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Und nun, nach einer endlichen Frist von sieben Tagen, kam der Rechtstag heran. Der Kaiser hatte beide Teile nach Wiener-Neustadt berufen. Im großen Saal des Schlosses stand zwischen zwei nach den Beratungszimmern führenden Türen, die durch Vorhänge verhüllt waren, auf einem Stufenunterbau der Thronsessel des Kaisers unter einem von vergoldeten Stangen getragenen Purpurbaldachin. Die Hinterwand bildete eine Tapete von schwerer gelber Seide, in die der schwarze Reichsadler eingestickt war. Ein dicker persischer Teppich hatte Mühe, sich den Stufen anzuschmiegen, und reichte bis auf die mit rotem Tuch beschlagene Estrade, die weniger hoch in den Saal vorgebaut und rings mit Schranken umgeben war. Es stand darauf ein langer Tisch; Sessel waren hinter demselben und zu beiden Seiten aufgestellt, der mittelste ausgezeichnet durch eine hohe vergoldete Lehne und Purpurkissen. Auf dem Tisch hatte ein großes Kruzifix von Ebenholz und Elfenbein Platz; auch lagen darauf einige mächtige Folianten in ledernen Einbänden mit silbernen Spangen. Außerhalb der vorderen Schranke zu ebener Erde zeigten sich zwei Tische rechts und links, an jedem auch einige niedrige Sessel. An den Wänden des Saales liefen Holzbänke hin, die mit Polstern belegt waren. Durch die Glasmalerei der hohen Spitzbogenfenster fiel farbiges Licht auf das Marmorgetäfel des Fußbodens.
Schon frühmorgens standen Türhüter in Heroldsröcken mit dem Adler auf der Brust und mit Hellebarden bewaffnet vor allen Eingängen. Sie ließen niemand zu, der sich nicht als beteiligt bei dem Rechtsstreit ausweisen konnte. Am pünktlichsten erschienen die Ordensabgesandten, der Bischof Franz von Ermland im Ornat mit Kette und Kreuz, aber ohne Stab, die Ordensritter Heinrich Reuß von Plauen und Georg von Eglofstein in ihren langen, weißen Mänteln mit schwarzem Kreuz und barettartigen weißen, ebenfalls mit dem Kreuz geschmückten Mützen, dazu der ermländische Domherr und hochmeisterliche Rat Laurentius Blumenau, ein sehr gelehrter und geschäftskundiger Herr, für die bischöflichen Kapitel. Sie nahmen rechts auf der Bank Platz. Es folgten ihnen ihre Advokaten, Dr. Peter Knorr, Probst zu Wetzlar, und Dr. Gregor Heumburg aus Nürnberg, beide durch große Jahrgehalte für den Dienst des Ordens gewonnen. Sie traten an den Tisch rechts und breiteten ihre Schriften aus.
Bald darauf schritten auch die Sendboten in den Saal, sechs an der Zahl, Gabriel von Baisen mit einer Binde um den Kopf, die kaum einen ernstlichen Zweck hatte, da die Wunde längst geschlossen war, aber recht offensichtlich wegen des Überfalls Klage erhob. Sie hatten sich im Schloßhof ein wenig verweilt, um die Gegner zuerst eintreten und warten zu lassen. Sie grüßten steif und setzten sich auf die Bank links, sehr bald ein munteres Gespräch beginnend, als brauchten sie wegen des Ausfalls des Prozesses nicht in Sorge zu sein. Mit ihnen kam ihr Prokurator Meister Martin Mayer, in schwarzer Robe und bedeckt mit dem Doktorhut. Er trat an den Tisch links. Zwei Diener trugen ihm die eisenbeschlagene Lade mit den Schriften und Dokumenten des Bundes nach.
