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Café Capsa
In den Boudoirs von Bukarest schäumte man. Überall zuckte der blasse Neid auf. Nicht vielleicht deshalb, weil Tete eine bravouröse Reiterin war und in den Morgenstunden wie ein Wirbelwind über die Chaussee Kisseleff sprengte, während die eleganten Kavallerieoffiziere, denen sie begegnete, in einen Taumel des Entzückens gerieten und vergeblich ihr nachzusetzen trachteten, sondern weil Balaban ihr als getreuer Reitknecht folgte. Den Ärger ließ man an mir aus.
»Nicu – Sie haben mich furchtbar enttäuscht! Ich hielt Sie für meinen Freund! Nicu – was fiel Ihnen bloß ein, Balaban der Fürstin Trubakow zu überlassen?! Einer Russin? Wo blieb Ihr Patriotismus? Welche Geschmacklosigkeit! – Sie sind durchschaut, Nicu! Sie halten es mit Tete! Pfui, Nicu – wie konnten Sie nur!?«
Wohin ich kam, überhäufte man mich mit Vorwürfen. Es war kaum zu ertragen. Ich beteuerte meine Unschuld, schwor, daß Tete in unverantwortlicher Weise Balaban mir abspenstig gemacht habe, daß ich keine Hand gerührt hätte, um die Absichten der Fürstin zu erleichtern. Man glaubte mir nicht. Der Klatsch stempelte mich zum heimlichen Liebhaber Tatjanas. Alle, die auf Balaban gerechnet hatten, Madame Stanescu, Frau Miltiades, die rothaarige Argentoianu, das hysterische Fräulein Senulianu, Madame Popescu, die Generalstochter Raducanu und wie sie sonst noch heißen mochten, ließen mir das Leben zur Hölle werden. Wütende Blicke trafen mich. Selbst die Prinzessin Pizzicatino, deren ehrwürdiges Alter jeden zweifelhaften Verdacht im Keime ersticken mußte, fand es zumindest taktlos, daß ich Balaban der Fürstin zugeschanzt hätte.
Ich verstand diese allgemeine Entrüstung nicht. Ich konnte nicht ahnen, wie stark das Interesse der Bukarester Damen an diesem ehemaligen Räuber war. Daß die schmuckesten Kavaliere der Hauptstadt an Reiz verloren hatten, seit Balaban auf der Tagesordnung stand. Daß eine Welle der Empörung durch alle Boudoirs rauschte. Daß die charmanten, jungen Ärzte, die traditionsgemäß die nervösen Erscheinungen bei den Gattinnen der oberen Zweihundert zu studieren und zu beseitigen hatten, plötzlich im Kurswert tief gefallen waren. Daß der Typ des groben, ungeschlachten Bauern im Augenblick als der letzte Schrei der Mode galt.
Die gleichen Erscheinungen machten sich übrigens auch in der Herrenwelt bemerkbar. Der Geschmack an überfeinertem Luxus ließ sich nicht mehr steigern. Der Winter mit seinen rauschenden Festlichkeiten und den entnervenden Nachfeiern war vorüber. Frühlingsluft wehte. Da schlug die Mode in das Gegenteil um. Die durchaus nicht plumpen, aber noch nicht mit allen Finessen der Liebeskunst vertrauten Landmädchen, die aus der Provinz nach Bukarest kamen, hatten jetzt die größten Aussichten, Karriere zu machen. –
Balaban selbst wußte nicht, wie groß sein Einfluß auf das gesellschaftliche und erotische Leben der Hauptstadt war. Treu und bieder trabte er jeden Morgen hinter der Fürstin auf der Chaussee Kisseleff dahin, im neuen Wams, das ihm Tatjana hatte anfertigen lassen, den roten Leibgurt noch immer bespickt mit Dolchen und Messern, ohne die verstohlenen Kußhände und feurigen Blicke zu beachten, die ihm die vorbeifahrenden Damen aus ihren Autos und Wagen zuwarfen.
Jeden zweiten Abend kam er auf ein Stündchen in meine Wohnung, um Lajos, meinen Diener zu besuchen, mit dem er Freundschaft geschlossen hatte. Er erzählte, sein Dienst sei sehr leicht, er betreue die Pferde der Fürstin und beaufsichtige das Personal. Auch arbeite er im Garten. Als ich eines Tages heimkam und ihn bei Lajos in der Küche sitzen sah, rief ich ihn zu mir ins Zimmer.
»Na Balaban, wie gefällt es dir bei der Fürstin?«
»Recht gut, Domnule Bracu,« sagte der Hüne, »nächste Woche geht es nach Pelteanu.«
»So? Und Tatjana Trubakow?«
»Ich fahre mit ihr. Sie will einige Zeit dort bleiben, um die Anbauarbeiten zu überwachen.«
»Und sonst?«
Sein Gesicht zeigte nicht die geringste Veränderung. Der gutmütige Ausdruck blieb bestehen. Ich hielt es für zwecklos, weiter zu fragen, deutlicher zu werden. Was man sich – selbstredend – in den Bukarester Salons zuraunte, war müßiger Tratsch. Ich glaubte, die Fürstin zu kennen.
»Balaban,« sagte ich, »du weißt, daß ich es gut mit dir meine? Es wird vielleicht die Zeit kommen, wo ich dich brauche. Wirst du wieder zu mir kommen, wenn ich dich dann rufe? Es soll ja nicht für immer sein. Nur für ein paar Wochen.«
Ich mußte in dieser Hinsicht Gewißheit haben für den Fall, daß Mr. Stoping seine Massen in Bewegung setzen würde. Wie ich dann allerdings Balaban schnell wieder in einen Räuber verwandeln sollte, wußte ich selbst noch nicht.
»Ich werde kommen«, sagte Balaban, ohne zu überlegen.
Mir fiel ein Stein vom Herzen. –
Tags darauf rief die Fürstin an.
»Lieber Nicu – nochmals viel schönen Dank für Ihre Gefälligkeit. Ich bin mit Balaban sehr zufrieden. Er ist ein bißchen dumm, er ist sogar riesig dumm, aber ich hoffe, daß er sich in Pelteanu noch entwickeln wird.«
»Sie wollen verreisen, Tete?«
»Ja! Man zerreißt sich hier den Mund über mich, Nicu. Die guten Freunde haben mir alles berichtet. Madame Stanescu zerspringt vor Wut, Frau Miltiades ärgert sich blau und grün, die kleine Raducanu beneidet mich glühend. Das macht Spaß. Aber auf die Dauer wird mir die geschlossene Front meiner schönen Neiderinnen lästig. Verstehen Sie das?«
»Durchaus, Tete! Sie haben mir einen garstigen Streich gespielt. Sie ahnen gar nicht, was ich Ihretwegen alles auszustehen habe. Ich bin ein bedauernswertes Opfer, dem Zorn der vielen, die auf Balaban Anspruch erhoben, preisgegeben. Und nun lassen Sie mich schmählich im Stich?«
»Habe ich Ihnen denn versprochen ...?«
»Ich erhoffte wenigstens eine kleine Belohnung – ein Zeichen Ihrer Erkenntlichkeit. Aber Sie scheinen schrecklich undankbar zu sein, Tete!«
Tatjana ließ einen Augenblick auf ihre Antwort warten.
»Ich habe noch eine Unmenge mit Ihnen zu sprechen,« fuhr ich fort, »ich denke, Sie noch zu sehen. Wann reisen Sie denn?«
»Heute abend!«
»Oh!«
»Aber wenn es Ihre Zeit erlaubt, Nicu, dann dürfen Sie mich in Pelteanu besuchen. Ich werde mich freuen! Sagen Sie es nur allen, wenn Sie zu mir fahren, vor allem Seiner Exzellenz, dem Minister, meinem lieben General Danielescu und natürlich auch dem Professor Voda. Man wird Sie sicherlich sehr beneiden.«
»Mit Recht, Tete?«
Sie lachte hell auf.
