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Achtes Kapitel
Ekstase und Verzückung

Da der Hauptzweck aller Kontemplation die Hervorbringung jenes Zustandes inniger Gemeinschaft ist, in welchem, nach Aussage der Mystiker, »die Seele in Gott und Gott in ihr ist«, könnte man annehmen, daß das Gebet der Einigung das Ende mystischer Tätigkeit darstellte, insofern als mit ihm das wenn auch vorübergehende, so doch intensive Bewußtsein der »Einheit mit dem Absoluten« verbunden ist. Fast alle großen Kontemplativen jedoch beschreiben als eine besondere und betrachten als eine höhere Phase des geistlichen Bewußtseins die ausgesprochen ekstatischen Zustände, in denen die Konzentration auf das Übersinnliche so vollkommen, das Sammeln und Ausströmen des Lebens auf diesen einen Punkt so gesteigert ist, daß das Subjekt, solange die Ekstase währt, jedes Bewußtsein der Außenwelt verliert. In der reinen Kontemplation wandte er seine Aufmerksamkeit bewußt von jener Außenwelt ab; sie war da, als unklares Bild am Saum seines Bewußtseinsfeldes, aber er ließ sie absichtlich beiseite. In der Ekstase kann er sie nicht beachten. Keine ihrer Botschaften erreicht ihn, nicht einmal die aufdringlichste aller Botschaften, die sich als körperlicher Schmerz äußert.

Die Mystiker aller Zeiten stimmen darin überein, daß sie diese Ekstase als einen Ausnahmezustand hoher Gnade ansehen, als den Zustand, in welchem der Geist des Menschen zur unmittelbaren Vision des Göttlichen emporgehoben wird. Das Wort ist gleichbedeutend geworden mit freudiger Begeisterung, mit Berauschtsein vom Unendlichen. Die künstlich erzeugten Ekstasen der dionysischen Mysterien, die metaphysischen Verzückungen der Neuplatoniker, der freiwillige oder unfreiwillige Trance indischer Mystiker und christlicher Heiliger – alle diese Zustände, wie sehr verschieden auch ihr transzendentaler Wert sein mag, stimmen darin überein, daß sie einen solchen Wert beanspruchen, daß sie behaupten, dieser Wandel der Qualität ihres Bewußtseins bringe eine umfassende und unvergeßliche Wahrnehmung des Wirklichen mit sich.

Ohne Zweifel ist die Art einer solchen Wahrnehmung bedingt durch die geistige Stufe des betreffenden Subjekts. Die Ekstase ist nur das psycho-physische Agens, wodurch die Wahrnehmung bewirkt wird. »Man kann ohne Paradoxie behaupten,« sagt Myers, »daß die Zeugnisse für Ekstase vollwichtiger sind als die für irgendeinen andern religiösen Glaubensartikel. Von allen subjektiven religiösen Erfahrungen ist die Ekstase die, die am ernstlichsten und für den Psychologen vielleicht am überzeugendsten versichert worden ist, und sie beschränkt sich nicht auf irgendeine bestimmte Religion … Für alle Stufen der religiösen Entwicklung vom Medizinmann der niedrigsten Wilden bis St. Johannes, St. Petrus und St. Paulus, und ebenso Buddha und Mohammed, finden wir Berichte, die, wenn sie auch in ethischer und intellektueller Beziehung sehr verschieden sind, in ihrem psychologischen Wesen übereinstimmen Human Personality and its Survival of Bodily Death II, p. 260.

Der ekstatische Zustand läßt sich unter drei verschiedenen Gesichtspunkten betrachten: a) dem physischen, b) dem psychologischen, c) dem mystischen. Viele beklagenswerte Mißverständnisse und noch beklagenswertere gegenseitige Beschuldigungen in dem Streit um ihn rühren daher, daß die Sachverständigen auf einem dieser drei Gebiete von den Resultaten, zu denen die andern gekommen sind, nichts wissen wollen.

A. Physisch betrachtet, ist die Ekstase ein Trancezustand, der an Intensität und Dauer verschieden sein kann. Das Subjekt kann stufenweise in ihn übergleiten aus einem Zustande der Versenkung oder Kontemplation, wo irgendeine Vorstellung sein Bewußtseinsfeld ganz ausfüllt; oder aber, er kann plötzlich eintreten, indem das Auftauchen der Vorstellung – oder auch nur ein Wort oder Symbol, das die Vorstellung suggeriert, – das Subjekt jählings in einen Trancezustand versetzt. Dies ist der Zustand, den die mystischen Schriftsteller Verzückung nennen. Die Unterscheidung ist jedoch konventionell, und die Werke der Mystiker beschreiben viele Zwischenformen.

Während der Ekstase ist die Atmung und Blutzirkulation herabgestimmt. Der Körper ist mehr oder weniger kalt und steif und verharrt in derselben Lage, in der er sich beim Eintritt der Ekstase befand, wie schwierig und unnatürlich diese Lage auch sein mag. Bisweilen ist die Bewußtlosigkeit so tief, daß vollkommene Gefühllosigkeit eintritt, wie bei dem aus dem Leben der hl. Katharina von Siena angeführten Fall S. unten S. 474.. Glaubwürdige Zeugen berichten, daß Bernadette, die Visionärin von Lourdes, während einer ihrer Ekstasen fünfzehn Minuten lang das brennende Ende einer Kerze in der Hand hielt. Sie empfand keinen Schmerz, auch zeigte das Fleisch keine Brandspuren. Ähnliche Beispiele ekstatischer Gefühllosigkeit finden sich im Überfluß in den Lebensgeschichten der Heiligen Ein interessanter moderner Fall wird im Lancet vom 18. März 1911 berichtet..

Die Ekstase umfaßt nach den Aussagen der Ekstatiker zwei deutlich unterschiedene Phasen: a) einen kurzen Zeitraum von Hellsichtigkeit und b) einen längeren Zeitraum völliger Bewußtlosigkeit, der bisweilen in einen todesähnlichen Starrkrampf übergeht, der stundenlang, oder, wie bei der hl. Teresa, sogar tagelang dauern kann. »Der Unterschied zwischen Einigung und Verzückung«, sagt sie, »ist folgender: Letztere hält länger an und ist äußerlich sichtbarer, weil das Atmen immer schwächer wird, so daß man nicht mehr imstande ist zu sprechen oder die Augen aufzuschlagen. Und wenn der Vorgang bei der Einigung auch derselbe ist, so tritt er doch in der Verzückung mit größerer Heftigkeit ein, denn die natürliche Körperwärme schwindet, wenn die Verzückung tief ist, und mehr oder weniger tut sie dies bei allen diesen Gebetszuständen. Wenn die Verzückung tief ist, so werden die Hände kalt und bisweilen steif und gerade wie Holzstücke; der Körper verharrt in der Stellung, in der die Verzückung ihn befällt, stehend oder kniend, und die Seele ist voller Freude über das, was der Herr ihr darbietet, daß sie zu vergessen scheint, den Körper zu beleben, und ihn sich selbst überläßt. Wenn die Verzückung andauert, so spüren es die Nerven Relaccion VIII, 8.

Eine solche Ekstase ist, soweit es sich nur um ihre physischen Symptome handelt, natürlich nicht das besondere Vorrecht der Mystiker. Es ist ein abnormer körperlicher Zustand, der durch einen seelischen Zustand hervorgerufen wird, und dieser seelische Zustand kann gesund oder ungesund, kann von Genie oder Krankheit bewirkt sein. Er ist häufig bei dem merkwürdigen und schwer verständlichen Typus, den man als sensitiv oder mediumistisch bezeichnet; er ist ein bekanntes Symptom gewisser Nerven- und Geisteskrankheiten. Ein schwacher Geist, der sich auf eine bestimmte Vorstellung konzentriert, verfällt, ebenso wie ein hypnotisches Subjekt, das auf einen Punkt starrt, leicht in diesen Zustand, wie alltäglich auch die Vorstellung sein mag, die sich seines Bewußtseins bemächtigt hat. An sich also, abgesehen von ihrem Inhalt, hat die Ekstase keine Gewähr für ihren geistlichen Wert. Sie ist nur ein Anzeichen vom Vorhandensein gewisser abnormer psycho-physischer Bedingungen, von einer Störung des normalen Gleichgewichts, einer Verschiebung der Bewußtseinsschwelle, die den Körper und die ganze gewohnte Außenwelt außerhalb statt innerhalb des Bewußtseinsfeldes läßt und sogar diejenigen körperlichen Funktionen, die fast ganz automatisch sind, wie z. B. das Atmen, in Mitleidenschaft zieht. So kann, unter physischem Gesichtspunkt betrachtet, die Ekstase bei jedem eintreten, bei dem 1. die Bewußtseinsschwelle besonders beweglich ist, und der 2. von Natur dazu neigt, bei einer beherrschenden Vorstellung oder Anschauung zu verweilen. Ihr Wert hängt einzig und allein von dem objektiven Wert dieser Vorstellung oder Anschauung ab.