Nun klopfte einer der Türhüter mit der Hellebarde an die Tür links vom Thronsessel. Sie öffnete sich, und es erschienen in langem Zuge einzeln die vom Kaiser ernannten Gerichtsbeisitzer, voran Aeneas Silvius, päpstlicher Legat, dann der Propst von Neustadt, vier adlige Richter, zwei Doctores juris, sechs kaiserliche Räte, endlich die Räte der Kurfürsten und Fürsten des Reichs, nämlich der Erzbischöfe von Mainz und Köln, des Pfalzgrafen bei Rhein, der Bischöfe von Bamberg, Augsburg, Aystät, der Herzöge Albrecht und Ludwig von Bayern, des Markgrafen von Brandenburg und des Grafen von Württemberg. Die Richter und Doktoren nahmen am langen Tisch rechts und links von dem Legaten Platz, die kaiserlichen und fürstlichen Räte auf den Stühlen zu beiden Seiten. Die Parteien und ihre Vertreter standen auf und verneigten sich tief, blieben auch stehen, bis jene sich gesetzt hatten.
Darauf wurde Sr. Majestät gemeldet, daß das Gericht bestellt sei. Es dauerte aber noch eine Weile, bis die Tür rechts geöffnet wurde, zwei Pagen vortraten und die Vorhänge forthoben. Sechs andere Pagen, alle gleich gekleidet mit Röcken von blauem Samt mit seidenen Schleifen auf der Achsel, stellten sich auf die Stufen. Es folgten zwei Stabträger, einige hohe Palastbeamte in reichen Gewändern, des Kaisers Kanzler, dann der Kaiser selbst, begleitet von zwei Geistlichen, dann eine Schar von Edelleuten und Kammerherren. Pagen schlossen den Zug.
Als dann der Kaiser auf seinem Stuhl Platz genommen und auch seinen Räten gewinkt hatte, sich zu setzen, eröffnete der Kanzler in seinem Namen, als des verwilligten Richters, den Rechtstag, und forderte den Orden auf, seine Klage vorzubringen. Für ihn sprach Peter Knorr mit lauter Stimme. Er trug vor, wie Länder und Städte in Preußen in dem vierzigsten Jahre Christi vierzehnhundert ohne Grund und Recht aus eigenem Mutwillen ohne Erlaubnis und trotz Abraten ihrer Herren »einen übermäßig schweren, unrechtlichen Bund, Einung und Verschreibung gemacht und darin Artikel und Kapitel aufgesetzt hätten, die wider göttlich, natürlich, geistlich und kaiserlich Recht, die goldene Bulle, der Kirche und des Ordens Freiheit und gute Sitten, Vernunft und löbliche Gewohnheit seien und sich mit den Eiden, die sie ihren Herren in der Erbhuldigung getan haben, nicht vertragen mögen.« Er erbot sich, dies alles aus dem Bundesbrief zu erweisen, ließ ihn nach der Abschrift, die dem Legaten Ludwig de Silves gegeben war, Artikel für Artikel verlesen und glossierte dieselben scharf. »Der Bund ist wider göttlich Recht«, rief er, »denn es ist geschrieben in dem Buch der Könige: wer seinem Fürsten ungehorsam wird, der soll darum sterben! Sie sind auch aller ihrer Lehngüter verfallen. Das ist vorgesehen in dem Buch der Könige im Gleichnisse, da Saul der König durch seinen ungehorsamen Willen von Gott dem Herrn des Reichs entsetzet ward. So auch in dem neuen Gesetz oder Testament spricht St. Peter in seiner Epistel: Ihr sollet sein gehorsam euren Obersten, nicht allein den frommen, sondern auch den verlassenen und bösen. Christus hat auch seinen Gehorsam erzeigt gegen seinen Vater und hat gelitten den Tod zur Erlösung alles menschlichen Geschlechts, aber die Bundesgenossen haben dem nicht Nachfolge getan bei Errichtung des Bundes, den sie wider Willen und Verbot der Herrschaft gemacht haben, darin sie freventlich gestanden sind bisher und noch stehen, das göttliche Gesetz von dem Gehorsam verachtend. Der Bund ist auch gegen natürliches Recht, das lauter spricht: Was du nicht willst, daß dir geschehe, das sollst du einem andern nicht tun. Nun ist kein Edelmann oder Stadtherr in dem Bunde, der da wollte, daß ihm seine armen Leute, Untertanen oder Diener ein Regiment sollten setzen, daß er sollt leben nach ihrem Gefallen oder nach ihrem Verlust eine Ordnung in seine Gerechtigkeit machen sollte, dazu er um ihretwillen verbunden sein sollte. Darum sollen die Bundesgenossen solches gegen ihren Herrn auch nicht vorgenommen haben!« So ging er alle die verletzten Rechte durch und verlangte in seinem Antrage: Untersagung und Aufhebung des Bundes, Auflegung einer Poen gemäß Kaiserrecht, goldner Bulle, kaiserlichen Freiheiten und Bestätigungen, Rückzahlung alles vom Bunde eingenommenen Schosses und Wiedereinsetzung der Kläger in die Gewehre ihrer Gerechtigkeit, deren sie durch die Bundesgenossen entwehret worden.