»Nein, ganz zu Unrecht, Nicu! Machen Sie sich keine unnützen Hoffnungen! Auch für Pelteanu nicht. Ich habe als Schutz einen Balaban bei mir.«
»Balaban – unseren gemeinsamen Freund wollen Sie auf mich hetzen?«
»Wer spricht davon?« sagte sie, »Sie dürfen sich von den Anstrengungen des Bukarester Lebens auf meinem Gute erholen. Das ist doch nett von mir?«
»Sehr nett, fabelhaft nett, aber noch netter wäre es ...«
»Wenn Sie Armand mitbringen wollten, lieber Nicu,« fiel mir die Fürstin ins Wort, »man erwartet ihn in wenigen Tagen zurück. Wenn wir zu dritt sind, werden Sie sich in der Einsamkeit nicht so sehr langweilen.«
»Aber Tete, ich würde mich mit Ihnen ganz allein noch viel weniger ...«
»Sie irren, lieber Freund! Ich erwarte die Besuche meiner Gutsnachbarn, von denen ich noch nicht alle kenne. Sie werden große Gesellschaft bei mir finden und mich gar nicht benötigen. Aber deshalb keinen Ärger, Nicu. Kommen Sie recht bald! Und nun – au revoir! Nehmen Sie sich die Vorwürfe, die man Ihnen noch machen sollte, nicht zu Herzen! Sie haben dafür bei mir einen kleinen Stein im Brett.«
»Was mache ich bloß mit einem so kleinen Stein?«
»Lassen Sie ihn einfassen, Nicu, und warten Sie, bis vielleicht ein größerer hinzukommt.«
»Und wie könnte ich dies erreichen?«
»Wenn Sie Armand mitbringen!«
Ich wollte noch etwas erwidern, aber sie hatte bereits angehängt. –
Am gleichen Abend begann im Café Capsa das Spießrutenlaufen.
»Monsieur Bracu – wissen Sie schon? Tete geht mit ihrem Balaban nach Pelteanu – in die Einsamkeit. Und Sie?«
»Ja, Nicu – das haben Sie davon!«
»Hallo, Bracu – was ist denn mit der Fürstin los?«
»Armand scheint endgültig passé zu sein, aber Sie, Nicu?«
Es gab nicht einen, der mich ausließ. Es hagelte ironische Bemerkungen von allen Seiten. Ein bißchen Schadenfreude war wohl auch dabei. Selbst der Außenminister, der eben vom Präsidium kam, um seine Gattin abzuholen, konnte sich nicht enthalten, mir im Vorbeigehen ins Ohr zu flüstern:
»Wie stehen die Aktien, Bracu? Man sagt, Sie hätten Pech gehabt? Bei der süßen Tete. Mein Beileid! Ich kann es Ihnen nachempfinden. Aber trösten Sie sich. Es ist eben nicht jeder ein Balaban!«
»Und Sie, Exzellenz?«
Der Minister zuckte mit den Achseln.
»Ich habe das Rennen aufgegeben.«
Fort war er. –
Oh – dieses Café Capsa in der Calea Victoriei! Es ist eine wahre Hexenküche. Man trinkt hier die beste Schokolade von ganz Bukarest, den duftigsten Mokka, man ißt das herrlichste Backwerk und sieht die schönsten Frauen.
Es trifft sich hier alles, was Rang und Namen hat. Minister und Deputierte, Universitätsprofessoren und Theaterdirektoren, Generäle und Politiker, Kokotten und Diplomaten. Es ist ein ewiges Hin und Her.
Man begrüßt sich, man tauscht Komplimente aus, man entzweit sich und versöhnt sich. Ämter werden verschachert, Gerüchte auf den Weg gesetzt, Intrigen eingeleitet, Geschäfte großen Stils verhandelt und Leitartikel ausgeheckt.
