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Harun Arraschid saß einst auf seinem Thron, da brachte ein Diener eine goldene Krone, mit allerlei Edelsteinen verziert, küßte die Erde vor ihm und sagte: »Mein Herr! die Gebieterin Subeida verbeugt sich vor dir und läßt dir sagen, daß, wie dir wohl bekannt, sie eine goldene Krone bestellt habe, und nun bedarf sie eines großen Steines für die Spitze derselben, denn sie hat in ihren Schatzkammern keinen passenden finden können.« Der Kalif befahl seinen Kammerherrn, einen großen Edelstein aufzusuchen; sie konnten aber keinen finden, der für Subeidas Krone groß genug gewesen wäre. Als sie dies dem Kalifen berichteten, rief er bestürzt aus. »Wie, ich bin Kalif und besitze keinen Edelstein für Subeidas Krone? Wehe euch! sucht einmal bei den Juwelieren!« Diese sagten aber den Kammerherren: »Der Kalif findet einen solchen Edelstein nur bei einem Mann aus Baßrah, welcher Abu Muhamed, der Müßiggänger, genannt wird.« Masrur wurde sogleich mit einem Schreiben an den Statthalter von Baßrah gesendet, worin der Kalif ihn aufforderte, ihm Abu Muhamed zu schicken. Sobald der Statthalter von Baßrah das Schreiben des Kalifen gelesen hatte, schickte er mehrere aus seinem Gefolge mit Masrar zu Abu Muhamed. Masrur klopfte an dessen Tür und sagte dem Diener, der herauskam: »Melde deinem Herrn, der Fürst der Gläubigen lasse ihn zu sich rufen.« Sobald der Diener dies seinem Herrn berichtete, kam er heraus und verbeugte sich vor Masrur und den Dienern des Kalifen und sagte: »Ich bin bereit, zu gehorchen; kommt nur ein wenig herein!« Masrur weigerte sich lange, indem er sagte: »Wir müssen eilen, denn der Fürst der Gläubigen erwartet uns.« Aber Abu Muhamed drang in ihn, ihm in sein Haus zu folgen bis er das Nötige zur Reise vorbereitet haben werde. Als Masrur eingetreten war, befahl Abu Muhamed einem Diener, ihn ins Bad zu fahren, das im Hause war. Masrur trat in ein Bad, dessen Wände und marmorierter Boden mit Gold und Silber verziert waren, und dessen Wasser mit Rosenwasser gemischt war. Mehrere Sklaven bedienten ihn aufs sorgfältigste und brachten ihm, als er aus dem Bad kam, seidene Kleider mit Gold durchwirkt. Als er dann ins Schloß zurückgeführt wurde, das mit seidenen Vorhängen und golddurchwirkten Divanen ausgestattet war, bewillkommte ihn Abu Muhamed und bat ihn, sich an seine Seite zu setzen. Die Diener brachten sogleich auf seinen Befehl einen gedeckten Tisch, der Masrur in ein so großes Erstaunen setzte, daß er ausrief: »Bei Gott! einen solchen Tisch habe ich bei dem Fürsten der Gläubigen nicht gesehen!« Die köstlichsten Speisen wurden in chinesischen vergoldeten Gefäßen aufgetragen. Masrur ließ sich alles wohl schmecken und des Abends erhielt er und seine Gesellschafter jeder tausend Dinare. Am folgenden Morgen reichte man ihm grüne Kleider mit Gold durchwirkt, und Abu Muhamed erwies ihm wieder so viel Ehre, daß er sich bereden ließ, die Abreise noch um einen Tag zu verschieben. Am dritten Morgen aber richteten die Diener ein Maultier her und legten ihm einen mit allerlei Edelsteinen besetzten goldenen Sattel auf. Da dachte Masrur: »Der Kalif wird sich gewiß wundern, wenn ein Mann in einem solchen Aufzug ihn besucht und ihn fragen, woher ihm so viele Reichtümer zugekommen.« Masrur und Abu Muhamed nahmen dann vom Statthalter Abschied, reisten von Baßrah nach Bagdad und begaben sich zum Kalifen. Abu Muhamed grüßte den Kalifen und sagte: »Ich habe als ergebener Diener einige Geschenke mitgebracht; wenn du es erlaubst, so lasse ich sie hertragen.« Als der Kalif eine bejahenden Wink gab, ließ Abu Muhamed eine Kiste bringen, worin goldene Bäume waren mit Blättern aus Smaragd und Früchten aus Rubin und weißen Perlen, nebst anderen Geschenken.
