Louis Weinert-Wilton
Die weiße Spinne
Louis Weinert-Wilton

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

12

Es war etwa eine Stunde später, als Miss Babberly atemlos ins Kontor schlüpfte und ihren breiten Mund dicht an Hubbards Ohr brachte.

»Er ist hier.«

»Wer?« fragte der Sekretär gleichgültig zurück.

Constancia, deren Halsausschnitt seither noch tiefer geworden war und die wie ein ganzes Veilchenbeet duftete, schlug schamhaft die Augen nieder und machte eine Kopfbewegung nach dem Chefzimmer.

»Der Herr mit der Binde über dem Auge. Ich glaube, sie hat ihn gerufen, denn sie telefonierte in der letzten Stunde mehrere Male. Von hier kann man das nicht hören«, fügte sie vertraulich hinzu, »aber ich bin einige Male an der Korridortür vorübergegangen, und die schließt nicht so dicht.«

Mrs. Irvine war es sehr schwergefallen, Corner zu sich zu bitten, aber die polizeiliche Vorladung hatte sie in eine derartige Erregung versetzt, daß sie sich mit jemandem beraten mußte. Einen Augenblick dachte sie an Summerfield, aber das hätte eine rückhaltlose Beichte vorausgesetzt, zu der sie sich nicht entschließen konnte. Es blieb ihr also nur Corner, den sie zwar nicht recht mochte, der aber der einzige war, mit dem sie offen sprechen konnte.

Sie war noch immer sehr blaß, und in ihrem sonst so beherrschten Gesicht lag eine nervöse Unruhe.

»Was meinen Sie dazu?« fragte sie unsicher, indem sie ihm das blaue Blatt reichte.

Der Mann mit der Binde über dem Auge schien überrascht und betreten und nagte an der Unterlippe, während er das Schriftstück durchlas.

»Am 17. Oktober um ein Uhr mittags . . . Das wäre also bereits morgen«, meinte er halblaut. »Kommissar Conway . . . Das ist der neue Mann . . .«

Er dachte eine Weile nach, und Muriels Blick hing in gespannter Erwartung an seinem Gesicht.

»Seltsam . . .«, murmelte er endlich und faltete das Blatt umständlich zusammen, um es wieder auf den Schreibtisch zu legen.

»Was wollen Sie damit sagen?« fragte sie hastig.

»Ich wundere mich, daß ich von dieser Vorladung nicht früher erfahren habe. Sie wissen ja, daß ich gewisse Beziehungen habe, aber diesmal haben sie sonderbarerweise versagt.«

»Worum, glauben Sie, dürfte es sich handeln?« forschte sie fieberhaft weiter. »Um Richard – oder um die andere Sache?« Corner zuckte mit den Achseln.

»Das läßt sich natürlich schwer erraten, aber ich nehme an, daß es den Fall Lewis betreffen wird. Wenn mich mein Vertrauensmann nicht im Stich gelassen hätte, so wüßten wir es genau und könnten uns einen Plan zurechtlegen. – Sie müssen jedenfalls in allen Aussagen sehr vorsichtig sein. Mrs. Irvine«, schärfte er ihr ein. »Es sind leider gewisse Indizien da, die sich nicht mehr aus der Welt schaffen lassen, und ein unbedachtes Wort kann Sie in die schlimmste Lage bringen.«

Die junge Frau hatte die Hände an die Schläfen gelegt.

»Es ist zuviel«, stöhnte sie leise, »bei Gott, es ist zuviel. Ich werde nicht weiter Komödie spielen, sondern ich werde sagen, wie alles war, denn ich muß sprechen . . .«

»Das werden Sie nicht tun«, fiel Corner bestimmt ein, und sein verlebtes Gesicht schien noch fahler als sonst. »Sie würden dadurch nicht nur nichts erreichen, sondern alles verderben. – Wissen Sie, was eine Untersuchungshaft ist? Dieser würden Sie selbst im allergünstigsten Falle nicht entgehen, und damit wäre alles aus. Die neue Existenz, die Sie sich mit so großen Opfern geschaffen haben, wäre vernichtet, das Geld verloren, und der Prozeß bliebe dann wahrscheinlich eine Ewigkeit in der Schwebe. Und für mich würde es unmöglich sein, weiterhin so für die Klärung der gewissen Sache zu arbeiten wie bisher.«

Er hatte sehr eindringlich und mit der Miene eines Biedermannes gesprochen und legte nun plötzlich seine Hand auf Muriels Arm.

»Ich kann verstehen, daß es für Sie zuviel ist«, fuhr er fort und beugte sein Gesicht nahe zu dem ihren, »aber warum geben Sie mir nicht das Recht, diese aufreibenden Dinge für Sie zu erledigen? Wenn Sie meine Frau werden wollen, wäre es mir ein leichtes, alle Unannehmlichkeiten von Ihnen fernzuhalten, und ich würde alles tun, um Sie das, was war, vergessen zu machen.« Muriel hatte mit einer brüsken Bewegung ihren Arm von seiner Hand befreit, und in ihren Zügen lag eisige Abwehr. So kritisch ihre Lage auch war und so sehr sie eines aufrichtigen, ergebenen Menschen bedurft hätte, der Antrag Corners empörte sie in dieser Stunde ebensosehr, wie er sie bereits früher einmal empört hatte. Sie mochte diesen Mann nicht, dem sie nicht traute, obwohl sie ihm in gewisser Hinsicht vertrauen mußte.

»Sie haben schon einmal so zu mir gesprochen, Mr. Corner«, sagte sie mit mühsamer Beherrschung, »und ich hatte gehofft, daß das, was ich Ihnen damals erwiderte, Sie abhalten werde, nochmals auf diese Idee zurückzukommen. Ich pflege meine Entschlüsse in so wichtigen Dingen nicht zu ändern, und wenn Sie mir Ihre Dienste bisher nur in dieser Hoffnung geleistet haben sollten, so werden Sie nicht auf Ihre Rechnung kommen. Aber Sie dürfen nicht mich dafür verantwortlich machen, da Sie mir ja ursprünglich versicherten, daß Sie alles nur aus Freundschaft für Richard täten. Ich kannte die Freunde meines Gatten nicht«, fügte sie etwas anzüglich hinzu, »aber es freute mich, daß einer von ihnen einer solchen Selbstlosigkeit fähig war.«

Er merkte, daß seine Stunde noch immer nicht gekommen war, und lenkte sofort ein.

»Sie dürfen mich nicht mißverstehen«, entschuldigte er sich. »Ich habe mit meinen ehrlichen Bemühungen wirklich nie Nebenabsichten verfolgt, aber« – er seufzte leicht und lächelte etwas wehmütig – »Sie verlangen zuviel von mir, wenn ich auch nicht mit einer Silbe von dem sprechen soll, was ich für Sie empfinde. Glauben Sie mir, daß ich lange dagegen angekämpft habe, aber derartige Gefühle lassen sich weder erzwingen, wie ich aus Ihrem Bescheid ersehen habe, noch unterdrücken. Ich verstehe Sie vollkommen und füge mich, aber Sie sollten auch begreifen, daß das, was ich vorhin gesagt habe, nur zu menschlich und verzeihlich ist. Sie führen seit mehr als einem Jahr einen geradezu übermenschlichen Kampf gegen die widrigsten Verhältnisse und Verwicklungen, und ich kann Ihnen dabei nur die allerbescheidensten Dienste leisten, weil ich für Sie nicht vor aller Welt eintreten darf. Zuweilen kommt es mir sogar vor, als ob Sie sich meiner schämten, da Sie so auffallend bemüht sind, unseren Verkehr tunlichst geheimzuhalten.«

Die junge Frau streifte ihn mit einem forschenden Blick, und die ehrliche Kränkung, die sie in seiner Miene las, ließ sie ihre Schroffheit von vorhin bedauern.

»Sie dürfen nicht vergessen«, erwiderte sie, »daß ich Rücksichten zu nehmen habe. Und schließlich läßt sich das, was wir zu besprechen haben, sehr gut auf jene unauffällig Weise regeln, wie wir es bisher getan haben. Was aber Ihre Dienste betrifft, so wissen Sie sehr wohl, daß es für mich keine wichtigere Angelegenheit gibt als jene, in der Sie mir Gewißheit verschaffen könnten.«

»Das wird geschehen«, sagte er zuversichtlich, »nur müssen Sie noch eine kleine Weile Geduld haben. Ich habe Ihnen bisher nach und nach einwandfrei berichten können, wie Ihr Gatte die zwei Wochen verbracht hat, die von seiner plötzlichen Entfernung aus dem Hause bis zu dem bedauerlichen Unglücksfall in Hampstead verstrichen sind . . .«

»Glauben Sie wirklich, daß es ein Unglücksfall war?« fragte sie in einem eigenartigen Tonfall und sah ihn aus halbgeschlossenen Lidern forschend an.

Er zuckte leicht mit den Achseln, und sein Auge begegnete flüchtig ihrem gespannten Blick.

»Bleiben wir dabei und nennen wir es so, Mrs. Irvine«, sagte er rücksichtsvoll. »Sie wissen ja, in welcher Verfassung sich der arme Richard in den letzten Monaten befand, seitdem er wußte, daß der finanzielle Zusammenbruch unvermeidlich war . . .«

»Das war er nicht«, fiel die junge Frau empört ein. »Wenn ich geahnt hätte, wie die Dinge standen, hätte noch das Schlimmste abgewendet werden können. Aber Richard war in die Hände einer Gesellschaft geraten, die ihn physisch zugrunde richtete, um ihn bis auf den letzten Penny ausplündern zu können. Erst hat man ihm sein Vermögen abgenommen und ihn aus seinem aussichtsreichen kaufmännischen Beruf gerissen, dann haben diese Vampire von dem Geschäft gezehrt, das ich eingerichtet hatte, und schließlich erbeuteten sie auch noch die beträchtliche Erbschaft, die mir kurz vor der Katastrophe zugefallen war.«

»Ich weiß«, sagte Corner voll Teilnahme. »Glauben Sie mir, ich habe ihn oft gewarnt, aber es war alles vergeblich.«

In Muriel wurden Erinnerungen lebendig, denen sie nicht gerne nachhing.

»Er war haltlos von allem Anfang an«, murmelte sie vor sich hin, und um ihren Mund grub sich ein herber Zug.

Der Einäugige nickte schwermütig.

»Da kann es Sie doch wirklich nicht verwundern, daß es schließlich so gekommen ist. Sie wissen ja nun, daß er in dem kleinen Hotel, in dem er sich zunächst verbarg, tagelang getrunken hat und daß er dann von Spelunke zu Spelunke wanderte, um sich mit noch ärgeren Giften zu betäuben. Wir sind ihm nun bereits fast bis zum Schauplatz des Unglücks gefolgt, und Sie haben sich selbst überzeugt, daß meine Berichte zutreffend waren. Es fehlt uns nur mehr die Etappe der allerletzten Stunden, wenn Sie sich nicht meiner Ansicht anschließen wollen, daß er diese irgendwo im Freien verbracht hat.«

Die junge Frau blickte mit gefalteten Händen eine Weile schweigend vor sich hin, dann aber hob sie plötzlich den Kopf und sah Corner durchdringend an.

»Und wie erklären Sie sich die Sache mit den Spinnen? Wie kam eine davon in die Hand des Verunglückten, warum sandte man mir eine zweite einige Wochen später ins Haus und eine dritte dann . . .« Sie brach unvermittelt ab und biß sich in die Lippen, als ob sie etwas Unüberlegtes hätte sagen wollen. –

»Welch ein Zusammenhang besteht zwischen den Spinnen und dem Tode Lewis', Dawsons und der anderen?« forschte sie plötzlich weiter.

Corner ließ sich mit der Antwort Zeit.

»Ich glaube, daß Sie dieser Sache zu große Bedeutung beimessen«, meinte er endlich. »Es ist ja manches dabei sonderbar, aber vielleicht weit unwichtiger und harmloser, als Sie annehmen. – Sind Sie überhaupt sicher, daß nicht mehr von dieser Ware nach England herübergekommen ist?«

Mrs. Irvine nickte entschieden.

»Ganz sicher. Als wir vor zwei Jahren wegen meines Mannes in Karlsbad weilten, haben wir auch die Bijouteriefabriken in Gablonz aufgesucht, und dabei entdeckte Richard einen kleinen Rest dieses Artikels, der früher nach dem Orient gegangen war, aber nun nicht mehr weiter erzeugt wurde. Mein Mann fand komischerweise Gefallen an diesem Zeug, und der gefällige Fabrikant überließ uns die letzte Schachtel davon nebst einigen anderen Kleinigkeiten.«

Sie fühlte plötzlich seinen überraschten Blick auf sich ruhen, und als sie aufsah, gewahrte sie einen lauernden Ausdruck in seinen Zügen.

»Ich dachte, Sie hätten nur jene Musterkarte von zwölf Stück besessen, die Richard bei sich trug«, bemerkte er leichthin.

»Jawohl«, stieß sie hastig und unsicher hervor, »das waren die letzten Spinnen, die uns übriggeblieben waren. Wir hatten zwar nicht ein Stück verkauft, aber der Karton war irgendwie abhanden gekommen.«

»Nun, da haben Sie ja gleich eine mögliche Erklärung für die Herkunft der Spinnen, die Ihnen soviel Kopfzerbechen verursachen«, meinte er harmlos, aber sie vernahm etwas in seiner Stimme, was sie auf der Hut sein ließ. »Wer weiß, in welche Hände die Schachtel gekommen ist«, fuhr er gelassen fort, »und Sie hätten eigentlich gut daran getan, der Polizei von diesem wichtigen Umstand Mitteilung zu machen.«

Sie wehrte mit einer raschen Handbewegung ab.

»Das hätte gar keinen Zweck gehabt. Ich bin überzeugt, daß der Karton irgendwo unter altem Gerümpel liegt und daß die Spinnen, die zum Vorschein gekommen sind, zu jenen gehören, die mein Mann stets bei sich trug.«

»Wozu?« fragte er interessiert.

»Ich muß Ihnen doch wohl nicht erst sagen, daß Richard ein leidenschaftlicher Spieler war«, erklärte die junge Frau etwas unwillig. »Und wie alle Spieler war er natürlich abergläubisch und scheint seine Spinnen für glückbringend gehalten zu haben.« Plötzlich kam ihr zum Bewußtsein, weshalb sie Corner eigentlich gerufen hatte, und sie bekam es wieder mit der Angst zu tun. »Was soll ich sagen, wenn ich wegen Lewis gefragt werde?«

»Nur so viel, wie unbedingt notwendig ist«, erwiderte er, nachdem er eine Weile gründlich überlegt hatte. »Beantworten Sie nur die Fragen, die man Ihnen stellt, und tun Sie dies in knappster Form. Es ist ja schließlich nicht Ihre Sache, der Polizei ihre Aufgabe zu erleichtern. Aber hüten Sie sich auch, Ihren Besuch bei Lewis an dem kritischen Abend glattweg in Abrede zu stellen, denn die Handschuhe und vor allem der Ring könnten Ihnen verhängnisvoll werden. Es ist sehr fatal, daß Sie diese Beweisstücke zurückgelassen haben.«

Sie warf trotzig den Kopf zurück.

»Habe ich ein Verbrechen begangen, daß ich mich deshalb fürchten müßte?« fragte sie gereizt. »Ich hatte mit Lewis eine geschäftliche Besprechung und habe beim Aufbruch eben meine Handschuhe und den Ring, den ich mit abgestreift hatte, vergessen.«

»Das kann Ihnen die Polizei glauben«, sagte Corner mit einem matten Lächeln, »oder auch nicht. Sie wird Beweise dafür verlangen, daß Ihr Besuch – der letzte, den Lewis, soviel man weiß, empfangen hat«, fügte er mit Nachdruck hinzu –, »tatsächlich so harmlos verlaufen ist, wie Sie es darstellen. Wie wollen Sie diesen Beweis erbringen, Mrs. Irvine?«

Sie ließ mutlos den hübschen Kopf sinken, dann schnellte sie plötzlich auf und ging eine Weile erregt auf und ab.

