erde auch einen großen Teil der Welt sehen kann und sich dahin versetzen. Ich denke, Sie werden noch einmal hören, daß ich mit einem Schiff abgehe, um die Welt zu umsegeln; aber vorher denke ich doch, wir sehen uns noch. Es wird noch mancher Tropfen Wasser ins Meer fallen; wäre ich aber von Ihrem Geschlecht und fände nicht, was ich suchte, in unserm Weltteil, ich bedächte mich nicht einen Augenblick ...

 

An Schiller.

Weimar den 22. (Januar, 1790) gegen 4 (Freitag).

Du wirst heute früh auf einen Brief von uns gewartet haben. Es thut mir gar weh, daß wir nicht schrieben, mein Lieber, aber der unglückliche Postzettel war nicht bei der Hand, und wir sahen erst heute, als wir dachten, wir wollten Dir heute etwas sagen, daß es zu spät war. Morgen, denke ich, kommt das Botenmädchen von Jena. Es wird mir gar unheimlich, wenn ich denke, Du hast heute einen Brief erwartet. Morgen kommt Nachricht von Dir; mein Herz bedarf ihrer. Noch eine Schwägerin hat gestern geschrieben und sich gefreut, so einen würdigen Mann, wie Du, zum Schwager zu haben. Die beiden Beulwitzens Karoline von Beulwitz, Charlottens Schwester, und ihr Mann. werden Dich gar zu lieb kriegen. Es wäre gut, wenn die Fragerin ein intérèt du cœur für Dich hätte; da fragte sie nicht so viel; denn seit sie ihren Onkel lieb hat, fragt sie weniger.

Gestern hat uns Knebel gar schön einladen lassen, ein Mädchen zu hören, das auf der Harfe spielt. Die beiden Kalbschen Familien Frau Charlotte mit ihrem Mann und Eleonore, die Gattin des Präsidenten Knebel mit seiner Schwester. waren dort, Herders, die Stein und G. und Schardts. Die Steinschen Verwandten. Da war Knebel recht in seinem Glanz; es war aber artig bei ihm. In seinem Hause ist er mir erträglicher wie wo anders, weil er nicht so viel spricht. Wir, K.(alb)'s und die I.(mhoff) blieben zum Essen bei ihm und waren recht munter, denn die Herrn erzählten Gespenstergeschichten. Ich dachte fast, ich würde ein Gespräch mit der K.(alb) haben müssen, aber die Unterhaltung war immer allgemein, und wir waren Alle friedlich und einträchtig zusammen. Nein gewiß Lieber; sie ist nicht gemacht Dir zu gehören, sie hat so viel Härten in ihrem Wesen, die Dich nicht glücklich gemacht hätten. Unsre Verbindung wäre bei einem näheren Verhältnis mit Dir ganz zerstört worden; Du wärst gar nicht mehr für uns da gewesen. Wir wären uns fremder geworden und zuletzt ganz getrennt, denn sie hätte uns nicht in Deinem Herzen wissen mögen. Ein guter Genius bildete mein Wesen, um einst wohlthätig auf das Deine wirken zu können. Meine Stimmung, meine Art die Dinge anzusehen, wird Dich nie anstoßen, Dir nie widrige Gefühle geben; dies weiß ich gewiß; es ist nicht eine Hoffnung die mich täuschen wird und kann.

Ich muß jetzt aufhören, weil ich Anstalten machen muß, mich zu putzen; es ist heute Klubb und wird getanzt.

* * *

W(eimar), Dienstag den 2. Februar 1790 gegen 12.

Da ich jetzt Zeit habe, so muß ich Dir einiges über den Brief unsers Körner Körner hatte Schiller am 19. Januar 1790 einiges über Charlotte geschrieben, u. a.: »Ich sage bloß, daß ich kein competenter Richter über den Werth deiner Gattin bin, daß ich sie zu wenig gesehen habe, und daß ich mich jetzt bloß freue, weil Du Dich freust, nicht aus eigener Überzeugung ...« sagen, was mir, als ich ihn las, wohl gleich klar wurde, aber ich konnte es nicht so sagen, weil mein Kopf zu dumpf war. Ich glaube nicht, mein Geliebter, daß der Fall oft kommen könnte, daß ich Dich verkennen sollte. Ich habe schon oft seine Bemerkungen auch bei Dir gemacht und finde diese Züge so in Dein Wesen verflochten, daß sie unzertrennlich mit Dir sind; wenn Du auch Fehler hättest, würde ich nachsichtig sein. Es ist nicht Liebe, wenn man sich nur ein schönes Bild in der Seele entwirft und diesem selbst alle Vollkommenheiten gibt, sondern dieß ist Liebe, die Menschen so zu lieben wie wir sie finden, und, haben sie Schwachheiten, sie aufzunehmen mit einem Herzen voll Liebe. Meine Phantasie führt mich bei Dir gewiß nicht irre, mein Geliebter, Dein Bild steht klar und hell in meiner Seele, und auch Du hast, hoffe ich, das meinige so aufgefaßt; denn verlieren möchte ich nicht, wenn Du mich näher kennest.