Bei dem hysterischen Kranken kann infolge eines ungesunden Zustandes seiner Bewußtseinszentren irgendeine triviale oder unvernünftige Idee, irgendeines der verschiedenartigen Dinge, die sich im Unterbewußtsein angesammelt haben, sich auf diese Weise festsetzen, den Geist beherrschen und Ekstase bewirken. Solche Ekstase ist eine Krankheit, der Nachdruck liegt auf dem pathologischen Zustand, der sie möglich macht. Beim Mystiker ist die Idee, die sein Leben erfüllt, – die Idee Gottes – eine so hohe, daß sie in dem Maße, wie sie lebendig, wirklich und innig ist, unausweichlich dahin streben muß, das ganze Bewußtseinsfeld zu beherrschen. Seine Ekstase ist ein Ausdruck dieser Tatsache, und hier liegt der Nachdruck auf der überwältigenden Kraft des Geistes, nicht auf dem schwachen oder krankhaften Zustande des Körpers oder der Mentalität Thomas von Aquino zeigt, daß eben aus diesem psychologischen Grunde Ekstasen unvermeidlich sind. »Je mehr unser Geist sich zur Betrachtung geistiger Dinge erhebt,« sagt er, »desto mehr wird er von den sinnlichen abgezogen. Die äußerste Grenze aber, bis zu der die Kontemplation gelangen kann, ist die göttliche Substanz. Daher muß der Geist, der die göttliche Substanz schaut, gänzlich von den körperlichen Sinnen geschieden sein, entweder durch den Tod oder durch Ekstase.« (Summa Contra Gentiles III, Kap. 47.). Diese wahre Ekstase, sagt Godfernaux, ist nicht eine Krankheit, sondern »die extreme Form eines Zustandes, den man zum gewöhnlichen Bestand des bewußten Lebens rechnen muß Sur la Psychologie du Mysticisme (Revue Philosophique, Febr. 1902).«.

Die Mystiker selbst sind sich der Bedeutung dieses Unterschiedes vollkommen bewußt. Die Ekstasen müssen, so sagen sie, ebenso gut wie die Visionen und Stimmen, einer unnachsichtigen Kritik unterzogen werden, bevor man sie als göttlich anerkennt; während einige unzweifelhaft »von Gott« sind, sind andere nicht weniger offensichtlich »vom Teufel«.

»Die großen Meister des mystischen Lebens«, sagt Malaval, »lehren, daß es zwei Arten von Verzücktheit gibt, die man sorgfältig unterscheiden muß. Die erstere kommt bei Menschen vor, die auf dem Wege erst wenig fortgeschritten und noch ganz in ihrem Ich befangen sind; sie ist entweder die Folge einer erhitzten Einbildung, die sich lebhaft mit einem sinnlichen Gegenstand beschäftigt, oder sie ist ein Werk des Teufels. Dies sind die Verzückungen, die die hl. Teresa verschiedentlich in ihren Werken Verzückungen weiblicher Schwäche nennt. Die andere Art ist im Gegenteil das Ergebnis reiner intellektueller Vision bei denen, die eine große und lautere Liebe zu Gott hegen. Solchen Seelen, die sich selbst gänzlich entsagt haben, offenbart Gott in diesen Verzückungen allemal hohe Dinge Malaval, La Pratique de la Vraye Théologie Mystique I, p. 89.

Alle Mystiker stimmen mit Malaval darin überein, daß sie den Prüfstein einer wahren Ekstase nicht in ihren äußeren Symptomen sehen, sondern in ihrer inneren Kraft, ihrer Nachwirkung, und die psychologische Wissenschaft täte gut, hierin ihrem Beispiel zu folgen. Die ekstatischen Zustände, die die vornehmsten Beweise für die enge Beziehung zwischen Leib und Seele sind, haben sowohl körperliche wie geistige Folgen, und diese Folgen sind so verschieden und so charakteristisch wie die, die sich bei gesunden und bei krankhaften organischen Vorgängen beobachten lassen. Wenn die Konzentration auf das höchste Bewußtseinszentrum, das Organ geistlicher Wahrnehmung, geschah – wenn sich wirklich eine Tür öffnete, durch die das Selbst auf einen Augenblick entwich, um das, was da ist, zu schauen, – so wird die Ekstase für das Leben gute Folgen haben. Die krankhafte Ekstase dagegen hat immer schlimme Folgen für das Leben. Da in ihr Konzentration auf die niederen, nicht auf die höheren Geistesebenen eintritt, so wird die Lebens-, Gefühls- und Geisteskraft des Subjekts durch sie eher herabgedrückt als gesteigert, und sie läßt einen geschwächten Willen und oft ein moralisches und geistiges Chaos zurück Pierre Janet (The Major Symptoms of Hysteria p. 316) sagt, daß ein Sinken des geistigen Niveaus ein unfehlbares Symptom oder »Stigma« der Hysterie ist.. »Ekstasen, die den Betreffenden selbst oder andern nicht wirklichen Nutzen bringen, sollte man mit Mißtrauen begegnen,« sagt Augustine Baker, »und wenn sich Anzeichen ihres Nahens bemerkbar machen, so sollten die Betreffenden ihren Sinn auf etwas anderes richten Holy Wisdom, Tractat III, § 4, Kap. 3..« Es ist derselbe Unterschied wie zwischen dem gesunden Appetit auf nahrhafte Speise und einem krankhaften Verlangen nach Abfall. Dieselben Verdauungsorgane werden für beide gebraucht, aber dennoch wäre es eine verwegene Physiologie, wenn man alle Ernährung in Mißkredit bringen wollte durch Hinweis auf ihre entarteten Formen.

Bisweilen zeigen sich beide Arten von Ekstase, die gesunde und die psychopathische, bei demselben Menschen. So könnte es bei der hl. Katharina von Genua und der hl. Katharina von Siena scheinen, daß in dem Maße, wie ihre Gesundheit schwächer wurde und die nervösen Schwankungen, die sich immer bei genialen Menschen finden, bei ihnen zunahmen, ihre Ekstasen häufiger wurden; allein das waren keine gesunden Ekstasen, wie die, die sie in den früheren Stadien ihrer Entwicklung erfahren hatten, und die eine Steigerung der Lebenskraft mit sich gebracht hatten. Es waren Folgen zunehmender Körperschwäche, nicht überragender Geisteskraft, und offenbar war Katharina von Genua, die strenge Selbstkritik zu üben pflegte, sich dieser Tatsache wohl bewußt. »Die, welche um sie waren, wußten den einen Zustand nicht von dem andern zu unterscheiden. Und daher sagte sie bisweilen, nachdem sie wieder zu sich gekommen war: ›Warum ließet ihr mich in dieser Ruhe verharren, an der ich fast gestorben wäre Von Hügel, The Mystical Element of Religion I, p. 206.?‹«

Ihre früheren Ekstasen waren ganz anderer Art. Sie hatten in hohem Grade den positiven Charakter der Erhebung und Lebenssteigerung, den jede äußerste Konzentration auf das Absolute bewirkt, ebenso wie den rein negativen Charakter der Auslöschung des Oberflächenbewußtseins. Sie ging mit erneuerter Gesundheit und Kraft aus ihnen hervor, als ob sie sich an himmlischen Orten geruht und von himmlischer Speise genährt hätte, und erfüllte neben diesem ekstatischen Leben die unzähligen Pflichten ihres tätigen Berufes als Oberin des Hospitals und geistliche Mutter einer großen Schar von Schülerinnen. »Oftmals«, so berichtet die Legende, »verbarg sie sich an irgendeinem geheimen Orte und hielt sich da versteckt; und wenn man sie suchte, fand man sie auf dem Boden sitzend, das Gesicht in den Händen bergend, vollkommen außer sich, in einem Freudenzustande, der sich weder vorstellen noch aussprechen läßt; und wenn man sie noch so laut rief, so hörte sie es nicht. Und zu andern Zeiten pflegte sie auf und ab zu gehen, und sie tat dies wie abwesend, von Liebe getrieben. Und bisweilen lag sie sechs Stunden lang wie tot da; aber wenn man sie rief, erhob sie sich plötzlich und antwortete und ging sofort an alles, was zu tun war, auch die niedrigsten Arbeiten Die Fähigkeit, den Ruf der Pflicht zu hören, obwohl sie für alles andere taub war, hängt augenscheinlich mit einer Eigentümlichkeit zusammen, die Ribot beobachtet hat: er sagt, daß ein Ekstatiker keinen Laut hört außer, in einigen Fällen, die Stimme eines bestimmten Menschen, die dann immer imstande ist, durch den Trance zu dringen. (Les Maladies de la Volonté p. 125.). Und indem sie so das All verließ, ging sie ohne Klage daran, weil sie alle Selbstheit ( la proprietà) floh, als ob es der Teufel wäre. Und wenn sie aus ihrem Versteck hervorkam, war ihr Antlitz rosig wie das eines Engels, und es war, als ob sie sagen wollte: ›Wer mag mich scheiden von der Liebe Gottes Vita Kap. VI, 3.?‹« »Sehr oft«, sagt die hl. Teresa, wie sie von der Wirkung einer solchen ekstatischen Vereinigung mit der reinen Liebe spricht, »geht der, der vorher kränklich und voller Schmerzen gewesen war, gesund und mit neuer Kraft daraus hervor, denn es ist etwas Großes, was der Seele in der Ekstase zuteil wird Vida Kap. XX, § 29.

B. Psychologisch betrachtet, ist jede Ekstase eine – und zwar die vollkommenste – Form des Zustandes, den man technisch als »vollständigen Mono-Ideismus« bezeichnet. Das Zurückziehen des Bewußtseins von der Peripherie nach dem Zentrum, die vorsätzliche Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand, von der wir in dem Kapitel »Sammlung« sprachen, wird hier willkürlich oder unwillkürlich bis zu ihrem logischen Abschluß getrieben. Man muß immer dafür zahlen durch psycho-physische Störungen, aber man wird in gesunden Fällen belohnt durch eine außerordentliche Hellsichtigkeit, eine wunderbare Kraft des Schauens in bezug auf den Einen Gegenstand, auf den das Interesse gerichtet ist.