Diese lange Rede hörte der Kaiser mit ziemlicher Gelassenheit an, ohne die Miene zu verziehen; die fürstlichen Räte aber, denen Herr Peter Knorr recht aus dem Herzen sprach, hielten mit Beifallsbezeigungen nicht zurück, nickten dem Redner zu und flüsterten einander ins Ohr, so daß die Bundesabgesandten wohl merken mußten, wie sie gegen ihre Partei eingenommen seien. Sie erbaten für ihre Antwort einen anderen Tag, der ihnen auch auf den Mittwoch gesetzt wurde. Hier entgegnete Dr. Martin Mayer in einer langen Rede, Punkt für Punkt des Ordens Anklage widerlegend. Mit Fug und Recht sei der Bund errichtet, auch vom damaligen Hochmeister und seinen Gebietigern genehmigt, auch selbst vom römischen König anerkannt. Und dieses seien die »Ursachen« des Bundes! Nun brachte er alle Beschwerden von Ländern und Städten gegen die Kreuzherren einzeln und mit viel Nachdruck der Beredsamkeit vor, wie sie durch ihre Uneinigkeit und Zwietracht das Land in Verfall gebracht und in schwere Kriege verwickelt, zu Unrecht Zoll erhoben, der Untersassen Privilegien gekürzt und in vielen namhaften Fällen erschreckliche Gewalttätigkeiten verübt hätten, so daß Ländern und Städten keine andere Rettung geblieben sei, als in solchem nach natürlichem Recht der Notwehr erlaubten und in keinen geschriebenen Rechten verbotenen Bündnis, das des Ordens und der Prälaten Freiheit in alle Wege unangetastet lasse. »Alle diese Dinge, wie vorgetragen, sind in der Geschichte und in der Tat bestehend«, schloß er. »Sollten die Herren des Ordens sie alle oder einesteils in Abrede stellen, so erbieten Ritterschaft und Städte sich, davon so viel zu beweisen, als Ew. Kaiserlicher Majestät zum Rechtsspruch genug dünkt, hoffen und vertrauen auch, daß sie im Gericht zu solcher Beweisung gelassen, ihnen dazu auch geraume Zeit und Tage gegeben werden. Und scheinen ihnen sechs Monate billig in Anbetracht, daß die Beweisung in einer anderen fernen Provinz geschehen muß, wohin und woher die Wege unsicher, dort auch die Zeugen über die Dinge, die sich im Lande Preußen begeben, zu vernehmen sind. Darum stelle ich vorerst allein zum Erkenntnis, ob wir zu der Beweisung gelassen werden und einen Tag dazu gesetzt bekommen. Ob ich dann meinen Rechtssatz von meiner Partei wegen zu gebührlichen Zeiten auf die Klage auch tun werde, das will ich mir vorbehalten.«
Diese feingesetzte und schonungslos angreifende Rede erregte den offenbaren Unwillen der fürstlichen Räte, so daß sie öfters in lautes Lachen ausbrachen oder höhnische Bemerkungen einfügten und mit den Füßen scharrten, wenn ihnen ein Satz zu lang dünkte. Tileman vom Wege hatte Mühe, nicht mit einem Tadel vorzubrechen und in der Kaiserlichen Majestät Gegenwart an sich zu halten. Gabriel von Baisen aber sprang wiederholt von seinem Sitz auf und drohte mit aufgehobener Hand zu den Ordensabgesandten hinüber, die ihre Freude über diese schlechte Aufnahme des gegnerischen Vorbringens nicht verbargen.