Auch ich habe in mir bemerkt, wie meine zuweilen zu große Ernsthaftigkeit, eine gewisse Ruhe in mir und dann doch auch wieder ein Hang zur Schwermut, wie dies alles vielleicht zuweilen Dir das Bild meiner Liebe nicht so hell und wahr zeigen könnte, als ich sie im Herzen trage. Aber auch Du wirst Dich von den abwechselnden Gestalten meiner Seele nicht verführen lassen. Ich habe doch schon manches gelitten im Leben, manche schöne Hoffnung war mir geraubt; ach es gibt so manches, das einen betrüben kann! Die Erfahrungen, die ich gemacht habe, haben diesen Hang zur Schwermut in mir entwickelt; und nun kann ich's nicht ändern, wenn in manchen Momenten diese Seiten berührt werden, daß ich traurig bin. Ich möchte Dir meine Art zu sein recht vor Augen legen. Denn ich habe gern, wenn mich Menschen, die ich liebe, so kennen, wie ich bin ...

* * *

Abends gegen 8.

Guten Abend, theurer Lieber; was machst Du jetzt? O es wird schön sein, wenn ich Dir diese Frage thun kann, und nur eine Thür zu öffnen brauche. Ich wäre heute Abend recht glücklich, wenn ich mich recht pflegen könnte und ein interessantes Gespräch lesen oder hören könnte. Mein Kopf selbst ist nicht gut; er thut mir weh, und die feuchte Luft breitet ein Wehsein durch den ganzen Körper aus. Wie wohl wird der Frühling thun! Die Natur sprach mir lange nicht ans Herz; jetzt da ich glücklich und ruhig sein werde, wird sie mir viel geben. Seit zwei Jahren war ich immer zu viel mit meinem Herzen beschäftigt, und ich vernahm ihre Schönheit nicht so. Warst Du mit mir, so vergaß ich gern das Andere um mich her; warst Du fern, so erfüllte nur Sehnsucht mein Herz. Jetzt da ich weiß, daß wir einander gehören und Trennung nicht mehr uns immer nachfolgt, so wird es ganz anders fein, und die Welt wird in neuen Gestalten vor mir auftreten. Sage Paulussens Professor Heinr. Gottl. Eberhard Paulus und seine schriftstellernde Gattin Karoline. viel schöne Grüße; es ist mir recht heimlich unter ihnen und ich denke, wir werden manchen vergnügten Abend mit einander zubringen. Morgen hoffe ich von Dir zu hören. Leb wohl, mein theurer Lieber!

* * *

(Weimar) Sonntag früh (7. Februar 1790).

Guten Morgen, mein Teurer! Unsre Zeilen von gestern hast Du wohl richtig erhalten? Wir haben gestern Kabale und Liebe aufführen sehen, und es hat mich bewegt und recht unruhig gemacht. Sie haben es leidlich gegeben. Es war mir ein eigenes Gefühl, etwas von Dir zu hören. Aber fast erkennt dich mein Herz nicht in der Sprache, die darinnen herrscht, und jetzt könntest du nichts mehr so schreiben, glaub ich gewiß; schönere, sanftere Bilder erfüllen deine Seele jetzt; der Ton deiner Farben ist milder. Wie unterschieden ist nicht Karlos von diesem früheren Produkte deiner Muse! und wie viel mehr greift er ans Herz! Die Ackermann hat die Lady Milford sehr gut gespielt, und ihr Anstand war edel. Diesen Charakter hab' ich sehr lieb. Ich möchte wohl, wir könnten einmal nach Hamburg oder Mannheim reisen, um eins von deinen Stücken geben zu sehen ...

* * *

Mittwochs Nachmittag 2 Uhr (Juli 1790).

Mein Herz sehnt sich nach diesem Abend. Nur ein Laut vor dir mein Liebster, und es wird mir wohl!

Was machst du bei der entsetzlichen Hitze? Mir ist so warm; ich bin so kraftlos; aber Kräfte des Geistes bedarf man hier nicht, und ich bin so stille und lasse mich gehen, und lasse die Andern reden. Welch ein anderes schönes Leben ist es mit dir, du Liebster! O daß du immer fühlen könntest, wie viel du mir gibst! Ich kann dieß so wenig sagen, denn meine Gefühle sind so still; ich denke oft, wie viel ich dir zu sagen hätte, dich zu fragen, und ich sage doch so wenig, aber ich lebte immer so einsam; was ich dachte, theilte ich nur mit aus Furchtsamkeit, und daher wird es mir oft schwer, über die Dinge zu sprechen; es wird sich aber geben, der längere Umgang mit dir wird mir mehr Selbstvertrauen geben ...

 

An Schillers Vater.

Jena, den 24. Juli 1790.

