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Einst lebte in einer kleinen Stadt ein Gutsbesitzer mit Namen Abu Saber, der große Viehherden besaß und eine schöne Frau hatte, die ihm zwei Kinder gebar. Da kam einmal ein Löwe und zerriß eine Menge Vieh. Die Gutsbesitzerin sagte zu ihrem Gatten: »Siehe, dieser Löwe hat unser bestes Vieh zugrunde gerichtet; verfolge ihn mit deinen Leuten und suche ihn zu töten, daß wir Ruhe bekommen.« Er aber antwortete: »Habe Geduld, meine Frau, denn Geduld bringt ein gutes Ende. Dieser Löwe ist doch ein schädliches Tier, Gott wird ihn schon verderben; laß uns nur in Geduld abwarten, jeder Übeltäter stürzt zuletzt selbst ins Verderben.«
Eines Tages ging der König mit großem Gefolge auf die Jagd, begegnete dem Löwen und setzte ihm nach, bis er ihn tötete. Als Abu Saber dies hörte, sagte er zu seiner Gattin: »Habe ich dir nicht gesagt, der Übeltäter stürzt schon von selbst? Hätte ich den Löwen zu erlegen gesucht, wäre es mir vielleicht nicht gelungen: das ist der Lohn der Geduld.« Einige Zeit nachher, als in dem Städtchen, das Abu Saber bewohnte, jemand ermordet wurde, ließ der Sultan das ganze Städtchen plündern, und Abu Saber verlor dadurch auch den größten Teil seines Vermögens. Da sagte ihm seine Gattin: »Die Umgebung des Sultans kennt dich als einen braven Mann, schreibe dem Sultan, er wird dir gewiß dein Gut zurückgeben lassen.« Er aber antwortete: »O meine Frau! Habe ich dir nicht gesagt, wer Unrecht begeht, wird schon bestraft werden? Nun hat der Sultan eine Gewalttat ausgeübt und unschuldigen Leuten ihr Gut geraubt: du wirst sehen, wie er bald das seinige verliert.« Dies hörte einer seiner Nachbarn, welcher ihn schon längst beneidete. Er gab dem Sultan davon Kunde, und dieser ließ dem Gutsbesitzer alles, was ihm noch übrig geblieben war, wegnehmen und ihn mit seiner Gattin aus dem Städtchen treiben. Als sie hierauf in eine Wüste flohen, sagte die Frau zu ihrem Manne: »Das alles kommt von deiner Schwäche und Saumseligkeit.« Er aber versetzte: »Habe nur Geduld, sie führt sicher zu einem guten Ende.« Kaum waren sie einige Schritte weiter gegangen, da kamen Räuber und zogen ihnen ihre Kleider aus, nahmen, was sie auf dem Leibe hatten, und raubten ihnen auch ihre Kinder. Die Frau sagte weinend: »Laß einmal deinen Gleichmut und komme, wir wollen den Räubern nachlaufen, vielleicht werden sie uns bemitleiden und uns unsere Kinder zurückgeben. « Abu Saber antwortete: »Habe nur Geduld! wer etwas Böses tut, dem wird auch wieder Böses vergolten: wenn ich ihnen folgte, könnte leicht einer von ihnen sein Schwert ziehen und mich töten; drum Geduld, diese führt zu einem guten Ende.«
Sie gingen dann fort, bis sie in die Nähe eines Städtchens im Lande Kirman kamen, da ließen sie sich am Ufer eines Flusses nieder und Abu Saber sagte zu seiner Frau: »Bleibe du hier, ich will einstweilen ins Städtchen gehen, um eine Wohnung zu mieten.« Als er fern war, kam ein Reiter, um sein Pferd im Flusse zu tränken; diesem gefiel Abu Sabers Gattin so sehr, daß er ihr sagte: »Komm, reite mit mir weg! Ich will dich heiraten und glücklich machen.« Sie antwortete: »Gott erhalte dich! Ich habe einen Gatten.« Da zog er sein Schwert und sagte: »Wenn du mir nicht folgst, so bringe ich dich um.« Als sie dies sah, schrieb sie mit den Fingern in den Sand: »O Abu Saber! Du hattest immer Geduld, bis du dein Vermögen, deine Kinder und deine Gattin verloren, die dir noch teurer als alles war, nun wirst du immer in Trauer leben und sehen, wohin dich deine Geduld geführt hat.