Gustav Weil
Tausend und eine Nacht, Zweiter Band
Gustav Weil

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Geschichte des Barmekiden Djafar.

Der Barmekide Djafar saß eines Tages beim Wein mit seinen Freunden, welche alle in farbigen Oberkleidern erschienen, die einen rot, die anderen gelb und die dritten grün. Djafar gab dem Kammerherrn den Befehl, außer seinem Gesellschafter Abd Almelik, dem Sohn Salihs, der noch erwartet wurde, keinen Menschen mehr zu ihm hereinzulassen. Als aber die Becher die Runde machten und die Laute herbeigeholt wurde, kam ein Mann, welcher auch Abd Almelik hieß, an die Tür Djafars. Dieser Abd Almelik war aber ein sehr ernster und strenggläubiger Mann, den der Kalif oft ersucht hatte, ihm Gesellschaft zu leisten und mit ihm zu trinken, dem er sogar bedeutende Summen deshalb angeboten hatte, ohne ihn dazu vermögen zu können. Der Kammerherr, welcher glaubte, dies sei der Mann, für den Djafar eine Ausnahme gemacht hatte, der aber gekommen war, um mit Djafar über irgendein Anliegen zu sprechen, führte ihn in den Trinksaal. Als aber Djafar ihn sah, kam er fast außer sich vor Scham und dachte sich wohl, daß der Kammerherr durch den Namen dieses Mannes irregeleitet worden. Abd Almelik, dem es auch auffiel, in einen Trinksaal geführt zu werden, freute sich, als er Djafars Verlegenheit merkte, sagte aber: »Ihr habt nichts zu befürchten, reicht auch mir ein farbiges Kleid.« Ein Diener gab ihm ein gefärbtes Oberhemd, er zog es an, setzte sich, unterhielt sich mit Djafar und machte allerlei Scherze. Dann forderte er auch Wein und man füllte ihm einen großen Becher. Da sagte er: »Nur sachte, ich bin daran nicht so gewöhnt.« Er spaßte dann solange mit ihnen, bis Djafars Verlegenheit verschwand und er sich über die Verwechslung des Kammerherrn freute.

Djafar fragte ihn dann, was ihn eigentlich herführte? Er antwortet: »Ich habe um drei Dinge zu bitten, die du dem Kalifen vortragen sollst; das erste ist: daß eine Schuld von einer Million Drachmen für mich bezahlt werde; zweitens wünsche ich eine Statthalterschaft für meinen Sohn, und drittens möchte ich ihn mit der Tochter des Kalifen verheiraten, welche seine Cousine, und der er ebenbürtig ist.« Djafar sagte: »Gott gewährt dir alle drei Wünsche. Dein Geld wird sogleich in deine Wohnung gebracht, deinem Sohn aber verschaffe ich die Statthalterschaft von Ägypten und die Tochter des Kalifen, gegen eine Morgengabe von so und so viel, du kannst nun in Gottes Namen ruhig nach Hause gehen.« Als Abd Almelik nach Hause kam, fand er das gewünschte Geld schon auf seinem Tisch. Am folgenden Morgen ging Djafar zum Kalifen, erzählte ihm, was zwischen ihm und Abd Almelik vorgefallen, und verließ ihn nicht eher, bis er ihm einen Firman für Abd Almeliks Sohn, als Statthalter von Ägypten, überreichte, und Kadhi und Zeugen kommen ließ, um den Ehekontrakt zwischen diesem und seiner Tochter zu schreiben.

Man erzählt ferner: Djafar stand mit dem Statthalter von Ägypten in so feindseligem Verhältnis, daß sie einander gegenseitig auswichen und einer des anderen Sturz wünschte. Einst schrieb einer einen Brief im Namen Djafars an den Statthalter von Ägypten, dessen Inhalt war:

»Der Träger dieses Briefes ist einer meiner besten Freunde, der nach Ägypten reist; ich wünsche, daß du ihn gut aufnehmest, u.s.w.«

Dieser Mann wußte nämlich nichts von der Feindschaft, die zwischen ihnen obwaltete. Der Statthalter freute sich darüber, doch war ihm dieser Brief sehr verdächtig, er erwies dem Überbringer zwar viel Ehre und sorgte für alle seine Bedürfnisse, aber er sandte doch den Brief seinem Agenten in Bagdad und beauftragte ihn, nachzuforschen, ob dieses Schreiben wirklich von der Hand des Veziers sei, oder nicht. Als des Statthalters Agent diesen Brief erhielt, ging er damit zu dem Agenten Djafars, erzählte ihm den Vorfall und zeigte ihm das Empfehlungsschreiben. Dieser brachte es Djafar, welcher es vor seinen Freunden und Adjutanten, die bei ihm waren, hinwarf und sie fragte, ob dies seine Hand sei? Sie betrachteten das Schreiben und erklärten es einstimmig für falsch. Dann sagte ihnen Djafar: »Der Überbringer dieses Briefs ist in Ägypten beim Statthalter, welcher Antwort über den wahren Zustand der Sache erwartet; was ratet ihr mir zu tun?« Da sagte einer von ihnen: »Du mußt den, der den falschen Brief geschrieben, umbringen lassen, damit niemand mehr etwas ähnliches tue;« ein anderer sagte: »Du mußt ihm die rechte Hand abhauen lassen, mit der er deinen Namen geschrieben;« ein dritter sagte: »Er muß tüchtig durchgeprügelt und dann seines Weges geschickt werden.« Der Humanste unter ihnen sagte: »Er soll zur Strafe aus Ägypten verbannt werden; es wird hart genug für ihn sein, diese weite Reise umsonst gemacht zu haben und beschämt zurückzukehren.« Als sie alle ausgeredet hatten, sagte Djafar: »Großer Gott! unter euch allen ist kein einziger wohldenkender Mann. Ihr wißt, welche Feindschaft zwischen mir und dem Statthalter von Ägypten besteht, und wie jeder von uns zu stolz ist, die Hand zur Versöhnung zu bieten; nun hat uns Gott einen Mann beschieden, der uns eine Veranlassung zum Briefwechsel und zur Versöhnung gibt: wie sollte ich ihn so hart bestrafen?« Er ließ sich dann Tinte und Kalam bringen und schrieb auf die Außenseite des Briefs an den Statthalter von Ägypten:

»Gepriesen sei Gott! Wie konntest du an meiner Handschrift zweifeln? es ist meine Hand, und der Überbringer ist einer meiner teuersten Freunde, gegen den du gütig sein mögest, den ich dich aber bitte, nicht zu lange aufzuhalten, denn ich sehne mich sehr nach ihm und bedarf seiner hier.«

Als der Brief an den Statthalter zurückkam, war er außer sich vor Freude; er erwies dem Mann die größten Ehrenbezeugungen und machte ihm kostbare Geschenke. Als der Mann wieder reich begütert nach Bagdad zurückkam, begab er sich zu Djafar, weinte und küßte die Erde vor ihm. Djafar fragte ihn: »Wer bist du?« Er antwortete: »Ich bin dein Sklave und dein Geschöpf, ich bin der Verfälscher deiner Unterschrift.« Djafar nahm ihn aber freundlich auf, hieß ihn sitzen und fragte ihn, wie viel er vom Statthalter von Ägypten erhalten? Er antwortete: »Hunderttausend Dinare.« Da sagte Djafar: »Das ist wenig, wir wollen dir diese Summe verdoppeln.« Er rief sogleich seinen Schatzmeister und ließ ihm noch hunderttausend Dinare ausbezahlen.

Man erzählt ferner: Das Wunderbarste, was dem Kalifen Harun Arraschid begegnete, war folgendes: Als sein Bruder Hadi Kalif wurde und einen wertvollen Siegelring von ihm forderte, der seinem Vater Madhi gehört hatte, wollte er ihn, weil er ihn als das Symbol des Kalifats betrachtete, nicht hergeben. Da aber Hadi sehr in ihn drang, warf er ihn in den Tigris. Als dann Hadi starb und Harun Kalif wurde, ging er wieder auf denselben Platz, wo er den Ring weggeworfen hatte, nahm einen bleiernen Ring, warf ihn ins Wasser und befahl den Tauchern, ihm seinen Ring zu suchen; sie tauchten unter und brachten den ersten Ring heraus, und dies deutete auf Haruns Glück und auf die Dauer seines Reichs.

Notiz über die Barmekiden.

Sobald Harun Kalif war, ernannte er den Barmekiden Djafar zu seinem Vezier und erwies ihm die ausgezeichnete Ehre, wie es wohl bekannt und in allen Büchern aufgezeichnet ist. Niemals stand ein Vezier so hoch, wie Djafar bei Harun Arraschid. Der Kalif nannte ihn stets Bruder und besuchte ihn oft in seinem Haus. Djafar war neunzehn Jahre lang Vezier und befolgte die Lehre seines Vaters Jahia, der ihm einst sagte: So lange dein Kalam donnert, laß ihn Wohltaten regnen. Man gibt verschiedene Ursachen über seine Hinrichtung an, doch wird Haruns Eifersucht als die triftigste angegeben. Der Kalif hatte nämlich eine Schwester, welche das schönste Geschöpf ihrer Zeit war; er liebte sie leidenschaftlich und konnte sich ebensowenig von ihr, als von Djafar trennen. Er sagte daher zu Djafar: Ich will dir meine Schwester zur Gattin geben, damit wir gemeinschaftlich uns ihres Umgangs freuen. Da er aber bald bemerkte, daß seine Schwester Djafar leidenschaftlich liebe, verwandelte sich seine Liebe zu Djafar in Haß und er ließ ihn und alle seine Verwandten hinrichten.

Alsdann erzählte Schehersad die


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