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Einst lebte ein König, mit Namen Bacht Saman, der seine größte Freude an Essen, Trinken und anderen sinnlichen Genüssen hatte. Da rückte einmal der Feind gegen die Grenzen seines Landes heran und bedrohte es mit einem Überfall. Als einer seiner Freunde ihm dies meldete und ihn aufforderte, auf seiner Hut zu sein, sagte er: »Ich habe viel Geld, Soldaten und Waffen, ich fürchte nichts.« Da sagten ihm seine Freunde: »Vertraue lieber auf Gott, der hilft dir eher, als deine Waffen, deine Soldaten und dein Geld.« Er gab aber seinen Ratgebern kein Gehör, wurde vom Feinde überfallen, besiegt und in die Flucht getrieben, denn sein Vertrauen auf etwas außer Gott half ihm nichts. Bacht Saman flüchtete sich nun zu einem anderen König und sagte ihm: »Ich komme zu dir und hänge mich an den Saum deines Kleides und flehe deine Hilfe gegen meine Feinde an.« Dieser König gab ihm so viel Geld und Truppen, daß er dachte: Nun habe ich wieder eine große Armee, ich werde gewiß meinen Feind besiegen; er setzte aber nicht hinzu: »Mit Gottes Hilfe«, darum kam ihm auch sein Feind entgegen, trieb ihn abermals in die Flucht, schlug seine Truppen, nahm ihm sein Geld und verfolgte ihn bis ans Meer. Als Bacht Saman übers Meer setzte, fand er eine große Stadt mit einer festen Zitadelle; er fragte, wem diese Stadt gehöre, und man antwortete ihm: »Dem König Chadidan.« Bacht Saman ging in den Palast des Königs, gab sich für einen Krieger aus und forderte Dienst beim König. Dieser empfing ihn gut und reihte ihn in seine Leibwache ein, doch sehnte sich Bacht Saman stets nach seinem Lande zurück. Einst traf es sich, daß der König Chadidan einen Feind zu bekriegen hatte, da ernannte er Bacht Saman zum Anführer der Truppen. Als sie aber ihre Reihen gebildet hatten, stellte sich der König Chadidan selbst an ihre Spitze mit einer Lanze in der Hand und kämpfte mutig, bis sich der Krieg für ihn entschied und das feindliche Heer beschämt die Flucht ergriff. Als Chadidan siegreich mit den Seinigen zurückkehrte, sagte ihm Bacht Saman: »O Herr, ich wundere mich, wie du, Herr dieser zahlreichen Truppen, doch selbst fechten und dich solcher Gefahr aussetzen mochtest.« Chadidan antwortete: »Du gibst dich für einen erfahrenen Krieger aus und glaubst, der Sieg hänge von der Zahl der Truppen ab?« Bacht Saman erwiderte: »Allerdings glaube ich dies.« Da versetzte Chadidan: »Du irrst in deinem Glauben; wehe dem, der nicht auf Gott vertraut! Von ihm allein kommt der Sieg. Das Heer ist nur ein Gegenstand der Zierde und dient zur Vermehrung der Ehrfurcht vor dem König. Auch ich glaubte ehemals, der Sieg hänge von der Zahl der Truppen ab; da zog mir einst ein Feind entgegen mit achthundert Mann, ich hatte ihm achthunderttausend Mann entgegen zu stellen und fürchtete ihn daher nicht; aber mein Feind vertraute auf Gott und brachte mir eine harte Niederlage bei. Ich mußte mich in eine Höhle flüchten, wo ich einen Einsiedler traf; ich wandte mich zu diesem und klagte ihm meinen Zustand. Da sagte er: Weißt du, warum du geschlagen worden bist? Ich sagte: Nein. Da versetzte er: Weil du dich auf deine zahlreichen Truppen und nicht auf Gott verlassen hast, während doch er allein dir nützen oder schaden kann; drum wende dich zu Gott und kein Feind wird dir widerstehen.