Darauf nahm Dr. Knorr wieder das Wort, widerlegte die Stichhaltigkeit der Beschwerden und rief: »Ew. Kaiserliche Majestät wolle den Aufschub nicht bewilligen. Denn wenn sie auch das alles bewiesen hätten, wofür sie sich zum Beweise erbieten, so würden sie doch nicht genug zum Rechten erwiesen haben, daß ihnen gebühret und geziemet hätte, solchen Bund zu machen. Wie auch die Rechte sprechen, daß der umsonst zu weisen gelassen werde, der weisen wolle, was zu seinem Recht nicht erheblich.«
Nachdem sodann des Bundes Redner nochmals geantwortet und ein Versuch der Sühne fruchtlos ausgefallen, setzte der Kaiser einen Tag zur Schlußverhandlung, damit er, seine Räte und Beisitzer den Rechtsspruch um so gründlicher tun könnten und niemand sich verkürzt bedünken möchte. Nachdem dann beide Teile nochmals gehört, wurde »zu Recht einhelliglich erkannt, daß denen von der Mannschaft, Ritterschaft und Städten des Bundes in Preußen, als sie ihre Tage zur Beweisung begehrt haben, solche Tage nicht zu geben seien, und solle weiter in der Sache geschehen, was Recht ist.«
Während der Kanzler, auf der untersten Stufe des Thrones stehend, diesen Vorbescheid verlas, horchten die auf der linken Seite mit gespannter Erwartung. Hing doch an dieser Zulassung des Beweises ihre ganze Hoffnung. Als nun der Spruch gegen sie fiel, hielten sie kaum ihre Erregung zurück. Einige waren bestürzt andere bissen wütend die Zähne zusammen; nur Tileman vom Wege begnügte sich mit einem spöttischen Lächeln: er hatte keinen anderen Ausfall erwartet. Die Ordensabgesandten waren nicht überrascht, sie hatten schon unter der Hand erfahren, wie jedenfalls erkannt werden würde. Aber die beiden Gebietiger schienen einen halben Fuß gewachsen zu sein, so hoch hoben sie das Haupt, während der Bischof Franz mit vielleicht nicht ganz aufrichtiger Demut zur Erde schaute. Das Hauptbollwerk des Bundes war genommen. Die Bündischen selbst sahen keine weitere Möglichkeit der Verteidigung. Wider Vermuten aber wagte ihr kluger Sachwalter noch einen Vorstoß. Er bat, ihn noch einmal zum Worte zu verstatten, und sagte auf des Kanzlers Wink: »Durchlauchtigster, großmächtigster, allergnädigster Kaiser und Herr! Durch Ew. Majestät Spruch ist dargetan, daß die von uns gemeldeten Ursachen nicht für genugsam angesehen sind, die Artikel des Bundes zu begründen, dessen wir uns gehorsamst bescheiden. Haben die Ursachen aber auch solche Kraft nicht, so sind sie doch genugsam zum Erweise, daß meine Partei in keine Poen verfallen sein kann. Darum geruhe Ew. Majestät den angetretenen Beweis zu solchem Zweck gleichwohl zuzulassen.«
Dr. Knorr widersprach eifrig. Der Kaiser ließ beide Teile abtreten, um mit seinen Räten zu beraten. Darauf ließ er verkünden, daß auch dieser Antrag abgewiesen sei und in der Hauptsache erkannt werden solle.
