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Weit weg in der Ferne liegt das soziale Paradies. Es liegt nicht in deinem Hause oder im Hause des Nachbars. Es liegt nicht in deiner Stadt, in deinem Land, in deiner Zeit. Es ist weit weg in der Ferne. Irgendwo im Lauf der Ereignisse und Jahre. Im Jenseits. In euren Kirchen predigt ihr über das Paradies. Aber in der Kirche liegt es nicht. In den Parlamenten macht ihr für das Paradies Gesetze. Doch vom Staat wird das Paradies nicht erschaffen. Das Paradies wird immer hinausgeschoben. Immer in ein Jenseits verlegt. Immer in einem Nebel gesehen. Immer erstrebt und niemals erreicht. Paradies. Gerechtigkeit. Die anständigen Beziehungen zwischen Mensch und Mensch. Die Grundbedingung sozialer Gleichheit. Alles hinausgeschoben. Immer herbeigerufen von den Religionen und Lehrern. Vorhergesagt von den Propheten. Und doch immer beiseite geschoben. Immer verschmäht. Eifrig dem Rufe folgend. Grob abgewiesen. Das Paradies jenseits. Immer weit weg. In der Ferne.
Und doch ist der heutige Tag für das Paradies so günstig wie einer. Warum sollten wir uns scheuen, die Gelegenheit jetzt zu ergreifen? Warum sollten wir bereit sein, alles an die Zukunft zu wagen und nichts an die Jetztzeit? Wie wäre es, wenn wir das Paradies jetzt und hier hätten? Meint ihr, ihr könntet es nicht ertragen? Meint ihr, die Gerechtigkeit würde euch oder anderen schaden? Meint ihr, das Menschengeschlecht könnte nicht sogleich in die Maße wirtschaftlicher Gleichheit hineinwachsen? Warum sollten wir uns in der Gegenwart versteckt halten? Warum sollten wir uns ducken? Warum sollten wir bereitwillig zugeben, daß die Zukunft für die Gerechtigkeit gut genug sei, aber die Gegenwart nicht? Die Gerechtigkeit ist gut genug, und nicht zu gut für uns. Warum sollten wir für die Gerechtigkeit nicht gut genug und nicht zu gut sein? Meint ihr, daß der General Slocum Name eines Vergnügungsdampfers, auf dem Hunderte elend verbrannten, Opfer der Nachlässigkeit von Besitzern, Inspektoren und Kapitän. gut genug, die Gerechtigkeit aber zu gut für euch sei? Meint ihr, daß Colorado Die Regierung des Staates Col. ist von allen Einzelstaaten der Union am gewalttätigsten mit den Gewerkschaften verfahren. L. gut genug, die Gerechtigkeit aber zu gut für euch sei? Meint ihr, daß die unersättliche Ausbeutung gut genug, das Gemeinschaftsleben aber zu gut für euch sei? Meint ihr, daß wenn Zins und Pacht und Profit euch ein Leidenslager bereiten, dieses Lager gut genug für euch sei? Daß aber ein Lager, das euch die Gerechtigkeit bereite, zu bequem für euch wäre? Meint ihr, all die Schäden und Opfer, die der Privatbesitz in erbarmungslosen Uebergriffen euch auferlegt, seien ganz in der Ordnung? Aber ein gesunder Körper und eine gesunde Seele und ein freudiger Ausblick aufs Leben sei besser, als ihr verdienet? Meint ihr, daß die unterernährten Kinder in den Mietskasernen erhalten, was ihnen zukommt, wenn sie zu vorzeitigem Tod hinsiechen? Daß aber genug Nahrung und Spiel und frische Luft und grüne Bäume den Elenden in den Mietskasernen nicht zukomme? Meint ihr, die Arbeiter, die die Arbeit der Welt tun, seien für die Arbeit der Welt reif, aber nicht für den Lohn? Meint ihr, die geknechtete Mutterschaft der Welt sei für die Knechtschaft reif, aber nicht für die Freiheit? Meint ihr? Meint ihr? Antwortet mir. Oder antwortet mir nicht. Aber denkt nach. Fragt euch selbst. Die Frage nicht von der Gegenwart an die Zukunft. Die Frage der Zukunft an die Gegenwart. Es ist an her Zeit, daß wir aufhören, Fehler zu beichten. Es ist an der Zeit, daß wir Ansprüche erheben. Nicht Ansprüche an die Zukunft, sondern an heute. An diese Stunde. An die Straße, in der wir wohnen. An die Leute, die wir kennen. An das gegenwärtige Paradies.