Alle Sprachen der Welt schwirren durcheinander. Man hört den Wasserfall rumänischer Laute, den grellen Tonfall magyarischer Worte, das leichte, diskrete Säuseln französischer Konversation, dazwischen das biedere Deutsch der Schweizer, deren Bukarester Kolonie größer ist als man denkt, die Temperamentausbrüche eines Italieners, das unmelodiöse, langweilige Gedudel zweier Engländer. Man zeigt sich, man will sehen und gesehen werden. Achtzehn Millionen Menschen leben in diesem Lande. Aber die Tagesgeschichte wird in den zwei Räumen dieser historischen Café-Konditorei gebraut.
Hier im schmalen Rauchzimmer versammelt sich die Politik und alles, was damit zu tun hat; die Journalisten, die Reporter der großen Boulevardblätter, um bei einem Täßchen Mokka ihre Informationen und Interviews einzuholen, die Korrespondenten der auswärtigen Presse, Kammerabgeordnete und Senatoren, hier sitzt und steht man zwanglos herum, Zigaretten dampfen, Arme fuchteln wild, erhitzte Reden durchschmettern den Raum. Nur mit Mühe und größter Geschicklichkeit kann sich der Kellner durch die dichtbesetzten Reihen der Stühle und Tische hindurchschlängeln, ohne über die ausgestreckten Füße der Gäste zu stolpern.
Nicht weniger lebhaft, aber unter stärkerer Beachtung gesitteter Lebensformen geht es im benachbarten Konditoreiraume zu, wo die jeunesse dorée ihr Hauptquartier aufgeschlagen hat. Man raucht zwar auch. Aber das Parfüm der Damen überwiegt. Die Fensterplätze sind die gesuchtesten. Man kann von da aus den Korso auf der Calea Victoriei betrachten, Bekannten und Freunden gnädig zunicken, beobachten, wer mit wem zusammengeht und -fährt und daraus seine Schlüsse ziehen.
Hier defilieren die jungen Offiziere vorbei, im stramm, fast prall sitzenden Uniformrock, unter dem nicht selten noch ein Korsett straff gezogen ist, obgleich erst kürzlich das Kriegsministerium den Angehörigen der Wehrmacht das Miedertragen wieder verboten hat.
Wenn die Damen nicht gerade von verfänglichen Dingen sprechen, nicht eben den neuesten Witz des Generals Godileanu, den man den Bukarester Mikosch nennt, belächeln oder ihre Magenbeschwerden zur allgemeinen Kenntnis bringen, dann plaudern sie über Toiletten, über ihre eigenen, die sie sich direkt aus Paris haben kommen lassen, oder über fremde, die sie mit Vorliebe unter die kritische Lupe nehmen. Dabei vergessen sie nicht, von Zeit zu Zeit frisches Rot auf die Lippen aufzutragen und die Nase weiß zu pudern.
In dieser Atmosphäre ist nichts heilig. Man weiß genau, bei wem der Ministerpräsident die Stunden verbringt, die nicht der Politik geweiht sind. Man hat Kenntnis von den neuesten Seitensprüngen der Madame Stanescu, von der es heißt, daß sie ihrem Gatten noch nicht eine einzige Stunde treu gewesen sei, man kolportiert die letzten Auseinandersetzungen in der amüsanten Ehe des Kolonels Arion und läßt sich von Bekannten, die aus Paris kamen, einiges aus dem vergnügten Leben des Exkronprinzen erzählen.
Über Tete tuschelt man besonders gern. Man kann ihr nichts Bestimmtes nachsagen und deshalb traut man ihr alles zu. Weil sie von einer aparten Schönheit ist, beneidet man sie. Ihre exzentrischen Launen werden heimlich bewundert.
Man kannte meine Freundschaft mit Armand und wußte von meinem Interesse für Tete. Und darum vermutete man, daß ich die Rolle des Dritten spielte. Ich habe es nie verhehlt, daß ich bei der Fürstin ebensowenig Glück hatte wie die anderen. Aber man glaubte mir nicht. Die Affäre mit Balaban bestärkte nur die Gerüchte.