Der Anwalt des Ordens bat, seiner Partei auch über diesen Bescheid Brief und Urkunde zu geben, der des Bundes dagegen erhob feierlich Protest. Auch jetzt noch hatte er ein Angriffsmittel im Rückhalt und zögerte nicht, es zu gebrauchen. Bisher sei nur über des Ordens Klage verhandelt, wendete er ein; dem Bunde müsse gestattet werden, jetzt seine Widerklage anzubringen und auszuführen; dann erst könne in der Sache der Rechtsspruch ergehen. Die Ordensgesandten sahen einander ganz verblüfft an, und auch auf der Tribüne entstand merkliche Unruhe. Dr. Knorr erhob den Einwand, daß sich der Bund der eigenen Klage begeben habe, was dem Kaiser doch nicht schien einleuchten zu wollen. Er neigte sich zu seinem Kanzler und hörte dessen Meinung. Darauf ließ er verkünden, er werde am andern Tage die Entscheidung geben. Nun entfernten sich die Bündischen mit der Erklärung, daß sie auf ihrer Widerklage bestünden.
Als sie in ihre Herberge kamen, machten sie ihrem Ingrimm Luft. »Der Kaiser ist ein Richter des Ordens, nicht des Bundes«, schrie Hans von Tauer, »seine Parteilichkeit ist offenbar!« – »Habt ihr gesehen«, fragte Ramschel von Krixen, »was uns die kaiserlichen, kurfürstlichen Räte für Gesichter schnitten? Ihren Herren wie unsern ist der Bund ein Dorn im Auge. Es war alles vorher abgekartet.« – »Ihr Herren«, orakelte Wilhelm Jordan mit gerunzelter Stirn, »unsere Sache steht schief, und der Orden ist obenauf.« Der Kulmer Bürgermeister goß zwei Krüge Bier gleich nacheinander herunter und behielt doch eine trockene Zunge. »Aber wie kann das geschehen«, klagte er, »wie kann das von Rechts wegen geschehen?«
Tileman vom Wege reichte dem Meister Martin Mayer die Hand. »Ihr habt in der Sache getan, was in Eurer Macht stand«, sagte er ruhig. »Aber Ihr sehet Wohl, daß mit Rechtspraktiken, und wären sie die feinsten, hier nichts auszurichten ist. Wird uns der Beweis abgeschnitten, so sind wir schon gerichtet. Mich freilich wundert auch dies Verfahren nicht: der Kaiser weiß, was er den Fürsten schuldig ist, wenn er ein andermal wieder ihr Gläubiger sein will. Hier ist nur noch zu beraten, wie wir die Folgen des Spruchs von uns abwenden. Und so ist meine Meinung: der Kaiser ist nichts als ein gewillkürter Richter; nehmen wir nicht Recht bei ihm, so hat er's uns nicht zu sprechen. Und darum –«
»Aber er wird sich nicht hindern lassen«, wendete Matzkow ein, »und wie können wir ihn hindern?«
»Er wird sich nicht hindern lassen«, wiederholte Tileman mit leichtem Spott, »und wir können ihn nicht hindern, das weiß ich so gut als Ihr, Gevatter. Wenn ich aber dem Mächtigen nicht wehren kann, zuzuschlagen, so brauch' ich doch meinen Kopf nicht gerade hinzuhalten. Lassen wir diesen Rechtshandel zu seinem geordneten Ende kommen, so wird's in Preußen Tausende geben, die bedauernd sagen: Wir haben den Prozeß verloren und müssen uns fügen. Unterbrechen wir aber die Handlung und schlagen vor dem Spruch den Richter aus, so vergeben wir denen nichts, die ihm gehorsamen wollen, aber auch denen nichts, die sich mit mir auf den Satz stellen, daß das weitere Verfahren ohne unsere Beteiligung nichtig und ohne Kraft ist und ein gewillkürter Richter nimmer eine Partei in contumaciam kondemnieren kann. Also ziehen wir die Vollmacht zurück, die wir Meister Martin Mayer erteilt haben, und erklären unsere eigene Vollmacht für erledigt, da man uns geheißen hat, des Bundes Recht zu erweisen, der Kaiser aber den Beweis abgeschnitten. Mag daraus weiter geschehen, was wolle.«
Darauf einigte man sich nach einigem Hinundherreden. Es waren mit den Sendboten des Bundes auch noch andere Herren aus Thorn nach Wien gekommen, eigene Angelegenheiten zu erledigen, Lienhart Ehrengroß, Arnold von Lo und Heinrich Baierstorffer. Die schickten sie am andern Tag aufs Schloß, des Kaisers Bescheid anzuhören. Er lautete, wie vorhergesehen. Da sie aber keine Vollmacht zu weiterer Verhandlung hatten, auch sonst niemand für den Bund erschien, so drängte des Ordens Anwalt zur Endentscheidung.