Eine solche Ekstase ist also eine aufs höchste gesteigerte Form der Kontemplation und kann sich auf ganz natürliche Weise aus diesem Zustande entwickeln. »Ein einfacher Gradunterschied«, sagt Maury, »trennt Ekstase und gewaltsame Konzentration des Geistes auf Eine Vorstellung. Die Kontemplation setzt einerseits große Willensstärke voraus, andrerseits die Fähigkeit, die extreme Anspannung des Geistes zu unterbrechen. In der Ekstase, die die höchste Steigerung der Kontemplation ist, ist der Wille zwar streng genommen imstande, diesen Zustand herbeizuführen, aber dennoch unfähig, ihn aufzuheben A. Maury, Le Sommeil et les Rêves p. 235.

Beim »vollkommenen Mono-Ideismus« ist also die Aufmerksamkeit auf den Einen Gegenstand und die Unaufmerksamkeit für alles andere so vollständig, daß das Subjekt in einen Trancezustand versetzt wird. Das Bewußtsein ist von den Zentren, die die Botschaften der Außenwelt empfangen und darauf antworten, abgezogen; der Mensch sieht nicht, hört nicht und fühlt nicht. Das »Ich schlafe, aber mein Herz wacht« des Kontemplativen hört auf, eine bloße Metapher zu sein und wird buchstäbliche Wirklichkeit. Man erinnere sich, daß die ganze Richtung der mystischen Erziehung darauf ausging, diese Fixierung der Aufmerksamkeit hervorzubringen. Sammlung und Ruhe führen auf das Ziel hin. Kontemplation ist ohne sie nicht möglich. Alle Mystiker versichern uns, daß eine Vereinheitlichung des Bewußtseins, in der alle äußeren Dinge vergessen werden, die notwendige Vorstufe für die Vereinigung mit dem Göttlichen ist, denn Bewußtsein des Vielen und Bewußtsein des Einen sind Zustände, die sich gegenseitig ausschließen.

Die Ekstase ist für den Psychologen eben solch eine Vereinheitlichung in ihrer extremsten Form. Die Versenkung des Selbst in die Eine Vorstellung, das Eine Verlangen, ist so tief – und bei den großen Mystikern so leidenschaftlich –, daß alles andere ausgelöscht wird. Die Flut des Lebens weicht zurück, nicht nur von jenen höheren Zentren, die der Sitz der Wahrnehmung und des Denkens sind, sondern auch von den niederen Zentren, die das physische Leben beherrschen. Die ganze Lebenskraft des Subjekts konzentriert sich so gänzlich auf die übersinnliche Welt – oder im Fall des krankhaften Ekstatikers auf die Vorstellung, die seinen Geist beherrscht –, daß Körper und Hirn in gleicher Weise ihrer Kraft entleert werden zugunsten dieses höchsten Aktes.

Da die Mystiker in der Regel die außerordentliche Empfänglichkeit für Suggestionen und Eindrücke besitzen, die für alle künstlerischen und schöpferischen Typen charakteristisch ist, so ist es nicht überraschend, daß ihre Ekstasen oft plötzlich durch ein Erblicken irgendeines besonderen, geliebten Symbols des Göttlichen oder durch Konzentration auf dasselbe hervorgerufen werden. Solche Symbole bilden die Sammelpunkte, um die sich eine ganze Gruppe von Vorstellungen und Intuitionen zusammenschließt. Ihre Gegenwart – bisweilen der plötzliche Gedanke an sie – genügt, um, psychologisch gesprochen, eine Entladung von Energie in eine besondere Richtung hervorzurufen, d. h. alle diejenigen Vorstellungen und Intuitionen zum Leben zu erwecken, die zum Bewußtsein des Absoluten gehören, die Lebenskraft auf sie zu konzentrieren, das Bewußtseinsfeld zu verschieben und das Selbst in die Wahrnehmungswelt einzuweihen, zu der sie sozusagen die notwendigen Schlüssel sind. Daher die tiefe Bedeutung der Symbole für manche Mystiker, ihr widerspruchsvolles Hängen an äußeren Formen, während sie behaupten, daß nur das Geistige und Ungreifbare wirklich ist.

Für die christlichen Mystiker sind die Sakramente und Mysterien des Glaubens immer solche Stützpunkte gewesen, und diese Symbole spielen bei der Hervorrufung ihrer Ekstasen oft eine große Rolle. Bei der hl. Katharina von Siena und auch sehr häufig bei ihrer Namensschwester von Genua war die heilige Kommunion das Vorspiel zur Ekstase. Juliane von Norwich Revelations of Divine Love Kap. 3. und Franz von Assisi Siehe oben S. 239. gerieten in Verzückung, während sie unverwandt auf das Kruzifix blickten. Von Dionysius dem Karthäuser wird berichtet, daß er gegen Ende seines Lebens, wenn er das Veni Creator oder einige Verse aus den Psalmen hörte, sofort in Gott entrückt und von der Erde emporgehoben wurde D. A. Mougel, Denys le Chartreux p. 32..

Von der hl. Katharina von Siena erzählt ihr Biograph, daß sie »mit solcher Inbrunst die heilige Kommunion nahm, daß sie unmittelbar darauf in den Zustand der Ekstase zu verfallen pflegte, in dem sie stundenlang gänzlich bewußtlos war. Bei einer solchen Gelegenheit schafften sie (die Dominikanermönche) sie am Mittag mit Gewalt aus der Kirche hinaus und ließen sie in der Sonnenhitze liegen, wo einige ihrer Gefährtinnen sie so lange bewachten, bis sie zur Besinnung kam«. Eine andere »kam, als sie sie in der Kirche in der Ekstase erblickte, herunter und stach sie an verschiedenen Stellen mit der Nadel. Katharina wurde nicht im geringsten dadurch wachgerüttelt, aber nachher, als sie zur Besinnung kam, fühlte sie den Schmerz an ihrem Körper und bemerkte, daß man sie auf diese Art verwundet hatte E. Gardner, St. Catherine of Siena p. 50.«.

Es ist interessant, mit dieser objektiven Beschreibung den subjektiven Bericht, den Katharina in ihrem »Dialog« über ihre ekstatische Vereinigung gibt, zu vergleichen. Hier haben wir einmal den Fall, daß das tiefere Selbst des Mystikers in dramatischer Form selbst von seinen inneren Erfahrungen Kunde gibt; und so sehen wir hier die innere Seite jenes äußeren Trancezustandes, den die Zuschauer allein wahrzunehmen vermochten. Wie gewöhnlich in dem Dialog schreibt Katharina die intuitiven Wahrnehmungen des tieferen Selbst der göttlichen Stimme zu, die in ihrer Seele spricht.

»Oft wird sie durch die vollkommene Vereinigung ihrer Seele mit Mir von der Erde emporgehoben, als ob der schwere Körper leicht würde. Allein es ist nicht so, daß ihm seine Schwere genommen ist, sondern die Vereinigung der Seele mit Mir ist vollkommener als die Vereinigung der Seele mit dem Körper, und deshalb erhebt die Kraft des mit Mir eins gewordenen Geistes das Gewicht des Körpers von der Erde und läßt ihn wie unbeweglich und von der Liebe der Seele ganz zerrissen zurück. Du erinnerst dich, von einigen Geschöpfen gehört zu haben, daß sie nicht imstande sein würden zu leben, wenn nicht Meine Güte ihnen Kraft spendete. Daher sollst du wissen, daß es ein größeres Wunder ist, wenn die Seele bei dieser Vereinigung sich nicht vom Körper trennt, als daß manche vom Tode auferstanden sind. Daher löse Ich bisweilen eine Zeitlang die Vereinigung und lasse die Seele in das Gefäß ihres Leibes zurückkehren … von dem sie durch den Drang der Liebe getrennt ward. Sie verließ nicht ihren Körper, denn dies kann nur durch den Tod geschehen; nur die Kräfte verließen den Körper, da sie durch die Liebe mit Mir vereint wurden. Das Gedächtnis ist dann nur von Mir erfüllt, der emporgehobene Intellekt sieht nichts anderes als Meine Wahrheit; die Liebe, die dem Intellekt folgt, eint sich liebend mit dem, was der Intellekt schaut. Wenn diese Kräfte sich vereinen und sammeln, um in Mir zu versinken und zu entbrennen, so verliert der Körper sein Gefühl, so daß das sehende Auge nicht sieht und das hörende Ohr nicht hört und die Zunge nicht spricht, es sei denn, daß ich es wegen der Überfülle des Herzens bisweilen zulasse, zur Erleichterung des Herzens und zum Lobe und zur Verherrlichung Meines Namens. Die Hand greift nicht und die Füße gehen nicht, weil das Gefühl der Liebe alle Glieder bindet Dialogo Kap. LXXIX.