Er ließ dann eine zweite Kiste hertragen, in welcher ein seidenes, golddurchwirktes Zelt war, reich mit Perlen, Rubinen und Smaragden besetzt. Die Pfeiler des Zeltes waren aus indischem Aloeholz und der Saum des Zeltes war mit Diamant und Smaragd verziert. Abu Muhamed sagte, dem Kalifen die Geschenke hinreichend: »Glaube nicht, daß ich dir diese Geschenke aus Furcht bringe, sondern weil ich dachte, sie ziemen dem Fürsten der Gläubigen besser, als einem gewöhnlichen Mann; wenn es dir beliebt, so zeige ich dir, daß ich ebenso mächtig als reich bin.« Der Kalif sagte: »Tu dies, wir wollen sehen.« Da bewegte Muhamed seine Lippen und hob sie gegen die Zinnen des Hauses, und sie neigten sich sogleich zu ihm herunter; dann ließ er sie wieder an ihren Platz treten. Er winkte hierauf mit den Augen, und es erschienen Gemächer mit verschlossenen Türen; Muhamed redete sie an und Vögelstimmen antworteten ihm. Der Kalif sagte erstaunt: »Wie kamst du zu all diesem? Man nennt dich doch nur den trägen Abu Muhamed? auch habe ich gehört, dein Vater sei Schröpfer in einem Bad gewesen und habe dir nichts hinterlassen.«
Abu Muhamed antwortete: »Höre meine Geschichte, o Fürst der Gläubigen! Mein Vater war allerdings Schröpfer in einem Bad, und ich war in meiner Jugend der trägste Mensch auf Erden. Meine Trägheit war so groß, daß, wenn ich an einem Ort lag und die Sonne mich beschien, ich die Mühe scheute, aus der Sonne in den Schatten zu gehen. So lebte ich fünfzehn Jahre lang, bis mein Vater starb. Er hinterließ mir gar nichts und meine Mutter mußte mich bedienen und mir zu essen und zu trinken bringen, ich aber blieb stets auf einem Fleck liegen. Eines Tages kam meine Mutter zu mir, mit fünf Drachmen Silber in der Hand, und sagte: »Mein Sohn! ich habe gehört, der Scheich Abu Muzfir reist nach China - dies war ein guter Mann und liebte die Armen sehr - stehe nun auf! wir wollen ihm einiges Geld bringen und ihn bitten, daß er uns dafür etwas in China kaufe, woran wir mit Gottes Gnade einiges gewinnen.« Ich weigerte mich, aufzustehen; da schwor sie, daß, wenn ich nicht mitkomme, sie mich gar nicht mehr besuchen und mir nicht mehr zu essen und trinken geben würde, so daß ich vor Hunger sterben müßte. Da ich wußte, daß meine Mutter wegen meiner ihr bekannten Trägheit so geschworen hatte, sagte ich ihr: »Nun, so setze mich aufrecht!« Nachdem sie mich aufgehoben hatte, sagte ich ihr: »Ziehe mir meine Kleider an«, und sie tat es; so ging ich dann stolpernd fort bis ans Ufer des Stroms; da grüßten wir den Scheich Abu Muzfir, und ich sagte ihm: »Mein Herr, nimm dies Geld und kaufe dafür etwas in China, vielleicht wird mir Gott Gewinn daran verleihen.« Abu Muzfir fragte seine Gefährten, ob sie diesen Mann kennen? sie sagten: »Ja, er ist unter dem Namen Abu Muhamed der Träge bekannt, doch haben wir ihn nie ausgehen sehen.« Abu Muzfir nahm das Geld und reiste im Namen Gottes mit seinen Geführten nach China. Er vollendete in drei Tagen seine Geschäfte und schickte sich schon zur Rückkehr an, da sagte er seinen Gefährten: »Haltet ein! ich habe den Auftrag des trägen Abu Muhamed vergessen, kommt zurück, daß wir etwas für ihn kaufen.« Seine Gefährten beschworen ihn bei Gott, nicht zurückzukehren und an die große und gefahrvolle Reise zu denken; aber er bestand darauf, wieder ans Land zu gehen, bis sie sich erboten, ihm das Geld des Trägen mehrfach zu verdoppeln. Sie reisten dann weiter und kamen an eine vielbewohnte Insel, ankerten daselbst, stiegen mit ihren Waren ans Land und tauschten andere Gegenstände dafür ein. Als sie wieder aufs Schiff zurückkehren wollten, sah Abu Muzfir einen Mann mit vielen Affen vor sich, worunter sich einer befand, dem alle Haare ausgerissen waren; er sah auch, daß, so oft der Hüter das Auge von seiner Herde wegwandte, alle Affen über den mit ausgerissenen Haaren herfielen und ihn mißhandelten. Abu Muzfir bedauerte diesen Affen und sagte zu dessen Hüter: »Ich habe fünf Drachmen bei mir, die einem Waisen gehören, verkaufe mir ihn dafür.« Der Hüter antwortete: »Ich verkaufe dir ihn, Gott segne dich!« Abu Muzfir gab das Geld her, ließ den Affen im Schiff anbinden und reiste mit seinen Gefährten nach einer anderen Insel, wo sie wieder ankerten. Da kamen die Taucher, welche Perlen und Edelsteine aus dem Meer holten, um dafür Waren zu kaufen. Als der Affe sie untertauchen sah, machte er sich los und stürzte sich auch ins Meer. Abu Muzfir schrie: »Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! der Affe, der dem armen Waisen gehörte, ist verloren.« Als aber die Taucher wieder heraufkamen, stieg auch der Affe empor und trug viele Edelsteine in den Händen, die er vor Abu Muzfir hinwarf. Dieser erstaunte sehr und sagte: »Hinter diesem Affen muß ein großes Geheimnis stecken.« Sie reisten dann weiter nach der Insel Zing, die von Schwarzen bewohnt ist, welche Menschenfleisch fressen: Sobald die Schwarzen das Schiff sahen, kamen sie in Nachen heran, legten alle Leute, die auf dem Schiff waren, in Ketten und führten sie zu ihrem König. Dieser ließ einen Teil der Leute schlachten und ihr Fleisch verzehren, worüber die übrigen heftig weinten. In der Nacht kam aber der Affe und entfesselte Abu Muzfir. Als die anderen Kaufleute dies sahen, sagten sie: »Vielleicht können wir nun durch dich befreit werden.«
Abu Muzfir sagte: »Ich verdanke meine Befreiung dem Affen des Trägen, wofür ich ihm tausend Dinare bestimme; wollt ihr das gleiche tun?« Die Kaufleute riefen einstimmig: »Wir geben ebenso viel.« Der Affe entfesselte hierauf einen nach dem andern; sie gingen zusammen auf das Schiff, das sie unbeschädigt wiederfanden, und reisten nach Bagdad. Sobald Abu Muzfir seine Freunde wieder sah, erkundigte er sich nach dem trägen Abu Muhamed; und während ich im Schlaf erwachte, kam meine Mutter zu mir und sagte: »Stehe auf! Abu Muzfir ist zurückgekehrt.« Ich sagte: »Hebe mich auf, wenn Gott beschlossen hat, daß ich an das Ufer des Stroms gehen soll.« Als sie mich aufrichtete, ging ich, über den Saum meines Kleides stolpernd, zu Abu Muzfir. Er sagte: »Willkommen sei mir der, dessen Geld durch Gottes Willen mich und meine Gefährten gerettet; nimm diesen Affen, den ich für dich gekauft, und erwarte mich bei deiner Mutter!« Ich ging damit zu meiner Mutter und sagte: »Bei Gott! das ist eine kostbare Ware, sooft ich mich schlafen lege, weckst du mich, damit ich Handel treibe, sieh nun einmal mit eigenen Augen diese Ware an!« Kaum hatte ich mich niedergelassen, da kam Abu Muzfir mit seinen Sklaven und bat mich, mit ihm in sein Haus zu gehen. Hier ließ er von seinen Sklaven das Geld herbeiholen und sagte: »Gott hat dir durch deine fünf Drachmen reichen Segen gespendet;« gab mir dann die Schlüssel zu zwei Kisten und befahl seinen Sklaven, sie hinter mir her in mein Haus zu tragen. Meine Mutter freute sich sehr, als ich mit dem Geld nach Hause kam, und bat mich, nunmehr meine Trägheit aufzugeben. Der Affe saß stets neben mir auf dem Divan, wenn ich aß oder trank; aber vom Morgen bis Mittag blieb er aus und kam dann wieder mit einem Beutel von tausend Dinaren. Ich wurde sehr reich, kaufte viele Güter, baute Gärten an und verschaffte mir viele Sklaven. Eines Tages, als der Affe neben mir saß, sah er sich oft um, rechts und links; ich dachte: Was mag wohl die Ursache davon sein? Da ließ Gott den Affen in einer klaren Sprache mir zurufen: »O Abu Muhamed!« Als ich ihn sprechen hörte, wollte ich davonlaufen; er rief mir aber zu: »Fürchte dich nicht, ich bin kein Affe, sondern ein widerspenstiger Geist; ich kam zu dir, weil du so elend warst; nun aber weißt du gar nicht, wie reich du bist; ich wünsche nur noch, daß du ein Mädchen heiratest, so schön wie der Mond.« Ich fragte: »Wie soll das zugehen?« Er antwortete: »Morgen früh ziehe kostbare Kleider an. laß deinem Maultier einen goldenen Sattel auflegen, reite auf den Markt der Getreidehändler und frage nach dem Laden des Scherif, setze dich zu ihm und halte um seine Tochter an; entgegnet er dir: Du hast weder Geld noch Adel, so gib ihm tausend Dinare; fordert er mehr, so biete so viel, bis er nach deinem Gelde lüstern wird.« Ich versprach dem Affen zu gehorchen, und begab mich am folgenden Morgen, wie er es wünschte, von zehn Mamelucken begleitet, in den Laden des Scherif.
Als der Scherif mich fragte, was ich von ihm wolle, antwortete ich: »Ich wünsche deine Tochter zu heiraten.« Da sagte er: »Du bist von gemeiner Herkunft und hast kein Vermögen.« Ich überreichte ihm aber einen Beutel mit tausend Dinaren und sagte: »Hier ist mein Adel und meine Abkunft; der Prophet Gottes (Friede sei mit ihm!) hat gesagt: Geld ist der beste Adel; auch hat ein Dichter gesagt:
»Wenn ein reicher Mann unwahr spricht, so sagt man: Du hast Recht, es ist wahr; spricht aber ein Armer die Wahrheit, so wird er ein Lügner genannt. Überall verschafft Geld den Menschen Ehre und Schönheit; es dient als Zunge dem, der sprechen will, und als Pfeil dem, der Krieg zu führen wünscht.«
Der Scherif verbeugte sich und sagte: »Wenn es denn sein soll, so fordere ich nur noch zweitausend Dinare mehr.« Ich erwiderte: »Recht gerne«, und schickte die Mamelucken fort, um das übrige Geld zu holen. Der Scherif stand dann auf, ließ den Laden schließen, nahm mehrere Freunde vom Markt mit nach Hause, schrieb den Ehekontrakt und sagte mir: »In zehn Tagen kannst du die Ehe vollziehen.« Ich ging vergnügt nach Hause und erzählte dem Affen, als ich allein bei ihm war, das Resultat meines Versuchs bei dem Scherif und er bezeugte mir seine Zufriedenheit damit. Als die zur Hochzeit festgesetzte Zeit kam, sagte mir der Affe: »Ich muß dich nun um etwas bitten, ehe deine Gattin zu dir kommt; gewährst du mir's, so sollst du haben, was du willst.« Da ich ihm die Erfüllung seines Wunsches zusagte, fuhr er fort: »Im oberen Teil des Gemachs, wo du mit der Tochter des Scherif die Hochzeitnacht feiern wirst, ist eine Schatzkammer, mit einem messingnen Ring an der Tür. Nimm die Schlüssel, die unter dem Ringe liegen, und öffne die Tür; da findest du eine eiserne Kiste mit vier Fahnen an den Ecken, auf denen allerlei Talismane gemalt sind; du wirst in der Kiste eine messingne Schüssel mit Gold gefüllt, und einen weißen Hahn mit gespaltenem Kamm sehen, und neben derselben elf Schlangen. Nimm schnell das Messer, das neben der Kiste liegt, schlachte den Hahn, zerschneide die Fahnen, leere die Kiste aus und geh wieder zur Braut: das ist mein Wunsch.« Ich versprach ihm, zu gehorchen, ging zur Hochzeit und fühlte mich höchst glücklich, als ich mit meiner Braut allein war, denn sie war eine ausgezeichnete Schönheit. Um Mitternacht, als meine Braut schlief, nahm ich die vom Affen bezeichneten Schlüssel und öffnete die Schatzkammer, dann ergriff ich das Messer, schlachtete den Hahn, zerriß die Fahnen und warf die Kiste um.
Da erwachte meine Frau, und als sie den Hahn geschlachtet und die Kiste umgestürzt sah, schrie sie: »Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Bei Gott, nun hat mich der widerspenstige Geist in seiner Gewalt!« und kaum hatte sie diese Worte gesagt, so wurde sie weggeschleppt. Sie stieß ein so lautes Geschrei aus, daß der Scherif herbeigelaufen kaum und sagte: »O Abu Muhamed! ist das unser Lohn? handelst du so gegen uns? Schon sechs Jahre will ein böser Geist meine Tochter entführen und ich hielt ihn durch meine Talismane davon ab. Nun hast du nichts mehr hier zu schaffen, geh nur deines Weges!« Ich ging nach Hause und suchte den Affen, fand aber keine Spur von ihm; da dachte ich: gewiß ist er der widerspenstige Geist, darum riet er mir, die Talismane zu zerstören, die ihn aus der Nähe meiner Gattin verbannten. Ich zerriß meine Kleider, schlug mich ins Gesicht und fand die Erde zu eng für mich. Den ganzen Tag lief ich in der Wüste herum, ohne zu wissen, wohin. Des Abends sah ich zwei Schlangen, eine braune und eine weiße, die miteinander kämpften; da hob ich einen Stein auf und tötete die braune Schlange, welche die böseste war. Hierauf verschwand die weiße Schlange, kam dann mit zehn anderen Schlangen wieder, welche die tote Schlange zerrissen, bis nichts als der Kopf an ihr blieb, und dann wieder weggingen. Bald darauf hörte ich, ohne jemanden zu sehen, folgenden Vers rezitieren:
»Fürchte das Schicksal und seine Tücke nicht, Gott wird dir schon wieder Glück und Freude bringen.«
Diese Worte machten einen tiefen Eindruck auf mich; und alsbald hörte ich hinter mir eine Stimme, welche folgende Verse rezitierte:
»Muselmann, der du den Koran gelesen, freue dich, du bist nun in Sicherheit; fürchte keinen Satan mehr, denn wir sind ein rechtgläubiges Volk.«
Ich sagte: »Bei dem, den du anbetest, sprich, wer bist du?« Da verwandelte sich die Stimme in eine menschliche Gestalt und sprach: »Fürchte nichts! wir sind rechtgläubige Geister, du kannst, da du uns Gutes erwiesen, von uns fordern, was du begehrst.« Ich erwiderte: »Mir ist das größte Unglück widerfahren.« Sie versetzte: »Mir ist, du seiest der träge Abu Muhamed.« Ich sagte: »Der bin ich.« »Nun«, versetzte sie, »ich bin der Bruder der weißen Schlange, deren Feind du getötet hast. Wir sind vier Geschwister und wir alle sind dir zu Dank verpflichtet und wir werden dir behilflich sein, daß du deine Gattin wieder erhältst, welche der böse Geist, der als Affe bei dir war, entführt hat.«
Auf den Ruf des Geistes sammelte sich eine ganze Herde Geister um ihn, die er nach dem Aufenthaltsort des Affen befragte. Da sagte einer: Ach weiß, daß er sich in der kupfernen Stadt aufhält, wo nie die Sonne scheint.« - »So mache dich auf, Abu Muhamed!« sagte der Geist, »einer unserer Sklaven wird dich dahin tragen und dir sagen, wie du dich deiner Frau bemächtigen kannst. Doch der Sklave ist ein widerspenstiger Geist, du darfst den Namen Gottes nicht vor ihm aussprechen, sonst entflieht er und du bist verloren.« Ein Sklave nahm mich sogleich auf den Rücken und flog mit mir so hoch hinauf, daß mir die Sterne wie Berge vorkamen, und ich hörte, wie die Engel im Himmel Gott priesen. Ich unterhielt mich auch gut mit dem Sklaven, der mir alles Wunderbare in der Luft zeigte, und der Name Gottes kam mir nicht über die Lippen. Auf einmal kam ein Mann im grünen Gewande mit schwarzen Haarlocken, leuchtendem Gesicht und einem blitzenden Schwert in der Hand auf mich zu und sagte: »Abu Muhamed, sprich: Es gibt keinen Gott außer dem einzigen Gott, sonst erschlage ich dich mit diesem Schwert.« Schon zerriß es mir das Herz, daß ich Gottes Namen nicht erwähnen sollte, ich rief daher: »Es gibt keinen Gott, außer Allah.« Da schlug der Mann den Sklaven mit dem Schwert, er zerrann und wurde zu einem Haufen Asche, ich aber fiel in ein mächtig tobendes Meer. Zu meinem Glück segelte ein Schiff, mit fünf Menschen darin, an mir vorüber, das mich aufnahm, aber ich verstand die Sprache dieser Leute nicht. Sie fuhren den ganzen Tag fort; gegen Abend warfen sie das Netz aus und fingen einen Fisch, von dem sie mir ein Stück gebraten zu essen gaben. Am folgenden Tag kamen wir in eine Stadt; ich wurde vor den König geführt, der mir Geschenke machte und mich zum Vezier ernannte. Ich fragte nach dem Namen dieser Stadt und man sagte mir: »Sie heißt Hunad und gehört zu China.« Der König ließ mir dann durch seinen früheren Vezier die Stadt zeigen, deren ältere Bewohner, weil sie ungläubig waren, in Stein verwandelt wurden, und ich bewunderte die vielen Obstbäume, die so herrliche Früchte trugen.
Als ich einen Monat in dieser Stadt zugebracht hatte und am Ufer eines Flusses stand, kam ein Reiter auf mich zu und fragte mich: »Bist du der träge Abu Muhamed?« Als ich seine Frage bejahte, sagte er: »Fürchte nichts! du warst unser Wohltäter, ich bin der Bruder der Schlange, die du gerettet, und du befindest dich nicht weit von dem Ort, wo deine Frau sich aufhält.« Er zog dann seine Kleider aus und reichte sie mir, ließ mich hinter ihn auf sein Pferd sitzen und ritt mit mir in eine Wüste. »Hier«, sagte er, »steige jetzt ab und geh zwischen diesen beiden Bergen weiter, da wirst du die kupferne Stadt sehen; gehe aber nicht hinein, bis ich wiederkehre und dir sage, was du tun sollst.« Ich ging bis dicht vor die Stadt und bewunderte ihre Mauern von Eisen und Kupfer, fand aber kein Tor, obschon ich die ganze Stadt umkreiste. Auf einmal kam der Reiter wieder und gab mir ein mit Talismanen beschriebenes Schwert, das mich unsichtbar machte. Als er mich hierauf wieder verließ, vernahm ich ein großes Geschrei und sah eine Menge Leute, welche die Augen auf der Brust hatten. Sie fragten mich, wie ich hierher gekommen? und als ich ihnen die Wahrheit erzählte, sagten sie: »Wir sind Freunde der Schlange, deine Braut ist in dieser Stadt, doch wissen wir nicht, was der böse Geist mit ihr begonnen. Steige nur in den Strom, den du vor dir siehst, und folge ihm in die Stadt.« Ich warf mich ins Wasser, das durch einen unterirdischen Kanal in die Stadt lief; und als ich unter einem seidenen Baldachin wieder herauf kam, sah ich meine Frau auf einem goldenen Thron sitzen. Sie grüßte mich und fragte, wie ich hierher gekommen, und nachdem ich ihr alles erzählt hatte, sagte sie: »Wisse, der verruchte Geist hat mir aus heftiger Liebe gestanden, wie man ihm beikommen kann; er hat mir eine Säule gezeigt, in welcher ein Adler mit allerlei Talismanen eingegraben sein soll: wer den nimmt, kann alle Geister beherrschen und die ganze Stadt zu Grund richten. Nimm also diesen Adler, und die Geister werden alle deine Befehle vollziehen.« Ich tat, wie sie mir befahl, und als die Geister mich fragten, was ich wünsche sagte ich: »Leget den widerspenstigen Geist, der diese Frau entführt hat, in Ketten.« Als dies geschehen war, entließ ich sie, indem ich ihnen sagte: »Wenn ich eurer bedarf, so rufe ich euch wieder.« Ich begab mich dann mit meiner Frau wieder auf den unterirdischen Kanal bis ich zu den Geistern kam, die mir den Weg gezeigt hatten. Diese führten uns ans Meer, wo ein Schiff wartete; wir reisten mit günstigem Wind nach Baßrah zurück, und der Scherif freute sich nicht wenig, als meine Frau wieder zu ihm zurückkehrte. In meinem Haus angelangt, beräucherte ich den Adler mit Moschus, da erschienen viele Geister und fragten, was ich wünsche? Ich befahl ihnen, alle Schätze aus der kupfernen Stadt herzubringen: Gold, Silber und Edelsteine. Als dies geschehen war, befahl ich ihnen, mir den Affen zu bringen. Sie schleppten ihn nach einer Weile, im erbärmlichsten Zustand, zu mir her und ich sagte ihm: »Weil du mir treulos warst, du Verruchter! sollst du nun auf ewige Zeiten in eine kupferne, mit Blei versiegelte Flasche gesperrt werden.« Ich lebe nun höchst vergnügt mit meiner Gattin, und so oft ich Geld oder sonst etwas brauche, wende ich mich an meine Geister, die mir alles sogleich bringen. So viel, o Fürst der Gläubigen! verdanke ich der Güte des erhabenen Gottes. Der Kalif war höchst erstaunt über diese Erzählung und machte Abu Muhamed kostbare Gegengeschenke.