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21
Die Verlobung

Die Tage, die jetzt folgten, gingen in großem Jubel dahin. Die Kurfürstin von Hannover kam zum Besuch nach Heidelberg, die Äbtissin erschien mit Gefolge, die Verwandten von väterlicher Seite kamen, die Pfalzgrafen von Pfalz-Simmern; das alte Schloß konnte alle seine Gäste nicht fassen; der Haushalt war auf ein paar Zimmer im Parterre beschränkt. Alle wünschten Glück, alle sprachen von der schönen und glänzenden Zukunft der Braut. Nur einer war da, dem es schwer auf dem Herzen lag, der da meinte, sein Leben sei jetzt zu Ende und es sei Zeit, sich den Tod zu geben, das war der arme Georg. Er hatte sich in eine kleine Kammer zurückgezogen, die hoch oben, fast unter dem Dache lag, und von wo er die schönste Aussicht auf den Neckar und die alte Stadt Heidelberg hatte.

Gegen Abend, als alles in der Burg durcheinanderlief und man die Gäste, die immer von neuem zuströmten, bewillkommnete, klopfte es leise an die Tür des Zimmers.

Georg stand auf und öffnete. Wer stand da? die Prinzessin. Sie sah freundlich und heiter aus und grüßte ihren lieben Vetter auf das beste.

»Kommt Ihr noch, meiner zu spotten, schlimme Bas!« rief er und drohte ihr.

»Nicht böse sein!« bat sie, »es ist alles gut, wie es gekommen. Ich gehe nach Frankreich und Ihr – Ihr kommt mit. Ich habe mir bereits bei dem Vater dies ausbedungen.«

»Wie? Ich nach Frankreich?« fragte der Jüngling verwundert und erstaunt.

»Ja, nach Frankreich!« rief sie. »Ich muß doch jemand haben, bei dem ich mich tröste.« Sie schlang ihren Arm um ihn, und ein Kuß, ebenso offen und frei gegeben als damals im Forste, brannte auf seinen Wangen.

»Aber, Liselott!« rief er befremdet.

»Was ist's?« entgegnete sie, »die Welt ist einmal so! Was sich gern hat, muß beisammenbleiben und der steifen, albernen Welt eine Nase drehen! Wir sind einander gut! Schön, so laßt uns zusammenbleiben. Eine Stelle in dem großen Paris wird es schon für dich geben, da laß mich nur dafür sorgen.«

»Wie wird es aber werden?« fragte der zaghafte Jüngling.

»Ei sieh!« entgegnete sie, »jetzt fehlt ihm der Mut! Nun soll ich ihm wohl in das Herz sprechen? Pfui, schauet auf, Herr Vetter!« –

»Wird man es dulden, daß ich Euch begleite?« fragte er von neuem.

»Man wird es nicht allein dulden, man wird es Euch befehlen, alberner Junge!« rief sie und schloß ihm mit der Hand den Mund. »Nur still sein, ganz still, oder ich werde böse. Die Briefe an die Ordensgeistlichen sind auch schon geschrieben: Ihr seid frei.«

Georg sank aufs Knie, preßte die Hände der Prinzessin an seine Lippen und rief: »Gott sei Dank, daß Euch so viel Verstand vom lieben Herrgott gegeben worden; mir wäre das nimmermehr eingefallen. Ja, so geht es: wir bleiben zusammen.«

»Ihr müßt Euch nun hübsch an meine weibliche Dienerschaft halten, besonders an die Rathmannshausen, die Euch gern hat; denn Ihr werdet eine Art Stallmeister sein und Eure Pflichten als solcher leisten. Nun, ich werde es Euch nicht schwer machen. Ihr sollt mit mir zufrieden sein.«

»Danke, danke, teuerste, beste Prinzessin!« rief Georg. »Ach, Lottchen, welch eine Welt ist's, in der wir leben!«

»Habe ich überwunden,« rief die Fürstentochter ernst, »so kann es ein anderer auch. Vorbei ist Weinen und Traurigsein. Es soll nichts als Freude herrschen! Hört Ihr? Jetzt muß ich wieder zur Gesellschaft!« –

Sie enteilte, und gleich darauf war auch Georg in seinem besten Anzuge unten im Saale, wo die Paukenschläger und Pfeifer aufspielten zu einem feierlichen und schönen Tanze.

Bei Tafel brachte man die Gesundheit der Braut aus, sie dankte freundlich und führte ihren Becher auf die Gesundheit ihres Herrn Vaters und ihrer Frau Mutter zum Munde. Dann kam die Gesundheit des Herrn Bräutigams, und derjenige, der in seinem Namen gegenwärtig war, erwiderte den Trinkspruch aufs beste.

Am nächsten Tage kam die Gesandtschaft an, und brachte die Brautgeschenke nebst einem Schreiben des Prinzen. Auf den dritten Tag war die Abreise festgesetzt. Es mußte noch alles bis zu dieser Frist bereitet werden; es kostete Zeit und Mühe, daß es zustande kam, so wie es sein sollte. Jeder der Verwandten wollte sich noch durch irgendein freundliches Andenken bemerkbar machen, und Geschenke wurden auf Geschenke gehäuft, so daß die Wagen es kaum fassen konnten. Der Kurfürst war in der besten Laune der Welt; er ging überall selbst herum, sah nach allem und sagte jedem eine Freundlichkeit, besonders war er mit seiner Tochter zufrieden, der er nicht oft genug davon Beweise geben konnte.

Die Kurfürstin von Hannover war die erste, die Abschied nahm; es drängte sie nach Hause, wo ebenfalls eine Vermählung ihrer wartete, die ihres Sohnes mit der Prinzessin von Zelle. Frau von Hörling nahm auf das rührendste Abschied von ihrem einstigen Zögling; sie gab der Rätin, die mit nach Paris ging, die besten Ratschläge und Lehren mit, und beide Frauen trennten sich, indem sie sich zu schreiben versprachen.

Der Kurfürst wollte seine Tochter noch eine Weile geleiten; es wurden die Wagen bestellt und alles aufs beste eingerichtet. Viele Bürger von Heidelberg, die vornehmen Herren vom Lande kamen, um der Tochter ihres Fürstenhauses das Geleit zu geben. Es gab einen langen Zug. Liselotte grüßte aufs freundlichste, und der Kurfürst dankte für die ehrerbietige Geleitschaft. So brach an einem schönen Morgen der festliche Zug mit der jungen Braut auf; die Glocken läuteten, und den ganzen Weg auf der Straße nach Weinheim waren Girlanden mit Blumen errichtet.

Im Herzen Liselottes war, trotz der Freude auf ihrem Antlitz, Kummer und Not die Menge. Sie wollte gar nicht daran denken, was der nächste Tag bringen würde. Sie blickte auf Georg und freute sich, daß ihn keine Sorge zu belästigen schien. Er lenkte seinen feurigen Blick auf sie und tummelte sein Roß, das lebhaft und freudig seine Sprünge machte.


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