»Ich ging in mich zurück«, fuhr Chadidan fort, »und bekehrte mich nach der Weisung dieses Einsiedlers. Nach einiger Zeit sagte mir dieser: Geh mit den Truppen, die dir noch geblieben, den Feinden wieder entgegen, und wenn ihr Sinn nicht mehr mit Gott ist, so wirst du sie besiegen, und kämpftest du auch allein gegen sie. Als ich die Worte des Einsiedlers hörte, vertraute ich auf Gott, versammelte die Truppen, die ich noch übrig hatte, und überfiel den Feind plötzlich in der Nacht. Der Feind, der die geringe Anzahl meiner Leute nicht kannte, entfloh auf die schmählichste Weise, und ich wurde durch die Macht Gottes wieder König in meinem Lande, und nun setze ich im Kriege mein Vertrauen nur auf Gott.« Als Bacht Saman dies hörte, erwachte er aus seiner Ungewißheit und sagte: »Gepriesen sei der erhabene Gott! Sieh, du hast mir da meine eigene Geschichte erzählt: Ich bin der König Bacht Saman, dem dies alles selbst widerfahren, ich wende mich nun Gottes Pforte zu und bekehre mich zu ihm.« Bacht Saman ging hierauf ins Gebirge, und betete lange Gott an. Eines Nachts sagte ihm jemand im Traume: »Gott hat deine Buße angenommen, er wird dir gegen deine Feinde beistehen.« Als Bacht Saman erwachte, machte er sich gegen seine Heimat auf. Da traf er einige Leute aus der Umgebung des Königs, die ihm sagten: »Kehre wieder um, denn wir sehen, daß du hier fremd bist, und dein Leben schwebt in großer Gefahr, weil der König dieses Landes alle Fremden umbringen läßt, aus Furcht vor dem König Bacht Saman.« - »Ich fürchte nur Gott«, versetzte Bacht Saman, »ohne seinen Willen kann euer König mir nichts anhaben.« - »Aber«, erwiderten sie, »er hat viele Truppen und hält sich für unüberwindlich.« Bacht Saman ließ sich nicht abschrecken und dachte bei sich: Ich vertraue auf Gott, so Gott will, werde ich ihn besiegen. Er sagte dann zu den Leuten: »Kennt ihr mich nicht?« Sie antworteten: »Nein, bei Gott!«
Da sagte er ihnen: »Ich bin der König Bacht Saman.« Als sie dies hörten und ihn wieder erkannten, stiegen sie von ihren Pferden ab und küßten aus Ehrfurcht seine Steigbügel und sagten ihm: »O König, wie magst du dich in solche Gefahr begeben?« Er antwortete: »Mir ist leicht zumute, denn ich vertraue auf Gottes Schutz, der genügt mir.« Die Leute sagten ihm hierauf: »Das genügt dir, aber auch wir werden gegen dich verfahren, wie es unsere Pflicht erfordert; laß deinen Mut nicht sinken, du kannst über unser Vermögen und unser Leben verfügen, und da wir dem König am nächsten stehen, so können wir dich mit uns nehmen und im stillen wieder Freunde für dich werben, denn alle Leute sind dir zugetan.« Sie nahmen dann Bacht Saman in ihre Mitte und führten ihn in die Stadt und verbargen ihn.
Hierauf teilten sie Bacht Samans Rückkehr einigen höheren Beamten mit, welche früher seine Freunde waren. Bald wurde ein geheimer Bund gegen den König beschlossen, dessen Mitglieder den König töteten und Bacht Saman wieder an seine Stelle setzten. Gott gab diesem Glück in allen seinen Unternehmungen, denn er war gerecht gegen seine Untertanen und lebte im Gehorsam Gottes.
»Du siehst, o König«, sagte der Jüngling, »daß, wer einen reinen Sinn hat und auf Gott vertraut, nie zugrunde geht. Auch ich habe keine andere Hilfe zu erwarten, als von Gott, dessen Urteil ich mich gern unterwerfe, weil er meine Unschuld kennt.« Des Königs Zorn legte sich wieder, und er ließ den Jüngling ins Gefängnis zurückführen.
Am siebenten Tage kam der siebente Vezier, welcher Bihkamal hieß, verbeugte sich vor dem König und sprach: »O König, was nützt dein langes Zaudern mit diesem Jüngling? Man unterhält sich von nichts anderem mehr, als von dir und von ihm; warum läßt du ihn so lange nicht umbringen?« Der König, hierdurch aufs neue gereizt, ließ den Jüngling wieder vor sich führen und sagte ihm: »Wehe dir! Bei Gott, dieses Mal entgehst du mir nicht mehr, du hast meine Ehre verletzt, ich kann dir nie verzeihen.« Der Jüngling sprach: »O König, nur bei großen Vergehen ist Verzeihung groß; je schwerer das Verbrechen, um so ruhmvoller die Gnade; es ziemt wohl einem mächtigen König, wie du bist, einem Jünglinge meinesgleichen zu verzeihen. Gott, der übrigens meine Unschuld kennt, hat uns geboten, einander zu verzeihen. Wer einem Feinde, den er umbringen könnte, das Leben schenkt, hat dasselbe Verdienst, als hätte er einen Toten wieder belebt; wer sich anderer erbarmt, der findet wieder Erbarmen, wie der König Bihkerd.« Der König fragte: »Was war denn mit diesem Bihkerd?« Da erzählte der Jüngling: