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Der streitbare Mönch

Eine gewaffnete Geistlichkeit vertrug sich zwar nicht mit Lehre und Ordnung der christlichen Kirche, die nicht selten dagegen eiferte, wohl aber mit der Kriegsverfassung und dem kriegerischen Geiste des Mittelalters; sie begegnet uns daher in mannigfaltigen Erscheinungen von den fränkischen und angelsächsischen Bischöfen und Äbten an, die an der Spitze ihrer Schar zogen, Pertz 95. 190–92. Philipps 86, bes. die Stelle aus dem Chron. Fontanell. Bouq. II, S. 661 (Pertz 190): Wido sortitur locum regiminis (monast. Fontanellens.); hic namque propinquus Caroli (Martelli) principis fuit, qui etiam monasterium S. Vedasti, quod est in Atrebatensi territorio, jure regiminis tenuit anno uno sicut est istud. Erat autem de secularibus clericis, gladioque quem semispacium vocant semper accinctus, sagaque pro cappa utebatur, parumque ecclestasticæ disciplinæ imperils parebat. Nam copiam canum multiplicem semper habebant, cum qua venationi quotidie insistebat, sagittatorque præcipuus in arcubus ligneis ad aves feriendas erat, hisque operibus magis quam ecclesiasticæ disciplinæ studiis se exercebant. bis zu dem kölnischen Erzbischof am Ende des dreizehnten Jahrhunderts, der als Gefangener des Herzogs von Brabant in voller Eisenrüstung im Kerker sitzen mußte (Ottokar Kap, 525–37. Schacht S. 254). Bei Heereszügen zur Rettung und Verherrlichung des Christenglaubens hatte das Schwert in Priesterhand nichts Befremdliches. Nicht immer bedienten sich geistliche Besitzer von Lehen und Eigen des Rechtes, die Kriegspflicht, die davon zu leisten war, durch Stellvertreter aus dem Laienstande versehen zu lassen. Außer den Stellen in voriger Note vgl. Raumer V, 486. VI, 123. 392 f. Söhne tapferer Geschlechter, die für geistliche Würden bestimmt wurden, Fürsten und Ritter, die nach kriegerischer Laufbahn in das Kloster traten, die beste Ruhestätte für das Alter in jener stürmischen Zeit, empfingen mit der Priesterweihe und dem Ordenskleide nicht sogleich auch den Geist der Demut und des Friedens. Erscholl das Geräusch der Waffen bis in die einsame Klosterzelle, dann regte sich wohl auch der alte Kampfmut in der Heldenbrust, wie der aquitanische Herzog Hunold im achten Jahrhundert nach fünfundzwanzigjährigem Klosterleben nochmals zu Schwert und Fahne griff (Masc. II, 312).

Was sich so im Leben gestaltet, nahm auch in den Dichtungen seine Stelle ein. Der Helden geistliches Ende ist zwar häufig nur für einen Zusatz mönchischer Bearbeiter anzusehen. Dagegen ist der streitbare Mönch als lebendiger Charakter in die Genossenschaft verschiedener Heldenkreise eingetreten und aus letzteren wieder in die Klosterlegenden übergegangen. Auch die deutsche Heldensage hat diesen Charakter, der ihr nicht ursprünglich angehörte, wohlgefällig in sich aufgenommen und gehegt.