Du bist Professor und schiebst alles hinaus über die Universität. Du bist Rechtsanwalt und schiebst alles hinaus über das Gesetz. Du bist irgend etwas. Du übst irgend einen Beruf oder ein Gewerbe aus. Und du schiebst alles hinaus über Beruf und Gewerbe. Du schiebst die Religion hinaus über die Kirche, die Gleichheit über den Handel, selbst die gesellschaftliche Ehre über die Gesellschaft. Immer hinausschiebend. Gehörst du zur Gewerkschaft, so schiebst du vielleicht die Gerechtigkeit über die Gewerkschaft hinaus. Jedermann schiebt hinaus. Unter allen möglichen Vorwänden. Tapfer dem Morgen, furchtsam dem Heut gegenüber. Heldenhaft jemand anderm, feig dir selbst gegenüber. Du gibst zu, daß der Zukunft alles möglich ist, und zweifelst, ob der Gegenwart überhaupt etwas möglich sei. Verzug, der allmächtige Herrgott. Du hungerst, und zögerst zu essen. Der Geist ruft, doch du zögerst mit dem Buchstaben. Du bist gelehrt im Unsinn. Du führst das Evolutionsprinzip an gegen die Eile. Gegen heute. Damit du selbst nichts zu tun brauchst. Damit du auf das Morgen warten kannst, das alles tun soll. Doch was wird die Evolution für dich tun, wenn du nichts für sie tust? Evolution schließt Verzögerung in sich. Aber auch Eile. Sie schließt Kräfte in sich, die rückwirken, und Kräfte, die still stehen. Aber sie schließt auch die Kräfte in sich, die vorwärtsdrängen. Warum willst du behaupten, die Gegenwart sollte nicht vorwärtsgehn? Nur die Zukunft sollte vorwärtsgehn? Soll ich ein totes Werkzeug der Evolution sein? Oder soll ich eine wirkende Kraft in der Evolution sein? Ich behaupte, von der sozialen Gerechtigkeit kann alles, was für die Zukunft gut ist, auch für die Gegenwart gut sein. Ich werde es am Heute versuchen. Ich zweifle nicht an meinem Zeitalter, an meiner Kraft, an der Möglichkeit, daß das jetzige Geschehen zu herrlichen Zielen führt. Ich bin bereit zu warten. Aber ich werde mich zum Warten nicht zwingen. Ich bin bereit zu warten, bis die Grundbesitzer und die anderen Großen tot und begraben sind. Doch wenn ich ihr Absterben beschleunigen kann, so muß ich es tun. Meine Eile ist ebenso wichtig wie deine Langsamkeit. Ich verlange für die Zukunft nichts, was ich nicht gleichermaßen für die Gegenwart verlange. Ich verlange von der Zukunft nicht, daß sie etwas aufgibt, was ich nicht jetzt gerne aufgebe. Auch ich sehe die Gerechtigkeit irgendwo in weiter Ferne über die Bestimmung eines zukünftigen Menschen entscheiden. Aber ich sehe die Gerechtigkeit auch sehr nahe, in dir, in mir selbst, im Alltag der laufenden Zeit, wie sie über die innerste Bestimmung des Lebens, das wir leben, entscheidet.
Es ist eine gefährliche Angewohnheit: die Gerechtigkeit hinauszuschieben. Die Ungerechtigkeit des Zeitalters, das wir gerade kennen, zu sehen, und nicht sehen zu wollen, daß in dem Zeitalter, das wir gerade kennen, auch Gerechtigkeit möglich ist. Ueber die Menschennatur immer Schlechtes zu sagen. Immer zu sagen, daß die protegierte Universität recht sei, aber die Freiheit des Lehrers unrecht. Immer zu sagen, daß das Individuum gut sei, aber die Gemeinschaft nicht. Immer zu sagen, daß die Hölle gut sei, aber der Himmel nicht. Immer zu sagen, daß jeder warten müsse, bis jeder bereit sei. Immer zu sagen, daß der Versuch, heute anständig zu sein, keinen Wert habe, daß wir aber später einmal, wenn die Zeit erfüllt sei, alle anständig sein könnten. Ich sage Nein. Nein. Wer das Heute nicht achtet, wird das Morgen nicht achten. Wenn ich mein eigenes Herz der Gerechtigkeit unfähig hielte, würde ich nicht zugeben wollen, daß ein anderes Herz in tausend Jahren von heute der Gerechtigkeit fähig sein wird. Ich will, daß die Gerechtigkeit in diesem Augenblick anfange, hier, bei dir, bei mir. Ich zweifle nicht, daß der Mensch, selbst wie er jetzt ist, mit Hilfe der Gerechtigkeit Tüchtiges leisten würde. Bedenke, was der Mensch in seiner Blindheit, von der Ungerechtigkeit beherrscht, geleistet hat. Dann stelle dir vor, was er mit Hilfe der Gerechtigkeit und mit offenen Augen vermöchte. Es schwindelt mir vor berechtigter Hoffnung. Die Aussicht nimmt mir den Atem. Ich brauche nicht weit zu gehn, um ein Beispiel zu finden. Als Beispiel diene der Mensch sich selbst. Wenn er sich selbst erkennt, ist es genug. Nach all den Verzögerungen. Nach allen Rückzügen und Uebergaben. Jetzt biete ich dir den Menschen in eigner Person dar. Nicht den Menschen irgendwo weit in der Ferne. Den Menschen hier. Den ersten besten. Jeden.
Du hast mit der Gerechtigkeit eine Verabredung nach der andern getroffen. Alle hast du gebrochen. Du warst zu beschäftigt, um die Verabredungen mit der Gerechtigkeit zu halten. Du hattest Vorlesungen zu geben. Du hattest als Richter zu fungieren. Du hattest Bilder zu malen. Du hattest Verkäufe abzuschließen. Du hattest Flotten auf Eroberungen auszusenden. Nach allen möglichen Ausflüchten hast du gesucht. Die Gerechtigkeit erschien an Ort und Stelle, der Verabredung gemäß. Du aber kamst nicht. Du schicktest Entschuldigungen. Oder bliebst ohne Bescheid weg. Eigentlich verlangtest du später von anderen Menschen, daß sie ihre Verabredungen hielten; aber dein eigenes feiges Ausweichen und Ausbleiben soll man verzeihen. Aber wie kannst du von jenen verlangen, was du von dir selbst nicht verlangst? Deine Zeit ist nicht weit weg. Sie ist gerade da. Dein Platz in der Evolution ist nicht bei den Menschen, die kommen, sondern bei den Menschen, die da sind. Rechtschaffenheit kannst du nicht vom Jenseits erborgen. Mit dem Schlag deines eigenen Herzens mußt du dich in Einklang bringen. Gedenke deiner Abmachung mit der Gerechtigkeit. Keine Verabredung auf die unklaren Spätnebel der Geschichte. Eine Verabredung auf den hellen Mittag deines persönlichen Lebens. Sei pünktlich zur Stelle. Sogar vor der Zeit. Dringe vorwärts. Schleppe nicht nach. Zeige der Gerechtigkeit, daß du an die Gerechtigkeit glaubst als an eine lebendige Tatsache wie als einen erhebenden Traum. Geh zur Gerechtigkeit nicht, um zu sagen: Die Zeit wird noch kommen. Geh zur Gerechtigkeit und sage: Die Zeit ist da. Geh zur Gerechtigkeit nicht, um zu sagen: Es wird jemand kommen, dir zu dienen. Geh zur Gerechtigkeit und sage: Ich bin hier, um dir zu dienen.