Louis Weinert-Wilton
Die weiße Spinne
Louis Weinert-Wilton

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8

Knapp vor dem Wochenende ereignete sich im Kontor »Zu den tausend Dingen« eine Kleinigkeit, über die die reizbare Miss Babberly in eine derartige Wut geriet, daß sie sich am liebsten selbst geohrfeigt hätte.

Miss Constancia hatte einen ihrer »unvorteilhaften Tage«, wie sie es nannte, was bisweilen vorkam, wenn sie schlecht geschlafen hatte. Nun lag gerade eine solche Nacht hinter ihr, und am Morgen war sie wie gerädert und mit einem grüngelben Teint erwacht. Sie bemühte sich zwar, die Spuren des üblen Traumes nach Möglichkeit zu beseitigen, aber sie wußte aus Erfahrung, daß dies ein vergebliches Beginnen war und daß sie sich damit abfinden mußte, für zwölf Stunden weniger anziehend und pikant auszusehen als sonst.

Es war gegen elf Uhr, und Miss Babberly konstatierte enttäuscht, daß Mrs. Irvine noch immer nicht erschienen war. Diese unerhörte Gleichgültigkeit regte sie um so mehr auf, als sie nicht wußte, was Mrs. Irvine in dieser Zeit trieb, und sie daher völlig auf ihre Mutmaßungen angewiesen war.

In diesem Augenblick steckte Lil ihren stichelhaarigen Kopf durch die Tür und sagte mit einem breiten Grinsen:

»Ein Mann ist da, der Madam sprechen will.«

Die übelgelaunte Geschäftsführerin interessierte das nicht. Für die Männer, die mit der Besitzerin des Geschäftes sprechen wollten, hatte sie nichts übrig. Es waren entweder geschwätzige Geschäftsreisende oder betriebsame kleine Chefs, die ihre Waren selbst anboten. Miss Babberly gingen diese Leute auf die Nerven, und sie hatte kein Verlangen, mit ihnen zu tun zu haben. »Mrs. Irvine ist noch nicht gekommen«, sagte sie daher kurz. »Der Mann soll warten, wenn er will.«

Etwa eine Viertelstunde später ertönte aus dem Chefzimmer die Klingel, und Lil lief schnell hinein.

Gleich darauf stampfte sie eilig wieder zurück, und dann kam der furchtbare Augenblick, der Miss Babberly einer Ohnmacht nahe brachte.

Sie hatte sich, als sie wieder die Tür in ihrem Rücken gehen hörte, höchst gereizt umgewandt, aber in der nächsten Sekunde schon ging in ihrem Gesicht eine krampfhafte Wandlung vor. Ihre dünne Oberlippe hob sich, ihre graugrünen Augen traten vor Liebenswürdigkeit fast aus den Höhlen, und ihr strohgelber Lockenkopf senkte sich zu einem huldvollen Gruß.

Hinter Lil schritt nämlich ein schlanker, tadellos gekleideter Herr an ihr vorbei, der sicher weder ein Geschäftsreisender noch ein Chef war. Constancia hatte dafür einen Blick. Das war angeborene Vornehmheit und Distinktion, das war Eleganz und Figur.

Sie schnupperte verzückt den feinen Duft von Lavendel und Juchten ein, der sie streifte – und dann kam ihr mit einem Male ihr unvorteilhafter Tag zum Bewußtsein.

Kaum hatte sie die Tür zum Chefzimmer geschlossen, als sie zum Spiegel stürzte – aber was sie sah, entsetzte sie. Gerade an solch einem Tag mußte das geschehen.

Und diesen Mann, dem sich selbst der interessanteste Filmstar, den sie je auf der Leinwand erblickt hatte, nicht an die Seite stellen konnte, hatte sie bei der zerrauften, albernen Lil sitzen lassen. Eine volle, lange Viertelstunde . . .!

Als Miss Babberly aus dem Spiegel endlich ein farbenprächtiges Pastellbild entgegenstrahlte, war sie einigermaßen mit sich zufrieden. Aber nun quälte sie die Frage, ob der Besuch bei seinem Weggehen wieder ihr Zimmer passieren werde oder ob ihn Mrs. Irvine durch ihren Privatausgang entlassen werde.

Sie machte sich mit langen Ohren an der Tür zum Chefzimmer zu schaffen, mußte sich jedoch erneut von der Schalldichtigkeit der Polsterung überzeugen.

Aber selbst wenn dieses Hindernis nicht gewesen wäre, hätte Miss Babberly kaum etwas vernommen, denn in dem Zimmer herrschte eine geraume Weile ein sehr bedrückendes Schweigen. Mrs. Irvine saß an ihrem Schreibtisch und las mechanisch immer wieder die kurzen Zeilen, die sie handschriftlich an Mr. Ralph Hubbard gerichtet hatte: »Ihre Offerte sagt mir zu. Wollen Sie sich Freitag, den 12. d. M., gegen elf Uhr vormittags, in meinem Kontor einfinden.«

Sie hatte diesen einzigen Brief auf etwa zweihundert Angebote geschrieben, die ihr auf eine Anzeige, mit der sie einen Sekretär und Disponenten gesucht hatte, zugekommen waren.

Aber in diesem Augenblick wünschte sie, daß sie unter den zahlreichen Bewerbern eine andere Wahl getroffen hätte.

Sie war so verwirrt, daß sie den Besuch nicht einmal einlud, Platz zu nehmen, und es dauerte lange, bis sie sich gefaßt hatte.

Sie drehte das Schreiben nervös in den Händen und hob den Blick etwas unsicher zu dem eleganten Herrn, der mit der Lässigkeit eines vollendeten Weltmannes vor ihr stand.

»Ich nehme an, Mr. Hubbard«, sagte sie endlich kühl, »daß es sich hier um einen Irrtum handelt. Sie dürften sich bei Ihrer Bewerbung wohl etwas anderes vorgestellt haben. Wir sind nur ein ganz einfaches Kaufhaus . . .«

»Ich war völlig informiert, als ich mich bewarb«, fiel er ebenso kühl ein, als sie stockte. »Es ist dies mein Prinzip, denn ich liebe es, in klare Verhältnisse zu kommen, wenn ich irgendwo eine Stellung annehme.«

Es klang sehr selbstbewußt, und das gefiel Muriel nicht, wie ihr überhaupt der ganze Mann nicht gefiel. Das heißt – sie hatte an ihm eigentlich gar nichts auszusetzen, im Gegenteil; aber als er eingetreten war und ihr wortlos ihr Schreiben überreicht hatte, war eine fixe Vorstellung in ihr gründlich zerstört worden. Sie hatte nach den Zeugnissen und Referenzen einen Mann gesetzten Alters erwartet, von dem sie sich überhaupt kein Bild gemacht hatte, weil ihr dies ganz nebensächlich schien – und nun stand eine Persönlichkeit vor ihr, die sie sich in jeden Salon, aber nicht in das Büro eines Kaufhauses denken konnte.

»Haben Sie Branchenkenntnisse?« fragte sie in der Hoffnung, dadurch einen unverfänglichen Grund für den Abbruch der Verhandlungen zu finden.

»Nein«, erklärte er offen. »Aber ich würde mich gewiß in einem Warenhaus dieser Art sehr rasch einarbeiten. Dazu gehört ja nur ein gewisser Geschmack und das richtige Verständnis für das, was das Publikum verlangt.«

Die junge Frau horchte unwillkürlich auf, und dabei schwand für Sekunden der starre, abweisende Zug aus ihrer Miene. Sie fand die Antwort ganz gescheit und wußte aus eigener Erfahrung, daß sie zutreffend war. Sie selbst war seinerzeit auch aus einem ganz anderen Milieu in einen derartigen Betrieb gekommen, und es war wirklich nicht so schwer, sich hineinzufinden.

»Ich glaube auch nicht, daß Ihnen die Bedingungen entsprechen würden«, fuhr sie mit trockener Geschäftsmäßigkeit fort. »Mehr als sieben Pfund in der Woche vermag ich für die Stelle nicht auszusetzen.«

Sie erwartete bestimmt, daß mit dieser Mitteilung die Unterredung beendet sein würde, und hatte deshalb sogar ein Pfund weniger geboten, als sie ursprünglich vorgesehen hatte. Aber zu ihrer größten Überraschung gab Hubbard durch ein leichtes Neigen des Kopfes sein Einverständnis kund, und sie sah sich neuerlich geschlagen. Der Mann war glatt und zäh, und wenn er diese Eigenschaften auch im geschäftlichen Leben entwickelte, mochte er gewiß eine sehr tüchtige Kraft sein. Die Empfehlungen von ersten Häusern lauteten auch alle in diesem Sinne, und wenn er eine Erscheinung vom Durchschnittstypus gewesen wäre, hätte sie nicht einen Augenblick gezögert. So aber fiel er gewissermaßen aus dem Rahmen. Sie konnte einen Angestellten von einem derart auffallenden Äußeren und von solchen Umgangsformen nicht brauchen. Das Personal würde hinter seinem Rücken wahrscheinlich die Augen verdrehen oder sich vielsagend in die Seite stoßen, und sie selbst würde ihm gegenüber vielleicht nicht den kurz angebundenen Ton aufbringen, an den sie im Verkehr mit ihren Angestellten gewöhnt war.

Das war das Ausschlaggebende, und nachdem sie ihn noch einmal mit einem etwas spöttischen Blick von oben bis unten gemustert hatte, entschloß sie sich, das entscheidende Wort zu sprechen.

»Mr. Hubbard, wenn ich ein Luxushotel oder sonst ein großes Unternehmen besäße und einen Repräsentanten suchen würde, so würden Sie mir sehr geeignet erscheinen. Aber ich brauche eine einfache Arbeitskraft, die in keiner Weise von dem Milieu meines Hauses absticht. Vielleicht werden Sie mich verstehen. Es tut mir sehr leid . . .«

Sie vollendete nicht, sondern erhob sich und ließ keinen Zweifel darüber, daß sie die Unterredung für beendet hielt.

»Ich hätte nicht geglaubt, Mrs. Irvine, daß Sie sich durch solche Dinge beeinflussen lassen würden«, erwiderte er, indem er gelassen den Handschuh überstreifte. »Ich dachte, Sie suchen einen Mann für eine Vertrauensstellung, wie Sie annoncierten. Das glaube ich zu sein, und nun, da ich weiß, daß Sie sich an gewissen Äußerlichkeiten stoßen, würde ich auch dem gerne Rechnung tragen, obwohl ich mich wahrscheinlich dabei nicht sehr wohl fühlen würde. – Sie sollten es also doch mit mir versuchen. Mr. Wilkens hatte mir versprochen, sich persönlich für mich zu verwenden, und ich dachte, daß er es getan hätte«, fügte er mit einem fragenden Blick hinzu.

Die junge Frau fand den Ton, in dem er mit ihr sprach, geradezu unverschämt, aber die Erwähnung von Mr. Wilkens brachte sie plötzlich in Verlegenheit. Sie war diesem Mann, der zu den angesehensten Kaufherren der City zählte und der ihr wiederholt in uneigennützigster Weise an die Hand gegangen war, zu großem Dank verpflichtet, und sie hatte ihm tatsächlich die Berücksichtigung seines Schützlings zugesagt. Er hatte noch gestern deshalb mit ihr telefonisch gesprochen und ihr diesen Bewerber so eindringlich empfohlen, daß sie darüber fast verwundert war. Es mußte ihm sicher sehr viel daran gelegen sein, und sie konnte den Mann nicht gut verletzen.

»Mr. Wilkens hat Sie mir allerdings empfohlen«, sagte sie endlich und warf den Kopf zurück, »und ich möchte mich gerne gefällig zeigen. Wenn Sie also Ihre Anstellung nur diesem Umstande zu verdanken haben wollen«, fuhr sie mit beleidigender Offenheit fort, »so können Sie Montag eintreten. Die Arbeitszeit ist von acht bis sieben mit einer eineinhalbstündigen Mittagspause. Ihre besonderen Pflichten werden Sie allmählich kennenlernen.«

Er hatte wieder nur eine stumme Zustimmung, und Mrs. Irvine klingelte.