König Rother folgt dem Rate des getreuen Berchter, sich mit ihm zu »mönchen«; ähnlich dem westgotischen Könige Wamba und dem langobardischen Ratchis. Wamba 680. Ratchis 749. Masc. II, A. 228 f. II, 319 Note. Wolfdietrich, der Welt müde, opfert Krone und Sturmgewand auf den Altar des Klosters Tustkal, wo er sich einbrüdert. Es erbarmt ihn, daß man den Armen spärlichere Kost reicht, er schüttet die Speise zusammen und teilt sie gleich aus, die widerspenstigen Ordensbrüder hängt er mit zusammengeknüpften Bärten über eine Stange auf. Mit ungeschwächtem Heldenmute rennt er in das Heer der Heiden, die das Kloster bedrängen, blutrot sind die Buchstaben, die er schreibt, übel der Segen, den er spendet. Um seine Sünden in einer Nacht abzubüßen, setzt er sich im Münster auf eine Bahre, wo er mit den Geistern aller von ihm Erschlagenen den härtesten seiner Kämpfe bestehen muß. Die Wilkinensage erzählt, daß Heime, der Amelungenrecke, unter andrem Namen sich in ein Kloster begeben und seine Waffen zu des Abtes Füßen gelegt. Sie werden wieder hervorgenommen, als Heime für die Rechte des Klosters einen Riesen im Zweikampfe besteht. Der Ruf dieser Tat dringt zu Dietrich von Bern, der daran den Helden erkennt und ihn aus dem Kloster zurückholt. Den Mönchen ist nicht leid um ihn, weil sie alle sich vor ihm gefürchtet und er den Abt selbst mißhandelt. Sag. om K. Didrik, K. 387–91. Rasn II, 1. S. 602–21. Bei Heimes Kampf mit dem Riesen heist es S. 613: og saa sige tydske Kvad, at han skar saa meget af hans Laar, at een Hest ikke kunde drage mere. Daß nachher die Mönche von Heime ermordet und das Kloster von ihm und Dietrich, weil es diesem Schatzung versagt, ausgeraubt und verbrannt wird, mag in dem auch sonst bemerklichen Hasse gegen Dietrich als Arianer seine Quelle haben. Nach der Chronik des Klosters Novalese in Piemont ( Chron. monast. Novalic. 1. II, c. 7–13, bei Muratori, Script. rer. ital. t. II, p. II. Grimm, D. Sag. II. 55 ff.) hat auch Walther, der Held des lateinischen Gedichts, im Alter sich zum geistlichen Leben gewendet und dieses Kloster, das er der strengen Zucht wegen vor allen gewählt, gegen feindliche Gewalt verteidigt. Das Schulterblatt eines weidenden Kalbes dient ihm gelegentlich als Waffe.

Mitten im Heldenleben tummelt sich der handfeste Mönch Ilsan. Er ist vom Meistergeschlechte der Wölfinge, ein Bruder Hildebrands, und erscheint im Liede von der Ravennaschlacht noch selbst als Meister der jungen Fürsten, die durch seine Nachgiebigkeit so kläglich umkommen. Dagegen ist in den Rosengartenliedern das Mönchtum ihm wesentlich. Als Dietrich an den Rhein ausreiten will, fehlt noch ein Recke zu zwölfen. Hildebrand schlägt seinen Bruder Ilsan vor. Sie ziehen vor das Kloster Eisenburg oder Ilsenburg, wo derselbe schon zweiunddreißig Jahre Mönch ist. Er bedenkt sich nicht lange, die Fahrt mitzumachen, und die Klosterbrüder beten, daß er nicht wiederkehre, denn er hat sie manchmal an den Ohren umgezogen, wenn sie nicht tun wollten, was er ihnen gebot. Den starken Rheinfergen, der zum Fährgelde Fuß und Hand begehrt, lockt er herüber, indem er sich für einen Wallbruder ausgibt, und bezwingt ihn dann mit Faustschlägen. »Nummer dummer amen!« (d. h. in nomine domini) spricht der Ferge, vor dem geistlichen Herrn am Boden liegend, und ist nun bereit, mit seinen zwölf Söhnen die lieben Gäste überzuschiffen. Im Rosengarten kämpft Ilsan nach dem einen Liede mit Studenfuß, nach dem andern mit Volker. Die graue Kutte über dem Stahlgewand, watet er durch die Rosen oder wälzt sich gar darin und alle Frauen lachen über ihn. Wen er Beichte hört, der empfängt schwere Buße. Der eine genügt ihm nicht, er gibt noch weitern zweiundfünfzigen den Segen, so viel als seiner Klosterbrüder sind, deren jedem er einen Rosenkranz mitzubringen gelobt hat. Gleich viele Küsse muß ihm Kriemhild geben und er reibt sie mit seinem Barte, daß ihr rosenfarbes Blut nachfließt. Man will ihn nicht mehr in sein Kloster einlassen, doch er stößt das Tor auf, drückt die Kränze auf die Platten der Mönche, daß ihnen das Blut über die Stirne rinnt, und zwingt sie, ihm seine Sünden büßen zu helfen; die es nicht tun wollen, hängt er, wie Wolfdietrich, an den Bärten über die Stange. Im Alphartliede führt der Mönch Ilsan zur Rache um seinen Neffen elfhundert Klosterleute herbei, die über den lichten Ringen schwarze Kutten tragen. Sie singen gar üble Töne und fällen manchen in das Gras. Durch diese getreue Hilfe wird Ilsan mit Dietrich ausgesöhnt, dem er vor Garten den Oheim erschlagen. Über Alpharts Grab geführt, heißt er das Weinen lassen und nur auf Vergeltung denken. In den dänischen Kämpferliedern führt er, auf Dietrichs Heldenfahrt, Kutte und Kolben im Schild und ein Messerlein an der Seite, das nicht über elf Ellen lang ist; auch sonst hat der kahle Mönch mit dem Kolben, daran fünfzehn Männer zu tragen haben, mancherlei derblustige Abenteuer außer- und innerhalb des Klosters.