Es ist recht lange, mein bester Vater, daß wir nichts von Ihnen und der lieben Mutter hörten, und wir sehnen uns herzlich, erwünschte Nachrichten von Ihnen zu erhalten. Daß wir vor einigen Wochen die Freude hatten, unsre liebe Reinwald Christophine Reinwald, geborene Schiller. zu sehen, wissen Sie. Es waren ein paar sehr angenehme Stunden, die wir miteinander verlebten; wie haben sie den Wunsch so stark und lebhaft wieder in meiner Seele erregt, Sie alle, meine liebsten Verwandten, einmal vereinigt zu sehen, wie schön wäre das! Doch der Himmel wird uns einst günstig sein und uns diese Freude geben, hofft mein Herz. So manche meiner Wünsche hat mir das Schicksal gegönnt, daß ich ihre Erfüllung gesehen habe, und sollte dieses allein nie möglich sein können? ...

Ich schreibe Ihnen heute nur, bester Vater, mein Schiller hat noch sehr viel zu tun; er schreibt die Geschichte des dreißigjährigen Kriegs für den historischen Kalender. Da dieses zu bestimmter Zeit fertig sein muß und er überdem seine Vorlesungen zu machen hat, so kann er jetzt gar keine Zeit zu seinem Vergnügen anwenden. Er ist aber wohl und vergnügt. Bester Vater, wie schön verfließt uns das Leben, möchten Sie mit uns sein, Sich unsres Glückes freuen! Lassen Sie bald von Sich hören und sagen Sie uns, daß Sie und die teure Mutter wohl sind; diese Nachrichten werden uns so innig freuen. Sagen Sie der besten Mutter viel, viel von uns beiden und auch den liebsten Schwestern. Ich werde ehestens der lieben Louise Luise Schiller, die spätere Frau Pfarrer Frankh. selbst schreiben; heute erlaubt es die Zeit nicht ...

 

An Schiller.

R.(udolstadt), den 27. Juli 90 gegen 12.

Alles schläft schon um mich her, aber ich kann nicht eher ruhen, bis ich dir, theurer Liebster, einen guten Abend gesagt habe, jetzt schläfst du wohl; ach mir ist's immer als müßte ich dich aufsuchen, als hörte ich den Laut deiner Stimme. Ohne dich ist das Leben mir nur ein Traum; ich bin nie da, wo ich scheinbar bin, sondern meine Seele, meine besten wärmsten Gefühle sind nach dir hin gerichtet. Wie lebst du? Um unsrer Liebe willen strenge dich nicht zu sehr an, mein einziger Lieber, arbeite nicht zu viel; es kann mir so angst werden, daß du dir doch wirklich schaden könntest.

 

An Christophine Reinwald.

Rudolstadt, den 23. Mai 1791.

Ich würde gewiß nicht so lange angestanden haben Ihnen zu schreiben, liebste Schwester, wenn nicht ein trauriger Zufall mich daran gehindert hätte. – Denselben Abend, nach Empfang Ihres lieben Briefes, wurde mein geliebter Schiller von einer so heftigen Beklemmung auf der Brust befallen, daß wir befürchteten, es wäre ein Stickfluß. Er selbst verlor den Mut, und wie mir nun sein mußte, können Sie fühlen. Er bekam darauf einen Fieberanfall, starken Frost u.s.w. Endlich entwickelte es sich, daß Krämpfe aus dem Unterleib herrührend der Grund des Übels waren. Noch einmal über den andern Tag kam ein heftiger Anfall, der noch schmerzlicher für mich war, weil er lange gewiß glaubte, seine Kräfte würden sich erschöpfen müssen, weil er sich so übernatürlich anstrengen mußte, um Luft zu haben. Aber auch dies ging vorüber, und wir hoffen nun, daß kein so heftiger Anfall wird wieder kommen können, weil jetzt alle Mittel angewendet sind dem Übel vorzubeugen. Unser hiesiger Arzt Conradi. ist sehr geschickt; auch ließen wir unsern Freund Hofrath Stark holen, der ihn schon in der vorigen Krankheit so meisterhaft behandelt hat. Der versichert bei Allem was heilig ist, die Gefahr wäre so nahe nicht bei dem vorigen Anfall gewesen, als Schiller, als wir es geglaubt hätten, und er sagt auch, daß es keine Folgen haben würde. Da er es so offen sagt, so glaube ich ihm sicher. Er sagt es nicht nur, um mich zu beruhigen, sondern es ist ihm Ernst. – Gestern vor 14 Tagen war der traurige Anfang der Krankheit. Seit dem Dienstag darauf ist kein so heftiger Anfall mehr gekommen, und nun bleibt es schon lange ganz aus; der Athem wird zuweilen noch unvermerkt kürzer; sonst spürt er gar nichts mehr. – Heute ist er zum erstenmal wieder mit uns im Garten gewesen, und es war in mir ein tiefes Gefühl des Dankes, daß ihn mir der Himmel wieder gegeben, daß ich mich wieder mit ihm der schönen Welt freuen kann. – Den lieben Eltern habe ich Mittwoch geschrieben. Ein Freund von uns, Herr von Adlerskron (der schon in Jena bei Schillers Krankheit so thätig war und ihn auch hier gepflegt hat und ein wahrer Trost für uns war), ist nach Stuttgart gegangen; der wird unsre Briefe selbst überbringen, und viel von uns erzählen; er hat versprochen, oft zu den lieben Eltern zu gehen.

 

An Fritz von Stein.

Erfurt, den 1,5. September 91.

Ich habe Ihnen schon lange schreiben wollen, aber es fand sich keine Zeit, denn ich habe mächtig viel Geschäfte, Vor Allem wollte ich Ihnen sagen, daß ich es gleich so ausgedacht hatte, daß Sie sollten in die letzte Stube, wo Schiller war, einquartiert werden. Sie haben mich nur nicht recht verstanden, merke ich. – Es ist mir gar lieb, daß wir Ihnen das Zimmer abgeben können; da sind Sie gut und bleiben uns nahe. Das große Zimmer haben wir im vorigen Winter gar nicht gebraucht; da kann es also jetzt recht gut Schillers Stube sein, überhaupt findet sich wenig Gelegenheit es sonst zu brauchen, weil wir keine Gesellschaften haben; die so bei uns sind, kommen doch in das Wohnzimmer. Wir sind vielleicht bald bei Ihnen, aber gewiß Anfang des Oktobers.

Jetzt hat Schiller Geschäfte, weil der Carlos gespielt wird.

Eben erhalt' ich Ihren Brief. Wenn Sie Ihre Gesellschaft nicht so gewiß arrangiert haben, so können Sie ja bei uns essen. Doch machen Sie das, wie es Ihnen am liebsten ist.

 

An Schillers Mutter.

Jena, den 19. September 1796

Liebste Mutter! So sehr wir leider voraus sehen mußten, solche traurige Nachrichten wie die heutigen zu erhalten, so weh haben sie uns doch getan. So ist denn unser lieber, guter Vater der lieben Nanette Nanette Schiller, die jüngste Schwester, war am 8, September 1796 gestorben. so früh nachgefolgt! Ich fühle lebhaft auch ihren Verlust aufs neue mit. –

Erhalten Sie, liebe, gute Mutter, sich Ihren Kindern recht lange, pflegen Sie Ihre Gesundheit recht und vertrauen Sie der Vorsehung. Ihre Kinder werden alles tun, was in ihren Kräften steht, Ihnen Ihren schmerzlichen Verlust zu erleichtern durch Trost und Teilnahme.

Möchten Sie die beiden kleinen Enkel sehen und sie Sie aufrichten können. Karl hat nun sein drittes Jahr zurückgelegt und macht uns mit jedem Tage mehr Freude; auch der kleine Ernst fängt an stärker zu werden und munter, und ich hoffe, er soll nach und nach immer mehr zunehmen; er war sehr schwächlich und ist's noch, aber doch ist er munter. Die gute Christine steht mir treulich bei und ist mir viel Trost!

Die lieben Schwestern umarme ich herzlich; auch dem Herrn Franckh Vikar in Gerlingen, der spätere Gatte von Luise Schiller. sagen Sie viele Empfehlungen von mir; er soll mir ein lieber Schwager sein, wenn er die gute Louise glücklich macht, wie sie es verdient.

 

An Schiller.

 

(Weimar) Sonnabend früh (17. Mai 1800).

Ich freue mich heute sehr, von dir zu hören, Schiller war im Jagdschloß Ettersburg, um dort »Maria Stuart« zu vollenden. denn diese kleine Abwesenheit dauert mir schon sehr lang, und mein Herz vermißt dich, Lieber.

Bei uns geht alles wohler als es sollte, denn die Kleine will keine Blatternfieber bekommen, gestern hätten sie sich heben müssen, Die Impfpocken des Kindes., und Huschke wollte, ich sollte ihr Wein geben, und ich gab ihr zwei Löffel Caravallos, aber es scheint heute, wo sie noch schläft, sich nichts gezeigt zu haben von Bedeutung. Stark kommt heute, der wird entscheiden, ob es Blattern sind, die gelten können. Goethe ist gestern Mittag gekommen, Von der Reise zur Leipziger Messe. ich ging durch Zufall an seinem Garten spazieren. Da kam er heraus und wir gingen mit einander, die Herzogin aufzusuchen, die beim Barre-Spiel war und uns schon von weitem gesehen hatte.

Goethe ist recht zufrieden von seiner Reise und sehr gesprächig und hat vielerlei erzählt. Morgen wird er dich besuchen.

Die Herzogin hat mir viel über Macbeth gesprochen, sie ist sehr davon erfreut und liebt überhaupt Shakespeare, sie eifert sehr gegen die, die sich über das Stück aufhalten und es gegen Mahomet stellen wollen und überhaupt die Franzosen dagegen erheben ...

Das Ernstchen Der 1796 geborene Sohn. ist gestern mit mir herumgezogen und ganz ernsthaft und feierlich neben der Herzogin hergegangen, sie hat ihn ins römische Haus geführt, das hat ihn gefreut. Es spricht sehr oft von Papa, und wenn es eine Kutsche sieht, denkt er du kommst wieder. Der gute Karl Der 1793 geborene älteste Sohn. hat eine große Sehnsucht, dich zu besuchen, und ich habe ihm gestern den Wald gezeigt, wo du wohnst. Da freute er sich sehr.

Cottas Paquet habe ich erbrochen, weil ich dachte, daß ein Brief seine Ankunft bestimmen wurde. Morgen über acht Tage käme er, denke ich. Das Geld habe ich in die Chatulle geschlossen, ich denke wohl, du läßt nicht alles hinkommen...

So wenig ich mich hier allein fühle, so sehr vermisse ich dich doch, Lieber, und die leeren Zimmer, wo ich dich nicht finde, sind mir gar traurig. Adieu, Adieu!

* * *

Mittwoch, den 9. Juli 1800.

Nur einen Gruß schreib' ich dir, Lieber, denn zu vielem läßt einem die Hitze nicht Zeit. Es ist erschrecklich warm bei uns, und wir verleben die Morgen und Mittage ganz ruhig und des Abends machen wir große Spaziergänge und fahren auch den Berg herauf, da ist es nicht zu angreifend. Die Gegend ist vortrefflich schön! ich genieße sie jetzt von neuem, da alle Wege so gut gemacht werden. So wohl es mir hier ist, so fehltst du mir doch, Lieber, und mein Karl und das kleine liebliche Kind. Der Er Der Sohn Ernst. ist wohl und artig, er bleibt recht in seiner eignen Natur, und wenn er noch so viel Kinder sieht, so spielt er allein oder nur mit einem. Er ist sehr umgänglich und folgt recht. Du wirst, denke ich mir, seine Entwickelung auch fühlen. Denn die fremden Menschen und Dinge haben ihn gebildet ...

 

An Fritz von Stein.

Weimar, 17. Februar 1801.

Daß Goethe so krank war, wissen Sie. Wir haben viel Angst seinetwegen gehabt. Es war eine Hirnentzündung nahe, und Stark hat ihn allein durch seine Schnelligkeit gerettet, hat eine starke Aderlaß thun lassen, die ganz entscheidend war. Wenn ich auch nicht fühlen könnte, was wir an Goethens Geist verloren hätten, so würde mir sein Verlust unendlich schmerzlich gewesen sein um Schillers willen, der in seiner Freundschaft durch die Nähe seines Geistes so reich ist, und der niemand wiederfinden könnte, an den er sich so anschlösse. Auch liebe ich Goethe so herzlich, daß ich mir die Welt ohne ihn schwer denken kann. Ob ich ihn hier gleich weniger sehe als in Jena, so lebe ich doch mit seinem Geist durch Schillers Mitteilung. Schiller ist fast täglich bei ihm. Daß wir Frauen nicht so sans façon in seinem Hause Eintritt haben können und wollen, hängt von seinen inneren Verhältnissen ab. Obgleich Schiller selbst nie die Dame des Hauses Christiane Vulpius. als Gesellschafterin sieht und sie nie bei Tisch erscheint, so könnten doch andere Menschen es nicht glauben, daß sie sich verberge, wenn unsereins auch diese Gesellschaft teilte. Sie wissen am besten, wie die Menschen hier sind, wie sie lauern u.s.w. Man wäre vor tausend Erdichtungen nicht sicher.

 

An Schiller.

Jena den 20. August 1804.

Die ersten Zeilen, die ich jetzt schreibe, sind an dich, Lieber, gerichtet! Ich muß mein Gefühl zusammenhalten, um die Ruhe mir zu erhalten, die mir jetzt noch nötig ist, denn es liegt so manches Trübe hinter uns, seit wir hier waren, Nach dem harten Krankheitsanfall Ende Juli. das vorüber ist, Gottlob! – Du fehlst mir jetzt wie immer, doch hoffe ich, daß es dir besser war, den Ort zu verändern, da du auch so manche Erinnerung an vergangene Übel in deinem Zimmer hattest; so begreife ich, wie deine jetzigen Umgebungen dir heilsamer sind und will gern die Trennung der wenigen Tage (die ich doch im Stillen oft zähle) ertragen. Ich hatte Sonntag Abend noch arges Reißen im Kopf und Zähnen und schlief die Nacht wenig, gestern war der Kopf wohl ein Bischen angegriffen, aber Tropfen vom Stark haben mir eine ruhige Nacht gemacht, und heut ist nur der Backen noch ein bischen dick, aber kein Schmerz mehr. Ich könnte ausgehen, wenn die Luft nicht so scharf wäre, und ich möchte mich auch gern für Donnerstag schonen. Die Familie ist wohl, die kleine Emilie Geboren am 25. Juli. schläft ruhig und schreit weniger und ist behaglich, Karoline ist wohl und plappert nach ihrer weise ...

 

An Fritz von Stein.

Weimar, den 9. October 1804.

Daß wir Ihren Hochzeitstag Fritz hatte sich mit Helene von Stosch vermählt. auch gefeiert haben, hat Ihnen die liebe Mutter erzählt.

Dieses Jahr war sehr stürmisch für mich, und ich sehe mich zuweilen verwundert um, ob es auch wahr sei, daß ich noch da bin und noch Alles besitze und sogar noch meinen Reichthum durch ein kleines liebes Wesen vermehrt sehe, das mir seit ihrem Eintritt in die Welt durch sich selbst nur Freude gemacht hat; denn es ist ein liebliches Kind, so brav und ruhig und freundlich, wie ich wenig Kinder sah. Die kleine Emilie ist auch Ihrer Liebe empfohlen. Schillers Krankheit war schrecklich, gerade in dem Moment, wo ich am schwächsten war! (Es ist mir, als sei ich an einem Abgrund vorübergegangen. Er hat sich sehr erholt, seinen geistigen Kräften nach; aber muß sich doch sehr schonen, und jetzt hat er so leicht Disposition zum Katarrh, daß er sich gleich erkältet; er hat auch jetzt den Husten und darf bei diesen kalten feuchten Tagen nicht ausgehen. – Er freut sich herzlich Ihres Glücks und sieht nun auch einen seiner liebsten Wünsche erfüllt, daß er Sie nicht so isoliert mehr weiß; er meint, Sie hätten so viel Sinn für eine häusliche glückliche Existenz, daß Sie es verdienen sie zu fühlen. – Kommen Sie beide nur bald zu uns! Ich sehe Helenchen schon im Geist aus der goldenen Tasse trinken; sie soll wie eine liebe Schwester empfangen werden. Große schöne blaue Augen, und ein freundliches, heiteres Gesicht; aber doch ein bischen ernsthaft dabei; sie hat eine elegante Gestalt und ist zierlich in Allem, was sie vornimmt. So lebt sie in meiner Imagination, und ich glaube, ich habe Recht in der Wirklichkeit ...

* * *

Weimar, den 27. Dezember 1804.

... Schiller grüßt Sie herzlich, lieber Freund, und bittet Sie, dieses kleine Andenken Den »Wilhelm Tell«. auf den Tisch Ihrer lieben Frau Gemahlin zu legen, und ihr dabei zu sagen, wie sehr wir beide Sie lieben und ehren und welche Rechte der Freundschaft wir auf ihr Herz auch legen, dadurch daß sie Ihre Frau ist und daß sie Sie glücklich macht. – Nehmen Sie den einfachen Sohn der Schweiz auf. – Ich liebe den Tell auf eine wunderbare Weise; ich finde die Schweiz so lebendig darin wieder, daß ich aus Sehnsucht weinen mußte, als mir Schiller die ersten Szenen vorlas.

Wir waren beide krank in den letzten Wochen, seit ich Ihnen schrieb, und Schiller hat noch einen hartnäckigen Husten.

Wir waren eben mit der lieben Mutter, ich und meine Schwester und kleine Tante bei Goethe, wo die Herzogin Louise auch war, wo wir uns an den Abguß der Minerva von Velletri ergötzt haben; Goethe hat ihn bekommen und aufgestellt. Es ist ein eigner hoher Geist darin und dabei so lieblich und rein. Es ist das in dem Sinn, nur als Charakter der Minerva gedacht, wie die große Juno; mit dieser Art Eindruck kann man es vergleichen, den jene aufs Gemüt macht; nur ist doch die Minerva menschlicher als die Juno ...

* * *

Weimar, den 22. August 1805.

Ihr Anteil, Ihr Gefühl für Schiller ist das rechte; Antwort auf Fritzens Beileidsbrief zum Tode Schillers. so sollten alle seine Freunde für ihn fühlen. Einen solchen Menschen kann man nicht genug beweinen, sein Andenken nicht heilig genug bewahren. Lassen Sie ihn ewig unter Sich leben. Ihre Kinder noch sollen unsern geliebten, ihnen unbekannten Freund ehren als ein gutes wohlthätiges Wesen. Theilen Sie Ihnen Ihre Gefühle für Schiller mit. Er lebt uns, auch da wo er von uns ist. Seine Stimme, sein Geist erscheint uns in seinen Werken. Ich habe mir oft schon Trost aus Stellen geschöpft, die ich für mein Gefühl anwendete, und die lebendig an mein Herz sprachen. – Ich möchte sagen von mir, je länger ich ohne Schiller leben muß, je tiefer fühle ich die Entfernung; diese tiefe innige Sehnsucht nimmt zu. Mein Geist sucht vergebens etwas, an das er sich halten könnte, und die Dunkelheit ist so schrecklich! Ich verliere ihn immer von Neuem. – Aber ich habe an Muth fürs Leben doch gewonnen; ich halte mich an das Geistige und Unsichtbare mit meinem Gemüth und lebe das gewöhnliche Leben mit stiller Resignation. – Die Welt ist mir nicht fremd; durch meine Kinder muß ich mit ihr leben, muß ihretwillen Verbindungen suchen und festhalten. Der ewige Anblick meines Schmerzens würde meine Kinder, die doch gerne froh sind, denen ich das Leben leicht machen muß, von mir entfernen; ich würde ihnen fremd werden, wenn sie mir ihre Stimmung verbergen müßten. Dies alles sind meine Gründe, die mir Muth einflößen fürs Leben, und es ist mir oft, als erhebe eine unsichtbare Gewalt mein Gemüth. – An dem Ende meiner Laufbahn hofft mein Herz das wieder zu finden, was mich hier so glücklich machte. – Ich kann mich oft recht sehnen nach dem Tod; aber doch fühle ich wieder, daß ich suchen muß für meine Kinder mich zu erhalten ...

 

An Zacharias Becker in Gotha.

Rat Becker hatte einige Aufführungen zum Besten der Hinterbliebenen Schillers veranlaßt

Weimar, den 6. April 1806.

Obgleich meine Schwester Ihnen, verehrter Mann! meine Gefühle der Dankbarkeit ausgedrückt hat und Ihr Herz sich die Empfindungen des meinigen deuten kann, ohne diese Versicherung, so danke ich Ihnen auch dafür, daß Sie mir Veranlassung gaben, Ihnen schreiben zu dürfen.

Ich danke Ihnen für den schönen Willen, das heilige Andenken meines geliebten Schiller auf eine Art für die Nachwelt zu gründen, die seinem Herzen auch die liebste sein würde, denn die zärtliche Vorsorge für seine Familie war seinem Geist oft nahe. Es freut mich, daß Sie meine Kinder durch die Bande der Dankbarkeit an ihr Vaterland und ihre Nation knüpfen wollen. Sie werden sie anfeuern, ihre Kräfte dazu anzuwenden, dieser Nation zu zeigen, daß sie des Namens, den sie tragen, nicht unwerth sind. Der Geist ihres Vaters wird auf ihnen ruhen, und obgleich sich solche Naturen nicht so schnell einander folgen können, so wird sein Gemüth das Erbtheil seiner Kinder sein.

Wofür ich Ihnen aber mit inniger herzlicher Wehmuth danke, mein verehrter Freund, dieses ist für Ihre Thränen um Schiller. Ihre gütigen, freundlichen Bemühungen für meine Familie, für Schillers Kinder, werden mir durch diese Thränen noch lieber, ich fühle tiefer, welchem Herzen ich die einzige Beruhigung verdanke, die ich noch hier finden kann nach dem Bestreben, meine Kinder zu guten Menschen zu bilden, sie in keiner ganz ungünstigen Lage zu wissen. Wenn auch Ihr Plan nicht so gelänge, als Ihre Freundschaft es wünschte, so ist der lebhafte Antheil einiger guten Menschen schon ein Gut für meine Kinder, daß sie gern Ihnen verdanken werden, und der Glaube, daß man ihren edlen Vater anerkannte, daß seine Nation seinen Verlust so fühlte, wird sie zur Übung ihrer eigenen Kräfte anfeuern ...

* * *

Weimar, den 1. August 1806.

Ich hatte recht auf dem Herzen, werther Freund, Ihnen zu schreiben und Ihnen noch zu sagen, wie erfreulich uns Ihr Besuch war, und wie heilig mir das Gefühl Ihrer thätigen Freundschaft für Schiller im Herzen lebt! wie ich Ihnen nicht mit Worten dafür danken kann, fühlen Sie. Sie haben mir ein Gefühl lebendig erweckt, das mich aufrichtet, mir Muth zum Leben gibt, denn ich kann nur noch in Andern leben und die reine edle Freundschaft, die dem Trieb eines wohlwollenden Herzens folgt und sich durch That zeigt, ist mir eine so schöne Erscheinung, die ich doppelt fühle, wie wert sie mir sein muß, da der rege Eifer, mit dem Sic für das Liebste sorgen möchten, was mir geblieben, für Schillers geliebte Kinder, auch mich doppelt rühren und ergreifen muß. Ihr Herz ist Ihnen schon eine Belohnung, und ich hoffe, dieses Herz soll auch immer den ungestörten Genuß haben im Leben, daß das Gute anerkannt wird.

