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Die Wochen gehen, und die Tage werden immer heißer. Dürre Knochengerüste unter struppigem Fell ohne Glanz, das faltig um sie schlottert, schweifen die Pferde durch die Pampa. Längst haben die Hengste ihre Herden dem Ort des Schreckens entführt. Nur die in den Morgenstunden fernhin kreisenden Geier erinnern die Pferde an den großen Wahnsinn. Dann schnaufen sie wild und schütteln die Mähnen.
Mannsräuschlin hat das dumpfe Ereignis lang vergessen. Es zottelt neben dem kleinen Hengst hinter der Stute her und ist so matt und geschwächt, daß es oft zu weiden aufhört. Aber die kranke Stute beobachtet ihr Fohlen gut. Wenn sie es nicht fressen sieht, rauft sie Büschel dürrer Halme aus und läßt die vor seinen Nüstern baumeln. Dann trabt der kleine Hengst herzu und beschnuppert die Wurzeln. Mannsräuschlin, das, obwohl es ein paar Wochen älter ist, doch ein deutliches Gefühl der Unterordnung hat vor dem herrischen 64 Hengstfohlen, macht es gleich nach. Zwar auch die Wurzeln sind dürr; aber sie sind nicht heiß und haben eine Witterung von Lebendigkeit. Unlustig futtern die beiden Fohlen. Dann stehen sie still neben der Stute, die sich niedergelegt hat.
Sie atmet kurz und hustet trocken. Den Hals hat sie lang ausgestreckt, und ihr schöner Kopf liegt auf einer Sandwelle. Manchmal zucken die mageren Beine, wenn eine große Fliege ansticht. Ihre Flanken heben und senken sich in fiebrigem Atem. Der heiße staubige Wind hat ihre Lunge, die von der schweren Erkältung im Winter noch nicht heil ward, entzündet. Tagelang hat die Stute sich unter großen Schmerzen, die sie bei jedem Atemzug quälten, hingeschleppt. Der stundenlange rasende Galopp an jenem Schreckenstag hat sie völlig entkräftet.
Wie sie die beiden Fohlen, die keineswegs etwas begreifen, anschaut, kommen ihr die Bilder ihres Lebens. Überschwengliche und hinwelkende Sommerzeiten, rauschende und unübersehbare Winterfluten breiten sich unendlich hin über die einfältige und sanfte Seele des sterbenden Tiers. Hunger und Durst sind nur mehr hinziehende Schatten. Das erste Fohlen war ein großes Staunen und eine überause Zärtlichkeit, die bei jedem ihrer Jungen sie neu ergriff. Ihre 65 fiebernden Augen gehen über Mannsräuschlin und betrachten es lange und ernsthaft. Sie glaubt, daß das Fohlen tauglich sein wird für das mühselige und glückliche Leben, und sie schnaubt freundlich zu dem neben ihr Stehenden, das ins Weite starrt und mit dem kleinen Schweiflein unaufhörlich wedelt. Dann muß sie kurz husten, und blutiger Schaum ist auf ihren Lefzen. Mannsräuschlin schnuppert an ihren Nüstern. Wie es die kranke Witterung spürt, wirft es auf und tut ein paar Schritte seitwärts.
Die Herde weidet weithin zerstreut. Da und dort rufen Hengste ihre Stuten. Es geht gegen Abend. Mannsräuschlin hat es lange begriffen, daß diesem lauten Befehl gehorcht werden muß. Es kennt genau die Stimme des Leithengstes seiner Herde und trabt zögernd und oft umblickend dem Rufe nach. Auch das Hengstfohlen folgt. Die sterbende Stute reckt ein wenig den Hals nach den Davontrabenden, die im hohen raschelnden Gras verschwinden.
Dann vermißt sie der rote Hengst. Polternd kommt er heran, verhält kurz und schnaubt herrisch über der Daliegenden. Noch begreift er nichts. Weil die Stute nicht aufsteht und trotz der Fliegenwolke den Schweif nicht rührt, beugt der Hengst sich herab und schnuppert an ihrem Gesicht. Er sieht, daß die mageren staubigen 66 Flanken in kurzen schwachen Stößen gehen, und wie die Stute hustet, wittert er den kranken Schaum. Jetzt begreift er. Er kennt das. Oft hat er es gesehen und weiß, daß man nicht mehr aufsteht. Unschlüssig verhält er und scharrt den Boden, schnuppert den ausgezehrten Leib hin und sichert aufwerfend wieder nach der Herde. Der alte Hengst weiß genau, daß die sterbende Stute Mannsräuschlins Mutter ist, und er hat neugierig den weißen Fleck auf der Stirn des Fohlens wahrgenommen, der in allen Herden so selten geworden ist, und auf den die Pferde, wenn sie ihn bei anderen sehen, sehr stolz sind. Uraltes, ganz unbewußtes Erinnern und dunkles Gefühl der Abkunft von frühen herrlichen Geschlechtern hat dabei den Hengst überkommen, und er behält die zierliche Jungstute besonders im Auge. Es ist nicht sicher, ob er sie nicht einem Jüngeren lassen muß. Er hat die feine Witterung des Fohlens besonders gern und windet gegen die weit draußen sich versammelnde Herde.
Dann geht ein Schauer über das faltige struppige Fell der Stute, und sie reckt schwach den Hals. Der Hengst schnuppert über ihren Augen, die weit offen sind; sie schnauft heiser und zieht seine Witterung ein. Dann ist es, als galoppierte sie in die Steppe hinaus. Die mageren Schenkel tun die Bewegung des o so 67 geliebten Ganges. Vielleicht zeigt ihr ein hinschwindender Traum einen Wassertümpel. Dann streckt sie sich aus, und das sanfte dunkelbraune Auge ist wie aus Glas.
Da wirft der Hengst schnaubend auf und poltert davon. Er weiß um den Tod. Er fürchtet ihn nicht, aber er scheut sich vor allem Toten. Dieses herrliche Geschlecht ist allen Lebens voller und wissender um es und jenseitiger als die übrigen Geschöpfe Gottes. 68