Eine gesunde Ekstase von dieser Tiefe scheint das ausschließliche Vorrecht der Mystiker zu sein, vielleicht weil eine so große Leidenschaft, eine so tiefe Konzentration, durch nichts Geringeres als ihre glühende Gottesliebe erzeugt werden kann. Allein wie der Mechanismus der Kontemplation mehr oder weniger bewußt von allen Typen des schöpferischen Genies ebensowohl wie von mystischen Heiligen angewandt wird: von Erfindern und von Philosophen, von Dichtern, Propheten und Musikern, von allen Anhängern des »Dreigestirns« (S. 56), ebenso findet sich auch dieser höchste Gipfel der Kontemplation, der ekstatische Zustand, in weniger gewaltsamer Form, gesund und normal wirkend, überall da, wo wir die künstlerische und schöpferische Persönlichkeit im Zustande vollkommener Entwicklung antreffen. Er begleitet die prophetischen Intuitionen des Sehers, die Hellsicht des großen Metaphysikers, die erhabenen Schönheits- und Wahrheitsoffenbarungen des Künstlers. Wie der Heilige »zu Gott emporgehoben« wird, so werden diese zu ihrer Vision, zu ihren Teilwahrnehmungen des absoluten Lebens »emporgehoben«. Auch ihnen sind jene freudigen Gefühle weiten Hinauswachsens über sich eigen, die für das ekstatische Bewußtsein charakteristisch sind. Ihre großen Schöpfungen bieten uns Übersetzungen, nicht von etwas, was sie gedacht, sondern was sie erfahren haben in einem Augenblick ekstatischer Vereinigung mit dem »großen Leben des Alls«.

Wir neigen uns also der Annahme zu, daß der »reine Mono-Ideismus«, dem der Psychologe die Ekstase gleichsetzt, wenn er auch zweifellos ein Teil dieses Zustandes ist, doch keineswegs seinen ganzen Inhalt ausmacht. Zwar ist es richtig, daß der Ekstatiker von seiner Einen Idee, seiner Einen Liebe ganz absorbiert wird; er lebt in ihr und mit ihr, sie erfüllt sein Universum. Allein dieses konzentrierte Bewußtsein fixiert sich nicht nur auf etwas, was es schon besitzt. Wenn es das tut, so ist es krank. Seine wahre Aufgabe ist reine Wahrnehmung. Es soll über sich hinausgehen, sein Ziel ist etwas, was höher ist als es selbst. Die Neuordnung des seelischen Selbst, die in der Ekstase vor sich geht, hat es nicht nur mit den normalen Elementen des Bewußtseins zu tun. Sie ist eine zeitweise Konzentration des Bewußtseins um den Mittelpunkt übersinnlicher Wahrnehmung, den die Mystiker den »Seelenfunken« nennen. Jene tieferen Schichten der Persönlichkeit, die das normale Leben unter der Schwelle hält, sind in ihr tätig und werden durch die beherrschende Leidenschaft, die Liebe zum Transzendenten, die allen gesunden ekstatischen Zuständen zugrunde liegt, mit dem Ich der Oberfläche verschmolzen.

Das Ergebnis ist nicht nur ein Geist, der sich auf eine einzige Vorstellung konzentriert, oder ein Herz, das von einem einzigen Verlangen erfüllt ist, auch nicht ein Geist und ein Herz, die in einem Gedanken der Liebe vereinigt sind, sondern ein ganzes Wesen, das in eins geschmiedet ist, so daß alle seine Kräfte ihre normale Welt verlassen und sich um einen neuen Mittelpunkt ordnen, einem neuen Leben dienen und wie eine einzige Flamme die Schranken der Sinnenwelt durchbrechen. Die Ekstase ist der psycho-physische Zustand, der im allgemeinen diesen kurzen synthetischen Akt begleitet und sein sinnfälliger Ausdruck ist.

C. Während daher die Ekstase nach ihrer physischen Seite ein Trancezustand ist und nach ihrer geistigen Seite eine vollkommene Vereinheitlichung des Bewußtseins, so ist sie nach ihrer mystischen Seite ein gesteigerter Wahrnehmungsakt. Sie stellt die größtmögliche Ausdehnung des geistlichen Bewußtseins in der Richtung auf das reine Sein dar; das »blinde, eifrige Vorwärtsdrängen« erhält hier seinen Lohn in einem tiefen Erfahren des ewigen Lebens. In diesem Erleben sind die Sondertätigkeiten des Denkens und Fühlens, das Bewußtsein vom eigenen Ich, von Raum und Zeit – von allem, was zu der Welt des Werdens gehört, und von dem Platz, den das Ich darin einnimmt – aufgehoben. Die Lebenskraft, die wir unter diese verschiedenen Dinge zu zersplittern gewohnt sind, wird zu einem Zustande reiner Wahrnehmung gesammelt, zu einer lebendigen Anschauung des Übersinnlichen oder, wenn man will, zu einer Vereinigung mit ihm. Während der Dauer seiner Ekstase lebt der Mystiker in praktischer Hinsicht so wahrhaft in der übersinnlichen Welt wie das normale Menschentier in der Sinnenwelt lebt. Er erfährt die höchsten und freudevollsten jener vorübergehenden und wandelbaren Zustände, in denen sein Bewußtsein die Schranken der Sinne durchbricht, sich zur Freiheit erhebt und für einen Augenblick mit dem »großen Leben des Alls« vereint wird.

Die Ekstase ist also vom Standpunkt des Kontemplativen aus die Weiterentwicklung und Vollendung des Gebetes der Einigung, und er ist nicht immer bemüht, die beiden Stufen zu unterscheiden, was die Schwierigkeiten des Forschers sehr vermehrt Bei Dante wissen wir z. B. nicht, ob sein Versinken im Ewigen Licht den Trancezustand mit sich brachte oder nicht.. In beiden Zuständen nimmt er das Transzendente durch Berührung, nicht durch Anschauung, wahr, wenn er auch vielleicht in Ermangelung einer besseren Ausdrucksweise sein Erleben als ein Schauen beschreibt; denn die Umarmung im Dunkel läßt uns den Geliebten weit besser erkennen als das schärfste Gesicht und die vollkommenste geistige Analyse. In der Ekstase ist die Wahrnehmung vielleicht mehr ausgesprochen »beseligend« als in dem Gebet der Einigung. Die Erinnerung, die der Ekstatiker von seinen Gefühlszuständen mitbringt, hat es häufiger zu tun mit einer jubelnden Gewißheit, mit der Überzeugung, daß er nun die Wirklichkeit, die kein Bild hat, geschaut und des Lebens Widerspruch gelöst hat, als mit demütigem Sichverlieren in jener »Wolke des Nichtwissens«, wo die kontemplative Seele der Vereinigung mit dem Geliebten froh ist. Allein das wahre Kennzeichen der Ekstase, das, was allein sie von der passiven Kontemplation deutlich unterscheidet, ist das Eintreten des Trance, das »Verzücktsein aus dem Leibe«, wie Paulus in den dritten Himmel entzückt wurde 2. Korinth. XII, 1-6., nicht das Erheben des Geistes zu Gott. Dies ist freilich nur eine äußerliche Unterscheidung, und obendrein eine ungefähre, da es viele Stufen eines solchen Trancezustandes gibt, aber sie wird sich als die einzig praktische Einteilungsbasis erweisen.

Vielleicht wissen nur die, die diese Zustände erfahren haben, den tatsächlichen Unterschied zwischen ihnen. Selbst der hl. Teresa versagt hier ihr psychologischer Scharfblick, und sie ist genötigt, wieder auf den Unterschied zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Versenkung in das Göttliche zurückzugreifen, einen Unterschied, der nicht die geistlichen Werte betrifft, sondern nur die psycho-physische Beschaffenheit derer, die diese Werte wahrgenommen haben. »Ich wollte,« sagt sie, »ich könnte euch mit Gottes Hilfe erklären, wodurch sich die Einigung unterscheidet von der Verzückung oder der Emporhebung oder dem Geistesflug, wie sie es nennen, oder dem Trance, was alles dasselbe bedeutet. Das sind, sage ich, nur verschiedene Namen für eine und dieselbe Sache, die man auch Ekstase nennt. Sie hat vor der Einigung sehr viel voraus, bringt weit stärkere Wirkungen hervor und hat noch mannigfache andere Erfolge, denn die Einigung scheint Anfang, Mitte und Ende zu sein, und ist es auch innerlich, allein die Wirkungen der Verzückung erscheinen in einem weit höheren Grade; die Erfolge zeigen sich innerlich und äußerlich (d. h. körperlich und seelisch) … Bei der Verzückung gibt es keine Möglichkeit zu widerstehen, während es bei der Einigung, wo wir auf unserm eigenen Boden stehen, diese Möglichkeit gibt: Man kann ihr fast immer, wenn auch nicht ohne Schmerz und Gewaltsamkeit, widerstehen Vida Kap. XX, § 1 u. 3.

Vom Standpunkte der Psychologie der Mystik aus wird unser Interesse sich auf zwei Fragen konzentrieren. Erstens: Was hat der Mystiker uns über den Gegenstand seiner ekstatischen Wahrnehmung zu sagen? Und zweitens: Welcher Art ist das eigentümliche Bewußtsein, das er während des Trance hat? Mit andern Worten: Welche Nachrichten bringt er uns in bezug auf das Wesen Gottes und auf die Kräfte des Menschen?

Man kann im allgemeinen sagen, daß er das allgemeine Zeugnis der Kontemplativen über diese beiden Punkte bestätigt, erweitert und mit größerem Glanz der Sprache und einem stärkeren Ton innerer Gewißheit ausdrückt. Wir dürfen nie vergessen, daß ein Ekstatiker tatsächlich nichts anderes ist als ein Kontemplativer von einer besonderen Art, einer besonderen psycho-physischen Beschaffenheit. Überdies haben wir gesehen, daß es nicht immer leicht ist, den genauen Punkt zu bestimmen, wo der Trancezustand einsetzt und tiefe Kontemplation die Form der Ekstase annimmt. Die Einteilung ist, wie jede Einteilung geistiger Zustände, eine willkürliche. Während die extremen Fälle keine Schwierigkeiten bieten, gibt es andere, weniger ausgesprochene, die zwischen den Tiefen der »Ruhe« und den Höhen der »Verzücktheit« eine Stufenfolge bilden. Wir werden z. B. nie wissen, ob die Ekstasen Plotins und Pascals mit einem eigentlichen körperlichen Trancezustand verbunden waren oder nur mit einer tiefen Versunkenheit, wie sie der Mystiker auf dem Wege der Einigung erfährt. So ist auch die Sprache vieler christlicher Mystiker, wenn sie von ihren »Verzückungen« sprechen, so vag und bildlich, daß sie uns sehr in Zweifel läßt, ob sie unter Verzückung die jähe Aufhebung des normalen Bewußtseins verstehen oder nur eine plötzliche und angenehme Erhebung der Seele.

»Verzücktheit«, sagt Rolle, »ist auf zweierlei Weise zu verstehen. Die eine Art ist die, wobei der Mensch aus fleischlichem Gefühl hinausgezückt wird, so daß er während der Dauer seiner Verzückung offenbar im Fleische nichts fühlt, noch was mit seinem Leibe geschieht, und doch ist er nicht tot, sondern lebendig, denn noch gibt die Seele dem Körper Leben. Und auf diese Weise geraten Heilige oft in Verzückung, ihnen selbst zum Heile und andern zur Belehrung; wie St. Paulus in den dritten Himmel entzückt wurde. Und auf diese Weise werden auch Sünder oft in einer Vision verzückt, daß sie die Freuden der Heiligen und die Schmerzen der Verdammten sehen zu ihrer Besserung Man vergleiche Dantes Brief an Can Grande, 28, wo er diese Tatsache, daß »Sünder zu ihrer Besserung in Verzückung versetzt werden«, anführt als Stütze für seine Behauptung, daß die Göttliche Komödie auf eigenem Erleben beruhe und daß er in Wahrheit »das große Meer des Seins«, das er beschreibt, »befahren habe«.. Und viele andere, von denen wir lesen. Eine andere Art der Verzückung ist die, wenn der Geist durch Kontemplation zu Gott emporgehoben wird. Und diese Art Verzückung wird allen zuteil, die Gott wahrhaft lieben, und nur solchen, die Gott lieben. Und dies wird ebensowohl Verzücktheit genannt wie jenes erstere, denn es geschieht gewaltsam und gleichsam gegen die Natur Richard Rolle, The Fire of Love II, Kap. 7.

Es ist jedoch für den gewissenhaften Forscher sehr verwirrend, wenn, wie es nur zu oft geschieht, das »Emporheben des Geistes durch die Kontemplation« »ebensowohl Verzücktheit genannt wird wie jenes« und »Ekstase« als gleichbedeutend mit »Herzensfreudigkeit« gebraucht wird. Wir wollen hier, so weit es möglich ist, diese Worte auf ihren genauen Sinn beschränken und sie nicht ganz allgemein zur Beschreibung aller Zustände gesteigerten transzendentalen Bewußtseins gebrauchen.

Was behauptet der Mystiker in diesem abnormen Zustande, dieser unwiderstehlichen Verzückung zu erreichen? Der Preis, den er dafür bezahlt, ist groß und nimmt Körper und Geist sehr mit.

Er behauptet, daß seine Verzückung oder Ekstase einen Augenblick – einen oft sehr kurzen und immer unbeschreiblichen Augenblick – umfaßt, wo ihm letzte Erkenntnis der göttlichen Wirklichkeit oder Teilhaben an ihr zuteil wird. Er sagt uns in mannigfachen Bildern, daß er dann das reine Sein, seine Quelle, seinen Ursprung, seinen Geliebten erreicht, daß er »in dasselbe Etwas, nach dem er verlangt, versenkt ist, nämlich in Gott Dante a. a. O..« »O Wunder über Wunder!« ruft Eckehart, »wenn ich gedenke an die Vereinigung, die die Seele mit Gott hat! Er macht, daß die Seele vor Freude und Wonne aus sich selber fließt; denn alles, was Namen hat, genügt ihr nicht … Der göttliche Liebesquell fließt über die Seele und zieht sie aus sich selbst in das namenlose Wesen, in ihren ersten Ursprung, der Gott allein ist Eckehart, Vom Adel der Seele (Pfeiffer S. 385, 35-386, 1; Büttner I, 82).

Dies momentane Erreichen der Quelle, des Ursprungs, ist der Gegenstand aller Beschreibungen mystischer Ekstase. In Rulman Merswins »Buch von den neun Felsen« ist dies kurze und überwältigende Entzücken das Ende der langen Prüfungen und Aufstiege des Pilgers. »Die Vision des Unendlichen dauerte nur einen Augenblick; als er wieder zu sich kam, fühlte er sich von Licht und Freude überströmt. Er fragte: ›Wo bin ich gewesen?‹ und erhielt die Antwort: ›In der großen, ehrwürdigen Schule des Heiligen Geistes. Dort warst du umgeben von den leuchtenden Blättern des Buches der göttlichen Weisheit Vgl. Dante, Par. XXXIII, 85 (S. oben, S. 177)..‹ Deine Seele versenkte sich mit Entzücken darein, und der göttliche Meister der Schule hat sie angefüllt mit überschwenglicher Liebe, durch die selbst deine leibliche Natur verklärt ist Jundt, Rulman Merswin S. 27. [Vgl. das Buch von den neun Felsen S. 124, 127.] Man bemerke, daß dies eine »gute Ekstase« war, deren Wirkung für das Leben heilbringend war.

Eine andere Gottesfreundin, Ellina von Crevelsheim, die von so abnormer seelischer Veranlagung war, daß ihre Versenkung in die göttliche Liebe sie veranlaßte, sieben Jahre lang stumm zu bleiben, wurde am Ende dieser Zeit »von der Hand Gottes berührt« und verfiel in eine fünftägige Ekstase, in der »die reine Wahrheit« ihr offenbart und sie zu einem unmittelbaren Erleben des Absoluten emporgehoben wurde. Dort sah sie »das Innere des Vaterherzens« und wurde »mit Banden der Liebe gebunden, in Licht gehüllt und von Frieden und Freude erfüllt Jundt, Les Amis de Dieu S. 39. Auch Rufus Jones zitiert es in seinen Studies in Mystical Religion p. 271.

Der Mystiker sagt zuweilen, daß er bei diesem transzendenten Einigungsakt »sich nichts bewußt sei«. Allein es ist klar, daß dieser Ausdruck nur bildlich gemeint ist, denn sonst würde er auch von diesem Einigungsakt nichts wissen; wäre seine Persönlichkeit ausgelöscht, so könnte sie nichts von ihrer Erreichung Gottes merken. Was er zu meinen scheint, ist, daß das Bewußtsein so seine Form verändert, daß es nicht mehr wiederzuerkennen oder mit menschlichen Worten zu beschreiben ist. Wie Richard von St. Victor es in seiner paradoxen Sprache ausdrückt: »In seltsamer Weise erinnern wir uns an nichts, wenn wir uns erinnern, sehen wir nichts, wenn wir sehen, verstehen wir nichts, wenn wir verstehen, ergründen wir nichts, wenn wir ergründen Benjamin Major..« In diesem gänzlich unbeschreiblichen, aber höchst wirklichen Zustande wird das ganze zu Weißglut erhitzte Selbst geeint und ergießt sich in einen lebendigen Akt leidenschaftlicher Wahrnehmung, die für Überlegung oder Selbstbeobachtung keinen Raum läßt. Das abseits stehende »Etwas« in uns, das alle unsere Handlungen überwacht, unser Bewußtsein zwiespältig macht, ist ans Licht getreten. Der Mystiker merkt ausschließlich auf die Ewigkeit, nicht auf seine eigene Wahrnehmung der Ewigkeit. Diese kann er erst betrachten, wenn die Ekstase selbst zu Ende ist.

»Von heiliger Wonne trunken,
Dürft' ich mein Haupt auf den Geliebten lehnen:
Die Welt war mir entsunken,
Gestillet all mein Sehnen,
Begraben unter Lilien Harm und Tränen Quedéme, y olvidéme;
El rostro recliné sobre el amado;
Cesó todo, y dejéme
Dejando mi cuidado
Entre las azucenas olvidado
.
St. Johannes vom Kreuz, En una Noche Obscura.

Dies ist jener Zustand vollkommener Einheit des Bewußtseins, konzentriertesten Liebeserlebens, der alle begrifflichen und analytischen Tätigkeiten ausschließt. Wenn daher der Mystiker sagt, daß seine Fähigkeiten aufgehoben waren, daß er »alles wußte und nichts wußte«, so meint er in Wirklichkeit, daß er so auf das Absolute konzentriert war, daß er sein besonderes Dasein nicht mehr beachtete; daß er so ganz in jenes versunken war, daß er es nicht als einen Gegenstand des Denkens wahrnehmen konnte, gleichwie der Vogel die Luft nicht sehen kann, die ihn trägt, oder der Fisch den Ozean, in dem er schwimmt. Er »weiß« tatsächlich »alles«, aber »denkt nichts«; er »nimmt alles wahr«, aber »begreift nichts«.

Das ekstatische Bewußtsein ist ohne Selbstbewußtsein; intuitiv, nicht diskursiv. Unter dem Zwange einer großen Leidenschaft, einer großen Idee, ist es zu »einem einzigen Zustande von ungeheurer Intensität Ribot, Psychologie de l'Attention Kap. 3. geworden. In diesem Zustande übersteigt es unsern ganzen Erkenntnismechanismus und taucht tief in das Herz der Wirklichkeit ein. Es findet eine Verschmelzung statt, die ein Vorkosten der letzten Einswerdung ist, und der Ekstatiker, der diesen kurzen Vorschmack der Freiheit gekostet hat, sagt mit den Worten eines lebenden mystischen Philosophen: »Ich kenne aus eigener Erfahrung den Sinn des Daseins, das vernünftige Zentrum des Weltalls – das Wunder und zugleich die Zuversicht der Seele B. P. Blood. Vgl. William James, A Pluralistic Mystic, im Hibbert Journal, Juli 1910..« »Diese völlige Umwandlung der Seele in Gott«, sagt die hl. Teresa, indem sie dieselbe Erfahrung in der offiziellen Sprache der Theologie beschreibt, »dauert nur einen Augenblick; solange sie aber dauert, weiß noch versteht keine Kraft der Seele, was vorgeht. Auch wird es wohl nichts sein, was wir, solange wir auf Erden sind, verstehen müßten, wenigstens wünscht Gott es nicht, daß wir es verstehen können. Dies weiß ich aus Erfahrung Vida Kap. XX, § 24.

Die Äußerungen derer, die aus Erfahrung wissen, sind hier von größerem Werte als alle Feststellungen der Psychologie, die sich unvermeidlich nur mit den »äußeren Anzeichen« dieser »inneren und geistlichen Gnade« befassen können. An jene müssen wir uns halten, wenn wir eine Ahnung davon bekommen wollen, was die Ekstase für den Ekstatiker bedeutet.

»Wenn nun der Geist in dieser verklärten, glanzreichen Dunkelheit in Unwissenheit seiner selbst wohnhaft wird,« sagt Seuse, »so verliert er alles Hindernde und alle seine Eigenschaft, wie S. Bernhard sagt. Und das geschieht mehr oder weniger, je nachdem wie der Geist in dem Leibe oder von dem Leibe aus sich selbst dahinein vergangen ist. Und die Verlorenheit seiner Selbstheit ist von der göttlichen Art, die ihm alles in allem geworden ist, wie die Schrift sagt. In dieser Entsunkenheit vergeht der Geist, und doch nicht gänzlich, er gewinnt wohl etliche Eigenschaft der Gottheit, aber er wird doch nicht Gott der Natur nach … Denn nach gewöhnlicher Rede zu sprechen, wird der Geist mit des göttlichen lichtreichen Seins Kraft über sein natürliches Vermögen in dieses Nichts Bloßheit entrückt Leben Kap. LII (Bihlm. 187, 17-188, 9).

Hier versucht Seuse augenscheinlich sein ekstatisches Erreichen Gottes in der negativen Sprache dionysianischer Theologie zu schildern. Es ist sehr wahrscheinlich, daß ein großer Teil dieser theologischen Sprache nicht in dem abstrakten Philosophieren, sondern in dem wirklichen ekstatischen Erleben der Neuplatoniker seinen Ursprung hatte, die – zugleich Christen und Heiden – an diesen Zustand als an den vornehmsten Weg, den Einen zu erreichen, glaubten und ihn bisweilen bewußt herbeizuführen suchten. Die ganze christliche Lehre über die Ekstase ist, was ihre philosophische Seite anbetrifft, auf den großen praktischen Metaphysiker Plotin zurückzuführen, von dem man weiß, daß er Ekstatiker war, und der in seiner sechsten Enneade eine Beschreibung der mystischen Verzückung gibt, die sich augenscheinlich auf sein eigenes Erleben gründet. »Dann«, sagt er, »sieht er weder zweierlei, noch unterscheidet der Sehende zweierlei, noch stellt er zweierlei vor, sondern er wird gleichsam ein anderer und nicht mehr er selbst; und nicht sich selbst angehörend gelangt er dort an, sondern jenem angehörig ist er eins mit ihm, Zentrum mit Zentrum verbunden. Sind doch auch hier zusammentreffende Dinge eins; zwei dagegen, wenn sie gesondert sind … Da also nicht zwei da waren, sondern der Schauende mit dem Geschauten eins war, gleich als wäre es nichts Geschautes, sondern Geeintes, so möchte, wer durch Vermischung mit jenem eins geworden, wenn er sich erinnerte, an sich selbst ein Bild von jenem haben. Denn nichts bewegt sich bei ihm, kein Zorn, keine Begierde noch irgend etwas war bei ihm nach seinem Aufstiege vorhanden, ja, auch kein Begriff, noch irgendein Gedanke, überhaupt er selbst nicht, wenn man auch dies sagen darf; sondern wie entrückt oder gottbegeistert steht er gelassen in einsamer Ruhe und ohne Wandel da Sechste Enneade IX, 10 f..« »Ekstase«, sagt Plotin in demselben Kapitel, »ist eine Vereinfachung und Hingabe seiner selbst, Streben nach Berührung, Ruhe und Trachten nach Vereinigung.« Alle Phasen kontemplativen Erlebens scheinen in diesem Satze zusammengefaßt zu sein.

Einige Kritiker behaupten, daß die Ekstase Plotins ganz anderer Art sei als die der christlichen Heiligen. Sie sei eine philosophische Rhapsodie, etwas wie Platons »rettender Wahnsinn« [Phaidros Kap. 22 f.], den man auch aus ganz unzureichenden Gründen als eine Sache des Kopfes ansieht, die mit dem Herzen nichts zu tun habe. Auf den ersten Blick gibt die trockene metaphysische Sprache, in der Plotin von seiner Liebe zu reden versucht, einigen Grund für diese Ansicht. Aber was für babylonische Türme seine Philosophie auch darauf aufbauen mag, die Ekstase selbst ist etwas wirklich Erlebtes und hat ihre Wurzel nicht in der Vernunft, sondern in einer tiefen Leidenschaft für das Absolute, die der mystischen Gottesliebe weit näher steht als irgendeiner noch so hochgerichteten intellektuellen Neugierde. Die wenigen Stellen, wo davon die Rede ist, sagen uns, was sein mystisches Genie ihn zu tun trieb, und nicht, was sein philosophischer Geist ihn denken oder sagen ließ. Sobald wir an diese Stelle kommen, bemerken wir eine zunehmende Wärme, eine Umwertung der Werte. Was der Metaphysiker Plotin auch denken mag, der Ekstatiker Plotin ist sicher, daß die Einigung mit Gott eine Einigung der Herzen ist, daß Er »durch Liebe erlangt und festgehalten werden kann, aber niemals durch Denken«. Er ist ebenso überzeugt wie die mittelalterlichen Kontemplativen, daß – um seine eigenen Worte anzuführen – die Vision nur für den Sehnenden ist, für den, der die »Liebesleidenschaft« hat, die »den Liebenden im Gegenstande seiner Liebe zur Ruhe kommen läßt Ebenda, a. a. O.«. Das Bild der Hochzeit, der ehelichen Vereinigung, für die höchste Wonne der Seele, das wir, wie man bisweilen sagt, teils der unglücklichen Beliebtheit des Hohenliedes, teils den sexuellen Verirrungen zölibatärer Heiliger verdanken, findet sich in dem Werk dieses klar denkenden heidnischen Philosophen, der ebenso berühmt war wegen seiner Güte und seines gesunden Menschenverstandes im praktischen Leben wie wegen seiner übersinnlichen Intuitionen des Einen.

Der größte unter den heidnischen Ekstatikern schildert also seine Erfahrungen schon in derselben Weise wie die christlichen Kontemplativen. Auch seine Worte zeigen, wenn man sie mit den ihren vergleicht, wie zart die Schattierungen sind, die diese Art von Ekstase von den höchsten Formen des Gebets unterscheiden und wie plump die Psychologen sind, die »Passivität und Vernichtung des Willens« als das beherrschende Moment darin ansehen. »Enthusiastisch tätig« – nicht durch sich selbst oder durch seine armseligen zerstreuten Fähigkeiten, sondern durch das göttliche Leben, mit dem er einen Augenblick vereint ist, »Mittelpunkt zu Mittelpunkt, Wahrnehmer und Wahrgenommenes in einem« –, so nahe konnte der scharfsinnige Intellekt von Alexandria der Wirklichkeit jener Erfahrung kommen, in der der leidenschaftliche Mono-Ideismus des großen religiösen Genius die aufrührerischen Sinne besiegt und, wenn auch nur für einen Augenblick, auf den höchsten Ebenen, die der menschlichen Seele zugänglich sind, wirksam wird. Untertauchen, Versinken des Selbst im Absoluten – jener Zustand der Transzendenz, wo die Schranken der Selbstheit gefallen sind und wir »Leben und Seligkeit empfangen, wo alle Dinge vollendet und alle Dinge erneuert werden Ruysbroeck, Von dem weißen Steine Kap. XII (Werken VI, 236, 26 f.).« – ist das Geheimnis der Ekstase, wie es das Geheimnis der Kontemplation war. In religiöser Beziehung lassen sich diese beiden Zustände nicht trennen, höchstens zum Zweck der Beschreibung. Wo die Kontemplation Selbstüberschreitung, Selbsthingabe wird und dafür ein genießendes Erleben des Absoluten empfängt, da ist sie ihrem Wesen nach schon ekstatisch. Ob ihre Erscheinungsform es ist, das hängt von dem Körper des Mystikers ab, nicht von seiner Seele.

»Wenn erst des Geistes Leben,
Von tiefem Schlaf umfangen,
Selig in Gott vergangen,
Sich selbst verloren hat.

*

Dies Meer ist ohne Schranken,
Ein Stürzen, Fallen, Sinken.
Du siehst den Strand versinken,
Der Abgrund dich verschlang.
Verstummt sind die Gedanken,
Du bist dir selbst so ferne,
Fühlst, daß im tiefsten Kerne
Ein anderer dich durchdrang,
Sein Fühlen dich bezwang.
Du schwimmst im höchsten Gut,
Du schaust der Schönheit Flut,
Von Form und Farb' befreit »Se l'acto della mente
è tutto consopito,
en Dio stando rapito,
ch'en sé non se retrova.

En mezo desto mare
essendo sì abyssato,
gia non ce trova lato
onde ne possa uscire.

De sé non puo pensare
né dir como è formato,
però che, trasformato,
altro si ha vestire.

Tutto lo suo sentire
en ben sì va notando,
belleza contemplando
la qual non ha colore.«

(Lauda XCI.)

So sang Jacopone da Todi von der ekstatischen Seele, und hier bringt die Schilderungsgabe eines Menschen, der zugleich Dichter und Mystiker war, in die trockenen Theorien der Psychologie Leben und Licht.

Er fährt fort, und nun folgt eine der schönsten poetischen Schilderungen der Ekstase, worin wir bald ein Echo Plotins, bald ein Echo Richards von St. Victor zu hören glauben, wo er kraft seiner vollkommenen Beherrschung der rhythmischen Ausdrucksmittel die letzten Geheimnisse des mystischen Lebens zugleich zu verhüllen und zu offenbaren scheint.

»Und alle Mauern fallen; So ganz mit Gott verbunden,
Ist mein und dein verschwunden,
Was Gottes, ist auch sein.
Durch Ahnung nur allein
Schaut er das Unsichtbare,
Faßt er das Unfaßbare,
Weiß in Unwissenheit.

Weil er sich selbst verloren
Ganz über alle Maßen,
Kann er den Gipfel fassen
Des Höchsten ohne Grenzen.
Aus reinrem Stoff geboren,
An dem kein trüber Teil,
Fühlt unaussprechlich Heil
Er auf sich niederglänzen »Aperte son le porte
facta ha conjunctione
et è in possessione
de tutto quel de Dio.

Sente que non sentio,
que non cognove vede,
possede que non crede,
gusta senza sapore.

Però ch' à sé perduto
tutto senza misura,
possede quel altura
de summa smesuranza.

Perché non ha tenuto
en sé altra mistura,
quel ben senza figura
receve en abondanza.«

Ebenda (Übertragung von H. Federmann, S. 97 f.).

Dies unaussprechliche Bewußtsein, en Dio stando rapito, dies Einssein mit dem bildlosen Guten, ist, wenn auch die reinste, doch nicht die einzige Form ekstatischer Wahrnehmung. Viele von den Visionen und Stimmen, die wir im vorigen Kapitel beschrieben, wurden im ekstatischen Zustande erlebt, gewöhnlich nachdem die erste Heftigkeit der Verzückung vorüber war. Sowohl Franz von Assisi wie Katharina von Siena erhielten ihre Stigmen in der Ekstase; fast alle Verzückungen Seuses und viele von denen der hl. Teresa und der hl. Angela von Foligno brachten vielmehr symbolische Visionen als reine Wahrnehmungen des Absoluten mit sich. Wir sehen uns also mehr und mehr zu der Annahme gezwungen, daß Ekstase, insofern sie nicht gleichbedeutend ist mit freudiger und expansiver Kontemplation, in Wirklichkeit mehr den äußeren Zustand bezeichnet als irgendeine bestimmte Art innerer Erfahrung.

Verzückung.

In allen Fällen, die wir betrachtet haben und die für eine große Gruppe charakteristisch sind, zeigte sich der Beginn der Ekstase als ein allmählich fortschreitender, obwohl immer unfreiwilliger Vorgang. Gewöhnlich bedeutete sie den Gipfelpunkt einer Periode der Kontemplation. Im Gebet der Ruhe oder Einigung oder irgendeiner ähnlichen Konzentration auf das Übersinnliche überschreitet das Selbst die Grenze dieser Zustände und gleitet in eine ekstatische Entrückung hinüber, in einen Trance mit seinen äußeren Symptomen der Gliederstarre, Kälte und Atemstockung.

Die Ekstase kann jedoch den Menschen in seinem normalen Bewußtseinszustande plötzlich und unwiderstehlich ergreifen, statt sich auf ganz natürliche Weise aus einem Zustande intensiver Versenkung in die göttliche Vision zu entwickeln. Dies ist eigentlich das, was die mystischen Schriftsteller unter Verzückung verstehen. Wir haben gesehen, daß das Wesen des mystischen Lebens in der Erneuerung der Persönlichkeit besteht, in seinem bewußten In-Beziehung-Treten zum Absoluten. Dieser Vorgang wird im Mystiker begleitet von der Entwicklung einer Kunst, die für seine besondere schöpferische Anlage charakteristisch ist: der Kunst der Kontemplation. Seine Ausübung dieser Kunst kann, wie die Ausübung der Dichtkunst, der Musik oder wie jede andere Art des Schaffens, sich in normalen Linien bewegen, die anfangs der Kontrolle seines Willens unterworfen und immer von seiner bewußten Aufmerksamkeit auf den höchsten Gegenstand seines Suchens, d. h. von seinem Gebet, abhängig sind. Seine mystischen Zustände werden immer, wie sie auch enden mögen, ihren Anfang in einem freiwilligen Akt seinerseits haben: in einer Abkehr von der sichtbaren Welt zur unsichtbaren Welt hin. Bisweilen jedoch gewinnt sein transzendentaler Sinn so sehr das Übergewicht über die anderen Elemente seines Charakters, daß er sich in psychischen Störungen äußert, in plötzlichen und unbeherrschten Eruptionen des Unterbewußtseins, die ihn in seiner Wirkung dem »schönen Wahnsinn« des Propheten, des Musikers oder des Dichters gleichstellen. Dies ist Verzückung: ein gewaltsamer und unbezwinglicher Ausdruck des religiösen Genies, der das Nervensystem zeitweise erschüttert und es dauernd schädigen kann. Oft, aber nicht immer, zeitigt die Verzückung – ebenso wie ihr dichterisches Äquivalent – Resultate von großer Herrlichkeit und von großem Wert für das Leben. Allein sie ist eine zufällige, nicht notwendige Erscheinung mystischer Erfahrung, ein Anzeichen von Disharmonie zwischen der psycho-physischen Beschaffenheit und den transzendentalen Kräften des Subjekts.

Verzückung kann also die ganze Entwicklung von Menschen eines bestimmten Typus begleiten. Wir haben gesehen, daß sie eine allgemeine Begleiterscheinung der mystischen Bekehrung ist. Das jähe Hervorbrechen unterbewußter Intuitionen, das das Kennzeichen einer solchen Bekehrung ist, ruft eine Störung im normalen Bewußtsein hervor, überwältigt den Willen und die Sinne und bewirkt einen mehr oder weniger vollkommenen Trance. Dies war sicher der Fall bei Seuse und Rulman Merswin und vermutlich auch bei Pascal, dessen »Gewißheit, Frieden, Freude« die erhebende Wahrnehmung der Vollkommenheit und Wirklichkeit, die Überzeugung einer letzten und unvergeßlichen Erkenntnis, die für jede ekstatische Wahrnehmung charakteristisch ist, zusammenfaßt.

In ihren »Relacciones Spirituales« spricht die hl. Teresa eingehend von den verschiedenen Phasen und Ausdrucksformen dieser heftigen ekstatischen Zustände: dem Trance, der bei ihr das meint, was wir mit Ekstase bezeichnet haben, und »Entrückung« oder »Flucht des Geistes«, die mit Verzückung gleichbedeutend ist. »Der Unterschied zwischen Trance und Entrückung«, sagt sie, »ist folgender: Im Trance stirbt die Seele allmählich den äußeren Dingen ab, indem sie die Sinne verliert und ganz Gott lebt. Aber die Entrückung wird durch einen einzigen Akt göttlicher Gnade bewirkt, der im Innersten unserer Seele mit einer solchen Schnelligkeit vor sich geht, daß es ist, als ob der höhere Teil emporgetragen würde und die Seele den Körper verließe Relaccion VIII, 8 u. 10.

»Verzückung«, sagt die hl. Teresa an einer andern Stelle, »kommt gewöhnlich als schneller, heftiger Angriff, bevor man seine Gedanken sammeln oder sich irgendwie helfen kann. Man sieht und fühlt sie wie eine Wolke oder wie einen starken Adler, der sich erhebt und dich auf seinen Schwingen fortträgt. Ich wiederhole: man fühlt und sieht sich fortgetragen und weiß nicht wohin Vida Cap. XX, § 3..« Dies Gefühl des Fortgetragenwerdens kann sogar die konkrete Form annehmen, die als Levitation bekannt ist, wobei die aufwärtsstrebenden Gefühle das Bewußtseinsfeld so beherrschen, daß das Subjekt überzeugt ist, es werde körperlich vom Boden aufgehoben. »Es war mir, wenn ich zu widerstreben versuchte, als ob eine starke Macht mich von unter den Füßen her emporhöbe. Ich weiß nichts, was ich ihr vergleichen kann, sie war viel gewaltiger als die andern geistlichen Heimsuchungen, und ich war daher wie zermalmt … Auch muß ich bekennen, daß es mir eine große Furcht einflößte, anfangs sogar eine überaus große, denn was konnte ich tun, wenn ich so meinen Körper vom Boden gehoben werden sah? Wenn auch der Geist ihn aufwärts nach sich zieht, und zwar mit großer Wonne, wenn man nicht Widerstand leistet, so verliert man doch nicht das Bewußtsein. Ich wenigstens war so bei mir, daß ich deutlich sah, wie ich emporgehoben ward A. a. O. §§ 7 u. 9.

So wurde Rulman Merswin in der Verzückung, die seine Bekehrung begleitete, rund um den Garten getragen, wobei seine Füße den Boden nicht berührten Oben S. 245., und die hl. Katharina von Siena spricht an einer bereits angeführten Stelle von der Kraft des Geistes, die den Körper vom Boden hebt Dialogo Kap. 79..

Die subjektive Natur dieses Schwebegefühls wird von der hl. Teresa praktisch anerkannt, wenn sie sagt: »Wenn die Verzückung vorüber war, war es mir häufig, als schwebte ich, als habe mein Körper all sein Gewicht verloren, so sehr, daß ich oft nicht spürte, wie meine Füße den Boden berührten. Aber während der Verzückung ist der Körper oft wie tot, vollständig ohnmächtig. Wie ihn die Verzückung ergreift, sitzend, mit geschlossenen, mit offenen Händen, so bleibt er.« Offenbar bestand hier der äußere Zustand körperlicher Unbeweglichkeit gleichzeitig mit dem subjektiven Gefühl des »Emporgehobenwerdens Vida Kap. XX, § 23. Bei alledem ist es bei dem gegenwärtigen Stande unserer Wissenschaft angesichts der großen Zahl gutbezeugter Fälle nicht möglich, eine feste Lehre hierüber aufzustellen.«.

Das Bewußtsein wechselt im Zustande der Verzücktheit von dem vollkommenen Besitz aller Fähigkeiten, den die hl. Teresa sich zuschrieb, bis zu vollkommenem Trancezustand. Wie plötzlich auch die Entrückung eintreten mag, der Mystiker braucht darum nicht sofort sein Oberflächenbewußtsein zu verlieren. »Die Fähigkeit zu sehen und zu hören, bleibt bestehen, aber es ist, als ob die gesehenen und gehörten Dinge irgendwo in weiter Entfernung wären Ebenda..« Sie haben sich gleichsam an den äußersten Saum des Bewußtseinsfeldes zurückgezogen, aber finden noch eben innerhalb desselben Raum. Aber wenn auch die Sinne nicht ganz eingeschlafen sein mögen, so scheint doch die Bewegungsfähigkeit immer verloren zu sein. Wie bei der Ekstase, ist die Atmung und der Blutumlauf sehr herabgesetzt.

»Wenn der göttliche Bräutigam die Seele in Verzückung versetzen will, so läßt er die Pforten der Wohnung schließen und auch diejenigen der Burg und ihrer Einfassung. Sowie er die Seele außer sich setzt, läßt er ihr den Atem vergehen, so daß der Mensch, wenn auch zuweilen die andern Sinne noch ein wenig fortwirken, doch kein Wort hervorbringen kann. Bisweilen verschwindet die sinnliche Wahrnehmung sogleich, Hände und Leib erstarren, so daß die Seele entflohen scheint und es oft schwer zu sagen ist, ob der Körper atmet. Die Verzückung währt nur kurze Zeit, wenigstens in diesem Grade; die große Stockung weicht, und der Leib scheint zum Leben zurückzukommen, auf daß er von neuem sterben und der Seele größeres Leben verleihen kann El Castillo Interior, Moradas Sextas Kap. IV.

Dieser Sturm des Geistes erhöht also nach der Ansicht der hl. Teresa die Lebenskraft derer, die ihn an sich erfahren, macht sie »lebendiger als zuvor«. Er weiht sie ein in »himmlische Geheimnisse«, und wenn er dies nicht tut, ist es keine »wahre Verzücktheit«, sondern eine »körperliche Schwäche, wie die zarte Konstitution der Frauen sie leicht mit sich bringt.« Seine Strenge und Heftigkeit hinterläßt jedoch beträchtliche geistige Störungen, denn »den ganzen übrigen Tag lang bleibt der Wille so in sich gezogen und der Verstand sich so entfremdet, daß die Seele unfähig zu sein scheint, sich mit etwas anderem zu beschäftigen als mit der Liebe zu Gott und für nichts anderes in der Welt Sinn hat, so daß alles Geschöpfliche sie abstößt Ebenda.«.

Aber wenn das Gleichgewicht wiederhergestellt ist, beginnen die wahren Wirkungen dieser jähen und beseligenden Wahrnehmung des Absoluten das normale Leben zu durchdringen. Das Selbst, das auf diese Weise zu den höchsten Ebenen der Wirklichkeit emporgehoben wurde, wird durch die Kraft seiner Eindrücke zu neuer Tätigkeit angetrieben. Es sehnt sich jetzt nach ewiger Einigung mit dem, was es geschaut hat, worin es für einen kurzen Augenblick eingetaucht ist. Die besondere Gabe des Mystikers, jenes urwüchsige Genie, jenes tiefwurzelnde Vermögen, die Wirklichkeit wahrzunehmen, das seine Kontemplationen geordnet und entwickelt hat und das sich in seinen Ekstasen ausdrückt, wirkt hier auf seinen Lebensprozeß, seine Wanderung von dem Vielen zu dem Einen ein. Sein Heimweh ist durch den flüchtigen Blick in sein Heimatland gesteigert. Seine intuitive Erkenntnis des Absoluten, die in der Ekstase ihre positivste Form annimmt, treibt ihn vorwärts auf jene vollkommene und dauernde Einigung mit dem Göttlichen hin, die sein Ziel ist. »Infolge dieser so großen Gnaden«, sagt die hl. Teresa, »bleibt die Seele voll Verlangen, den göttlichen Bräutigam, der sie ihr erwiesen, ganz zu besitzen Ebenda Kap. VI.«.

So erheben die ekstatischen Zustände den Menschen nicht nur zu einer überragenden Höhe der Erkenntnis, sondern sie bereichern auch sein Leben, tragen zur Erneuerung seines Bewußtseins bei, entwickeln und stützen die »starke und stürmische Liebe, die ihn heimwärts treibt«. Sie geben ihm die deutlichste Anschauung von jener höhern Ordnung, der er sich anpassen muß, und das lebendigste Bewußtsein von dem Einstrom jenes größeren Lebens, von dem sein kleines, aufwärts strebendes Leben abhängt. Kein Wunder also, daß eine »gute Ekstase« den Mystiker – wenn auch sein Körper durch die Heftigkeit ihres Ansturms oft schwer mitgenommen werden mag – zugleich mit Demut und mit stolzer Freude und wunderbarer Kraft füllt und ihn bereit macht, nicht zu passivem Genießen, sondern die Kämpfe und Mühseligkeiten des Weges, den Schmerz und das Opfer der Liebe willig auf sich zu nehmen.

Auf der dritten Stufe inbrünstiger Liebe, sagt Richard von St. Victor, lähmt die Liebe das Handeln. Vereinigung ( copula) ist das Symbol dieses Zustandes, Ekstase sein Ausdruck. Die verlangende Seele, sagt er mit feiner Unterscheidung, sehnt sich nicht länger zu Gott hin, sondern in Gott hinein. Die Gewalt ihrer Sehnsucht zieht sie in das Meer der Unendlichkeit. Der Geist wird hinweggetragen in den Abgrund göttlichen Lichtes, und alles um sich her, auch sich selbst, vergessend, geht er ganz in Gott ein. In diesem Zustande versinkt jedes irdische Verlangen in der himmlischen Herrlichkeit. »Während der Geist von sich selbst geschieden ist und fortgetragen wird an den verborgenen Ort göttlichen Geheimnisses und ihn von allen Seiten das Feuer der göttlichen Liebe umgibt, wird er innerlich von diesem Feuer durchdrungen und entflammt; er legt sich gänzlich ab und legt eine göttliche Liebe an, und indem er der geschauten Schönheit gleichförmig wird, geht er gänzlich in jene andere Herrlichkeit über De Quatuor Gradibus Violentae Charitatis (Paraphrase).

So trägt dieser Zustand der Ekstase dazu bei, das Werk der Vergottung, der Erneuerung der Seele nach dem Bilde des Guten, Wahren und Schönen, d. h. Gottes, zu fördern. »Indem sie jener geschauten Schönheit gleichförmig wird, geht sie gänzlich in jene andere Herrlichkeit über«, in das flammende Herz der Wirklichkeit, in das tiefe, doch blendende Dunkel ihrer Heimat.


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