Kaiser Friedrich und seine Räte merkten sofort, worauf dies hinaus wollte. Sie hatten sich eines solchen Schachzuges nicht versehen und hielten ihn für verdrießlich. Der Kaiser war nicht gewillt, sich mattsetzen zu lassen. Um sich Sicherheit zu schaffen, schickte er seinen Diener Jörgen Obdacher zu den Sendboten des Bundes in ihre Herberge und ließ ihnen verkünden, daß er sein Urteil sprechen wolle; sie möchten vor Gericht kommen und das hören. Meister Martin Mayer aber antwortete, er habe seine Gewalt aufgegeben, und es gebühre ihm daher nicht, sich noch ferner der Sachen rechtlich zu unterwinden. Tauer und Matzkow entschuldigten sich, sie hätten sich mit ihren Freunden nicht unterredet. Die andern ließen sich überhaupt nicht blicken.
Nachdem dies dem Kaiser gemeldet war, ließ er nach alter Gewohnheit des kaiserlichen Hofes durch einen geschworenen Türhüter im Portal des Palastes dreimal mit lauter Stimme die ausgebliebene Partei aufrufen. Da auch jetzt niemand erschien, ging er mit seinen Beisitzern zu Rate und erkannte zu Recht: »daß die von der Ritterschaft, Mannschaft und die von den Städten des Bundes in Preußen nicht billig den Bund getan, noch ihn zu tun Macht gehabt haben; daß auch derselbe Bund von unwürdigen Unkräften ab und vernichtet sei.« Die Entscheidung wegen der Poen und des Schosses wolle er in bester Meinung und den Sachen zugut an sich behalten.
So hob denn der Kaiser den Rechtstag auf, der nicht bis zum Schluß einen Verlauf nach seinen Wünschen genommen. Die Ordensabgesandten sagten ihm großen Dank, aber auch ihnen war nicht ganz Wohl zumut. Sie hatten nun ein Urteil, aber es blieb noch zu vollstrecken. »Gebe Gott, daß der Herr Hochmeister feststehe«, sagte Plauen besorgt.
An demselben Tage noch schickte Tileman vom Wege seinen Sohn mit einem Brief an den engeren Rat des Bundes nach Thorn ab. Er sollte in Eilritten den Weg zurücklegen. Er war in froher Stimmung. »Es ist gut so«, äußerte er sich, da die andern den Kopf hängen lassen wollten. »Alles unklare Wesen ist nun beseitigt. Es gibt nur noch zweierlei: sich unterwerfen oder für die Freiheit kämpfen! Ich habe mein Teil erwählt.«
Darauf kehrten die Abgesandten des Ordens und des Bundes in die Heimat auf verschiedenen Straßen zurück. Es galt, unterwegs heimlich die Rüstungen zu betreiben, die von der Vorsicht geboten schienen.