« Der Reiter setzte sie dann hinter sich aufs Pferd und ritt mit ihr davon. Als Abu Saber zurückkam, war sie schon weit weg, und als er las, was sie geschrieben hatte, gab er sie für verloren; er weinte eine Weile, sagte aber bald zu sich selbst: »O Abu Saber! Du mußt auch jetzt noch Geduld haben, es gibt vielleicht noch ein härteres Unglück, als das deinige.« Er ging dann traurig vor sich hin, bis er von Handwerksleuten, die am königlichen Palast Frondienst leisten mußten, angehalten wurde. Diese sagten ihm: »Du mußt hier mitarbeiten, sonst wirst du für immer eingesperrt.« Abu Saber arbeitete nun einen ganzen Monat wie ein Taglöhner und erhielt jeden Tag einen Laib Brot. Eines Tages fiel ein Arbeiter von einer Leiter herunter und brach ein Bein. Abu Saber hörte ihn weinen und sagte ihm: »Habe Geduld und schreie nicht, du wirst um so eher wieder Ruhe finden; verliere nur die Geduld nicht, denn mit ihr kann man aus der tiefsten Grube auf den Thron steigen.« Der König, welcher am Fenster saß und diese Rede hörte, geriet in Zorn über Abu Saber und ließ ihn in eine tiefe Grube werfen, die im Palast war, und sagte zu ihm: »Du Verrückter! Wir wollen einmal sehen, wie du aus der Grube auf den Thron steigst.« Diese Worte wiederholte der König jeden Tag vor der Grube, in welche er ihm zwei Laibchen Brot werfen ließ. Abu Saber schwieg und ertrug sein Unglück mit Geduld. In der Grube, wo er schmachtete, war früher ein Bruder des Königs eingesperrt, der schon längst tot war, den man aber im Lande noch lebendig glaubte. Die Partei des Verstorbenen wurde durch dessen vermeinte lange Gefangenschaft gegen den König aufgebracht, er wurde als ein grausamer Tyrann verschrien und in einem Volksaufstande ermordet. Nun holte man Abu Saber, den man für des Königs Bruder hielt, aus der Grube hervor. Niemand sah den Irrtum ein, weil beide einander sehr ähnlich waren und des Königs Bruder gar zu lange im Gefängnis von niemandem besucht werden durfte, und so wurde Abu Saber als König ausgerufen.
Abu Saber dachte: das ist der Lohn der Geduld; und ohne ein Wort zu sagen, setzte er sich auf den Thron, zog königliche Kleider an und regierte mit so vieler Gerechtigkeit und Einsicht, daß man ihn liebgewann und ihm gern gehorchte, auch wurde sein Heer immer stärker. Bald nachher wurde der König, welcher ihn einst ausgeplündert hatte, von einem seiner Feinde überfallen und vom Throne gestürzt. Der vertriebene König kam zu Abu Saber, den er nicht mehr kannte, lobte seine Tugenden und flehte ihn um Schutz und Hilfe an. Abu Saber aber, der sich seiner noch erinnerte, dachte: das ist der Lohn der Geduld, nun hat ihn Gott in meine Hand gegeben, und gab seinen Leuten Befehl, den König mit den seinigen bis auf ihre Kleider auszuplündern und aus dem Lande zu treiben. Abu Sabers Leute sahen dies mit Erstaunen und dachten: das ist nicht königlich gehandelt; ein fremder König fleht seinen Schutz an und er läßt ihn ausplündern; doch mußten sie schweigen. Nach einiger Zeit hörte der König, es halten sich Räuber im Lande auf; er ließ ihnen nachsetzen, und als man sie ihm gefangen brachte, sah er, daß es die Räuber waren, welche ihn ausgeplündert und seine Kinder weggeführt hatten. Er fragte sie: »Wo sind die zwei Knaben, die ihr einst in der Wüste geraubt habt?« Sie antworteten: »Wir haben sie bei uns und wollen sie unserem Herrn, dem König, als seine Sklaven vorstellen; auch wollen wir alles Geld hergeben, das wir gesammelt haben, das Räuberhandwerk aufgeben und bei deinen Truppen als Soldaten dienen.« Der König aber gab ihnen kein Gehör, sondern nahm ihnen ihr Geld und die zwei Knaben weg, an denen er große Freude hatte, und ließ sie dann hinrichten. Da sagten die Truppen des Königs einer zum andern: »Der ist noch grausamer, als sein Bruder. Die Diebe bringen ihm zwei Knaben und wollen Buße tun, und er läßt sie umbringen und ausplündern; das ist eine große Gewalttat.« Nach einiger Zeit kam ein Reiter vor den König mit der Frau desselben und klagte seine Frau des Ungehorsams gegen ihn an; der König erkannte seine Frau, nahm sie dem Reiter weg und ließ ihn umbringen. Als der König hierauf hörte, daß ihn seine Truppen für einen Tyrannen hielten, sagte er in Gegenwart seiner Veziere und des ganzen Hofes: »Bei dem erhabenen Gott! Ich bin nicht des Königs Bruder, sondern der König ließ mich eines einzigen Wortes willen in seines Bruders Gefängnis sperren; ich bin Abu Saber, und Gott hat mir durch Geduld den Thron geschenkt. Der König, der bei mir Schutz suchte und den ich ausplündern ließ, hat mir früher all mein Gut weggenommen und mich ungerechterweise aus dem Lande verbannt: ich habe ihm also Gleiches mit Gleichem vergolten. Die Diebe, welche von Buße sprachen, konnte ich nicht anhören, sie haben mich auf dem Wege bis auf meine Kleider ausgezogen und mir auch meine beiden Knaben weggenommen, die ihr für Sklaven hieltet: auch ihnen habe ich gerechte Strafe widerfahren lassen. Den Reiter ließ ich endlich umbringen, weil die Frau, gegen die er klagte, meine Gattin ist, die er mit Gewalt entführt und die mir nun der erhabene Gott zurückgegeben. So habe ich immer Gerechtigkeit ausgeübt, während ihr, nach dem Scheine urteilend, mich für einen Tyrannen hieltet.«
Diese Worte des Königs setzten seine Zuhörer in Erstaunen, sie fielen vor ihm nieder, liebten ihn noch mehr als zuvor, entschuldigten sich bei ihm und bewunderten die göttliche Fügung, die Abu Saber zum Lohne seiner Geduld aus der Grube auf den Thron erhoben und den früheren König von dem Throne in den Abgrund gestürzt. Abu Saber ging dann zu seiner Gattin und sagte ihr: »Nun, wie hast du die Frucht der Geduld gefunden? Siehst du nun, wie süß sie ist, während die der Übereilung bitter schmeckt? Der Mensch mag Böses oder Gutes tun, es wird ihm immer später wieder vergolten.«
»Darum, o König«, sagte der gefesselte Jüngling, »habe auch du jetzt so viel Geduld als möglich; Geduld ist eine Tugend der Edlen und ziemt besonders einem König. « Als der König dies hörte, legte sich sein Zorn, er ließ den Jüngling wieder ins Gefängnis zurückführen und hob die Versammlung auf.
Am vierten Tag kam der vierte Vezier, welcher Suschad hieß, verbeugte sich vor dem König und sagte: »O König, laß dich durch die Reden des Jünglings nicht täuschen, denn er spricht nicht wahr. So lange er lebt, werden alle Leute von dieser Geschichte sprechen, und du selbst wirst sie nie vergessen können.« Der König sagte: »Bei Gott! Du hast recht, ich will ihn vor meinen Augen umbringen lassen.« Der Gefangene wurde wieder vor den König geführt und dieser sagte ihm: »Wehe dir! Glaubst du mein Herz durch deine Erzählungen einzuschläfern und durch deine Reden immer mehr Zeit zu gewinnen? Heute laß ich dich umbringen, ich will einmal deiner los sein.« Der Jüngling sagte: »O König! Du bist Herr, mich umzubringen, wann du willst, doch Übereilung ziemt nur gemeinen Menschen, edle Männer aber haben Geduld. Hast du mich umgebracht, so bereuest du es, und willst du mich dann wieder lebendig machen, so kannst du es nicht. Wer sich übereilt, dem geht es, wie dem Prinzen Bahsad.« Der König fragte: »Was ist das für eine Geschichte?« und der Jüngling antwortete: