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I. Inhalt der Heldensage im Umriß

Der Hauptinhalt unsrer Heldensage war nicht bloß in Deutschland, sondern auch über den skandinavischen Norden verbreitet. Damit ergibt sich eine doppelte Gestaltung derselben, die deutsche und die nordische. Beide sind, wenn auch in der Wurzel zusammenhängend, doch in der Entfaltung bedeutend verschieden; die nordische, noch ganz dem heidnischen Altertum angehörend, erläutert uns den früheren Zustand der deutschen; aus der Zusammenstellung beider geht uns erst der volle Gehalt des Ganzen hervor.

A. Deutsche Gestaltung der Sage

Es sind achtzehn deutsche Gedichte, größeren oder geringeren Umfangs, welche aus diesem Sagenkreise auf uns gekommen sind. Wir zählen aber zu ihnen noch ein lateinisches, von einem Deutschen offenbar nach heimischer Quelle abgefaßtes. Mehrere derselben sind in doppelter oder mehrfacher Behandlung desselben Stoffes vorhanden.

Diese Gedichte sind folgende:

  1. Rother (Ruther), 12. Jhd.;
  2. Otnit, 13. Jhd.;
  3. Hugdietrich und Wolfdietrich, in zwei verschiedenen Gestaltungen, 13. Jhd.;
  4. Etzels Hofhaltung, 15. Jhd.;
  5. Dietrichs Drachenkämpfe, 13.–14. Jhd.;
  6. Sigenot, 13. Jhd.;
  7. Ecken Ausfahrt, 13. Jhd.;
  8. Biterolf und Dietleib, 13. Jhd.;
  9. Laurin, 13. Jhd.;
  10. Der Rosengarten zu Worms, in mehrfachen Darstellungen, 13. Jhd.;
  11. Alphart, 13. Jhd.;
  12. Dietrichs Flucht, 13.–14. Jhd.;
  13. Schlacht vor Raben, ebenso;
  14. Hildebrand und sein Sohn, Bruchstück aus dem 8. Jhd. und späteres Volkslied;
  15. Walther, lateinisch, 10. Jhd.;
  16. Hörnen Siegfried, 13.-14. Jhd.; samt dem Volksbuche gleichen Inhalts.
  17. Nibelungenlied, Schluß des 12. Jhd.;
  18. Klage, 13. Jhd.;
  19. Gudrun, 13. Jhd.

Wir besitzen in verschiedenen mehr oder weniger kritischen Sammlungen und besondern Ausgaben zwar im ganzen das Korpus dieses Gedichtkreises, aber manches doch nur in spätern Überarbeitungen oder in einzelnen Darstellungen, während die ältern Texte und andere nicht weniger merkwürdige Versionen noch in der Handschrift liegen.

Mit den aufgezählten Gedichten ist übrigens der einstige Umfang des Sagenkreises keineswegs erschöpft. Jene selbst weisen auf manches Fehlende hin. Auch anderwärts ist der Inhalt vermißter Stücke angedeutet. Die reichste Quelle der Ergänzung aber bietet der Norden. Denn außer der eigentümlich nordischen Gestaltung der Sage haben wir die große, in isländischer, d.h. der dem älteren Skandinavien gemeinschaftlichen Sprache abgefaßte Vilkinen- oder Dietrichssage vom Ende des 13. Jahrhunderts (Grimm, Heldens., S. 175), welche laut der Erklärungen, die in ihr selbst enthalten sind, nach deutschen Gedichten und mündlichen Überlieferungen zusammengesetzt ist, auch im ganzen mit der deutschen Sagenbildung übereinstimmt und bedeutende Lücken derselben ausfüllt.

Demselben deutsch-nordischen Zweige gehört auch eine Reihe altdänischer Heldenlieder oder Balladen ( Kjämpeviser) an. Sie sind neu herausgegeben in:

Udvalgte Danske Viser fra Middelalderen udgivne paa ny af Abrahamson, Nyerup og Rahbek. 1. Del. Kjöbenh. 1812. Deutsch: Altdänische Heldenlieder, Balladen und Märchen, übersetzt von W. C. Grimm. Heidelberg 1811.

Ich werde mich aber in den folgenden Auszügen auf den Bestand der deutschen Geschichte beschränken. Es ist mir darum zu tun, daß vorerst geschieden bleibe, was erklärt werden soll und was zur Erklärung dient, die Frage und die Antwort. Deshalb werde ich die verwischten Verbindungen der Lieder unter sich hier noch nicht herzustellen, das Lückenhafte nicht zu ergänzen suchen; eine Ahnung des Zusammenhangs wird sich von selbst ergeben. Auf der andern Seite ist der Hauptzweck dieser Auszüge, daß der Gegenstand, von dem es sich handelt, vor das Auge trete, daß die Bilder, welche zu deuten sind, sich hervorstellen und dem Gedächtnis einprägen, damit, wenn künftig Namen genannt werden, zuvor schon die Gestalten dazu gegeben seien. Zu diesem Zweck ist es nötig, das verwirrende Nebenwerk abzustreifen, was allzusehr verdunkelt ist, vorderhand beruhen zu lassen, nur das eigentlich Sagenhafte in seiner jetzigen Gestaltung und das für sich Anschauliche auszuheben. Ich werde daher nirgends erweitern oder hinzusetzen, sondern überall (wie es schon die Masse dieser Gedichte mit sich bringt) zusammendrängen und abkürzen. Wer ausführlichere Analysen zu lesen wünscht, findet solche in dem Buche:

Heldenbilder aus den Sagenkreisen Karls des Großen, Arthurs, der Tafelrunde und des Grals, Attilas, der Amelungen und Nibelungen. Herausg. von F. H. v. d. Hagen. 2 Tle. Breslau 1823 (mit 60, etwas buntscheckigen Bildern).

Hier sind die deutschen Heldengedichte (mit Ausnahme von Rother und Gudrun) ihrem ganzen Inhalte nach und mit umständlichen Ergänzungen aus der Wilkina-Saga auf 792 Oktavseiten ausgezogen.

In diesen deutschen Liedern sind hauptsächlich dreierlei Heldengeschlechter verherrlicht: die Amelunge (gotische Sage), die Nibelunge (rheinisch-burgundische Sage) und die Hegelinge (niedersächsische Sage).

Von den neunzehn zuvor aufgezählten Liedern sind dem Ruhme der Amelungen, Dietrichs von Bern und seiner Stammgenossen zumeist die vierzehn erstgenannten gewidmet, die vier weitern beziehen sich vorzugsweise auf die Nibelunge; das letzte handelt von den Hegelingen. Wie im Nibelungenliede selbst übrigens, so treffen auch in solchen Liedern, die wir zunächst dem Amelungenstamme zugeschrieben haben, vorzüglich den Rosengartenliedern und Dietleib, Nibelunge und Amelunge kämpfend zusammen.

Wir ordnen hiernach auch die folgenden Umrisse.

1. Die Amelunge

Rother.

Über dem Westmeere sitzt König Rother in der Stadt zu Bare (Bari in Apulien). Er sendet Boten, die um die Tochter des Königs Konstantin zu Konstantinopel für ihn werben sollen. Als sie hinschiffen wollen, heißt er seine Harfe bringen. Drei Leiche (Spielweisen) schlägt er an; wo sie diese in der Not vernehmen, sollen sie seiner Hilfe sicher sein. Jahr und Tag ist um, die Boten sind nicht zurück. Konstantin, jede Werbung verschmähend, hat sie in einen Kerker geworfen, wo sie nicht Sonne noch Mond sehen, Frost, Nässe und Hunger leiden sie; mit dem Wasser, das unter ihnen schwebt, laben sie sich. Auf einem Steine sitzt Rother drei Tage und drei Nächte, ohne mit jemand zu sprechen, traurigen Herzens seiner Boten gedenkend. Auf den Rat Berthers von Meran, Vaters von sieben der Boten, beschließt er Heerfahrt, sie zu retten oder zu rächen. Das Heer sammelt sich; da sieht man auch den König Asprian, den kein Roß trägt, mit zwölf riesenhaften Mannen daherschreiten; der grimmigste unter ihnen, Widolt mit der Stange, wird wie ein Löwe an der Kette geführt und nur zum Kampfe losgelassen. Bei den Griechen angekommen, läßt Rother sich Dietrich nennen. Er läßt sich vor Konstantin auf die Knie nieder; vom übermächtigen König Rother geächtet, such' er Schutz und biete dafür seinen Dienst an. Konstantin fürchtet sich, die Bitte zu versagen. Durch Pracht und Übermut erregen die Schützlinge Staunen und Furcht. Den zahmen Löwen, der von des Königs Tischen das Brot wegnimmt, wirft Asprian an des Saales Wand, daß er in Stücke fährt. Wie leid es dem König ist, er rührt sich nicht. Rother verschafft sich, nach Berthers Rat, durch reiche Spenden großen Anhang. Da klagt die Königin, daß ihre Tochter dem versagt worden, der solche Männer vertrieben. Die Tochter selbst möchte den Mann sehen, von dem soviel gesprochen wird. Am Pfingstfeste, wo sie mit ihren Jungfrauen zu Hofe kommt, gelingt ihr dieses nicht vor dem Gedräng der Gaffer um die glänzenden Fremdlinge. Als es still in der Kammer, geht ihre Dienerin Herlind, ihn zu ihr zu bescheiden. Er stellt sich scheu, läßt aber seine Goldschmiede eilend zween silberne Schuhe gießen und zween von Golde. Von jedem Paar einen, beide für denselben Fuß, schickt er der Königstochter. Bald kehrt Herlind zurück, den rechten Schuh zu holen und den Helden nochmals zu laden. Jetzt geht er hin mit zween Rittern, setzt sich der Jungfrau zu Füßen und zieht ihr die Goldschuhe an. Währenddessen fragt er sie, welcher von ihren vielen Freiern ihr am besten gefalle. Sie will immer Jungfrau bleiben, wenn ihr nicht Rother werde. Da spricht er: »Deine Füße stehen in Rothers Schoß.« Erschrocken zieht sie den Fuß zurück, den sie in eines Königs Schoß gesetzt. Gleichwohl zweifelt sie noch. Sie zu überzeugen, beruft er sich auf die gefangenen Boten. Darauf erbittet sie von ihrem Vater, als zum Heil ihrer Seele, die Gefangenen baden und kleiden zu dürfen. Des Lichtes ungewohnt, zerschunden und zerschwollen, entsteigen sie dem Kerker. Der graue Berther sieht, wie seine schönen Kinder zugerichtet sind; doch wagt er nicht zu weinen. Als sie darauf an sichrem Orte, wohl gekleidet, am Tische sitzen, ihres Leides ein Teil vergessend, schleicht Rother mit der Harfe hinter den Umhang. Ein Leich erklingt. Welcher trinken wollte, der gießt es auf den Tisch; welcher Brot schnitt, dem entfällt das Messer. Vor Freuden sinnlos sitzen sie und horchen, woher das Spiel komme. Laut erklingt der andre Leich; da springen ihrer zween über den Tisch, grüßen und küssen den mächtigen Harfner. Die Jungfrau sieht, daß es König Rother ist. Fortan werden die Gefangenen besser gepflegt; sie werden ledig gelassen, als der falsche Dietrich sie verlangt, um Ymelot von Babylon zu bekämpfen, der mit großem Heere gegen Konstantinopel heranzieht. Nach gewonnener Schlacht wird Dietrich mit den Seinigen zur Stadt vorangesandt, um den Frauen den Sieg zu verkündigen. Er meldet aber, Konstantin sei geschlagen, und Ymelot komme, die Stadt zu zerstören. Die Frauen bitten ihn, sie zu retten, und er führt sie zu seinen Schiffen. Als nun die Königstochter eingestiegen, entdeckt er den Trug und führt die Braut von dannen. Durch List eines Spielmanns wird sie später nach Konstantinopel zurückentführt; durch List und Gewalt, unter großen Gefahren, gewinnt König Rother sie wieder.

Otnit

Otnit, der junge König in Lamparten (Lombardei), auf der Burg zu Garten (Garda), findet keine kronwürdige Braut, weil alle Könige diesseits des Meeres ihm dienen. Darum will er nach der Tochter des Heidenkönigs Nachaol zu Muntabur fahren, obgleich schon viele Häupter der Werber um sie auf den Zinnen jener Burg stecken. Zuvor reitet er in die Wildnis am Gartensee (Gardasee), von dem wunderkräftigen Stein eines Ringes geleitet, den ihm die Mutter gegeben. Vor einer Felswand, daraus ein Brunnen fließt, sieht er auf blumigem Anger eine Linde stehen, die fünfhundert Rittern Schatten gäbe. Unter der Linde liegt ein schönes Kind im Grase, köstlich gekleidet, mit Gold und Gesteine reich geschmückt. Es ist der Zwergkönig Elberich, dem Berg und Tal dienen. Lange neckt und prüft der starke Zwerg den Jüngling; zuletzt entdeckt er sich als dessen Vater. Unsichtbar hat er einst die Königin, Otnits Mutter, überwältigt. Jetzt hebt er sich in den Berg und holt für Otnit eine leuchtende Rüstung, samt dem herrlichen Schwert Rose. Zum Abschied verspricht er, dem Sohne stets gewärtig zu sein, solange dieser den Ring habe. Vier Tage reitet Otnit vergeblich umher, die Waffen zu versuchen. Soll er nicht andern Streit finden, so muß es vor seiner eigenen Burg geschehen. Schon wird er dort als tot betrauert, da ruft plötzlich, vor Tages Anbruch, der Wächter: »Draußen hält ein Mann, vom Haupt zum Fuße brennend.« Es ist Otnit im Glanze der Rüstung. Der Morgenstern glänzt aus den Wolken, ihm gleich leuchten Otnits Schild und Helm. Die Königin öffnet ihr Fenster. »Er brennt wie eine Kerze,« spricht sie; »meines Sohnes Ringe waren nicht so hell.« Otnit verkehrt die Stimme, die gewaltig unterm Helme tost: er nennt sich einen Heiden, der den jungen König erschlagen. Die Burgmannen fordert er auf, diese Schmach zu rächen. Sie wappnen sich: der Burggraf kämpft mit ihm auf der Brücke und wird verwundet: ebenso des Burggrafen Bruder. Das Schwert Rose schneidet die Stahlringe, wie morschen Bast; Otnits Rüstung bleibt unversehrt. Jetzt gibt er sich als ihren Herrn zu erkennen, der nur ihre Treue prüfen wollte.

Die Zeit der Meerfahrt ist herangekommen. Zu Messina eingeschifft, fahren sie erst gen Sunders (Suders), der Heiden Hauptstadt, wo vor allen Elias, König von Reußen, Otnits Oheim, als Heidenvertilger wütet. Von da ziehen sie vor die Königsburg Muntabur, auf des Gebirges Höhe. Elberich hat seines Wortes nicht vergessen: er saß die ganze Fahrt über auf dem Mastbaume, keinem sichtbar, als wer den Ring am Finger hatte. Überall schafft er Rat und Hilfe. Die kleinen Schiffe, die vor Sunders lagen, führt er zur Nachtzeit, wie mit Windeswehen, hinweg, und auf ihnen fuhr das Heer zum Lande. Jetzt weist er die Straße nach Muntabur, dem Heere mit dem Banner vorreitend: aber nur Roß und Fahne sind sichtbar, der Träger nicht. Er neckt den Heidenkönig, wenn dieser nachts, sich zu erkühlen, an die Zinne tritt, rauft ihm den Bart, wirft das Wurfgeschütz und die Särge der Heidengötter in den Graben. Er zeigt der Königstochter von der Zinne den Helden Otnit, wie er herrlich im Streite geht, sein Harnisch leuchtend, blutig das Schwert. Da spricht sie: »Er ist eines hohen Weibes wert.« Elberich führt sie heimlich zur Burg hinaus, wo Otnit sie vor sich zu Rosse hebt und mit ihr davonrennt. Mit den verfolgenden Heiden besteht der Held siegreichen Kampf; des Heidenkönigs schont er um der Tochter willen. Auf dem Meere wird diese getauft und Sidrat geheißen. Nach der Heimkunft aber wird ihre Krönung zu Garten gefeiert. Bei dem Feste läßt Elberich sich schauen, die Goldkrone auf dem Haupt, mit einem Edelsteine, der wie die Sonne leuchtet. Eine Harfe in der Hand, rührt er die Saiten, daß der Saal erklingt.

Der alte Heidenkönig, Versöhnung heuchelnd, sendet reiche Geschenke. Zugleich aber bringt sein Jäger zween junge Lindwürme mit, die er im Gebirg oberhalb Trient in einer Felshöhle großzieht. Nach Jahresfrist kommen sie heraus und schweifen gierig umher. Ihr Pfleger selbst ist ihnen kaum entronnen. Niemand wagt mehr die Straße zu ziehen; die Äcker werden nicht eingesät, die Wiesen nicht gemäht. Bis vor die Burg von Garten wird das Land verwüstet. Tod droht dem Helden, der sie zu bestehen wagt.

Hugdietrich

Hugdietrich, der junge Sohn des Attenus, ist König zu Konstantinopel. Rosenfarb sein Antlitz, gelbes Haar schwingt sich ihm über die Hüften. Als er zwölf Jahre alt, berät er sich mit seinen Dienstmannen um eine Frau. Berchtung, Herzog von Meran, sein Erzieher, rühmt die schöne Hiltburg, Tochter des Königs Walgund zu Salneck (Salonichi). Aber ihr Vater hat geschworen, sie keinem Manne zu geben, und hält sie in festem Turme verschlossen. Noch dünkt sich Hugdietrich zum Kampfe zu jung, mit List will er sie gewinnen. Er lernt an der Rahme wirken, schönes Bildwerk, Hirsch und Hinde, was da lebt. Im Kleid einer Jungfrau, mit langwallenden Haaren geht er zur Kirche. Jedermann fragt: »Wer ist die Minnigliche?« So zieht er mit großem Geleite gen Salneck, wo er sich Hiltgund, des Griechenkönigs Schwester, nennt, die von ihrem Bruder vertrieben sei, weil sie nicht einen Heiden zum Manne gewollt. König Walgund und seine Gemahlin, Liebgart, gewähren freundliche Aufnahme. Berchtung führt das Gefolge zurück, Hiltgund aber arbeitet künstlich in Gold und Seide und lehrt es auch die Mägde der Königin. Dem König wirkt sie eine herrliche Haube (Mütze), darin er am Pfingstfest bei Tische prangt. Sie selbst wird der schönen Hiltburg gegenübergesetzt und schneidet ihr zierlich das Brot vor. Die Königstochter erbittet sich die fremde Jungfrau zur Gespielin, Hiltgund wird zu ihr in den Turm verschlossen und lehrt sie Gold und Seide weben. Zwölf Wochen dauert die Verstellung, länger nicht. Nach Jahresfrist wird Hiltgund, wie verabredet war, durch Berchtung wieder abgeholt: des Bruders Zorn sei zergangen. Trauernd bleibt Hiltburg zurück, die sich schwanger fühlt. Sie genest eines schönen Sohnes, den sie ihrer Mutter selbst verbirgt. Als diese auf den Turm kommt, wird das Kind, in seidene Tücher gehüllt, in das Gebüsch des Burggrabens niedergelassen. Als aber die Königin abends weggegangen, ist es nirgends mehr zu finden. Ein Wolf, der manchmal dort im Hage Hühner fängt, hat es in seine Höhle getragen, den Jungen zur Speise. Doch weil diese noch klein und blind sind, bleibt es unverletzt. Morgens, auf der Jagd, kommt König Walgund zu der Höhle, wo das Kind gefunden wird. Er schlägt sein Gewand um dasselbe, nimmt es auf sein Pferd und bringt es zur Burg. Hugdietrich aber macht sich, nun unverkleidet, wieder nach Salneck auf, küßt sein Kind und spricht, indem er den goldreichen Mantel Legitimation des Mantelkindes, legitimatio per pallium. fallen läßt, vor aller Welt: »Mein Sohn, Konstantinopel, das Königreich, ist dein!« Hiltburg wird ihm zur Frau gegeben, mit großen Ehren führt er sie heim nach Konstantinopel. Wolfdietrich ist das Kind getauft worden, weil man es bei den Wölfen gefunden.

Wolfdietrich

Wolfdietrich mit zween jüngern Brüdern, Bogen und Wachsmut, wird durch Herzog Berchtung in Ritterkünsten unterwiesen. Er wächst kräftig vor den andern heran: den Stein wirft er sechs Klafter weiter, als sie. Von dem mächtigen Kaiser Otnit in Lamparten kommen Boten, welche Zins heischen. Hugdietrich, die Drohung fürchtend, läßt einen Säumer mit Gold laden. Zürnend spricht Wolfdietrich zu den Boten, sobald er Mann geworden, werd' er den Kaiser um sein eigen Land bestehn.

Auf dem Sterbelager verteilt Hugdietrich den Söhnen sein Reich. Wulfdietrich erhält Konstantinopel, aber die Brüder maßen sich sein Erbteil an, weil er ein Kebskind sei. Berchtung von Meran, dessen Pflege er empfohlen ist, schwört mit sechzehn Söhnen, ihm das Erbe wieder gewinnen zu helfen. Sie ziehen mit Heeresmacht aus der Stadt Meran und fahren gen Konstantinopel über. Indes das Heer in einem Walde hält, reiten Wolfdietrich und Berchtung in die Feste, um die Brüder zur Güte zu bewegen. Vergeblich bietet jener sein halbes Erbe. Die Brüder waffnen gegen ihn, Berchtung aber springt zur Zinne und bläst sein Hörnlein. Da kommen seine Söhne mit dem Heer und dringen in das offene Tor. Vom Kampf erschallt die Feste: sie treiben einander ein und aus. Drei Tage wird gestritten, Berchtungs Volk ist all erschlagen, nur seine Söhne leben noch. Sie streiten wieder drei Tage: sechs von Berchtungs Söhnen werden erschlagen. Sieht er einen fallen, so lacht er seinen Herrn an, damit der es nicht merke. Wolfdietrich stürzt von einem Steinwurf; Berchtung hält das Schwert über ihn, und die Söhne kämpfen mit zusammengekehrten Rücken, bis jener sich erholt. Jetzt erst entweichen sie zum Walde, wo der junge Fürst, als er sechs von Berchtungs Söhnen vermißt, sich in sein Schwert stürzen will.

Fortan ist sein Schicksal ein Gewebe von Verzauberungen, Irrfahrten, Riesenkämpfen und andern seltsamen Abenteuern, durch die wir hier nur den Hauptfaden der Geschichte verfolgen. Durch Zauber wird er von seinen Dienstmannen getrennt. Nach langem, vergeblichem Suchen bieten diese ihren Dienst den Brüdern an, doch nur mit dem Beding, des Eides ledig zu sein, wenn Wolfdietrich wiederkehre. Die Könige, hierüber erzürnt, lassen Berchtung und seine Söhne, je zween zusammengeschmiedet, auf der Burgmauer Wache gehen.

Wolfdietrich hat ihrer nicht vergessen. Vom Zauber entbunden, will er den Kampf bestehn, den er als Knabe dem Kaiser Otnit entboten. So hofft er mächtigen Beistand zur Befreiung seiner Dienstmannen zu gewinnen. Vor der Burg zu Garten steht eine Linde, darunter niemand weilen darf, es sei denn um Streites willen. Unter ihr legt Wolfdietrich sich nieder und entschläft vom süßen Vogelsang. Otnit und Sidrat gewahren ihn von der Zinne. Der Kaiser geht hinaus, weckt ihn zum Kampfe und wird besiegt. Er hat selbst dem Gegner den Helm festgebunden; jetzt holt Wolfdietrich im Helme Wasser, womit Sidrat den leblosen Gemahl erfrischt. Die Helden schwören sich Genossenschaft und gehen Arm in Arm zur Burg.

Noch ist den elf Dienstmannen die Rettung ferne. Wolfdietrich wird auf neuen Fahrten umgetrieben. Otnit aber reitet zu Walde, sein Land von den Lindwürmern zu erlösen, die ihm sein Schwäher gesandt. Er empfiehlt der Kaiserin, wenn er umkomme, seinem Rächer sich zu vermählen. Unter einer bezauberten Linde fällt er in tiefen Schlaf. Vergeblich bellt der Hund und scharrt das Roß, als der Lindwurm naht. Das Ungetüm trägt den Schlafenden im Rachen fort. Als er aufwacht und sein Schwert ziehen will, zerschmettert ihn der Lindwurm an einer Felswand und trägt den Leichnam in den Berg, wo die jungen Wurme ihn aus dem Harnisch saugen. Das Roß läuft mit dem Hunde vor das Tor zu Garten. Trauernd lebt die Witwe Sidrat bis in das dritte Jahr. Da kommt Wolfdietrich in der Nacht wieder vor die Burg. Er hört den Wächter an der Zinne um seinen Herrn klagen, der ihn wohl gehalten und den niemand rächen wolle. Die Kaiserin tritt zum Wächter und klagt mit ihm. Ihre Schenken und Truchsesse seien jetzt ihre Herren, sie sei vom Reiche verstoßen, weil sie keinen zum Gemahl wolle, als der die Würm' erschlage. Wolfdietrich wirft einen ungeheuren Stein an die Zinne, daß es laut erhallt. Erschrocken ruft Sidrat hinab, was sie verschuldet, daß man sie zu Tode werfen wolle. Der Held erwidert, er habe bewähren wollen, ob er Kraft habe, die Würme zu bekämpfen. Eher will er sich nicht zeigen, noch nennen; aber ein Wahrzeichen verlangt er, daß ihm alsdann die Krone samt der Kaiserin zum Danke werde. An seidnem Faden läßt sie ihren Ring nieder, mit dem er davonjagt. Im Walde trifft er einen Löwen im Kampfe mit dem Lindwurm. Er steht jenem bei, weil er selbst einen goldnen Löwen im Schilde führt. Held und Löwe lösen sich im Kampf ab, bis dem Helden das Schwert bricht. Der Wurm trägt ihn im Schweife, den Löwen im Rachen zur Höhle. Die jungen Lindwürme fressen den Löwen auf; Wolfdietrich aber findet Otnits Schwert, womit er sämtliche Würm' erschlägt, bis auf einen, den später Dietrich von Bern bekämpft. Zum Lohn empfängt er die Krone und die Hand der Kaiserin.

Einmal schon auf seinen Fahrten ist Wolfdietrich zur Nachtzeit vor die Burg seiner Brüder gekommen. Dort vernahm er die Klage seiner Dienstmannen auf der Mauer. Sie hörten nur, als er wegritt, den Hufschlag seines Rosses und wie er, die Hände zusammenschlagend, ausrief: »Ich bin nicht tot!« Darüber wurden sie froh in ihren Banden. Jetzt, zur Krone gelangt, führt er ein großes Heer gen Konstantinopel. In der Nacht geht er selbzwölfte, in Pilgertracht, an den Graben, wo er die Dienstmannen ihr zehnjährig Leid klagen hört. Herbrand, einer von Berchtungs Söhnen, erzählt einen Traum; ein Adler sei gekommen, die Könige zu verderben, und habe die Gefangenen von dannen geführt. Wolfdietrich bittet für sich und die andern um Brot und Wein, um der liebsten Seele willen, die jenen der Tod hingenommen. Um zween Tote trauern die Wächter, ihren Vater Berchtung und ihren Herrn Wolfdietrich; jenes wollen sie vergessen; um dieses willen bieten sie ihren Harnisch an, ihre einzige Habe, daß er um Brot und Wein versetzt werde. Der Pilger fragt um Berchtungs Tod. Zu Pfingsten, erzählen jene, hielt der König einen Hof; reich Gewand trugen alle Fürsten, nur sie, die Herzogskinder, trugen graue Kleider und rinderne Schuhe. Da rief ihr Vater: »O weh, Wolfdietrich, lebtest du noch, du ließest uns nicht in solcher Armut.« Danach sprach er nichts mehr, er starb vor Herzeleid. Mit großer Klage um seinen Meister gibt Wolfdietrich sich zu erkennen. Die Wächter knien auf der Mauer nieder und bitten Gott, wenn es wirklich ihr Herr sei, ihre Bande zu lösen, zum Zeichen, daß sie ihm Treue gehalten. Da zerspringen ihre Ringe, sie eilen von der Mauer und öffnen das Tor. Die Stadt wird eingenommen, die Brüder unterliegen in großer Feldschlacht. Als darauf um Mitternacht Messe gelesen wird, bemerkt Wolfdietrich einen Sarg neben dem seines Vaters. Er hört, daß Berchtung hier bestattet sei. Da reißt er die Steine vom Sarg, umarmt und küßt den Toten, dessen Leichnam noch unversehrt ist. Wolfdietrich bestellt nun das Reich, führt seine Brüder gefangen nach Garten und begnadigt sie nur auf Fürbitte der Kaiserin. Berchtungs Söhne werden reich belehnt; sie empfangen zum Schilde drei goldne Wölfe im grünen Feld mit blauem Ringe; davon nennt man dieses Geschlecht die Wölfinge.

In spätern Jahren überläßt Wolfdietrich das Reich seinem Sohne, der nach dem Ahn Hugdietrich heißt. Er selbst begibt sich in das Kloster Tustkal, am Ende der Christenheit. Die Brüderschaft hält er in strenger Zucht, und als die Heiden das Kloster bedrängen, führt er siegreich wieder das Schwert. Keine Buße ist ihm stark genug, er bittet die Klosterbrüder um eine solche, wodurch er in einer Nacht seiner Sünden ledig werde. Im Münster richten sie ihm eine Bahre. Darauf sitzt er allein die Nacht hindurch. Die Geister aller, die er je erschlagen, kommen heran und bekämpfen ihn; die härtesten Stürme, die er sonst gefochten, sind nichts gegen diesen. Morgens wird er für tot hinweggetragen, seine Haare sind schneeweiß geworden. Noch weilt er aber manches Jahr in der Brüderschaft, bis die Engel seine Seele hinführen.

Dietrich von Bern

Dieser sagenberühmteste der deutschen Helden ist (nach dem Anhang des Heldenbuchs Bl. 210) von einem Geiste gezeugt. Darum schießt ihm Feuer aus seinem Munde, wenn er zornig wird. Frühe schon kämpft er in der Wildnis mit Riesen und Drachen.

Sigenot

Einst findet Dietrich den Riesen Sigenot, im Walde schlafend, erweckt ihn und muß mit ihm streiten. Der Riese will seinen Oheim Grim rächen, den und dessen Weib Hilde Dietrich früher erschlagen und von ihnen den glänzenden Helm Hildegrim erbeutet hat. Sigenot schlägt mit seiner Stange den Berner zu Boden und wirft ihn in einen hohlen Stein, wohin kein Licht scheint. Dietrichs Meister, Hildebrand, ist seinem Herrn nachgeritten, findet dessen Roß allein an einen Baum angebunden und beweint seinen Tod. Auch er wird von Sigenot angerannt, der ihm mit der Stahlstange das Schwert aus den Händen schlägt und ihn am Barte nach dem hohlen Steine trägt. Hildebrand denkt jetzt nur darauf, wie er seinen Bart räche, in den nie zuvor eines Mannes Hand gekommen. Er findet in dem Berge Dietrichs Schwert, erlegt mit diesem den Riesen und befreit, mit Hilfe des Zwerges Eggerich, seinen Herrn aus der Wurmhöhle, nachdem er demselben erst verwiesen, daß er, gegen bessern Rat, allein von Bern weggeritten.

Ecke

In dem Lande, wo jetzt Köln liegt, wohnten drei königliche Jungfrauen. Sie haben Dietrichs Lob vernommen und wünschen sehnlich, ihn zu sehen. Drei riesenhafte Brüder, Ecke, Fasold und Ebenrot, werben um die Jungfrauen. Ecke, kaum achtzehn Jahre alt, hat schon manchen niedergeworfen; sein größter Kummer ist, daß er nicht zu fechten hat. Ihn verdrießt, daß der Berner vor allen Helden gerühmt wird, und er gelobt, denselben, gütlich oder mit Gewalt, lebend oder tot herzubringen. Zum Lohne wird ihm die Minne einer von den dreien zugesagt. Seburg, die schönste, schenkt ihm eine herrliche Rüstung, darein sie selbst ihn wappnet. Auch ein treffliches Roß läßt sie ihm vorziehn, aber Ecken trägt kein Roß, und er braucht auch keines, vierzehn Tag' und Nächte kann er gehen ohne Müdigkeit und Hunger. Zu Fuß eilt er von dannen über das Gefild, in weiten Sprüngen, wie ein Leopard; fern aus dem Walde noch, wie eine Glocke, klingt sein Helm, wenn ihn die Äste rühren. Durch Gebirg und Wälder rennend, schreckt er das Wild auf; es flieht vor ihm oder sieht ihm staunend nach, und die Vögel verstummen. So läuft er bis nach Bern, und als er dort vernimmt, daß Dietrich ins Gebirg geritten, wieder an der Etsch hinauf in einem Tage bis Trient. Den Tag darauf findet er im Walde den Ritter Helfrich mit Wunden, die man mit Händen messen kann; kein Schwert, ein Donnerstrahl scheint sie geschlagen zu haben. Drei Genossen Helfrichs liegen tot. Der Wunde rät Ecken, den Berner zu scheuen, der all den Schaden getan. Ecke läßt nicht ab, Dietrichs Spur zu verfolgen. Kaum sieht er diesen im Walde reiten, als er ihn zum Kampfe fordert. Dietrich zeigt keine Lust, mit dem zu streiten, der über die Bäume ragt. Ecke rühmt seine köstlichen Waffen, von den besten Meistern geschmiedet, Stück für Stück, um durch Hoffnung dieser Beute den Helden zu reizen. Aber Dietrich meint, es wäre töricht, sich an solchen Waffen zu versuchen. So ziehen sie lange hin, der Berner ruhig zu Roß, Ecke nebenher schreitend und inständig um Kampf flehend. Er droht, Dietrichs Zagheit überall zu verkünden, er mahnt ihn bei aller Frauen Ehre, er gibt dem Gegner alle Himmelsmächte vor. Endlich willigt der Berner ein, am Morgen zu streiten. Doch Ecke will nicht warten, er wird nur dringender. Schon ist die Sonne zu Rast, als Dietrich vom Rosse steigt. Sie kämpfen noch in der Nacht; das Feuer, das sie sich aus den Helmen schlagen, leuchtet ihnen. Das Gras wird vertilgt von ihren Tritten, der Wald versengt von ihren Schlägen. Sie schlagen sich tiefe Wunden, sie ringen und reißen sich die Wunden auf. Zuletzt unterliegt Ecke. Vergeblich bietet Dietrich Schonung und Genossenschaft, wenn jener das Schwert abgebe. Ecke trotzt und zeigt selbst die Fuge, wo sein Harnisch zu durchbohren ist. Dietrich beklagt den Tod des Jünglings, nimmt dessen Rüstung und Schwert Eckensachs, das er seitdem führt, und bedeckt den Toten mit grünem Laube. Dann reitet er hinweg, blutend und voll Sorge, man möchte glauben, er hab' Ecken im Schlaf erstochen. Schwere Kämpfe besteht er noch mit dessen Bruder Fasold und dem übrigen riesenhaften Geschlechte. Das Haupt Eckes führt er am Sattelbogen mit sich und bringt es den drei Königinnen, die den Jüngling in den Tod gesandt.