»Ihre Bedenken sind lächerlich, und anstatt mir Mut zuzusprechen, bringen Sie mich um das letzte bißchen Fassung, das ich mir bewahrt habe«, sagte sie heftig. »Ich kann nicht glauben, daß die Polizei auf eine so alberne Idee verfallen könnte. Welche Gründe hätte ich gehabt, Lewis etwas Übles zuzufügen? Er hat sich mir gegenüber immer sehr zuvorkommend erwiesen, und nur Strongbridge ist der Halsabschneider. Aber auch ihm grolle ich nicht. Er hat schließlich das Wagnis unternommen, einer völlig fremden, alleinstehenden Frau ein Vermögen zur Verfügung zu stellen, und wenn er für dieses Risiko eine fünfzigprozentige Verzinsung verlangte, so ist das zwar Wucher, aber ich muß ihm eigentlich doch dankbar dafür sein.«

Corner fiel plötzlich etwas ein, und er sah sie lauernd an.

»Worüber haben Sie mit Lewis bei Ihrem letzten Besuch verhandelt?«

»Eben über mein Darlehen. Ich ersuchte ihn, Strongbridge in meinem Namen einen Vorschlag zu machen, der sehr annehmbar war.«

»Weshalb wandten Sie sich nicht an Strongbridge selbst?«

»Weil er mir ausdrücklich Lewis als seinen Bevollmächtigten bezeichnet hatte und weil ich mit ihm nicht gerne zu tun hatte«, gab sie etwas befangen und ungeduldig zurück.

»Weshalb nicht?«

Die junge Frau zog es vor, darauf überhaupt nicht zu antworten, und als Corner sich bald darauf verabschiedete, ließ er sie merken, daß er sich durch ihr ganzes Verhalten während ihrer Unterredung sehr gekränkt fühlte.

Seine Laune sollte durch die Begegnung, die er wenige Augenblicke später auf dem Korridor hatte, nicht besser werden.

Er glaubte seinen Augen nicht trauen zu dürfen, als plötzlich Hubbard mit einer Mappe unter dem Arm an ihm vorüberschlenderte, und er war so überrascht, daß er dessen kurzen Gruß gar nicht erwiderte.

Erst als dieser bereits einige Schritte vorüber war, kam er zu sich, und zugleich erwachte auch seine Neugierde.

»Hallo, Hubbard, was treiben Sie denn hier? Machen Sie Einkäufe?«

Der Angeredete schüttelte ernsthaft den Kopf und deutete mit Würde auf seine Mappe.

»Nein – ich arbeite.«

Corner starrte ihn verständnislos an.

»Geben Sie mir nichts zu raten auf«, sagte er, »das ist seit jeher meine schwache Seite gewesen.«

»Na, tun Sie nicht so bescheiden. Ich habe beispielsweise noch selten einen Menschen gefunden, der so rasch und sicher wie Sie zu erraten vermag, welche Karten sein Gegenspieler hat. Aber bei mir liegt die Sache sehr einfach: Ich bin seit einigen Tagen Sekretär von Mrs. Irvine.«

»Machen Sie keine schlechten Witze«, stieß der Einäugige hervor.

»Ich habe nie schlechte Witze gemacht«, stellte Hubbard selbstbewußt fest, »aber seitdem ich Sekretär im Kaufhaus ›Zu den tausend Dingen‹ bin, mache ich überhaupt keine Witze mehr. Bei sieben Pfund wöchentlich vergeht einem die Laune dazu. Guten Tag, Mr. Corner.«

Das Zusammentreffen mit dem eleganten Mann schuf Corner einen der peinlichsten Tage, die er seit langem gehabt hatte. Er erblickte in dem Auftauchen Hubbards in der unmittelbaren Umgebung von Mrs. Irvine eine Gefahr, über die er sich zwar noch nicht so recht im klaren war, die ihm aber jedenfalls bei der Verfolgung seiner besonderen Pläne äußerste Vorsicht gebot.

Hubbard schien nicht zu wissen, was er angerichtet hatte, denn er kehrte gelassen in das Kontor zurück, wo er von Miss Babberly mit fieberhafter Spannung erwartet wurde.

»Haben Sie ihn gesehen?« flüsterte sie. »Wie gefällt er Ihnen?«

»Ausgezeichnet«, erklärte der Sekretär.

»Nun ja«, gab Constancia lächelnd zu, »er ist ja gewiß nicht so übel. Aber ich gönne ihn Mrs. Irvine von Herzen, denn mein Geschmack ist etwas anspruchsvoller.«


 << zurück weiter >>