Daß dem Mönche nicht ziemlich sei, die Waffen zu handhaben, ist in unsern Liedern genugsam ausgesprochen. Der Abt verweigert dem Bruder Ilsan den Urlaub; das Recht der Gottesknechte sei, nicht zu streiten, sondern Tag und Nacht dem Herrn zu dienen. Erst als der Mönch die ganze Brüderschaft dafür verantwortlich macht, wenn einem der Helden im Rosengarten Leides geschehe, willigt der Abt ein, indem er sich selbst einen Kranz ausbedingt. Auch hat Ilsan beim Eintritt in das Kloster seinem Herrn noch eine Fahrt gelobt, gleichwie Wolfdietrich sich vorbehalten, zur Verteidigung des Klosters wieder zum Schwerte zu greifen. Dennoch reichen diese und andere Entschuldigungen nicht völlig aus. Im Rosengarten muß Ilsan von Kriemhilden hören: zu Chore gehen und Messe singen ständ' ihm besser an; und Volker meint, klare Seide würd' ihn besser kleiden, als die Kutte, man sollt' ihn, nachdem er gestritten, aus dem Kloster jagen. Hierauf erwiderte er, das Streiten sei ihm von den Wölfingen angeboren. Der Widerspruch des weltlichen Treibens mit dem geistlichen Beruf ist bei Ilsan gedoppelt, indem er um den Kuß der Frauen Leib und Seele wagt. Ward nun schon der kämpfende Spielmann ironisch aufgefaßt, so mußte der Mönch, um Frauendank fechtend, ganz zur lustigen Person werden. »Wem hat der Berner seinen Toren hergesandt?« wird ihm zugerufen. Scherzhaft ist durchaus seine Erscheinung gehalten und wiederkehrend sind die meist doppelsinnigen Anspielungen auf Paternoster und Benedicite, auf Beichthören und Bußegeben, auf den Predigerstab, die tönende Kutte, das kurze Mönchshaar mit dem Rosenkranze, den rauhen Bart, der zarte Lippen wund reibt. Ergötzlich sind in dem einen Liede Volker und Ilsan einander im Kampfe gegenübergestellt: der Spielmann mit dem blutigen Fiedelbogen und der Mönch mit dem lichten, scharfen Predigerstabe.


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