Biterolf und Dietleib

Biterolf, ein ruhmreicher König zu Tolet (Toledo), hört die Erzählung eines alten Pilgers von der Macht und Herrlichkeit des Hunnenkönigs Etzel, dem so viel Könige und Recken dienen. Er beschließt selbst zu sehen und zu vergleichen. Mit zwölf Mannen reitet er heimlich hinweg, seine Gemahlin, Dietlinde, und einen zweijährigen Sohn, Dietleib, zurücklassend. Ungekannt gibt er sich in Etzels Dienst und heerfahrtet für ihn gegen Preußen und Polen. Indes wächst der Knabe Dietleib heran; wenn andre Kinder »Vater« sagen, fragt er, was ein Vater sei. Er hört, daß der seinige seit zehn Jahren vermißt werde. Einst findet er Biterolfs Waffen, darunter dessen Schwert Welsung. Diese läßt er nachts durch ein Fenster die Mauer nieder, wo drei andre Knaben sie empfangen. Morgens bittet er die Mutter um Erlaubnis auf die Falkenjagd, stößt zu den drei Genossen, wappnet sich und reitet mit ihnen aus dem Lande, den Vater zu suchen. Durch mancherlei Abenteuer, in denen seine Kraft geprüft wird, gelangt auch er an den Hof zu Etzelnburg. Seine jugendliche Schönheit wird angestaunt. Lange, goldfarbne Haare, wie einer Jungfrau, hängen ihm über die Schwertfessel herab. Er kann sich damit vor Regen decken, wie ein Falke mit den Flügeln. Um jene Zeit rüstet König Etzel eine Heerfahrt gegen die Polen. Biterolf führt der Scharen eine. Dietleib bittet, mit in den Streit fahren zu dürfen. Es wird ihm, seiner Jugend wegen, versagt; aber, den Hütern entweichend, reitet er heimlich dem Heere nach und erreicht es eben zur Zeit der Schlacht. Mitten durch das Polenheer hat Biterolf sich eine Gasse geschlagen. Auch Dietleib verhaut sich in die Feinde. So begegnen sich im Gedränge Vater und Sohn; sie halten sich für Gegner und kämpfen miteinander. Der Junge führt auf den Alten einen Schlag, davon die Funken aufsprühn. Da erkennt Biterolf den Klang seines Schwertes Welsung, das er daheim gelassen, Ahnung und Sehnsucht ergreift ihn (3704: da was im ande genüg). So findet Dietleib den Vater, den er durch manche Lande gesucht. Siegreich kehren die beiden zum Hofe Etzels zurück, der nun auch ihre Namen erfährt und sie in hohen Ehren hält. Biterolf empfängt von ihm das gesegnete Steierland; dort baut er die Burg Steier und führt dahin seine Gemahlin mit all seinem Volk und Gesinde.

Laurin

Similde, Dietleibs Schwester, lustwandelt vor der Burg zu Steier zu einer Linde auf grüner Aue. Plötzlich verschwindet sie vor ihrem Gefolge; der Zwergkönig Laurin, in eine Nebelkappe gehüllt, führt sie unsichtbar hinweg in das Gebirge, wo er herrscht, die Wildnis Tirol. Dietleib reitet, um Rat zu finden, nach Garten zum alten Hildebrand und mit ihm gen Bern zum König Dietrich. Diesem erzählt Hildebrand von dem Übermute des kleinen Laurin und von seinem Rosengarten mit vier goldenen Pforten und, statt der Mauer, mit einem Seidenfaden umgeben; wer den zerreiße, werd' um Hand und Fuß gepfändet. Sogleich macht Dietrich nach diesem Abenteuer sich auf, begleitet von Wittich, Wielands Sohn; Hildebrand, Dietleib und Wolfhart folgen nach. Als jene beiden des Waldes sieben Meilen geritten, kommen sie vor den Garten, aus dem die Rosen duften und glänzen. Dietrich hat seine Freude daran, Wittich aber will der Hochfahrt ein Ende machen, zerstört die goldnen Pforten und zertritt die Rosen. Da kommt Laurin mit Speer und Schwert geritten, Waffen, Gewand und Reitzeug von Gold und Edelsteinen leuchtend. Das Gestein gibt ihm Kraft, einen Gürtel trägt er, davon er zwölf Männer Stärke hat; auf dem Haupt eine lichte Goldkrone, darin Vögel singen, als lebten sie. Der Zwerg schilt die Zerstörer seines Gartens und verlangt zur Buße von jedem den linken Fuß, die rechte Hand. Dietrich meint, es könne mit Gold gebüßt werden, und der Mai bringe neue Rosen. Aber der Zwerg versichert, daß er Goldes mehr als genug habe, und Wittich spottet seines schüchternen Herrn. Da rennen Laurin und Wittich mit den Speeren zusammen: der Zwerg sticht den Gegner aus dem Sattel, bindet ihn und will sein Pfand nehmen. Jetzt ergreift auch Dietrich seinen Speer, als eben Hildebrand mit den zween andern nachkommt. Er rät seinem Herrn, zu Fuße zu streiten und den Zwerg, dessen Harnisch nicht zu versehren ist, mit Schwertschlägen zu betäuben. Dietrich schlägt, daß dem Zwerg die Sonne vergeht; da macht Laurin sich unsichtbar und schlägt dem Helden große Wunden. Jetzt versucht Dietrich es mit Ringen, wird aber bei den Beinen in den Klee geworfen. Zornflammen gehn aus seinem Munde; doch bezwingt er den Kleinen erst, als er ihm, auf Hildebrands Rat, den Gürtel abgerissen. Laurin fleht um Gnade, und als der zürnende Dietrich sie versagt, ruft er Dietleib als Schwager an. Dietleib hält sich zur Hilfe verpflichtet; es erhebt sich ein furchtbarer Kampf zwischen ihm und dem Berner. Hildebrand und die zween andern drängen sich dazwischen und stiften einen Frieden, darein Laurin mitbegriffen wird. Dietrich und Dietleib schwören sich Gesellschaft, und Laurin ladet die Helden in seinen hohlen Berg. Sie reiten mit einbrechender Nacht durch den Wald, bei einem Brunnen steigen sie ab. Laurin läutet eine goldne Schelle, die vor einem Berge hängt. Laut erhallt es im Berge, der sogleich sich aufschließt. Ein Schein, taghell, geht von dem edeln Gestein aus, das im Berge liegt, und leuchtet durch den Wald. Saitenklang und andrer Wohllaut ertönt. Ein Zwergkönig, Laurins Verwandter, haust in diesem Berge. Die Gäste werden im Saale des Königs köstlich bewirtet. In der Frühe reiten sie weiter zu Laurins Berge. Vor demselben ist ein lustiger Plan mit einer Linde und duftreichen Obstbäumen; darauf singen Vögel aller Art, und umher spielt zahmes Wild. Dietrichs Herz ist freudenvoll, Hildebrand rät, den Tag nicht vor dem Abend zu loben; Wittich traut am wenigsten; als aber Wolfhart ihn der Furcht verdächtigt, geht er zuerst dem Berge zu und bläst ein goldnes Horn, das davor hängt. Der Berg wird geöffnet; durch eine stählerne Tür, dann durch eine goldne, werden sie eingeführt. Gesang, Tanz, Ritterspiel treiben hier die Zwerge. Auf die Helden wird ein Zauber geworfen, daß keiner den andern sieht. Zu Tisch aber erscheint Similde, herrlich gekrönt; kleine Sänger und Spielleute, Ritter einer Elle lang, reichgekleidete Mägdlein gehen mit ihr zu Hofe. Ein Stein ihrer Krone vertreibt den Zaubernebel. Sie halst und küßt den Bruder; was ihr Herz begehrt, wird ihr hier tausendfältig, aber sie sehnt sich nach der christlichen Heimat. Laurin beredet die Helden, sich zu entwaffnen. Als nun Similde weggegangen, fällt der Zauber wieder auf die Augen der Gäste, und ein betäubender Trank, in den Wein gemischt, senkt sie in festen Schlaf. So werden sie gebunden und in einen tiefen Kerker geworfen. Nur Dietleibs will Laurin schonen und ihn reichlich begaben, wenn er der Genossen sich nicht annimmt. »Was ihnen geschieht, geschehe mir!« antwortet Dietleib. Da wird er besonders eingesperrt, aber die Schwester befreit ihn, gibt ihm einen Ring, davon er wieder sieht, und hilft ihm zu den Waffen. Er wirft den Genossen die ihrigen in den Kerker hinab. Als Laurin den Helden frei sieht, stößt er ins Horn, und ein Heer von Zwergen sammelt sich. Dietleib kämpft gegen die Überzahl. Indes hat Dietrich mit der Glut seines Mundes seine Bande verbrannt; die Eisenringe zerschlägt er mit den Fäusten und löst so auch die Genossen. Der Gürtel, den er dem Zwerge genommen, gibt ihm das Gesicht wieder, und er ficht jetzt an Dietleibs Seite. Einen Ring, den er von Laurins Finger zieht, wirft er seinem Meister zu; auch Hildebrand sieht nun und kämpft. Zwerge zu Tausenden erliegen; da läuft einer vor den Berg und ruft mit dem Horne fünf Riesen aus dem Walde herbei. Sie eilen mit ihren Stangen zum Streite. Wittich und Wolfhart, den Waffenschall vernehmend, wollen blindlings unter die Feinde springen; Similde hilft auch ihnen durch Ringe mit edeln Steinen zum Gesicht. Jeder der fünf Helden nimmt einen Riesen auf sich, jeder erschlägt den seinigen. Bis ans Knie waten sie im Blute. Laurin wird gefangen. Großen Schatz führen die Sieger von dannen. Similden wird ein Biedermann gegeben, Laurin aber muß zu Bern ein Gaukler sein.

Der Rosengarten zu Worms

Zu Worms am Rheine wohnt König Gibich mit drei Söhnen und seiner Tochter Kriemhild, Um diese freit Siegfried aus Niederland, der so stark ist, daß er Leuen fängt und an den Schwänzen über die Mauern hängt. Kriemhild hat viel Wunders von dem Berner gehört und sinnt darauf, wie sie die zween kühnen Männer zusammenbringe, um zu sehen, welcher das Beste tue. Sie hat einen Rosengarten, eine Meile lang und eine halbe breit, mit einem seidenen Faden umspannt und von zwölf Recken gehütet. Einen Boten sendet sie gen Bern an Dietrich: mit zwölfen seiner Recken soll er zum Rheine kommen; welcher einen der Ihrigen besiege, dem soll ein Kranz von Rosen, ein Halsen und Küssen von ihr werden. Dietrich hat zu Bern Rosen genug, aber den Trotz will er nicht dulden. Er bricht auf mit seinen Recken, nur der zwölfte fehlt noch. Dazu holen sie aus dem Kloster Eisenburg den streitbaren Mönch Ilsan, Hildebrands Bruder. Ilsan verspricht, sämtlichen Klosterbrüdern Kränze heimzubringen, sie sollen für sein Heil beten. Jene aber beten, daß er nicht wiederkehre. So fahren die Helden mit einem Heere von sechzig Tausenden zum Rheine. Dort finden sie den riesenhaften Fergen Norprecht, der zum Fährlohn Hand und Fuß begehrt. Ilsan ruft ihn herüber, als soll' er zwölf geistliche Brüder überführen. Als Norprecht den Mönch in Waffen findet, schlägt er nach ihm mit dem Ruder, wird aber von Ilsan mit Faustschlägen bezwungen und muß die Gäste überschiffen. Sie legen sich vor Worms auf das Feld, und im Rosengarten beginnen die Kämpfe. Zuerst springt Wolfhart in den Garten, besteht den Riesen Pusold und schlägt ihm das Haupt ab; Kriemhild lohnt mit Rosenkranz, Halsen und Küssen. Ortwin, Pusolds Bruder, will Rache nehmen; ihn fällt der Wölfing Sigestab und empfängt den Dank. Jetzt kommt der Riese Schrutan, seine Brudersöhne zu rächen; Heime soll ihn bestehen, zögert erst, aber von Hildebrand ermahnt, bekämpft er den Riesen, wird bekränzt und geküßt. Der riesenhafte Asprian, zwei Schwerter führend, watet durch die Rosen; gegen ihn will Wittich nicht eher sich wagen, bis ihm für sein Roß Falke Dietrichs Scheming verheißen wird; dann kämpft er und treibt den Riesen in die Flucht. Gegen Studenfuß vom Rheine tritt Bruder Ilsan vor; die Frauen lachen, wie er über dem Harnisch die Kutte trägt, aber er gibt dem Gegner kräftig den Segen, bis Kriemhild die Kämpfenden scheidet und dem Mönche Kranz und Kuß gewährt. Im sechsten Kampfe halten sich Walther von Wasgenstein und der junge Dietleib so männlich die Wage, daß Kriemhild beide bekränzt. Volker von Alzei, der Spielmann, durch harte Helme blutig fiedelnd, entweicht doch vor Dietrichs Recken Ortwin, der den Kranz davonträgt. Ebenso Held Hagen vor dem getreuen Eckhard, der wohl die Rosen nimmt, aber nicht den Kuß von einer ungetreuen Maid. Gernot, Kriemhilds Bruder, weicht vor Helmschrot, und sie setzt diesem den Kranz auf. Gunther, ihr ältester Bruder, geht zum Kampfe mit Amelolt von Garten, holt tiefe Wunden und wird nur gerettet, indem Amelolt den Kranz empfängt. Der alte König Gibich selbst wappnet sich, kämpft mit Hildebrand und wird von des Meisters Schirmschlage hingestreckt; Kriemhild bittet für des Vaters Leben, Hildebrand verlangt dafür ein Kränzlein für seinen grauen Kopf, den Kuß will er seiner lieben Hausfrau behalten. Der zwölfte springt Siegfried von Niederland auf den Plan und sucht trotzig seinen Gegner. Aber Dietrich von Bern scheut den Recken, der den Drachen schlug und dessen Haut hörnen ist. Hildebrand, der alte Zuchtmeister, straft seinen Zögling lange mit Worten, zuletzt mit einem Faustschlag. Dietrich, ergrimmt, schlägt auf ihn mit dem Schwerte, dann rennt er zum Streite mit Siegfried. Laut schallen ihre Schwerter, Dietrich wird durch den Helm getroffen und strömt von Blut, während kein Streich auf Siegfried haftet. Da hört Hildebrand, sein Herr fechte übel. Dietrich sei noch nicht im Zorne, meint der Meister und sinnt auf Rat. Wolfhart muß in den Garten rufen, Hildebrand sei gestorben von Dietrichs Schlägen. Darüber fährt dem Berner die Flamme vom Mund, wie einem Drachen. Siegfried trieft vor Hitze; durch Harnisch und Horn schlägt ihn Dietrich und treibt ihn um, bis er Kriemhilden in den Schoß fällt. Einen Schleier wirft sie über ihn, dennoch will Dietrich ihn und alle, die im Garten sind, erschlagen. Hildebrand aber springt herzu: »Du hast gesiegt, nun bin ich wieder geboren!« Da läßt Dietrich von seinem Zorn und nimmt Rosenkranz und Kuß. Die zwölf vom Rheine sind nun besiegt, der Mönch Ilsan aber hat all seinen zweiundfünfzig Brüdern Kränze gelobt. Ebensoviel Recken fordert er noch auf den Plan und sticht sie nacheinander vom Rosse. Gleiche Zahl von Küssen muß ihm Kriemhild geben: er reibt sie mit seinem rauhen Barte, daß ihr rosenfarbes Blut fließt. König Gibich muß sein Land von Dietrich zu Lehen nehmen; er verflucht den Garten, der die Rosen trug, und den Übermut der Tochter. Fröhlich reiten die Sieger nach Bern zurück; der Mönch kehrt in sein Kloster, zum Schrecken der Brüder. Die Rosenkränze drückt er in ihre Platten, bis das Blut von der Stirne rinnt, damit auch sie ihr billig Teil darum leiden.

Dietrichs Flucht

König Ermenrich hat einen Ratgeber mit Namen Sibich. Einst versendet er diesen und entehrt dessen schöne Frau. Als Sibich heimkommt, sagt ihm die Frau, was geschehen. Bis daher hieß er der getreue Sibich, nun will er der ungetreue sein. Fortan rät er dem König nur zum Schlimmen. Nach Sibichs Rate sendet Ermenrich seinen Sohn Friedrich in der Wilzen Land, wo der Jüngling umkommt. Dann läßt er die drei Harlunge, seine Brudersöhne, verräterisch aufhängen, um ihr Land für sich zu nehmen. Endlich reizt ihn Sibich, seinen Neffen, Dietrich von Bern, zu verraten und dessen Erbe auch an sich zu ziehen. Randolt von Ancona wird unter Verheißung reichen Lohnes als Bote nach Bern abgefertigt: der König woll' über Meer fahren, der Harlunge Tod zu büßen, Dietrich möge kommen und solang des Reiches Pfleger sein. Als Randolt seine Straße reitet, trocknen ihm die Augen nicht, wenn er des Mordes denkt, den er werben soll. Zu Bern richtet er die Botschaft aus, wie er geheißen ist, warnt aber den jungen Fürsten, die Reise zu lassen und seine Festen zu besetzen. Dann reitet er zurück und meldet, daß Dietrich nicht komme. Fürder will Randolt nicht mehr zu dem Könige stehen, sondern alles für Dietrich wagen. Ermenrich rüstet nun große Heerfahrt und wütet mit Mord und Brand, bis Dietrich in nächtlichem Überfall das übermächtige Heer vertilgt. Ehrlos entflieht Ermenrich und läßt seinen Sohn (Friedrich) mit achtzehnhundert Helden in Dietrichs Hände fallen. Dietrich hätte nun gerne den Recken gelohnt, die ihm Land und Ehre gerettet. Aber leer sind die Kammern, die sein Vater Dietmar voll Schatzes hatte. Hildebrand trägt ihm sein und der Seinigen Gut an, und Bertram von Pola bietet soviel, als fünfhundert Säumer tragen können. Sieben Recken werden mit Bertram nach dem Golde gen Pola gesendet: Hildebrand, Sigeband, Wolfhart, Helmschart, Amelolt, Sindolt und Dietleib von Steier. Da legt Ermenrich an die Straße fünfhundert Mann, welche Dietrichs Recken auf der Heimkehr überfallen und samt dem Schatze gefangen nach Mantua führen. Dietleib allein entrinnt und sagt die Märe zu Bern. Dietrich, nur seine Recken, nicht das Gold, klagend, erbietet sich, für die Lösung der sieben den Sohn Ermenrichs und die achtzehnhundert, die mit ihm gefangen wurden, freizulassen. Ermenrich aber droht, die Recken Dietrichs aufzuhängen, wenn dieser nicht all seine Städt' und Lande für sie hingebe. Man rät dem Berner, um die sieben nicht alles zu verlieren, aber er ließe lieber alle Reiche der Welt als seine getreuen Mannen; so willigt er in Ermenrichs Begehren. Dieser zieht nun mit Heereskraft vor Bern, Dietrich aber reitet aus der Stadt zu des Königs Zelte, steigt ab und beugt mit nassen Augen das Haupt ihm zu Füßen. »Gedenke,« spricht er, »daß ich bin deines Bruders Kind, daß meine Einsicht noch schwach ist! Nimmer will ich deine Huld verwirken; laß ab von deinem Zorne!« Lange schweigt Ermenrich, dann heißt er drohend den Jüngling aus seinen Augen gehn. Um die eine Stadt Bern fleht Dietrich, nur bis er zum Manne gewachsen. Umsonst; Ermenrich droht nur grimmiger. Da bittet Dietrich nur noch um seine sieben Mannen und will mit ihnen von hinnen reiten. Auch diese Ehre nicht wird ihm gelassen, zu Fuße soll er seine Straße ziehen. Mehr denn tausend Frauen kommen aus dem Tore, für ihren Herrn zu bitten. Zuvorderst geht Frau Ute mit vierzig Jungfrauen; sie fallen vor Ermenrich nieder und mahnen ihn bei aller Frauen Ehre, an seinem Neffen königlich zu tun. Er stößt sie von sich und gestattet auch ihnen nicht, in der Stadt zu bleiben. Da scheiden Männer und Frauen zu Fuße von Hab und Gut, Hildebrand hat Frau Uten an der Hand, der andern Recken jeder die seinige. Jammervoll ob all der Schmach, geht Dietrich von seinem Erbe, nimmer soll man ihn lachen sehen bis zum Tage, da er sein Leid rächen mag. Die Frauen werden nach Garten geführt, das der treue Amelolt besetzt hält. Ein Stein hätte weinen mögen, wie jetzt Frau und Mann, Mutter und Kind sich zum Abschied küssen. Fünfzig Getreue gehen mit Dietrich ins Elend, durch Isterreich in das Land der Hunnen. Sie nehmen Herberge in der Stadt Gran. Dahin kommt zur selben Zeit von Etzelnburg die Königin Helke, des mächtigen Etzels Gemahlin, mit dem Markgrafen Rüdiger. Sie, aller Elenden Trost, nimmt sich auch Dietrichs und seiner Gefährten freigebig und hilfreich an. Ihrem Gemahl, der später anlangt, empfiehlt sie die Helden. Dietrich wird ehrenvoll gehalten, und Helke verlobt ihm ihr Schwesterkind Herrad, die mit Siebenbürgen ausgesteuert wird. König Etzel aber gibt ihm zur Rückkehr ein stattliches Heer. Mit solcher Hilfe macht Dietrich zween Züge gegen Ermenrich und besiegt diesen in zwo furchtbaren Schlachten vor Mailand und bei Bologna. Bern ist gleich anfangs durch eine Kriegslist Amelolts wieder gewonnen worden. Dennoch kann Dietrich gegen Ermenrichs Übermacht nicht aufkommen, er kehrt zu den Hunnen zurück und beklagt den Verlust von acht seiner teuersten Helden.

Alphart

Einst tritt Dietrich zu Bern in den Saal, wo seine Mannen sitzen, die kühnen Wölfinge. Sie springen auf und empfangen ihn. Er klagt ihnen, daß Ermenrich mit großem Heere herangezogen, ihn von Land und Leuten zu vertreiben. Die Recken geloben alle, Leib und Leben für ihn zu wagen, und er will mit ihnen all sein Erbe teilen. Der junge Alphart, Hildebrands Neffe, schlägt vor, einen Wartmann (Kundschafter) gegen die Feinde auszusenden; er selbst will allein auf die Warte reiten. Die andern widerraten es, seiner Jugend wegen. Alphart aber zürnt, daß ihm nicht Ehre gegönnt werde; sterben will er oder zu den Recken gezählt sein. Frau Ute, die ihn erzogen, beklagt umsonst sein Vorhaben; sie muß selbst ihn wappnen, gibt ihm einen schönen Waffenrock und weint, als sie ihm zuletzt den Speer in die Hand gegeben. Die junge Amelgart, kaum erst ihm angetraut, läßt umsonst sich auf die Knie nieder, daß er nur nicht ganz allein ausreite. Er küßt sie und jagt von dannen. Von den Mauern sehen sie heilwünschend ihm nach, wie er über die Etschbrücke sprengt. Da rüstet sich Meister Hildebrand, ihm nachzureiten; nimmer könnt' er den Jüngling verschmerzen. Streites will er ihn satt machen, daß er bald zur Stadt wiederkehre. Schon ist Alphart auf der Heide, als sein Oheim angeritten kommt, den er für einen Dienstmann Ermenrichs hält. Sie brechen die Speere, dann kämpfen sie zu Fuß. Alphart gibt dem Alten einen Schlag, der ihn zu Boden streckt. Hildebrand, um sein Leben bittend, gibt sich zu erkennen; ohne den Neffen muß er nach Bern zurückkehren, wo er den Spott zum Schaden hat. Dietrich freut sich des jungen Helden. Alphart reitet inzwischen fürder, ihm begegnen achtzig Feinde, die Herzog Wolfing auf die Warte führt. Der Jüngling durchsticht den Herzog im Speerkampf; die andern umringen ihn, und er besteht sie Mann für Mann, denn ein alter Ritter wehrt, daß mehrere zugleich gegen einen streiten. Er streckt sie nieder bis auf acht, die blutend entfliehen und Schrecken im Lager verbreiten. Ermenrich läßt Gold und Silber hervortragen; seinen Schild soll damit füllen, wer noch auf die Warte zu ziehen wagt. Alle schweigen. Da ruft er aus dem ganzen Heere den Helden Wittich auf, der früher dem Berner gedient. Wittich reitet hinaus; ihm folgt von ferne sein Gesell Heime, auch er durch Sibichs bösen Rat von Dietrich abgefallen. Im Schatten einer Linde hält indes Alphart und lüftet den Helm; wer mit Ehren die Warte versehen will, muß bleiben, bis der Tag sich endet; Alphart sieht den Rauch von Ermenrichs Heer und brennt von Kampflust. Als Wittich herankommt, verweist der Jüngling ihm mit scharfen Worten den Eidbruch an dem Berner. Wittich will nicht Beichte stehen; sie rennen zusammen, und er wird abgestochen. Auch im Schwertkampf wird er niedergestreckt und liegt wie tot unter dem Schild. Heime, der bisher im Schatten gehalten, eilt jetzt herzu. Er will den Streit scheiden: Alphart soll nach Bern zurückkehren, sie beide wollen dann aussagen, daß sie ihn nicht mehr getroffen. Der junge Held verschmäht den Vorschlag, er will Wittichen zum Pfande haben. Dieser mahnt Heimen geschworener Treue und wie er denselben einst vom Tod errettet. Jetzt dringen beide auf Alphart ein; er könnte sich retten, wenn er Namen und Geschlecht sagte, doch er schämt sich solcher Zagheit. Er bedingt sich nur Frieden für seinen Rücken und daß sie nicht als Mörder ihn selbander bestehn; dann will er ihnen seinen frühen Tod verzeihen. Nun ficht Heime allein, als aber auch er schwer getroffen ist, brechen sie den Frieden. Wittich schlägt hinten, Heime von vorn. Sie fliehen, als Wittich ihn durch das Bein geschlagen. Auf einem Beine noch erreicht und bekämpft sie Alphart, bis er durch den Helm gehauen wird. Das Blut rinnt ihm über die Augen, jämmerlich blickt er hindurch. Er fällt, und Wittich bohrt ihm das Schwert durch den Schlitz des Harnischs. Sterbend verwünschte der Jüngling die ehrlosen Mordrecken.

In blutiger Schlacht vor Bern nimmt Dietrich mit den Wölfingen Rache um Alpharts Tod. Wolfhart, dessen Bruder, hat den Vorstreit. Ermenrich und Sibich entfliehen mit ungeheurem Verlust. Wittich und Heime entrinnen Dietrichs Schwerte nur, indem sie, um nicht erkannt zu werden, die Zeichen vom Helme brechen und die Schilde hinter sich schwingen.

Schlacht vor Raben

Zu Etzelnburg sammelt sich ein neues Heer, zahlreich wie keines zuvor, dem vertriebenen Dietrich zur Hilfe. König Etzel hat zween herrliche junge Söhne, Scharpf und Ort. Diese wünschen sehnlichst, mit Dietrich zu reiten und seine gute Stadt Bern zu sehen. Sie wenden sich erst an die Mutter. Frau Helke sieht ihre Kinder traurig an, ihr hat geträumt, ein Drache sei durch ihrer Kammer Dach geflogen, habe vor ihren Augen die beiden Söhne hingeführt und sie auf weiter Heide zerrissen. Als aber die Jünglinge nicht ablassen, legt die Mutter selbst Fürbitte bei Etzeln ein. Ungerne gewährt er. Dietrich verheißt, sie treulich zu behüten und nicht über Bern hinausreiten zu lassen. Mit viel Tränen werden sie entlassen. Das Heer zieht durch Isterreich gen Bern. Hier sollen Etzels Söhne zugleich mit Diethern, des Berners einzigem Bruder, der wenig älter als sie ist, zurückbleiben. Dietrich befiehlt sie auf Leben und Ehre dem alten Helden Elsan. Niemals sollen sie auch nur vor das Tor kommen: mit eigner Hand droht er den Pfleger zu töten, wenn ihnen irgend Leides geschehe. Er bricht nun mit dem Heere gegen Raben auf, wo Ermenrichs Kriegsmacht liegt. Den Jünglingen aber ist herzlich leid, daß man sie nicht mitgenommen. Sie knien vor ihrem Meister Elsan nieder und küssen ihm die Hände, daß er sie nur wenig vor die Stadt reiten lasse, all den herrlichen Bau zu sehen. Er widersteht nicht ihren Bitten, und eh' er noch sich gerichtet, sie zu begleiten, sind sie schon zur Stadt hinaus. Es nahet schon dem Herbste, wo die Nebel stark sind; so kommen die drei Jünglinge auf einen unrechten Weg, der sie über die weite Heide gegen Raben führt. Elsan eilt ihnen nach und findet sie nirgends um die Stadt; laut ruft und jammert er, ihm antwortet niemand. Vor dichtem Nebel kann er sie auch auf der Heide nicht erschauen. Den ganzen Tag streichen sie hin und übernachten in einem Tal im Freien. Am Morgen reiten sie weiter, gegen dem Meere nieder. Diether fängt an, diese Irrfahrt zu bereuen. Als aber der Nebel weicht und heiter die Sonne scheint, da bewundern Etzels Söhne die Herrlichkeit des Landes, darin der Berner immer mit Freuden wohnen sollte. Jetzt erblicken sie den Recken Wittich, der mannlich unter seinem Schilde hält. Sie wollen diesen Verräter an Diethern und seinem Bruder sogleich angreifen, obschon sie statt Harnischs nur Sommerkleider anhaben. Umsonst warnt Wittich mehrmals. Scharpf reitet zuerst ihn an und schlägt ihm starke Wunden; da zuckt Wittich mit Grimm das Schwert Miming, mit gespaltenem Haupte schießt der Jüngling vom Rosse. Wär' er zum Mann erwachsen, ihm hätten alle Reiche dienen müssen. Ort will den Bruder rächen und erleidet gleichen Tod, obschon Diether ihm beigestanden. Dieser kämpft noch bis zum Abend zu Fuße; seine Schnellheit, darin ihm niemand gleich ist, fristet ihn so lange; zuletzt fällt auch er, durch das Achselbein bis auf den Gürtel gehauen. Ihn betrauert Wittich, Dietrichs Zorn fürchtend; er will zu Rosse steigen, aber die Kraft versagt ihm, und er muß sich auf der Heide niederlegen. All dieses geschieht um die Zeit zwölftägiger Schlacht, worin Ermenrich bei Raben von dem Berner besiegt wird. Er entflieht zur Stadt; den Verräter Sibich fängt der treue Eckhard und führt ihn, quer auf das Roß gebunden, durch das Heer. Dietrich freut sich auf der Walstatt des Sieges, da kommt Elsan und meldet, daß er die jungen Könige verloren. Mit eigenen Händen, wie gedroht war, schlägt Dietrich ihm das Haupt ab. Die drei Erschlagenen werden auf der Heide gefunden. Dietrich küßt sie in die Wunden, verflucht den Tag seiner Geburt, weint Blut und beißt sich vor Jammer ein Glied aus der Hand, »Armes Herz,« spricht er, »daß du bist so fest!« An der Größe der Wunden erkennt er, daß sie mit dem Schwerte Miming geschlagen sind. Da sieht man Wittichen rasch über die Heide reiten. Grimmig springt der Berner auf und spornt so hastig nach, daß keiner der Seinigen ihm folgen kann; Feuer sprüht von den Hufschlägen. Speer, Helm und Schild hat er auf der Walstatt gelassen, nur das Schwert führt er mit sich. Er ruft Wittichen an, mahnt, fleht ihn bei Heldenruhm und Frauenehre, zum Kampfe zu halten, verheißt Bern und Mailand, verheißt sein ganzes Reich, wenn Wittich obsiege. Aber Wittich jagt nur stärker voran. Rienold, sein Neffe, der mit ihm reitet, schämt sich der Flucht und will auch ihn zum Kampfe bewegen: zu zween würden sie den Berner bezwingen. Wittich will nicht hören, befiehlt den Neffen in Gottes Schutz und rennt weiter. Rienold sticht seinen Speer auf den Berner, dieser haut ihn vom Rosse, reitet Wittichen nach und reizt ihn, Rienolds Tod zu rächen. Je länger, je mehr eilt Wittich, mahnt unablässig seinen Scheming, verspricht ihm Ömd und lindes Heu die Fülle. Scheming macht weite Sprünge. Dietrich klagt, daß Scheming, einst ihm gehörig, seinen Feind von hinnen trage; er treibt sein jetziges Roß, Falke, daß es von Blute trieft; vor Zorne glüht er, daß sein Harnisch weich wird. Kaum eines Roßlaufs Weite ist noch zwischen beiden, Wittich ist bis an das Meer getrieben, er gibt sich verloren. Da kommt die Meerminne (Meerfrau) Waghild, seine Ahnmutter, und nimmt ihn samt dem Roß in den Grund des Meeres. Der Berner reitet bis zum Sattelbogen in das Meer nach; er muß umkehren und wartet vergeblich, ob Wittich wieder erscheine.

Noch erstürmt Dietrich die Stadt Raben, daraus Ermenrich, die Seinen verlassend, um Mitternacht entweicht. Dann sendet er den Markgrafen Rüdiger mit dem Hilfsvolke nach Hunnenland zurück. Rüdiger soll ihn bei Etzeln und Helken entschuldigen, er selbst wagt noch nicht, ihnen vor die Augen zu treten. Als der Markgraf mit seinen Helden zu Gran ankommt, laufen die herrenlosen Rosse der zween jungen Könige mit blutigen Sätteln auf den Hof. Die Königin will eben mit ihren Frauen in einen Garten gehn, an den Blumen ihr Auge zu weiden, da sieht sie die blutigen Rosse ihrer Kinder stehn. Im ersten Schmerze verwünscht sie den Berner; doch sie wird versöhnt, als Rüdiger meldet, daß Dietrich mit ihnen den eigenen Bruder verloren. Sie ist selbst Dietrichs Fürsprecherin bei Etzeln. Der Berner kommt nach Etzelnburg, geht auf den Saal, neigt sein Haupt auf Etzels Fuß und beut sein Leben zur Sühne. Die Königin weint, und Etzel richtet mit neuer Huld ihn auf.

Hildebrand und Alebrand

Der alte Hildebrand reitet mit Dietrich von den Hunnen zurück; zweiunddreißig Jahre hat er Frau Uten nicht gesehen. Er wird gewarnt vor dem jungen Alebrand, der ihn auf der Mark anrennen werde, und ritt' er selbzwölfte. Hildebrand will ihm einen Schirmschlag geben, daß er ein Jahr lang der Mutter zu klagen habe. Auf der Mark rennt der junge Held den Alten an: »Was suchst du in meines Vaters Lande? Du solltest daheim bleiben beim warmen Herde.« Der Alte lacht: »Zu reisen und zu fechten bis an meine Hinfahrt ist mir gesetzt; darauf grauet mir der Bart.« Er weigert sich, Harnisch und Schild hinzugeben, wie der Junge verlangt. Von den Worten kommen sie zu den Schwertern. Hildebrand empfängt einen Schlag, davon er sieben Klafter hinter sich springt. »Den Streich«, ruft er, »lehrte dich ein Weib!« Da faßt er den Jungen, wo er am schmälsten ist, und schwingt ihn rückwärts ins Gras. Alebrand muß sich nennen. Der Alte schließt den goldenen Helm auf und küßt den Sohn. Dreimal lieber am eignen Haupte trüg' Alebrand die Wunde, die er dem Vater geschlagen. Er reitet zu Bern ein, den Vater an der Seite, führt ihn in der Mutter Haus und setzt ihn oben an den Tisch. Frau Ute meint, der Ehre sei zu viel, einen gefangenen Mann obenan zu setzen. »Kein Gefangener,« spricht Alebrand, »es ist Hildebrand, mein Vater.« Da schenkt sie selber dem Alten den Wein, und er läßt aus dem Mund ein goldenes Ringlein in den Becher fallen.

2. Die Nibelunge.

Walther

Etzel, mit Heeresmacht die Westreiche durchziehend, empfängt von den Königen Zins und Geisel. Gibich, der Franken König zu Worms, dessen eigner Sohn Gunther noch zu klein ist, gibt den Jüngling Hagen aus edlem Trojerstamme samt großer Schatzung. Der Burgundenkönig Herrich zu Cavillon Cavillonis, Châlon sur Saône gibt sein einzig Töchterlein Hiltgund, Alphar, König in Aquitanien, seinen jungen Sohn Walther, durch Gelöbnis der Väter für Hiltgund bestimmt. Hagen und Walther werden bei Etzeln wohl erzogen; sie tun es allen Hunnen in den Künsten des Kriegs zuvor und führen des Königs Heere. Hiltgund, der Frauenarbeit kundig, gewinnt die Huld der Königin und wird der Schatzkammer vorgesetzt. Indes stirbt Gibich; sein Nachfolger Gunther kündigt Bündnis und Zins den Hunnen auf. Als Hagen dies erfahren, entflieht er bei Nacht. Damit nicht auch Walther, des Reiches Trost, entfliehe, will Etzel, nach dem Rate der Königin, ihn mit einer hunnischen Fürstentochter vermählen. Walther lehnt die Heirat ab, als würde sie ihn im Dienste des Königs säumig machen. Als er nun einst von einer Heerfahrt sieghaft zurückkehrt, trifft er Hiltgunden allein. Er küßt sie, läßt sich von ihr den Becher reichen und drückt ihre Hand zur Erinnerung des Verlöbnisses; dann beredet er mit ihr die Flucht aus der langen Verbannung. Längst wär' er entflohen, wenn er die Jungfrau hätte zurücklassen wollen. Der Abrede gemäß gibt Walther dem König ein großes Mahl, wobei sämtliche Gäste in Trunkenheit und tiefen Schlaf versenkt werden. Hiltgund ladet zween Schreine mit goldnen Armringen aus der Schatzkammer. Die Schreine werden Walthers Roß Leo an die Seiten gehängt, das die Jungfrau am Zügel führt. Der Held schreitet in voller Rüstung, mit Schild und Speer, Hiltgund trägt eine Angelrute. So ziehen sie in der Nacht davon und streichen, das bebaute Land meidend, durch unwegsame Wälder und Gebirge, mit Vogelstellen und Fischfang sich nährend. Der Jungfrau schlägt das Herz, wenn der Wind die Zweige rührt oder ein Vogel hindurchrauscht. Vergeblich aber hat Etzel sein Gold ausgeboten, wer ihm den Flüchtling zurückbringe; kein Hunne wagt es, den Helden zu verfolgen. Am vierzigsten Abend gelangen Walther und Hiltgund zum Ufer des Rheines bei Worms. Für die Überfahrt gibt Walther Fische, die er früher gefangen. Diese bringt der Ferge morgens zur Stadt, und sie kommen auf den Tisch des Königs Gunther, der sich wundert, in Frankenland solche Fische zu sehen. Der Fährmann, befragt, woher die Fische seien, erzählt von dem wandernden Recken und der schönen Jungfrau, auch daß beim Tritte des Rosses die Schreine wie von Gold und Edelsteinen erklungen. Hagen, der mit am Tische sitzt, errät, daß sein Geselle Walther von den Hunnen kehre. Da jubelt König Gunther, daß der Schatz, den sein Vater gezinst, in sein Reich zurückgekommen. Sogleich wählt er zwölf Recken, den Wandernden nachzujagen; Hagen selbst, obgleich er abrät, ist von der Zahl. Derweil ist Walther in den Wasgenwald gekommen, ein wildreiches Waldgebirge, das oft von Hörnern und Hunden widerhallt. Dort bilden zween überhangende Berggipfel eine Kluft mit frischbegrüntem Boden. An dieser sichern Stelle will Walther ruhen, er hat bisher nie anders geschlafen, als auf den Schild gestützt; jetzt entledigt er sich der Waffen und legt sein Haupt in den Schoß der Jungfrau, die, über ihm wachend, von hier aus weit die Gegend überschaut. Ferne den Staub von Rossen gewahrend, weckt sie Walthern. Er wappnet sich, faßt Schild und Speer und stellt sich an den Eingang der Höhle. Hiltgund, die Hunnen fürchtend, bittet ihn, ihr das Haupt abzuschlagen, damit sie keines andern werde. Der Held aber erkennt die Nibelunge und am Helme seinen Gesellen Hagen, der allein ihm Sorge macht. König Gunther hat die Spur im Sande verfolgt; mit seinen Recken herangesprengt, sendet er den Kamelo von Metz, um Walthern das Pferd mit den Schreinen zusamt der Jungfrau abzufordern. Der Held bietet, wenn man ihm den Kampf erlasse, hundert Goldringe. Hagen rät dem Könige, solches anzunehmen: als aber all seine Warnung vergeblich ist, reitet er hinweg und setzt sich auf einen nahen Hügel. Kamelo wird nochmals abgeschickt, von Walthern den ganzen Schatz zu verlangen und, wenn er zögre, ihn zu bestehen. Vergebens bietet Walther zweihundert Goldringe. Kamelo wirft den Speer, dem Walther ausweicht; den seinigen werfend, lähmt er Kamelos Rechte und durchsticht ihn mit dem Schwerte. Der Reihe nach kämpfen Skaramund, Kamelos Neffe, Werhard, der Sachse Eckevrid, Hadwart, Patavrid, Hagens Schwestersohn, vom Oheim und von Walthern selbst vergeblich abgemahnt, Gerwit, Randolf, Helmnod, Trogunt von Straßburg, Tanast von Speier. Der enge Pfad gestattet je nur einem den Angriff, und so werden sie nacheinander von Walthern in mannigfachem Kampf erlegt. König Gunther, allein noch übrig, flieht zu Hagen und fleht ihn, sich zum Streit zu erheben; nach langer Weigerung rät Hagen, zuvörderst Walthern aus der Feste zu locken. Sie reiten weg und legen sich auf die Lauer. Indes ist die Sonne zur Rast gegangen, Walther will nicht wie ein Dieb in der Nacht entweichen, er verhegt den Weg zur Höhle mit Dornen und bindet die erbeuteten Rosse fest. Auf den Schild gelagert schläft er die erste Hälfte der Nacht, indes die Jungfrau, zu seinem Haupte sitzend, mit Gesange sich wach erhält. Dann legt Hiltgund sich zum Schlummer, und Walther, auf den Speer gelehnt, hält Wache. Am Morgen beladet er vier jener Rosse mit den Waffen der Erschlagenen, auf das fünfte setzt er die Braut, und das sechste besteigt er selbst. Nicht weit sind sie im Tale gezogen, als hinter ihnen Günther mit Hagen daherjagt. Sogleich heißt Walther die Braut mit dem Rosse Leo, das den Schatz trägt, in das nahe Gehölz reiten; er selbst stellt sich dem Angriff. Hagen, um seinen Neffen Rache suchend, wird umsonst von Walthern der alten Freundschaft gemahnt, umsonst ihm ein Schild voll Goldes geboten. Von der zweiten bis zur neunten Stunde wehrt Walther sich im Fußkampfe gegen die beiden. Jetzt wirft er auf Hagen gewaltig den Speer und, zugleich Gunthern mit dem Schwert anlaufend, haut er diesem ein Stück vom Schenkel, daß der König auf seinen Schild niederstürzt. Walther will ihm den Todesstreich geben, aber Hagen streckt sein Haupt dazwischen, an seinem Helme zerspringt das Schwert, und als Walther zürnend das Heft wegwirft, schlägt ihm Hagen die rechte Hand ab. Mit dem wunden Arme faßt Walther den Schild, mit der gesunden Hand sein hunnisches Halbschwert und schneidet Hagens rechtes Auge samt dem Kiefer hinweg. Als so jeder sein Zeichen hat, ruhen sie beisammen im Grase. Hiltgund, herbeigerufen, verbindet die Wunden und schenkt den Wein. Der König, weil er streitträge, bekommt zuletzt. Umher liegen Gunthers Bein, Walthers Hand, Hagens zuckendes Auge. Die zween Helden aber scherzen beim Becher: Walther soll Hirsche jagen zu Lederhandschuhen, wovon der rechte wohl auszustopfen sei; das Schwert werd' er rechts angürten und sein Weib einst links umfangen; Hagen werde statt Eberfleisch gelinden Brei essen und scheel blickend die Helden begrüßen. So erneuen sie blutig die Genossenschaft. Den ächzenden König heben sie zu Pferde. Die Franken kehren gen Worms, Walther in sein Heimatland.

Hörnen Siegfried. (Siegfrieds Drachenkampf.)

Siegmund, König in Niederland, hat einen Sohn mit Namen Siegfried. Groß, stark und unbändig ist der Knabe. Man rät dem König, ihn hinziehen zu lassen, so mög' er ein kühner Held werden. Siegfried scheidet von dannen; er kommt vor dem Walde zu einem Schmied, dem er dienen will. Aber er schlägt das Eisen entzwei und den Amboß in die Erde. Will man ihn darum strafen, so schlägt er Meister und Knechte. Der Meister denkt, wie er des Lehrlings los werde. Im Walde bei einer Linde liegt ein großer Drache. Dorthin schickt der Schmied den jungen Siegfried nach Kohlen in der Hoffnung, der Drache werd' ihn verschlingen. Aber Siegfried erschlägt den Lindwurm, reißt Bäume aus und trägt sie in ein Tal zusammen, wo viel Gewürmes liegt. Bei dem Köhler holt er Feuer, zündet das Holz an und verbrennt die Würme. Ihre Hornhaut schmilzt, und ein Bächlein fließt davon. Siegfried taucht den Finger ein, und als dieser erkaltet, ist er wie Horn. Jetzt bestreicht Siegfried sich den ganzen Leib, außer zwischen den Schultern, und wird davon hörnen. Hierauf zieht er an den Hof des Königs Gibich zu Worms und will ihm die Tochter abdienen. Als nun die schöne Kriemhild eines Mittags am Fenster steht, kommt ein Drache geflogen und rafft sie hin. Die Burg ist erleuchtet, als ob sie brenne. Hoch gegen die Wolken schwingt er sich. Traurig stehen Vater und Mutter. Der Drache führt die Jungfrau ins Gebirg auf einen hohen Fels, der eine Viertelmeile weit Schatten wirft. Bis in das vierte Jahr hat er sie auf dem Steine, wo sie all die Zeit keinen Menschen sieht. Sie ist ihm gar lieb, und er läßt ihr nicht an Speise noch Trank gebrechen. Oft legt er sein Haupt in ihren Schoß, aber von seinem Atmen erzittert der Stein. Im Winter legt er sich vor die Höhle, worin sie sitzt, und hält die Kälte von ihr ab. Am Ostertag aber wird er ein Mann; denn er ist durch Fluch eines Weibes aus einem schönen Jüngling zum Drachen verwandelt. Nach fünf Jahren soll er wieder menschliche Gestalt gewinnen, und bis dahin bewahrt er sich die Jungfrau. Sie aber weint täglich und bittet, daß er sie nur einmal Vater und Mutter wiedersehen lasse. Umsonst hat König Gibich in allen Landen nach seiner Tochter fragen lassen. Da reitet Siegfried eines Morgens mit Habicht und Hunden in den Wald. Seiner Bracken einer führt ihn auf des Drachen seltsame Spur. Rastlos, ohne Essen und Trinken, eilt Siegfried über das Gebirge, bis er am vierten Morgen vor den Drachenstein kommt. Der Zwerg Eugel sagt ihm, daß hier oben Kriemhild wohne und gibt ihm Rat, wie er hinaufgelangen könne. Erst muß der Riese Kuperan, der den Schlüssel zum Steine hat, bezwungen werden. Der Riese, von Siegfried überwunden, fällt diesen hinterrücks an, aber Eugel rettet ihn mit der unsichtbar machenden Nebelkappe. Der Stein wird aufgeschlossen, müde wird der Held, bis er hinaufkommt zu der weinenden Jungfrau. Dort findet er auch das Schwert, mit dem allein der Drache besiegt werden kann. Da hören sie einen Schall, als fiele das Gebirg alles hernieder. Der Drache kommt dahergefahren, weit vor ihm her schießt das Feuer, das von ihm ausgeht, grimmig stößt er gegen den schütternden Stein. Die Jungfrau birgt sich in der Höhle, Siegfried aber springt zum Streite. Mit den Krallen reißt ihm der Drache den Schild ab, speit Flammen, rot und blau, und umflicht den Helden mit dem Schweif, um ihn vom Steine herabzuwerfen. Der Stein glüht, wie Eisen in der Esse, und schwankt von dem ungestümen Kampfe. Des Wurmes Hornhaut wird erweicht von Schwertschlägen und Feuer. Da haut ihn Siegfried mitten entzwei: das eine Teil fällt vom Steine zu Stücken, das andre stößt Siegfried hintennach. So gewinnt er die Braut und führt sie von hinnen zusamt dem Schatze des Zwergkönigs Nibelung, welcher, von dessen Söhnen gehütet, unter dem Steine lag. Der Zwerg Eugel weissagt dem Helden frühen Tod.

Lied der Nibelunge. (Siegfrieds Tod.)

In Burgunden erwuchs Jungfrau Kriemhild, die schönste in allen Landen. Drei königliche Brüder haben sie in Pflege, Gunther, Gernot und der junge Giselher. Zu Worms am Rheine wohnen sie in großer Macht; kühne Recken sind ihre Dienstmannen: Hagen von Tronje und sein Bruder Dankwart, der Marschall; deren Neffe, Ortwin von Metz; Gere und Eckewart, zween Markgrafen; Volker von Alzei, der Spielmann; Sindolt, der Schenke; Hunolt, der Kämmerer, und Rumolt, der Küchenmeister. In diesen hohen Ehren träumt Kriemhilden, wie ein schöner Falke, den sie gezogen, von zween Aaren ergriffen wird. Ute, ihre Mutter, deutet dieses auf einen edeln Mann, den Kriemhild frühe verlieren möge. Aber Kriemhild will immer ohne Mannes Minne leben. Viele werben vergeblich um sie. Da hört auch Siegfried, Sohn des Königs Siegmund und der Siegelind zu Santen in Niederlanden, von ihrer großen Schönheit. In früher Jugend schon hat er Wunder mit seiner Hand getan; den Hort der Nibelunge hat er gewonnen samt dem Schwerte Balmung und der Tarnkappe, den Lindwurm erschlagen und in dem Blute seine Haut zu Horn gebadet. Selbzwölfte zieht er jetzt aus, Kriemhilden zu erwerben, umsonst gewarnt von den Eltern vor der burgundischen Recken Übermut. Köstlich ausgerüstet reitet er zu Worms auf den Hof und fordert den König Gunther zum Kampf um Land und Leute. Doch im Gedanken an die Jungfrau läßt er sich begütigen und bleibt ein volles Jahr in Freundschaft und Ehre dort, ohne Kriemhilden zu sehen. Sie aber blickt heimlich durch das Fenster, wenn er auf dem Hofe den Stein oder den Schaft wirft. Siegfried heerfahrtet für Gunthern gegen die Könige Liudeger von Sachsenland und dessen Bruder, Liudegast von Dänemark; beide nimmt er gefangen. Als Kriemhilden ein Bote meldet, wie herrlich vor allen Siegfried gestritten, da erblüht rosenrot ihr schönes Antlitz; reiche Miete läßt sie dem Boten geben. Gunther aber bereitet seinen Helden ein großes Fest, bei dem Siegfried Kriemhilden sehen soll; denn die Könige wollen ihn festhalten. Wie aus den Wolken der rote Morgen, geht die Minnigliche hervor; wie der Mond vor den Sternen leuchtet sie vor den Jungfrauen, die ihr folgen; Dienstmannen, Schwerter in Händen, treten voran. Sie grüßt den Helden, sie geht an seiner Hand; nie in Sommerzeit noch Maientagen gewann er solche Freude.

Fern über See, auf Island, wohnt die schöne Königin Brünhild. Wer ihrer Minne begehrt, muß in drei Spielen ihr obsiegen, in Speerschießen, Steinwurf und Sprung; fehlt er in einem, so hat er das Haupt verloren. Auf sie stellt König Gunther den Sinn und gelobt seine Schwester dem kühnen Siegfried, wenn der ihm Brünhilden erwerben helfe. Mit Hagen und Dankwart besteigen die beiden ein Schifflein und führen selbst das Ruder. Sie fahren mit gutem Winde den Rhein hinab in die See. Um zwölften Morgen kommen sie zur Burg Isenstein, wo Brünhild mit ihren Jungfrauen im Fenster steht. Als die Helden an das Land getreten, hält Siegfried dem Könige das Roß, damit er für dessen Dienstmann gehalten werde. Sie reiten in die Burg, Siegfried und Gunther mit schneeweißen Rossen und Gewanden, Hagen und Dankwart rabenschwarz gekleidet. Brünhild grüßt Siegfrieden vor dem Könige. Die Kampfspiele heben an; unsichtbar durch die Tarnkappe steht Siegfried bei Gunthern; er übernimmt die Werke, der König die Gebärde. Brünhild streift sich die Ärmel auf, einen Schild faßt sie, den vier Kämmerer kaum hergetragen, einen Speer, gleichmäßig schwer, schießt sie auf Gunthers Schild, daß die Schneide hindurchbricht und die beiden Männer straucheln; aber kräftiger noch wirft Siegfried den umgekehrten Speer zurück. Einen Stein, den zwölf Männer mühlich trügen, wirft sie zwölf Klafter weit, und über den Wurf hinaus noch springt sie in klingendem Waffenkleid; doch weiter wirft Siegfried den Stein, weiter trägt er den König im Sprunge. Zürnend erkennt Brünhild sich besiegt und heißt ihre Mannen Gunthern huldigen. Zum Rheine will sie ihm erst folgen, wenn sie zuvor all ihre Freunde besandt hat. Jeder Gefahr zu begegnen, schifft Siegfried heimlich von dannen, zum Lande der Nibelunge, wo er den großen Schatz hat; dort prüft er mit Kampfe den riesenhaften Burghüter und den Zwerg Alberich, der des Hortes pflegt; dann wählt er tausend der besten Recken von den Nibelungen, die ihm dienstbar sind, und kehrt mit ihnen gen Isenstein. Brünhild wird nun heimgeführt und zu Worms herrlich empfangen. Am gleichen Tage führt Gunther Brünhilden, Siegfried Kriemhilden in die Brautkammer. Doch Brünhild hat geweint, als sie Kriemhilden bei Siegfried am Mahle sitzen sah; vorgeblich, weil ihr leid sei, daß des Königs Schwester einem Dienstmann gegeben werde; und in der Hochzeitnacht will sie nicht Gunthers Weib werden, bevor sie genau wisse, wie es so gekommen. Sie erwehrt sich Gunthers, bindet ihm mit ihrem Gürtel Füß' und Hände zusammen und läßt ihn so die Nacht über an einem Nagel hoch an der Wand hängen. Siegfried bemerkt am andern Tage des Königs Traurigkeit, errät den Grund und verspricht, ihm die Braut zu bändigen. In der Tarnkappe kommt er die nächste Nacht in Gunthers Kammer, ringt gewaltig mit Brünhilden und bezwingt sie dem Könige. Einen Ring, den er heimlich ihr vom Finger gezogen, und den Gürtel nimmt er mit sich hinweg. Bald hernach führt er Kriemhilden in seine Heimat nach Santen, wo sein Vater ihm die Krone abtritt. Zehn Jahre vergehen, und stets denkt Brünhild, warum Siegfried von seinem Lande keinen Lehendienst leiste. Sie beredet Gunthern, den Freund und die Schwester zu einem großen Fest auf nächste Sonnenwende zu laden. Der alte Siegmund reitet mit ihnen nach Worms. Beim Empfange blickt Brünhild unterweilen auf Kriemhilden, wie ihre Farbe gegen dem Golde glänzt. In festlicher Freude verbringen sie zehn Tage. Am elften, vor Vesperzeit, als Ritterspiel auf dem Hofe sich hebt, sitzen die zwo Königinnen zusammen. Da rühmt Kriemhild ihren Siegfried, wie er herrlich vor allen Recken gehe. Brünhild entgegnet, daß er doch nur Gunthers Eigenmann sei. So eifern sie in kränkenden Worten, und als man nun zur Vesper geht, kommen sie, die sonst immer beisammen gingen, jede mit besondrer Schar ihrer Jungfraun zum Münster. Brünhild heißt Kriemhilden als Dienstweib zurückstehn; da wirft Kriemhild ihr vor, sie sei nur das Kebsweib Siegfrieds, der ihr das Magdtum abgewonnen, und geht in das Münster vor der weinenden Königin. Nach dem Gottesdienste wartet Brünhild vor dem Münster und verlangt von Kriemhilden Beweis jener Rede. Kriemhild zeigt Ring und Gürtel, die Siegfried ihr gegeben, und abermals weint die Königin. Umsonst schwört Siegfried im Ringe der Burgunden, daß er Brünhilden nicht geminnet. Hagen gelobt, ihr Weinen an Siegfried zu rächen, und er zieht die Königin in den Mordrat. Falsche Boten werden bestellt und reiten zu Worms ein, als hätten sie von Liudeger und Liudegast, die man auf Treu und Glauben freigelassen, neuen Krieg anzusagen. Siegfried, der seinen Freunden stets gerne dient, erbietet sich alsbald, den Kampf für sie zu bestehen. Als das Heer bereit ist, nimmt Hagen von Kriemhilden Abschied. Sie bezeigt Reue über das, was sie Brünhilden getan, und bittet ihn, über Siegfrieds Leben in der Schlacht zu wachen. Deshalb vertraut sie ihm, daß Siegfried an einer Stelle, zwischen den Schultern, verwundbar sei, wohin ihm ein Lindenblatt gefallen, als er sich im Blute des Drachen gebadet. Diese Stelle zu bezeichnen, näht sie, nach Hagens Rat, auf ihres Mannes Gewand ein kleines Kreuz. Hagen freut sich der gelungenen List, und kaum ist Siegfried ausgezogen, so kommen andre Boten mit Friedenskunde. Ungerne kehrt Siegfried um; statt der Heerfahrt soll nun im Wasgenwald eine Jagd auf Schweine, Bären und Wisente (wilde Ochsen) gehalten werden. Weinend ohne Maß, entläßt Kriemhild den Gemahl. Ihr hat geträumt, wie ihn zwei wilde Schweine über die Heide gejagt und die Blumen von Blute rot geworden, wie zween Berge über ihm zusammengefallen und sie ihn nimmermehr gesehen. Mit Gunthern, Hagen und großem Jagdgefolge reitet Siegfried zu Walde. Gernot und Giselher bleiben daheim. Viel Rosse, mit Speise beladen, werden über den Rhein geführt auf einen Anger vor dem Walde. Die Jagdgesellen trennen sich, damit man sehe, wer der beste Weidmann sei. Siegfried nimmt sich einen alten Jäger mit einem Spürhund; kein Tier entrinnt ihm, Berg und Wald macht er leer, er gewinnt Lob vor allen. Schon wird zum Imbiß geblasen, als Siegfried einen Bären aufjagt. Er springt vom Rosse, läuft dem Tiere nach, fängt und bindet es auf seinen Sattel. So reitet er zur Feuerstätte; herrlich ist sein Jagdgewand, mächtig der Bogen, den nur er zu spannen vermag, reich der Köcher, von Golde das Horn. Als er abgestiegen, läßt er den Bären los, der unterm Gebell der Hunde durch die Küche rennt, Kessel und Brände zusammenwirft, zuletzt aber von Siegfried ereilt und mit dem Schwert erschlagen wird. Die Jäger setzen sich zum Mahle; Speise bringt man genug, aber die Schenken säumen. Hagen gibt vor, er habe gemeint, das Jagen soll heut im Spessart sein, dorthin hab' er den Wein gesandt. Doch hier nahe sei ein kühler Brunnen. Zu diesem beredet er mit Siegfried, einen Wettlauf. Sie ziehen die Kleider aus, Siegfried legt sich vor Hagens Füße; wie zween Panther laufen sie durch den Klee; Siegfried, all sein Waffengerät mit sich tragend, erreicht den Brunnen zuerst. Doch trinkt er nicht, bevor der König getrunken. Wie er sich zur Quelle neigt, faßt Hagen den Speer, den Siegfried an die Linde gelehnt, und schießt ihn dem Helden durch das Kreuzeszeichen, daß sein Blut an des Mörders Gewand spritzt. Hagen flieht, wie er noch vor keinem Manne gelaufen. Siegfried springt auf, die Speerstange ragt ihm aus der Wunde, den Schild rafft er auf, denn Schwert und Bogen trug Hagen weg; so ereilt er den Mörder und schlägt ihn mit dem Schilde zu Boden. Aber dem Helden weicht Kraft und Farbe, blutend fällt er in die Blumen; die Verräter scheltend, die seiner Treue so gelohnt, und doch Kriemhilden dem Bruder empfehlend, ringt er den Todeskampf. In der Nacht führen sie den Leichnam über den Rhein. Hagen heißt ihn vor Kriemhilds Kammertür legen. Als man zur Mette läutet, bringt der Kämmerer Licht und sieht den blutigen Toten, ohne ihn zu erkennen. Er meldet es Kriemhilden, die mit ihren Frauen zum Münster gehen will. Sie weiß, daß es ihr Mann ist, noch ehe sie ihn gesehen; zur Erde sinkt sie, und das Blut bricht ihr aus dem Munde. Der alte Siegmund wird herbeigerufen; Burg und Stadt erschallen von Wehklage. Am Morgen wird der Leichnam auf einer Bahre im Münster aufgestellt. Da kommen Gunther und der grimme Hagen; der König jammert. »Räuber,« sagt er, »haben den Helden erschlagen.« Kriemhild heißt sie zur Bahre treten, wenn sie sich unschuldig zeigen wollen; da blutet vor Hagen die Wunde des Toten. Drei Tage und drei Nächte bleibt Kriemhild bei ihm; sie hofft, auch sie werde der Tod hinnehmen. Meßopfer und Gesang für seine Seele rasten nicht in dieser Zeit. Als darauf Siegfried zu Grabe getragen wird, heißt Kriemhild den Sarg wieder aufbrechen, erhebt noch einmal sein schönes Haupt mit ihrer weißen Hand, küßt den Toten, und ihre lichten Augen weinen Blut. Freudlos kehrt der König Siegmund heim, Kriemhild läßt sich am Münster eine Wohnung bauen, von wo sie täglich zum Grabe des Geliebten geht. Vierthalb Jahre spricht sie kein Wort mit Gunthern, und ihren Feind Hagen sieht sie niemals. Hagen aber trachtet, daß der Nibelungenhort in das Land komme. Gernot und Giselher bringen die Schwester erst dahin, daß sie Gunthern, mit Tränen, wieder grüßt; dann wird sie beredet, den Hort, ihre Morgengabe von Siegfried, herführen zu lassen. Als sie aber das Gold freigebig austeilt, fürchtet Hagen den Anhang, den sie damit gewinne. Da werden ihr die Schlüssel abgenommen, und als sie darüber klagt, versenkt Hagen den ganzen Schatz im Rheine.

Der Nibelunge Not

Dreizehn Jahre hat Kriemhild im Witwentum gelebt. Da stirbt Frau Helke, des gewaltigen Hunnenkönigs Etzel Gemahlin. Ihm wird geraten, um die edle Kriemhild zu werben, und er sendet nach ihr den Markgrafen Rüdiger mit großem Geleite. Den Königen zu Worms ist die Werbung willkommen; Hagen aber widerrät. Kriemhild selbst widerstrebt lange: Weinen geziem' ihr und andres nicht. Erst als Rüdiger heimlich mit ihr spricht und ihr schwört, mit allen seinen Mannen jedes Leid, das ihr widerfahre, zu rächen, hofft sie noch Rache für Siegfrieds Tod und reicht ihre Hand dar. Sie fährt mit den Boten hin, im Geleit ihrer Jungfrauen und des Markgrafen Eckewart, der mit seinen Mannen ihr bis an sein Ende dienen will. Ihr Weg geht über Passau, wo der Bischof Pilgrim, ihrer Mutter Bruder, sie wohl empfängt, dann über Pechlarn, wo sie in Rüdigers gastlichem Hause einspricht. Bei Tuln reitet König Etzel ihr entgegen mit all den Fürsten, die ihm dienen, Heiden und Christen. Die Hochzeit wird zu Wien begangen; zu Misenburg (jetzt Wiselburg) schiffen sie sich auf die Donau ein; von Schiffen, die man zusammengeschlossen, von Zelten, die man darüber gespannt, ist der Strom bedeckt, als wär' es Land und Feld. So kommen sie gen Etzelnburg, wo Kriemhild fortan gewaltig an Helken Stelle sitzt. Sie genest eines Sohnes, der Ortlieb genannt wird. Aber in dreizehn Jahren solcher Ehre vergißt sie nicht ihres Leides; allezeit denkt sie, wie sie es räche. Sie klagt dem Gemahle, daß man sie für freundlos halte, weil ihre Verwandte noch niemals zu ihr gekommen. So bewegt sie ihn, ihre Brüder zu einem Fest auf nächste Sonnenwende herzuladen. Werbel und Swemmel, des Königs Spielleute, werden als Boten gesandt, und Kriemhild empfiehlt ihnen, daß Hagen nicht zurückbleibe, der allein der Wege kundig sei. König Gunther bespricht sich mit seinen Brüdern und Mannen über die Botschaft. Hagen, des Mordes eingedenk, rät ab von der Reise; als aber Gernot und Giselher ihn der Furcht zeihen, schließt er zürnend sich an, rät jedoch, mit Heereskraft auszufahren. Rumolts, des Küchenmeisters, Rat ist, daheim zu bleiben, bei guter Kost und schönen Frauen. Als sie zur Fahrt bereit sind, hat Frau Ute einen bangen Traum, wie alles Geflügel im Lande tot sei. Mit tausend und sechzig ihrer Mannen, dazu tausend Nibelungen, und mit neuntausend Knechten erheben sich die Könige; durch Ostfranken ziehen sie zur Donau, zuvorderst reitet Hagen. Der Strom ist angeschwollen und kein Schiff zu sehen. Hagen geht gewappnet umher, einen Fährmann suchend. Er hört Wasser rauschen und horcht; in einem schönen Brunnen baden Meerweiber. Er schleicht ihnen nach, aber ihn gewahrend, entrinnen sie und schweben, wie Vögel, auf der Flut. Ihr Gewand jedoch hat er genommen und die eine, Hadeburg, verspricht ihm, wenn er es wiedergebe, das Geschick der Reise vorherzusagen. Wirklich verkündet sie, daß die Fahrt in Etzels Land wohl ergehen werde. Als er darauf die Kleider zurückgegeben, warnt die andre, Sieglind, jetzt noch umzukehren, sonst werden sie alle bei den Hunnen umkommen, nur des Königs Kapellan werde heimgelangen. Noch sagen sie ihm, wenn er die Fahrt nicht lassen wolle, wie er über das Wasser komme. Jenseits des Stromes wohnt der Ferge des bayrischen Markgrafen Else; laut ruft Hagen hinüber und nennt sich Amelrich, einen Mann des Markgrafen; hoch am Schwerte bietet er einen Goldring, als Fährgeld. Der Ferge rudert herüber, als er sich aber betrogen sieht und Hagen nicht vom Schiffe weichen will, schlägt er den Helden mit Ruder und Schalte. Hagen greift zum Schwerte, schlägt dem Fergen das Haupt ab und wirft es an den Grund. Wann bringt er das Schiff, das von Blute raucht, zu seinen Herren und fährt selbst, den ganzen Tag arbeitend, das Heer über; die Rosse werden schwimmend übergetrieben. Den Kapellan aber, wie er über dem Heiligtume lehnt, schwingt Hagen aus dem Schiffe und stößt ihn, als er zu schwimmen versucht, zürnend zugrunde; dennoch kommt der Priester unversehrt an das Ufer zurück. Dort steht er und schüttelt sein Gewand. Hagen sieht, daß unvermeidlich sei, was die Meerweiber verkündet; da schlägt er das Schiff zu Stücken und wirft es in die Flut, damit, gibt er zuerst vor, kein Zager entrinnen könne. Bald aber sagt er den Recken ihr Schicksal, davor manches Helden Farbe wechselt. Sie ziehen fürder durch Bayerland, auch die Nacht hindurch. Volker reitet mit dem Heerzeichen vor. Hagen übernimmt weislich die Nachhut mit seinen Mannen und seinem Bruder Dankwart. Diese werden von Gelfrat und Else, die ihres Fergen Tod ahnden wollen, mit siebenhunderten angefallen. Im Scheine des Mondes wird grimmig gestritten. Gelfrat fällt von Dankwarts Schwert und Else entflieht. Der Bayer bleiben hundert, der Burgunden viere tot. Seine Herren, die indes weitergeritten, läßt Hagen nichts von dem Kampfe wissen, damit sie ohne Sorge bleiben. Erst als die Sonne über die Berge scheint, sieht Günther die blutigen Waffen und erfährt, wie gut Hagen gehütet. Über Passau kommen sie auf Rüdigers Mark, wo sie den Hüter schlafend finden, dem Hagen das Schwert nimmt. Es ist Eckewart, der mit Kriemhilden hingezogen. Beschämt über seine üble Hut, empfängt er das Schwert zurück und warnt die Helden. Zu Pechlarn erfahren sie die Gastfreiheit des Markgrafen Rüdiger und seiner Hausfrau Gotelind. Die schöne Tochter des Hauses wird Giselhern verlobt; auch keiner der andern geht unbeschenkt hinweg; König Gunther empfängt ein Waffengewand, Gernot ein Schwert, Hagen den kostbaren Schild Nudungs, dessen Tod Gotelind beweint, Tankwart festliche Kleider, Volker, der zum Abschied fiedelt und singt, zwölf Goldringe, die er, der Markgräfin zu Dienst, an Etzels Hofe tragen soll. Rüdiger selbst mit fünfhundert Mannen begleitet die Helden zum Feste. Dietrich von Bern, der bei den Hunnen lebt, reitet mit seinen Amelungen den Gästen entgegen. Auch er warnt, daß die Königin noch jeden Morgen um Siegfried weine. Kriemhild steht im Fenster und blickt nach ihren Verwandten aus, der nahen Rache sich freuend. Als die Burgunden zu Hofe reiten, fragt jedermann nach Hagen, der den starken Siegfried schlug. Der Held ist wohl gewachsen, von breiter Brust und langen Beinen; die Haare grau gemischt, schrecklich der Blick, herrlich der Gang. Zuerst küßt Kriemhild Giselhern; als Hagen sieht, daß sie im Gruß unterscheide, bindet er sich den Helm fest. Ihn fragt sie nach dem Horte der Nibelunge; Hagen erwidert, er hab' an Schild und Brünne, Helm und Schwert genug zu tragen gehabt. Als die Helden ihre Waffen nicht abgeben wollen, merkt Kriemhild, daß sie gewarnt sind; wer es getan, dem droht sie den Tod. Zürnend sagt Dietrich, daß er gewarnt. Hagen nimmt sich Volkern zum Heergesellen. Sie zween allein gehen über den Hof und setzen sich Kriemhilds Saale gegenüber auf eine Bank. Die Königin, durchs Fenster blickend, weint und fleht Etzels Mannen um Rache an Hagen. Sechzig derselben wappnen sich; als ihr diese zu wenig dünken, rüsten sich vierhundert. Die Krone auf dem Haupte, kommt sie mit dieser Schar die Stiege herab. Der übermütige Hagen legt über seine Beine ein lichtes Schwert, aus dessen Knopf ein Jaspis scheint, grüner denn Gras; wohl erkennt Kriemhild, daß es Siegfrieds war. Auch Volker zieht einen Fiedelbogen an sich, stark und lang, einem Schwerte gleich. Furchtlos sitzen sie da, und keiner steht auf, als die Königin ihnen vor die Füße tritt. Sie wirft Hagen vor, daß er ihren Mann erschlagen; da spricht Hagen laut aus, daß er es getan, räch' es, wer da wolle! Die Hunnen sehen einander an und ziehen ab, den Tod fürchtend. König Etzel, von all dem nichts wissend, empfängt und bewirtet die Helden auf das beste. Zur Nachtruhe werden sie in einen weiten Saal geführt, wo kostbare Betten bereitet sind. Hagen und Volker halten vor dem Hause Schildwacht. Volker lehnt den Schild von der Hand, nimmt die Fiedel und setzt sich auf den Stein an der Türe. Seine Saiten erklingen, daß all das Haus ertost; süßer und süßer läßt er sie tönen, bis alle die Sorgenvollen entschlummert sind. Mitten in der Nacht glänzen Helme aus der Finsternis; es sind Gewaffnete, von Kriemhilden geschickt; doch als sie die Türe so wohl behütet sehn, kehren sie wieder um, von Volkern bitter gescholten. Morgens, da man zur Messe läutet, heißt Hagen seine Gefährten statt der Seidenhemde die Harnische nehmen, statt der Mäntel die Schilde, statt der Kränze die Helme, statt der Rosen die Schwerter. Etzel fragt, ob ihnen jemand Leides getan. Hagen antwortet, es sei Sitte seiner Herren, bei allen Festen drei Tage gewappnet zu gehen. Aus Übermut sagen sie dem König ihren Argwohn nicht. Nach der Messe beginnen Ritterspiele. Dietrich verbeut seinen Recken, teilzunehmen; auch Rüdiger hält die seinigen ab, weil er die Burgunden unmutig sieht. Einem Hunnen, der bräutlich aufgeputzt, ein Traut der Frauen, daherreitet, sticht Volker den Speer durch den Leib. Die Verwandten des Hunnen rufen nach Waffen, Etzel selbst muß schlichten; er reißt einem das Schwert aus der Hand und schlägt die andern hinweg. Ehe sie zu Tische sitzen, sucht Kriemhild Dietrichs Hilfe; doch er verweist ihr den Verrat an ihren Blutsfreunden. Williger findet sie Blödeln, Etzels Bruder, dem sie die Mark des erschlagenen Rudung und dessen schöne Braut verheißt. Mit tausend Gewappneten zieht er feindlich zur Herberge, wo Dankwart, der Marschalk, mit den Knechten speist. Nach kurzem Wortwechsel springt Dankwart vom Tisch und schlägt ihm einen Schwertschlag, daß ihm das Haupt vor den Füßen liegt. Das ist die Morgengabe zu Rudungs Braut. Ein grimmer Kampf erhebt sich. Wer von den Knechten nicht Schwerter hat, greift zu den Stühlen. Die Hälfte der Hunnen wird erschlagen; aber andre zweitausend kommen und lassen nicht vom Streite, bis all die Knechte tot liegen. Dankwart allein haut sich zum Saale durch, wo die Herren sind. Eben wird Ortlieb, Etzels junger Sohn, seinen Oheimen zu Tische getragen. Da tritt Dankwart in die Tür, mit bloßem Schwert, all sein Gewand mit Hunnenblut beronnen. Laut rufend verkündet er den Mord in der Herberge. Hagen heißt ihn der Türe hüten, daß kein Hunne herauskomme. Dann schlägt er das Kind Ortlieb, daß sein Haupt in der Königin Schoß springt. Dem Erzieher des Knaben schlägt er das Haupt ab und dem Spielmann Werbel, zum Botenlohne, die rechte Hand auf der Fiedel. So wütet er fort im Saale. Auch Volkern klingt sein Fiedelbogen laut an der Hand. Rot sind seine Züge, seine Leiche hallen durch Helm und Schild. Er sperrt innen die Tür, während Dankwart außen die Stiege wehrt. Die Könige vom Rheine wollen den Streit erst scheiden; da es nicht möglich ist, kämpfen sie selbst als Helden. Kriemhild ruft Dietrichs Hilfe an. Der Held, auf dem Tische stehend und mit der Hand winkend, läßt seine Stimme schallen, wie ein Wisenthorn. Gunther hört im Sturme den Ruf und gebietet Stillstand. Dietrich verlangt, daß man ihn und die Seinigen mit Frieden aus dem Hause lasse. Gunther gewährt es. Da nimmt der Berner die Königin unter den Arm, an der andern Seite führt er Etzeln, mit ihm gehen sechshundert Recken. Auch Rüdiger mit fünfhunderten räumt ungefährdet den Saal. Einem Hunnen aber, der mit Etzeln hinaus will, schlägt Volker das Haupt ab. Was von Hunnen im Saal ist, wird niedergehauen. Die Toten werden die Stiege hinabgeworfen. Vor dem Hause stehen viel tausend Hunnen. Hagen und Volker spotten ihrer Feigheit; umsonst beut die Königin einen Schild voll Goldes, samt Burgen und Land, dem, der ihr Hagens Haupt bringe. An Etzels Hof lebt Hawart von Dänemark mit seinem Markgrafen Iring und dem Landgrafen Irnfried von Thüringen. Iring vermißt sich zuerst, Hagen zu bestehen. Da rüsten sich auch Hawart und Irnfried mit tausend Mannen. Aber Iring fleht, daß sie ihn allein kämpfen lassen, wie er gelobt. Mit dem Schilde sich deckend, rennt er zum Saal hinauf, läuft bald den, bald jenen an, wird von Giselhern in das Blut niedergeschlagen, springt wieder empor und entweicht zu den Seinen, nachdem er vier Burgunden erschlagen und Hagen durch den Helm verwundet. Kriemhild selbst nimmt ihm, dankend, den Schild von der Hand. Hagen aber rühmt sich, daß die Wunde nur seinen Zorn auf Männertod gereizt. Abermals eilt Iring zum Streite, da schießt Hagen einen Speer auf ihn, daß ihm die Stange vom Haupte ragt; es ist sein Tod. Ihn zu rächen, führen Hawart und Irnfried ihre Schar hinan; auch sie fallen vom Schwerte, mit ihren tausend Mannen, die man, nach Volkers Rat, in den Saal dringen ließ. Stille wird es nun, das Blut fließt durch Löcher und Rinnsteine. Auf den Toten sitzend, ruhen die Burgunden aus. Aber noch vor Abend werden zwanzigtausend Hunnen versammelt; bis zur Nacht währt der harte Streit. Da versuchen die Könige noch, Sühne zu erlangen. Kriemhild begehrt vor allem, daß sie ihr Hagen herausgeben. Die Könige verschmähen solche Untreue. Darauf läßt Kriemhild die Helden alle in den Saal treiben und diesen an vier Enden anzünden. Vom Winde brennt bald das ganze Haus. Das Feuer fällt dicht auf sie nieder, mit den Schilden wehren sie es ab und treten die Brände in das Blut. Rauch und Hitze tut ihnen weh; von Durst gequält, trinken sie, auf Hagens Anweisung, das Blut aus den Wunden der Erschlagenen; besser schmeckt es jetzt, denn Wein. Am Morgen sind ihrer noch sechshundert übrig, zu Kriemhilds Erstaunen. Mit neuem Kampfe beut man ihnen den Morgengruß. Die Königin läßt das Gold mit Schilden herbeitragen, den Streitern zum Solde. Markgraf Rüdiger kommt und sieht die Not auf beiden Seiten. Ihm wird vorgeworfen, daß er für Land und Leute, die er vom König habe, noch keinen Schlag in diesem Streite geschlagen. Etzel und Kriemhild flehen ihn fußfällig um Hilfe. Jener will ihn zum Könige neben sich erheben: diese mahnt ihn des Eides, daß er all ihr Leid rächen wolle. Was Rüdiger läßt oder beginnt, so tut er übel. Er hat die Burgunden hergeleitet, sie in seinem Hause bewirtet, seine Tochter, seine Gabe ihnen gegeben. Land und Burgen, was er vom Könige hat, heißt er wiedernehmen und will zu Fuß ins Elend gehen. Wohl weiß er, daß heute noch alles durch seinen Tod ledig wird. Doch er muß leisten, was er gelobt, steht auch Seel' und Leib auf der Wage. Weib und Kind befiehlt er den Gebietern und heißt seine Mannen sich rüsten. Kriemhild ist freudenvoll und weint. Als Giselher den Schwätzer mit seiner Schar daherkommen sieht, freut er sich der vermeinten Freundeshilfe. Rüdiger aber stellt den Schild vor die Füße und sagt den Burgunden die Freundschaft auf. Umsonst mahnen sie ihn aller Lieb' und Treue. Er wünscht, daß sie am Rheine wären und er mit Ehren tot; aber den Streit kann niemand scheiden. Schon heben sie die Schilde, da verlangt Hagen noch eines. Der Schild, den ihm Frau Gotelind gegeben, ist ihm vor der Hand zerhauen; er bittet Rüdigern um den seinigen. Rüdiger gibt den Schild hin, es ist die letzte Gabe, die der milde Markgraf geboten. Manches Auge wird von heißen Tränen rot, und wie grimmig Hagen ist, erbarmt ihn doch die Gabe. Er und sein Geselle Volker geloben, Rüdigern nicht im Streite zu berühren. Wohl zeigt der Spielmann die Goldringe, die ihm die Markgräfin, beim Feste sie zu tragen, gab. Hinan springt Rüdiger mit den Seinen; sie werden in den Saal gelassen, schrecklich klingen drin die Schwerter. Da sieht Gernot, wie viel seiner Helden der Markgraf erschlagen, und springt zum Kampfe mit diesem. Schon hat er selbst die Todeswunde empfangen, da führt er noch auf Rüdigern den Todesstreich mit dem Schwerte, das der ihm gegeben. Tot fallen beide nieder, einer von des andern Hand. Die Burgunden üben grimmige Rache, nicht einer von Rüdigers Mannen bleibt am Leben. Als der Lärm im Saale verhallt ist, meint Kriemhild, Rüdiger wolle Sühne stiften, bis der Tote herausgetragen wird. Ungeheure Wehklage erhebt sich von Weib und Mann; wie eines Löwen Stimme erschallt Etzels Jammerruf. Ein Recke Dietrichs hört das laute Wehe und meldet es seinem Herrn; der König oder die Königin selbst müsse umgekommen sein. Dietrich erinnert seine Helden, daß er den Gästen seinen Frieden entboten. Wolfhart will hingehn, die Märe zu erfragen; Dietrich aber, Wolfharts Ungestüm fürchtend, sendet den Helfrich. Dieser bringt die Kunde, daß Rüdiger samt seinen Mannen erschlagen sei. Der Berner will von den Burgunden selbst erfahren, was geschehen sei, und schickt den Meister Hildebrand. Als dieser gehen will, tadelt ihn Wolfhart, daß er ungewaffnet gehe und so dem Schelten sich aussetze. Da waffnet sich der Weise nach der Unbesonnenen Rat. Zugleich rüsten sich, ohne Dietrichs Wissen, all seine Recken und begleiten den Meister. Hildebrand befragt die Burgunden, und Hagen bestätigt Rüdigers Tod; Tränen rinnen Dietrichs Recken über die Bärte. Der Meister bittet um den Leichnam, damit sie nach dem Tode noch des Mannes Treue vergelten. Wolfhart rät, nicht lange zu flehen. Sie sollen ihn nur aus dem Hause holen, erwidert Volker, dann sei es ein voller Dienst. Mit trotzigen Reden reizen sich die beiden. Wolfhart will hinanspringen, aber Hildebrand hält ihn fest, an Dietrichs Verbot mahnend. »Laß ab den Leuen!« spottet Volker. Da rennt Wolfhart in weiten Sprüngen dem Saale zu; zornvoll alle Berner ihm nach. Der alte Meister selbst will ihn nicht zum Streite veranlassen und ereilt ihn noch vor der Stiege. Ein wütender Kampf beginnt. Volker erschlägt Dietrichs Neffen Sigestab, Hildebrand Volkern, Helfrich Dankwarten. Wolfhart und Giselher fallen einer von des andern Schwert. Niemand bleibt lebend als Gunther und Hagen und von den Bernern Hildebrand, der mit einer starken Wunde von Hagens Hand entrinnt. Blutberonnen kommt er zu seinem Herrn, der traurig im Fenster sitzt. Dietrich fragt, woher das Blut. Der Meister erzählt, wie sie Rüdigern wegtragen wollen, den Gernot erschlagen. Als Dietrich den Tod Rüdigers bestätigen hört, will er selbst hingehen und befiehlt dem Meister, die Recken sich waffnen zu heißen. »Wer soll zu euch gehn?« sagt Hildebrand; »was ihr habt der Lebenden, die seht ihr bei euch stehn.« Mit Schrecken hört der Berner den Tod seiner Mannen. Einst ein gewaltiger König, jetzt der arme Dietrich. Wer soll ihm wieder in sein Land helfen? O wehe, daß vor Leid niemand sterben kann! Das Haus erschallt von seiner Klage. Da sucht er selbst sein Waffengewand, der Meister hilft ihn wappnen. Dietrich geht zu Gunthern und Hagen, hält ihnen vor, was sie ihm Leides getan, und verlangt Sühne. Sie sollen sich ihm zu Geiseln ergeben, dann woll' er selbst sie heimgeleiten. Hagen nennt es schmählich, daß zween wehrhafte Männer sich dem einen ergeben sollen. Schon als er den Berner kommen sah, vermaß er sich, allein den Helden zu bestehen. Des mahnt ihn jetzt Dietrich. Sie springen zum Kampfe. Dietrich schlägt dem Gegner eine tiefe Wunde, aber töten will er nicht den Ermüdeten; den Schild läßt er fallen und umschlingt jenen mit den Armen. So bezwingt er ihn und führt ihn gebunden zu der Königin. Das ist ihr ein Trost nach herbem Leide. Dietrich verlangt, daß sie den Gefangenen leben lasse. Dann kehrt er zu Gunthern; nach heißem Kampfe bindet er auch diesen und übergibt ihn Kriemhilden mit dem Beding der Schonung. Sie aber geht zuerst in Hagens Kerker und verspricht ihm das Leben, wenn er wiedergebe, was er ihr genommen. Hagen erklärt, er habe geschworen, den Hort nicht zu zeigen, solang seiner Herren einer lebe. Da läßt Kriemhild ihrem Bruder das Haupt abschlagen und trägt es am Haare vor Hagen. Dieser weiß nun allein den Schatz; nimmer, sagt er, soll sie ihn erfahren. Aber ihr bleibt doch Siegfrieds Schwert, das er getragen, als sie ihn zuletzt sah. Das hebt sie mit den Händen und schlägt Hagen das Haupt ab. Der alte Hildebrand erträgt es nicht, daß ein Weib den kühnsten Recken erschlagen durfte. Zornig springt er zu ihr, nichts hilft ihr Schreien, mit schwerem Schwertstreich haut er sie zu Stücken. So liegt all die Ehre danieder; mit Jammer hat das Fest geendet, wie alle Lust zujüngst zum Leide wird.

3. Die Hegelinge

Hagen von Irland

Sigeband, König in Irland, und seine Gemahlin, Ute von Norwegen, feiern ein prächtiges Fest. Laut lachen die Gäste über dem Spiel eines Fahrenden. Da achtet man wenig auf des Königs jungen Sohn Hagen, der vor dem Hause steht. Plötzlich schattet es, wie eine Wolke, der Wald bricht zusammen. Ein ungeheurer Greif kommt geflogen, schließt in seine Klauen das schreiende Kind und führt es hoch in die Lüfte. Er trägt es weithin in die Wildnis seinen Jungen in das Nest. Der jungen Greife einer fliegt mit dem Kinde von Baum zu Baum; aber noch gebricht ihm die Kraft, er muß zur Erde, statt wieder zum Neste; da läßt er das Kind fallen, und dieses birgt sich im Grase. Früher schon hat der Greif drei Königstöchter geraubt, die auch sich gerettet und unfern in einer Felshöhle wohnen. Sie gewahren den Knaben, nehmen ihn zu sich, nähren ihn mit Wurzeln und Kräutern. Kräftig wächst er heran, und zu Waffen kommt er, als ein Schiff an dem Felsen scheitert und ein Toter gewappnet ans Gestade getrieben wird. Die Greife überfallen den Königssohn, doch er wehrt sich erst mit Pfeilen, dann mit dem Schwert, und erlegt sie, alte und junge. Hagen ist fortan ein kühner Jäger und schafft Speise genug herbei. Endlich entdecken sie wieder ein Schiff, und Hagen ruft laut durch Wind und Wellengetös. Die Jungfrauen, in junges Moos gekleidet, erscheinen den Schiffern zuerst als Meerwunder. Der Schiffherr fährt in einer Barke herbei, befragt die Unbekannten und nimmt sie auf ihre Bitte in das Schiff. Die Schiffleute sind Feinde von Hagens Vater, doch des Jünglings Stärke fürchtend, müssen sie ihn nach Irland führen. Die Mutter erkennt ihn an einem güldnen Kreuz auf der Brust; mit Freudentränen wird er empfangen. Sein Vater überläßt ihm die Krone, und Hilde, die schönste der drei Jungfrauen, wird seine Gemahlin.

Horand und Hilde

Hettel, König zu Hegelingen, will sich vermählen. Man rühmt ihm die schöne Tochter des Königs von Irland, Hilde nach der Mutter genannt. Aber ihr Vater, der wilde Hagen, duldet keine Werbung um sie und läßt die Boten hängen, die nach ihr gesandt werden. Fünf Helden, dem König Hettel verwandt und lehnpflichtig, Wate von Stormen, Horand und Frute von Dänemark, Morung von Nifland und Irolt von Ortland, bereiten sich, ihrem Herrn die Braut zu gewinnen. Das Hauptschiff wird herrlich ausgerüstet, von Zypressenholz ist es erbaut, die Wände mit Silber beschlagen, die Ruder mit Gold bewunden, Segel und Ankerseile von Seide, die Anker selbst von Silber. Frute führt einen Kram von kostbaren Waren aller Art. Im Schiffsraum ist eine Schar gewappneter Recken verborgen. In Irland angelandet, sagen sie aus, der gewaltige König Hettel habe sie von ihren Landen vertrieben und auf Kaufschiffen seien sie hergefahren. Reiche Geschenke darbringend, erbitten sie des Königs Schutz. Er nimmt sie willig auf und räumt ihnen Häuser in der Stadt ein, Frute schlagt seinen Kram auf, nie ward noch so wohlfeil verkauft, und wer ohne Kauf etwas begehrt, dem wird es gern gegeben. Die junge Hilde wünscht die Gäste zu sehen, von deren Freigebigkeit sie so vieles hört. Da läßt der König die Fremden zu Hofe vor die Frauen kommen. Ihre Gebärde, ihr glänzender Anzug erregen Verwunderung. Ellenbreit ist Wates Bart, seine greisen Locken sind in Gold gewunden. Die Frauen befragen ihn scherzend, was ihn besser bedünke, bei schönen Frauen zu sitzen oder in hartem Streite zu fechten. Der Streit, meint er, zieme sich besser für ihn. Auf dem Saal üben die Jünglinge sich in Kampfspielen. Wate stellt sich, als hätt' er niemals solches Fechten gesehen und gäb' er viel darum, es noch zu lernen. Aber der Schirmmeister, den Hagen herbeiruft, und dann der König selbst, erproben bald ihres Lehrknaben Meisterschaft. So, spricht Irolt, werd' in ihres Herren Lande täglich gefochten. Horand von Dänemark ist ein Meister des Gesanges. Abends und morgens singt er vor dem Hause so herrlich, daß die Frauen und König Hagen selbst an die Zinne treten. Die Vögel in den Büschen vergessen ihre Töne, die Tiere des Waldes lassen ihre Weide stehen, das Gewürm im Grase kreucht nicht weiter, die Fische im Wasser schwimmen nicht fürder; die Glocken klingen nicht mehr so wohl wie sonst; niemand bleibt seiner Sinne mächtig, den Trauernden schwindet ihr Leid, Kranke müßten genesen. Die Königstochter bescheidet den Sänger heimlich zu sich, er singt ihr noch die schönste seiner Weisen und sagt ihr die Werbung seines Herrn. Hilde zeigt sich willig, wenn Horand ihr am Abend und am Morgen singen werde. Horand versichert, sein Herr habe täglich zwölf Sänger, die weit schöner singen, am schönsten aber der König selbst. Bald hernach nehmen die Gäste Abschied vom König Hagen; ihr Herr, sagen sie, habe nach ihnen gesandt und Sühne geboten. Der König mit Frau und Tochter geleitet sie zu den Schiffen. Hilde, wie sie mit Horand besprochen, geht mit ihren Jungfrauen auf das Schiff, wo Frutes Kram zu schauen ist. Plötzlich werden die Anker gelöst, die Segel aufgezogen, und die Gewappneten, die verborgen lagen, springen hervor. Der zürnende König und seine Mannen werfen umsonst ihre Speere nach; sie wollen zu Schiffe nacheilen, aber die Kiele werden durchlöchert gefunden. Die Gäste fahren mit der Braut dahin und schicken ihrem Herrn Botschaft voran. Hettel macht sich mit seinen Helden auf und empfängt Hilden am Gestade. Auf Blumen, unter seidenen Gezelten, lagern sich die Jungfrauen. Aber Segel erscheinen auf dem Meere. König Hagen hat andere Schiffe ausgerüstet und fährt mit großem Heere der Tochter nach. Eine blutige Schlacht wird am Strande gekämpft. Hettel wird von Hagen verwundet, dieser von Wate. Hilde fleht für den Vater; da wird der Streit geschieden, der wilde Hagen versöhnt sich mit der Tochter und dem Eidam. Wate, der von einem wilden Weibe Heilkunst gelernt, heilt auf Hildens Bitte ihren Vater und die andern Verwundeten.

Gudrun

Hettel und Hilde gewinnen zwei Kinder, einen Knaben, Ortwin, und eine Tochter, Gudrun. Als diese in das Alter kommt, in dem Jünglinge das Schwert empfangen, ist sie schöner, als je die Mutter war, und mächtige Fürsten werben um sie. Siegfried (Seifried) von Morland, vergeblichen Dienstes müde, zieht drohend ab. Hartmut, Sohn des Königs Ludwig von Normandie, sendet erst Boten nach ihr, denen sie versagt wird; dann kommt er selbst unerkannt an Hettels Hof. Er entdeckt sich Gudrunen, aber seine Schönheit hilft ihm nur so viel, daß die Jungfrau ihn wegeilen heißt, wenn er vor ihrem Vater das Leben behalten wolle. Auch Herwig von Seeland wird verschmäht, doch er sammelt seine Mannen, zieht vor Hettels Burg und dringt kämpfend ein. Gudrun sieht mit Lust und Leid, wie Herwig Feuer aus Helmen schlägt. Hettel selbst bedauert, daß ihm ein solcher Held nicht zum Freunde gegönnt war. Da wird Friede gestiftet und Gudrun dem Helden anverlobt; in einem Jahre soll er sie heimführen. Als Siegfried von Morland solches erfahren, fällt er in Herwigs Land ein; Hettel zieht dem künftigen Eidam zu Hilfe.

Während so das Land der Hegelinge von Helden entblößt ist, kommen Hartmut und Ludwig von Normandie mit Schiffmacht angefahren, brechen die Burg und führen Gudrunen mit ihren Jungfrauen hinweg. Die Königin Hilde schickt Boten an Hettel und Herwig; diese machen sogleich Frieden mit Siegfried, und er selbst hilft ihnen die Räuber zur See verfolgen. Auf einem Werder, dem Wülpensande, halten Hartmut und Ludwig Rast mit ihrer Beute; dort werden sie von den Hegelingen erreicht. In furchtbarer Schlacht fällt Hettel von Ludwigs Schwerte. In der Nacht schiffen die Normannen mit den Jungfrauen weiter. Die Hegelinge kehren heim; durch großen Verlust geschwächt, müssen sie die Rache verschieben, bis einst die verwaisten Kinder schwertmäßig sind. In Normandie wird Gudrun freudig empfangen. Sie soll nun mit Hartmut Krone tragen. Aber sie hält fest an Herwig und wendet sich ab von dem, dessen Vater den ihrigen erschlagen. Gerlind, die Mutter Hartmuts, hat zu der Werbung um Gudrunen geraten; zürnend, daß ihr schöner Sohn verschmäht geworden, hat sie eifrig die Schiffreise gefördert; jetzt verspricht sie ihm, der Jungfrau Hoffart zu brechen, indes er auf neue Heerfahrten zieht. Gudruns edle Jungfrauen, die sonst Gold und Gestein in Seide wirkten, müssen Garn winden und spinnen; sie selbst, die Königstochter, muß den Ofen heizen, mit den Haaren den Staub abkehren, zuletzt in Wind und Schnee am Strande Kleider waschen. Hildeburg, auch eines Königs Tochter, mit Gudrunen gefangen, teilt freiwillig mit ihr die Arbeit. Dreizehn Jahre vergehen, da mahnt Frau Hilde die Helden, die ihr gelobt, den Gemahl noch zu rächen und die Tochter wiederzuholen. Sie rüsten ihre Scharen und Schiffe. Nach stürmischer Fahrt erreichen sie die Küste von Normandie und landen unbemerkt an einem Walde. Herwig und Ortwin, Gudruns Bruder, machen sich auf, nach ihr zu forschen und das Land zu erkunden. Gudrun und Hildeburg waschen am Strande, da sehen sie einen schönen Vogel herschwimmen. Es ist ein Bote von Gott, der ihnen mit menschlicher Stimme die nahe Ankunft der Freunde verkündet. Der Vogel verschwindet, und die Jungfrauen, von der Botschaft sprechend, versäumen sich im Waschen. Darüber werden sie abends von Gerlinden gescholten. Am Morgen, als sie wieder zur Arbeit sollen, ist Schnee gefallen. Umsonst bitten sie die Königin um Schuhe; barfuß müssen sie durch den Schnee zum Strande waten. Unter dem Waschen blicken sie oft sehnlich über die Flut hin. Sie gewahren zween Männer in einer Barke. Ihrer Schmach sich schämend, entweichen sie. Aber die beiden Männer, Herwig und Ortwin, springen aus der Barke und rufen sie zurück. Vor Frost beben die schönen Wäscherinnen, kalte Märzwinde haben ihnen die Haare zerweht; weiß wie der Schnee glänzt ihre Farbe durch die nassen Hemde. Die Männer bieten ihre Mäntel dar, aber Gudrun weist es ab. Noch erkennen sie einander nicht, obgleich die Herzen sich ahnen. Ortwin fragt nach den Fürsten des Landes und nach der Königstochter, die vor Jahren hergeführt worden. Die sei im Jammer gestorben, antwortet Gudrun. Da brechen die Tränen aus der Männer Augen. Doch bald wird ihnen Trost und Wonne. Gudrun und Herwig erkennen, eines an des andern Hand, die goldnen Ringe, womit sie sich verlobt sind. Herwig schließt sie in seine Arme. Dann scheiden die Männer, Hilfe verkündend, ehe morgen die Sonne scheine. Gudrun wirft die Wäsche in die Flut!; nicht mehr will sie Gerlinden dienen, seit zween Könige sie geküßt und umfangen. Als sie zur Burg zurückkommt, will Gerlind sie mit Dornen züchtigen. Gudrun aber erklärt, wenn ihr die Strafe erlassen werde, wolle sie morgen Hartmuts werden. Freudig eilt dieser herbei. Gudrun und ihre Jungfrauen werden herrlich gekleidet und bewirtet. Die alte Königin allein fürchtet Unheil, als sie Gudrunen nach dreizehn Jahren zum ersten Male lachen sieht. Reiche Miete verheißt Gudrun derjenigen ihrer Jungfrauen, die ihr den Morgen zuerst verkünden werde. Beim Aufgang des Morgensterns steht eine Jungfrau am Fenster; mit dem ersten Tagesschein und dem Glänzen des Wassers sieht sie das Gefild von Waffen leuchten und das Meer voll Segel: eilig weckt sie Gudrunen. Die Hegelinge sind in der Nacht dahergefahren, die Kleider mit Blut zu röten, die Gudrun weiß gewaschen. Wate bläst sein Hörn, daß die Ecksteine fast aus der Mauer fallen. In der Schlacht, die jetzt vor der Burg beginnt, wird Ludwig von Herwig erschlagen, Hartmut gefangen mit achtzig Rittern; die andern alle kommen um. Wate erstürmt die Burg und schont auch der Kinder in der Wiege nicht, damit sie nicht zum Schaden erwachsen. Gerlinden, die sich zu Gudrunen flüchtet, reißt er hinweg und schlägt ihr das Haupt ab. So auch der jungen Herzogin Hergart, einst von Gudruns Gefolge, die Hartmuts Schenken genommen und viel Hoffart getrieben. Ortrun aber, Hartmuts Schwester, die Gudrunen stets freundlich sich erwiesen, wird durch deren Fürbitte gerettet. Das Land wird verheert, die Burgen gebrochen. Nach solcher Vergeltung schiffen die Hegelinge sich wieder ein mit Gudrunen und mit großer Beute. Hartmut und Ortrun werden gefangen mitgeführt. Horand und Morung bleiben in dem eroberten Lande zurück. Frau Hilde empfängt in Freuden ihre Tochter: der lange Haß wird versöhnt durch Vermählung Ortwins mit Ortrunen und Hartmuts, dem sein Land wiedergegeben wird, mit der treuen Hildeburg. Siegfried von Morland erhält Herwigs Schwester. Herwig aber führt Gudrunen nach Seeland heim.


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