Warum der Klatsch auf einmal das Gegenteil behauptete, warum ich plötzlich der verlassene Liebhaber sein sollte, war mir nicht ganz klar. Man legte wahrscheinlich der Abreise Tatjanas besondere Bedeutung zu. Vielleicht hatte auch eine der Damen, die auf Balaban gehofft hatten, aus Übelwollen das Gerücht aufgebracht. Dagegen war nicht anzukämpfen.
Weniger angenehm war mir die Neugier, die Oberst Birescu auf einmal an den Tag legte. Zu den Aufgaben, die ihm als Pressechef am Ministerium des Äußeren zufielen, gehörte es auch, die ausländischen Zeitungen nach Berichten und Artikeln über Rumänien zu kontrollieren. Eine bemerkenswerte Unterstützung erhielt er durch die regulären Berichte unserer Gesandtschaften, welche die auf unser Land und unsere Verhältnisse bezüglichen Zeitungsberichte zu sammeln und mit entsprechenden Notizen versehen an das Ministerium zu senden pflegten.
Birescu war es nun aufgefallen, daß vor allem die amerikanischen Tagesblätter seit kurzem Rumänien öfter denn je in den Kreis ihrer Betrachtungen zogen. Aber die politischen Ereignisse wurden nur ganz flüchtig gestreift. Ebenso las man herzlich wenig über die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die sich hier für fremde Kapitalisten boten. Dagegen wies man mit besonderem Nachdruck auf das romantische Räuberunwesen hin, das angeblich bei uns herrschen sollte.
Für mich bestand kein Zweifel, daß diese Artikel von Mr. Stoping oder seiner Pressepropaganda inspiriert waren. Angenehm waren diese Darstellungen nun nicht. Man mußte draußen den Eindruck gewinnen, daß die Zustände bei uns aller Beschreibung spotteten. Für abenteuerlustige Ladys und Misses zwar ein erhöhter Reiz, Rumänien kennenzulernen, weniger geeignet aber, neue Handelsbeziehungen mit dem Auslande anzuknüpfen.
Da man natürlich in den amerikanischen Berichten auch Balaban und die Begeisterung erwähnte, mit der er in Bukarest empfangen wurde, so hegte Birescu den begreiflichen Verdacht, daß ich hinter dieser Pressekampagne stand. Von der damaligen Anwesenheit Mr. Stopings in Bukarest hatte er Kenntnis. Er war auch durch den Außenminister von den Absichten des Amerikaners unterrichtet, von dem er wußte, daß er mit mir, als dem Vorstandsmitglied des »Vereins zur Hebung des Ansehens Rumäniens im Auslande und zur Förderung des Fremdenverkehres« verhandelt hatte.
Birescus Fragen setzten mich in die peinlichste Verlegenheit. Er schien zu ahnen, daß ich Balaban nicht ganz zufällig aus der Einsamkeit nach Bukarest gelockt hatte. Er witterte Zusammenhänge, die er aufzudecken bestrebt war. Die Begeisterung, mit der man immer wieder im Auslande auf unsere Räuber zu sprechen kam, ärgerte ihn. Er wollte die Gesandtschaften veranlassen, entsprechende Berichtigungen an die Blätter zu versenden. Mir war es unmöglich, ihm reinen Wein einzuschenken, da ich selbst nicht mehr ein und aus wußte. Seit die Fürstin Balaban nach Pelteanu mitgenommen hatte, hielt ich das Projekt Mr. Stopings für undurchführbar.
Um so tiefer erschrak ich, als mir Stoping depeschierte:
»Alles geht gut. Bisher sechstausend Anmeldungen für Rumänien. Interesse hält an. Veranlaßt Balaban, von sich reden zu machen. Drahtet Ergebnis.«
Meine Verlegenheit wuchs von Tag zu Tag. Zu allem Überdruß ließ mich kurz darauf der Außenminister zu sich bitten, um Erkundigungen über den Stand der Fremdenverkehrsaktion einzuziehen.
»Unsere Legation aus Washington meldet, daß wir mit einem Massenzustrom von Amerikanern zu rechnen haben,« sagte er, »– ich freue mich darüber. Weniger erbaut bin ich aber über die Art und Weise, in der für unseren Staat in der amerikanischen und englischen Presse Reklame geschlagen wird.«
»Wieso?« fragte ich, da ich keinen anderen Ausweg kannte, als mich dumm zu stellen.
»Aber lieber Bracu, ich denke, Sie haben die Artikel auch gelesen? Wir haben doch schließlich nicht nur Banditen in unserem Lande. Eine derartig einseitige Propaganda vernichtet doch unser Prestige. Es ist doch geradezu lächerlich, daß man nichts Besseres und Interessanteres über unser Land zu erzählen weiß.«
»Exzellenz,« versicherte ich, »mir sind die Reklamemethoden Stopings ebenso peinlich. Aber ich sehe keine Möglichkeit, sie zu ändern.«
»Sie wissen doch, was der ›Viitorul‹ gestern schrieb? Er macht der Regierung den Vorwurf, daß sie solchen Verleumdungen, die das Ansehen unseres Landes herabzusetzen geeignet seien, nicht mit Nachdruck entgegentrete. Der Ministerpräsident ist außer sich. Was sollen denn nur die Fremden denken? Wie stellt sich übrigens Ihr Verein zu dieser Angelegenheit? Wir müssen doch den Reisenden Gelegenheit geben, unsere Verhältnisse von der besten Seite kennenzulernen. Machen Sie uns doch Vorschläge!«
»Wir sind eben dabei, sie auszuarbeiten«, erklärte ich und war froh, als ich wieder gehen konnte. Am liebsten hätte ich Stoping telegraphiert, er möge mich in Zukunft ungeschoren lassen, sein Projekt mit Balaban sei nicht zu verwirklichen.
Dann aber überlegte ich es mir und faßte den Entschluß, nach Pelteanu zu fahren, um noch einmal zu versuchen, die Sache ins Rollen zu bringen.
In der Zwischenzeit war Armand Dupré nach Bukarest zurückgekehrt. In der Tat hatte er in Paris alle Vorbereitungen zu einer Eheschließung mit der Komtesse Ezervary getroffen. In Bukarest fand er einen Brief Tatjanas vor, in dem sie ihm noch einmal erklärte, ihn unter keinen Umständen freigeben zu wollen. Er suchte mich sofort auf, um mich zu fragen, ob ich denn mit der Fürstin schon gesprochen hätte. Ich riet ihm, mit mir zu Tete hinauszufahren. Davon wollte er aber nichts wissen. Er hatte dem Grafen Ezervary das Versprechen abgegeben, jede Berührung mit ihr zu vermeiden.
Am gleichen Tage kam die Prinzessin Pizzicatino, um sich mit mir über die Aktion Mr. Stopings zu beraten. Sie wurde fürchterlich wütend, als ich ihr erklärte, daß ich nichts unternehmen könnte, weil sich Balaban bisher geweigert hätte, das frühere Räuberleben wieder aufzunehmen. Sie war fest entschlossen, ihn verhaften zu lassen, wenn er nicht nachgeben wollte. Ich versuchte ihr auseinanderzusetzen, daß damit nichts erreicht wäre. Die gütige, alte Dame, die um ihren Anteil zitterte, beschwor mich, sogleich nach Pelteanu zu reisen, um Balaban vor die Wahl zu stellen. Ich versprach es.
»Hören Sie, Nicu,« sagte die Prinzessin, »wir haben nicht mehr viel Zeit zu verlieren. Ich werde mit Ionel und dem Außenminister sprechen und beide am Gewinn beteiligen. Die Regierung wird ein Auge zudrücken und uns keine Steine in den Weg legen. Verlassen Sie sich auf mich! Ich fahre noch heute ins Präsidium, um in der Angelegenheit Rücksprache zu nehmen. Räuber hin – Räuber her – man läßt nicht ein Vermögen zum Teufel gehen! Hauptsache bleibt, daß uns Balaban keine Geschichten macht. Wenn er sich dennoch weigern sollte, seine patriotische Mission zu erfüllen – na, Sie sollen sehen, wozu ich dann imstande bin ...!«
So ging ich beruhigten Herzens.