Ich hätte Ihnen früher geschrieben und Ihnen gern recht ein lebendiges Gefühl meiner Dankbarkeit geben mögen, aber da kam Ihr Brief und meldete uns Ihre Reise nach Pyrmont, zu der mir aus vollem Herzen allen Segen wünschen; ich fürchtete, Sie dort zu verfehlen und sende also die Einlage gerade nach Gotha, wo Ihre liebe Familie Ihnen den Brief aufheben wird, der Sie recht freundlich begrüßen soll und Ihnen unsre guten Wünsche aussprechen. Mein Schwager, der nun recht lebhaft an Krücken herumwandelt, so daß man meint, er braucht sie nur aus Scherz, wenn er fest steht, wird vielleicht die Freude haben, Sie zu besuchen, denn er muß ein Bad brauchen zur Stärkung. Ich denke, wenn die Gegenden ruhig bleiben, so kann er gegen Mitte dieses Monats abreisen. Ich gehe nächste Woche auf einige Wochen nach Rudolstadt mit meiner ganzen Familie ...

* * *

Weimar, den 8. Juni 1818.

Das Gefühl, daß ich Schillers Werke Ihnen geben konnte, ist mir selbst ein Genuß des Herzens, denn ich kann nur durch den Willen bezeigen, wie meine Dankbarkeit für Sie stets dauernd in meinem Gemüt lebt.

Gott segne Sie mit Ihren Lieben nah und fern.

 

An Fritz von Stein.

Weimar, den 8. Mai 1821.

Ihre liebe Tochter Marie von Stein, spätere Frau von Zobeltitz hat die Großmama nicht so angegriffen gefunden, als ich befürchtete, und das freut mich. Auch weiß ich wohl, daß die Jugend einen andern Maßstab hat, und wo mir noch im späteren Alter einen Nachlaß der Kräfte empfinden, hält dies die Jugend, die uns schon selbst älter nimmt, als wir uns selbst, für den Lauf der Natur. Auch weiß ich wohl, daß ich bedenken soll, daß Ihre geliebte Mutter nahe an achtzig ist, und daß ich sie oft noch vergleiche mit den Zeiten, wo sie noch alle Kräfte besaß. Geistig ist sie aber öfter sehr kräftig, und Alles, was ihr Nachdenken erweckt und ihren Geist beschäftigt, kann sie lebendig interessieren. Auch für Poesie ist sie sehr empfänglich, wenn der Körper nicht gedrückt ist. So freut sie sich sehr an Herders philosophischen Gedichten. Dieser Hang zu höheren, ernsteren Ansichten hat ihr ihre Jugend, wie ihr Alter verschönert. Schiller liebte diesen Zug ihres Lebens so und hat mir es oft gesagt ...

 

An Karoline von Humboldt.

Rudolstadt, den 6. Julius 1822.

Ich danke es der lieben Fürstin gerne, daß sie mich bestimmt dir jetzt zu schreiben, theure Geliebte! Denn ich bin so oft im Geiste bei dir, ohne es zu sagen, daß ich regelmäßige Mitteilungen zur Größe der Freundschaft nicht nothwendig halte, doch ist eine freundliche Begegnung, wo wir uns wieder fest an einander schließen und fühlen, daß der beste Teil unseres Wesens nie getrennt werden kann, doch auch tröstlich. Mein Gefühl sagt mir auch, daß wir uns niemals fremd werden, noch werden können. Ich bin seit acht Wochen beinahe hier und fand die liebsten Umgebungen leidend, abgestumpft und schwach, seit dem Jahr, wo ich nicht hier war. Die gute Mutter an der Spitze; freilich bei einem Alter von 79 Jahren muß man sich über die lichthellen Momente erfreuen, aber es schmerzt doch auch, diese verschwinden zu sehen und nicht mehr auf Wiederkehr des Verschwundenen rechnen zu dürfen.

Die Fürstin hingegen, deren Kräfte durch Kränklichkeit entschwinden, ist geistig kräftiger, belebter als je und ist sehr empfindlich für alles Große und Schöne. Ich verstehe es recht an ihr wie an mir, was Herder sagte, als er sich sterbend fühlte. Eine einzige große Idee würde mich wieder stärken, wieder aufleben lassen.

Mich ermüdet so vieles jetzt, und raubt mir die freie Bewegung meines Geistes, daß ich diese Zustände recht begreife; doch bin ich froh, daß ich manches nicht thun muß im äußern Leben, was an die Existenz einer Prinzessin geknüpft ist.

Wäre ich es nicht meinen Töchtern schuldig, sie noch durch Gesellschaft, durch Menschenbeobachtung auszubilden, so wünschte ich für mich selbst recht ganz still zu leben in der Welt meines Herzens.

Die schöne Entwicklung seiner Kräfte und Fähigkeiten, die Ernst in seiner jetzigen Laufbahn zu Theil wird, ist mir eine rührende Erscheinung gewesen, als ich vorigen Sommer in Köln war. Daß ich dabei mit Rührung und Dank an Humboldt dachte, dessen Antheil und Streben ich dieses Gefühl verdanken muß, hoffe ich, versteht dein Herz? ...


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