Rasch und beflissen wie noch nie, stürzte Miss Babberly bereits in der nächsten Sekunde ins Zimmer.

»Mr. Hubbard, unser Sekretär und Disponent«, stellte Muriel kurz vor. »Er wird Ihnen einen Teil der Arbeit abnehmen, was Sie gewiß sehr begrüßen werden.«

Miss Constancia hatte für die überraschende Mitteilung nur einen verzückten Augenaufschlag.

Mrs. Irvine nickte verabschiedend, aber als sich die beiden bereits zurückziehen wollten, fiel ihr noch etwas ein.

»Da unsere Räumlichkeiten leider sehr beschränkt sind, müssen Sie sich im Zimmer von Miss Babberly einrichten, so gut es eben geht«, bemerkte sie zu Hubbard, und es schien, als ob um ihren Mund ein schadenfrohes Lächeln spielte. Constancia aber bat in diesem Augenblick ihrer Herrin alles ab, was sie je Übles über sie gedacht und gesprochen hatte, und das war sehr viel.

So vollzog sich der Eintritt Ralph Hubbards in das Warenhaus »Zu den tausend Dingen«. Aber bereits vom nächsten Montag an begann die Besitzerin ungeduldig nach irgendeiner Unzulänglichkeit ihres neuen Angestellten zu forschen, um dieses Dienstverhältnis auf eine möglichst kurze Dauer zu beschränken.

Zuerst diktierte sie dem Sekretär einige Briefe und sah dabei gespannt auf seine tadellose Hand, die in gewandter Kurzschrift jedem ihrer Sätze zu folgen vermochte. Zuweilen machte sie eine kleine Pause, um nach einem Wort oder einer Redewendung zu suchen, und Hubbard blickte dann stumm auf sein Papier und wartete gelassen, bis sie wieder fortfuhr. Als sich das aber einige Male wiederholt hatte, begann er plötzlich, ihr die fehlenden Worte prompt in den Mund zu legen, und sie mußte zugeben, daß er stets das Richtige traf.

Aber sonderbarerweise ärgerte sie sich darüber und wurde gereizt.

»Selbstverständlich wird es Ihre Aufgabe sein, die Korrespondenz allein zu erledigen«, sagte sie. »Ich werde Ihnen immer nur kurze Anweisungen geben.«

Daß er alle ihre Anforderungen und Bemerkungen lediglich mit einem zustimmenden Kopfnicken hinnahm, machte sie noch nervöser; und so empört sie gewesen wäre, wenn er auch nur ein überflüssiges Wort gesprochen hätte, so unerhört fand sie es, daß er sich stumm wie ein Fisch verhielt.

»Welche Vorbildung haben Sie?« wollte sie plötzlich wissen, indem sie gleichgültig in den Papieren auf ihrem Schreibtisch blätterte.

»Ich war sieben Jahre in Oxford«, gab er zurück.

»Auch das noch«, sagte sie mit einer seltsamen Betonung, und um ihren hübschen Mund lagerten sich kleine Fältchen.

»Ich habe mich zur Anstellung einer weiteren Kraft aus besonderen Gründen entschlossen«, erklärte sie ihm. »Unter gewöhnlichen Verhältnissen wäre die Stelle, die Sie einnehmen, völlig überflüssig, aber ich kann mich leider dem Geschäft nicht so ganz widmen, wie dies notwendig wäre. Es kommt des öfteren vor, daß ich mehrere Stunden fernbleiben muß, und für diese Zeit möchte ich irgend jemanden hier haben, der mich vertritt und auf den ich mich verlassen kann. Mein Personal ist ja im allgemeinen geschult und willig, aber es bedarf trotzdem einer Beaufsichtigung. Und mit Miss Babberly allein möchte ich in dieser Hinsicht nicht rechnen«, fügte sie hinzu. »Es wird also an Ihnen liegen, sich den Leuten gegenüber vom ersten Tage an die nötige Autorität zu verschaffen.«

Als Hubbard gleich darauf mit der Korrespondenz in sein Zimmer zurückkam und sich an die Arbeit machte, sah er sich von einer geradezu rührenden Fürsorge umgeben.

Miss Constancia, die sich koketter denn je hergerichtet hatte, tänzelte unablässig um ihn herum und hatte ihm bald dies, bald jenes zu reichen, wobei er ihre spiegelnden Fingernägel nicht übersehen konnte.

»Sie sind wirklich zu liebenswürdig, Miss Babberly«, wehrte er endlich ab, aber sie schüttelte lebhaft ihren Lockenkopf.

»Wir müssen einander doch an die Hand gehen«, sagte sie und blickte ihn schmachtend an. »Mrs. Irvine ist sehr genau und« – sie vergaß sich, machte einen dünnen Mund und zog die Nase herunter – »nicht sehr angenehm, und ich möchte nicht, daß Ihnen die Arbeit bei uns gleich verleidet wird.«

Den weiteren Vormittag benützte Hubbard dazu, den Betrieb in den Verkaufsräumen kennenzulernen. Constancia schritt stolz wie ein Pfau an seiner Seite; Das Personal machte tatsächlich große Augen, aber nicht nur wegen des eleganten neuen Mannes, sondern auch wegen der Geschäftsführerin, die man noch nie so liebenswürdig gesehen hatte. Nur über die jungen Angestellten sah man mit einem Male hinweg, als ob sie völlig Luft seien.

Vor der Mittagspause fragte sie den Sekretär sehr angelegentlich, wo er zu speisen gedenke, und nannte ihm dann ein Lokal in der Nähe, wo er gewiß sehr zufrieden sein werde. Hie und da würde sie es schon einrichten, daß sie mit ihm frühstücken könne, deutete sie ihm mit einem verheißungsvollen Blick an, denn es gebe doch immer eine Menge zu besprechen, und im Kontor ergebe sich dazu nicht die Gelegenheit.

Gegen fünf Uhr öffnete sich plötzlich die Tür des Chefzimmers, und Mrs. Irvine erschien auf der Schwelle.

»Liegt noch etwas vor?« fragte sie, und als Constancia und Hubbard verneinten, zog sie sich mit einem kurzen Gruß wieder zurück. Gleich darauf wurde innen der Schlüssel umgedreht, und wenige Minuten später fiel auch die Tür nach dem Korridor hörbar ins Schloß.

»So macht sie es jeden Tag«, erklärte Miss Babberly und schlug mit einem höchst zweideutigen Lächeln die Beine übereinander, so daß man möglichst viel davon sehen konnte. »Können Sie das verstehen? Ich nicht. Da muß doch unbedingt etwas dahinterstecken«, fuhr sie fort und nestelte mit einem impertinenten Lächeln an ihrem Halsausschnitt herum. »Ich bin ja gewiß nicht prüde«, versicherte sie eifrig und sah Hubbard aus ihren grünen Augen von der Seite an, »aber sie sollte doch auf das Gerede des Personals etwas Rücksicht nehmen, das natürlich auf alle möglichen Vermutungen kommt. Besonders, da sie sich bereits einige Male um diese Stunde abholen ließ. Vor dem Portal, denken Sie sich. Wie ein Dienstmädchen. Ich finde das höchst ungehörig.«

»Von einem Mann natürlich«, meinte der Sekretär leichthin, indem er sich mit seiner Korrespondenzmappe zu schaffen machte.

»Natürlich«, kicherte sie, »Sonst wäre doch nichts dabei. Übrigens ein ganz interessanter Mann«, fuhr sie mit sachverständiger Anerkennung fort. »Bereits etwas älter, aber von tadellosem Aussehen. Nur die Binde über dem einen Auge stört. – Ich bitte Sie, schließlich ist das doch ein Gebrechen.«

Hubbard klappte unvermittelt die Mappe zu und lächelte die Kollegin vergnügt an.

»Das Geschäft bedarf unserer Aufsicht, Miss Babberly«, sagte er und machte eine einladende Handbewegung.

Constancia hatte sich die Sache zwar anders gedacht, aber schließlich war dies ja der erste Abend. Während sie glückselig hinter dem Sekretär dreinschwebte, träumte sie von jenen, die noch kommen sollten.


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