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Der Kauz und der Adler

(1795)

Keine Fabel

        Ein Kauz, in düstern Synagogen
Des Ober-Uhus auferzogen,
Kam früh in grauer Dämmerung
Zum König Adler angeflogen.

»Treu«, krächzt' er, »treu der Huldigung,
Rüg ich den gellenden Trompeter
Der unglückschwangern Aufklärung,
Den Hahn, dir König, als Verräter.
Wann sanft dein wohlbeherrschter Staat
Noch schläft und träumet und verdauet
Und unser Lied, was wacht, erbauet;
Schnell kräht uns der Illuminat
Die Sonn empor, um aufzuklären
Und Ruh und Andacht uns zu stören.
Fink, Lerche, Schwalb und Meis empören
Gefild und Wald in freien Chören;
Man kann sein eigen Wort nicht hören.
Die tolle Rotte singt gar Hohn
Der mystischen Religion,
Die wir in heil'gem Dunkel lehren;
Und, König, strafst du nicht, so drohn
Aufruhr und Hochverrat dem Thron! –
Herr König, laß dir doch gefallen,
Wir Kauz' und Eulen flehn gesamt:
Dem Hahn und seinen Schreiern allen
Zum Bändiger, im Zensoramt,
Den frommen Uhu zu bestallen!«

Der Adler tat, als hört' er nicht
Und sah ins junge Morgenlicht.


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