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Man erzählt: Als Mamun, der Neffe Haruns, Kalif wurde, huldigte ihm Ibrahim, Haruns Bruder, nicht; er ging nach Rei und warf sich dort zum Kalifen auf. Sein Neffe Mamun suchte ein Jahr elf Monate und zwölf Tage lang ihn durch Güte zum Gehorsam zurückzuführen; dann zog er mit Reitern und Fußvolk nach Rei, und Ibrahim blieb nichts übrig, als nach Bagdad zu fliehen und dort sich zu verbergen, aber Mamun versprach hunderttausend Dinare dem, der ihn entdecken würde.Der Erzähler weicht hier von der wirklichen Geschichte ab. Ibrahim wurde in Bagdad zum Kalifen erwählt, während Mamun in Rei residierte, und wieder entthront, als dieser Herr von Bagdad wurde.
Ich fürchtete mich sehr, erzählt Ibrahim selbst, und wußte nicht, was tun. Ich verließ gegen Mittag mein Haus, ohne zu wissen, wo ich hingehen wollte; da kam ich in eine Straße, die keinen Ausgang hatte, und sah einen schwarzen Sklaven vor der Tür seines Hauses stehen; ich näherte mich ihm und fragte ihn, ob er einen Platz habe, wo ich mich eine Weile verbergen könnte? Er sagte: »Ja«, führte mich in ein reinliches Haus, schloß die Türe und ging fort. Ich vermutete, er habe mich erkannt und von dem Preise gehört, der auf mich gesetzt war, und gehe jetzt, mich zu verraten und ich wurde so unruhig, wie ein Topf über dem Feuer. Während ich so über meinen Zustand nachdachte, kam er wieder mit einem Träger, der allerlei Lebensmittel brachte, und sagte mir: »Ich gebe mein Leben für das deinige hin.«
Da ich hungrig war, bereitete ich mir einen Topf voll Speisen zu, dergleichen ich nie gegessen. Dann näherte er sich mir und sagte: »Ich bin nicht würdig, daß du dich mit mir unterhältst, willst du jedoch deinem Sklaven solche Ehre erweisen, so mag deine hohe Einsicht darüber entscheiden.« Ich sagte ihm, denn ich zweifelte noch, ob er mich erkannte: »Woher weißt du, daß meine Unterhaltung angenehm ist?« Er antwortete: »Unser Herr, der Sultan Gottes, ist zu berühmt (als daß ich es nicht wüßte), du bist ja mein Gebieter, Ibrahim Mahdi, auf den Mamun einen Preis von hunderttausend Dinaren gesetzt.« Als ich dies hörte, sah ich, welch einen großen, würdigen Mann ich vor mir hatte, und gewährte ihm seinen Wunsch. Die Trennung von meinem Sohn fiel mir eben ein und ich sprach folgende Verse:
»Vielleicht wird der, welcher Joseph seine Leute zuführte und ihn im Gefängnis tröstete, uns erhören und wieder vereinigen, denn der Herr der Welten ist allmächtig.«
Als der Sklave dies hörte, fragte er, ob er auch, was ihm gerade einfällt, rezitieren dürfe? Ich sagte ihm: »Ja«, und er sprach:
»Wir klagten unsern Freunden die Länge unserer Nächte; sie aber sagten: bei uns sind sie sehr kurz; schnell schließt der Schlaf ihre Augen, während die unsrigen immer offen bleiben. Uns Unglücklichen in der Liebe bringt die Nacht nur Trauer, während ihnen ihr Herannahen willkommen ist. Ginge es ihnen wie uns, so gliche auch ihr Nachtlager dem unsrigen.«
Ich sagte: »Bei Gott! das ist schön, nun habe ich alle Furcht verloren.« Dann rezitierte er auf mein Verlangen noch folgende Verse:
»Sie warfen uns vor, daß wir nur gering an Zahl, aber ich antwortete: freilich, der Edlen gibt es nicht viele, doch was schadet es, daß wir wenige nur und unsere Nachbarn zahlreich sind, wenn niemand auf ihren Schutz zählen kann, während unsere Gäste geehrt werden? Wir sind ein Stamm, der den Tod als keine Schmach betrachtet, wie die Stämme Amer und Salul. Unsere Liebe zum Tode bringt uns ihm näher, während ihre Feigheit ihnen ein langes Leben sichert.«
Ich war erstaunt, so viel Bildung bei einem solchen Mann zu finden, und warf ihm einen Beutel mit kostbaren Münzen zu, den ich bei mir hatte, indem ich ihm sagte: »Gott schütze dich! ich verlasse dich jetzt; du kannst dieses Geld zu wichtigen Dingen für dich verwenden, ich werde mich dir noch dankbarer zeigen, wenn ich einmal nichts mehr zu befürchten habe.« Aber er gab mir den Beutel zurück und sagte: »Arme Leute meinesgleichen haben keinen Wert in deinen Augen, aber wie soll ich für die Gunst des Schicksals, das dich bei mir einkehren ließ, Bezahlung annehmen? Bei Gott, wenn du in mich dringst, so mache ich meinem Leben ein Ende.« Hierauf nahm ich den schweren Beutel wieder und steckte ihn in meinen Ärmel und wendete mich der Türe zu. Da sagte er: »Mein Herr, hier bist du am sichersten und es fällt mir nicht schwer, dich zu verpflegen; bleibe bei mir, bis dir Gott helfen wird.« Ich blieb noch einige Zeit bei ihm, ohne daß er zugab, daß etwas von meinem Beutel genommen wurde. Dann verkleidete ich mich als Frauenzimmer und ging verschleiert aus und trug Frauenstiefelchen. Da begegnete mir, als ich ängstlich über eine Brücke ging, die mit Wasser bespritzt war, einer meiner frühem Diener; er erkannte mich und rief: »Nun wird Mamuns Verlangen gestillt,« und faßte mich an; aber ich stieß ihn mitsamt seinem Pferd in den Kot, und während die Leute sich zu ihm hindrängten, lief ich davon und kam an eine Tür, vor welcher eine alte Frau stand. Ich sagte ihr: »Schone mein Blut und nimm mich bei dir auf, ich bin in Gefahr.« Sie erwiderte: »Fürchte nichts«, führte mich in ein Zimmer, legte Divane zurecht und gab mir zu essen. Auf einmal kam der Mann, den ich umgeworfen hatte, mit verbundenem Kopf, ohne Pferd und das Blut lief ihm über seine Kleider herunter. Als die Alte ihn fragte, was ihm geschehen, erzählte er ihr, was zwischen ihm und mir auf der Brücke vorgefallen war. Er suchte dann einen Lumpen und verband den Kopf und legte sich krank in sein Bett. Als die Alte wieder zu mir kam, sagte sie: »Ich glaube, du bist der Held dieses Abenteuers; doch fürchte nichts.« Ich blieb hierauf noch drei Tage bei ihr, während derer sie mich mit der größten Ehrerbietung bewirtete. Am vierten Morgen aber sagte sie mir: »Ich fürchte, der Mann möchte einmal heraufkommen und dich finden, drum suche zu entkommen.« Ich bat sie, mich bis zur Nacht bei sich zu lassen, und da sie es bewilligte, ging ich abends, als Frauenzimmer gekleidet, von ihr weg und begab mich zu einer frühern Sklavin. Als sie mich sah, weinte sie, bezeigte mir ihre Teilnahme und pries Gott über meine Rettung; dann ging sie weg unter dem Vorwand, auf dem Markt zu meiner Bewirtung etwas einzukaufen. Auf einmal kam Ibrahim Al-Moßuli mit seinen Sklaven und Wachen, geführt von der Sklavin, in deren Haus ich war. Ich wurde in dem Aufzug, wie ich war, ins Schloß des Kalifen geführt; Mamun ließ den großen Divan versammeln, und als ich vor ihm erschien und ihn grüßte, sagte er: »Gott grüße dich nicht!« Da sagte ich: »O Fürst der Gläubigen! gewiß kann mein Richter die Strafe über mich verhängen, aber verzeihen ist Gott gefälliger; möge deine Großmut die anderer Herrscher verdunkeln, so wie mein Verbrechen jedes andere übersteigt. Willst du dich rächen, so tust du es mit Recht; verzeihst du aber, so bist du gnädig.« Ich trug dann noch folgende Verse vor:
»Groß ist mein Verbrechen, aber noch größer ist deine Gnade, drum verschaffe dir dein Recht, oder lasse deine Milde walten; wenn nicht edel gehandelt habe, so handle du so!«
Mamun wurde gerührt und ich bemerkte, daß er zur Milde gestimmt war. Er sagte dann zu seinem Vetter und den übrigen Anwesenden: »Was ratet ihr mir zu tun?« Alle rieten zum Tode, nur waren sie nicht einig, wie ich sterben sollte. Mamun fragte dann Ahmed, den Sohn Chalids, um Rat, und dieser antwortete: »O Fürst der Gläubigen! läßt du ihn umbringen, so haben ähnliches schon manche vor dir getan; verzeihst du aber. so hast du ebenfalls viele Beispiele der Gnade vor dir.«
Als der Kalif diese Worte Chalids hörte, schüttelte er sein Haupt und sprach folgende Verse:
»Meine Stammgenossen haben meinen Bruder erschlagen, schieße ich einen Pfeil ab gegen sie, so trifft er mich selbst.«
»Nur der gemeine Mensch ist unversöhnlich in seiner Rache, wenn ihm sein Feind in die Hände gefallen ist.« Hierauf nahm ich den Schleier von meinem Haupt, pries laut Gottes Größe und sagte dem Kalifen: »Gott wird einst auch dir gnädig sein, o Fürst der Gläubigen! denn mein Verbrechen ist so unaussprechlich groß, daß deiner Großmut nicht genug Dank gezollt werden kann.« Mamun rief mir zu: »Fürchte nichts, mein Vetter!« Aber nicht nur das Leben schenkte mir Mamun, sondern er ließ mir auch mein Vermögen wieder geben und machte mir noch viele Geschenke. Dann sagte er: »O mein Oheim! Abu Ishak und Abbas haben mir geraten, dich umbringen zu lassen.« Ich erwiderte: »Abbas und Abu Ishak haben dir als Freunde geraten, doch du hast gehandelt, wie es dir ziemt und meine Furcht in Hoffnung verwandelt.« Mamun sagte: »Ich habe meinen Groll durch deine Begnadigung erstickt und dir verziehen, denn ich wollte dir die Bitterkeit deiner schadenfrohen Feinde ersparen.« Dann fiel er betend nieder, und als er wieder den Kopf aufhob, sagte er: »Weißt du, mein Oheim, warum ich niederfiel?« Ich sagte: »Um Gott zu danken, daß du deinen Feind besiegt.« - »Nein«, versetzte er, »um ihm zu danken, daß er mir Gnade eingeflößt.« Ich erzählte ihm dann das verschiedenartige Benehmen des schwarzen Sklaven, des Soldaten, seiner Frau und der Sklavin, die mich verraten. Mamun ließ letztere kommen, welche zu Hause saß und ihren Lohn erwartete, und fragte sie, was sie bewogen habe, so gegen ihren Herrn zu handeln? Sie antwortete: »Die Habsucht.« Mamun fragte sie, ob sie einen Sohn oder Gatten habe, und als sie diese Frage verneinte, ließ er ihr hundert Peitschenhiebe geben und sie auf ewig einsperren. Dann ließ er den Soldaten und seine Frau und den Sklaven kommen. Er fragte ersteren, was ihn zu seiner Tat bewogen? Er antwortete: »Habgier.« Da sagte Mamun: »Du sollst Schröpfer werden«, und er wurde sogleich in den Laden eines Schröpfers geschickt. Seiner Frau aber erwies Mamun viele Ehre und nahm sie ins Schloß; denn er sagte: »So eine verständige Frau ist in wichtigen Dingen gut zu gebrauchen.« Dem Schwarzen sagte er endlich: »Du hast dich so bieder gezeigt, daß du die höchste Verehrung verdienst; ich schenke dir das Haus des Soldaten und noch tausend Dinare dazu.«
Schehersad begann in der nächsten Nacht mit folgender Geschichte: