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VIII

Neuerlicher Bericht von mir, dem Herrn von Vogelschrey auf Vogelöd

Noch nicht so bald hatte unser trefflicher Freund und geistlicher Berater, der hochwürdige Herr Pfarrer Nepomuk Thurmbichler, mit der ihm stets zu schicklicher Zeit beiwohnenden Diskretion das Zimmer geräumt, so frugen meine Frau, meine liebe Katzel, und ich uns in einem Atem gegenseitig dasselbe: Was hat die Mette mit dem vermutlichen, woll' es Gott, nur vermeintlichen Mörder ihres Mannes unter vier Augen draußen im Park die längste Zeit eine erregte und geheime Zwiesprache zu pflegen?

Man konnte die Wege des Parks, auf denen jetzt, nach den Worten des geistlichen Herrn, die beiden auf und nieder promenierten und ihre Geheimnisse eifrig traktierten, vom Schloß aus nicht sehen. Der Herbstwald spannte, gleich einem Pojatz im Zirkus bei den Englischen Reitern, ein höhnendes Narrengewand von buntem Laub davor, aus dem die Blätter der wilden Kirschbäume pupurn vor dem blauen Oktoberhimmel wie große Blutflecke brannten. Was die beiden da drinnen, im Schutze dieser gespenstigen Farbenfreude des sterbenden Sommers, einander sagten oder vielmehr, was er – nach des hochwürdigen Herrn Thurmbichlers Beobachtung – ununterbrochen ihr sagte, auf sie einredete und sie quasi beschwor und exorzierte, das war menschlichem Wissen und irdischer Erkenntnis verschlossen. Nur Gedanken und Vermutungen waren zollfrei und passierten denn auch gleich einem unordentlichen Zug schwarzgekleideter Gäste durch meinen Kopf, als sei der das Schloß Vogelöd und in ihm eine Begräbnisfeier gerüstet, wo doch unser gutes Haus bislang nur den frommen Gesang der Dorfkinder mit Juhu! der Burschen und Böllerknall von den Höhen bei unserem Einzug als christliches, junges Ehepaar und alsdann das liebliche, Gott, ach, so wohlgefällige Läuten des Taufglöckleins vernommen.

Wahrlich: Ich bin sonst ein gastfreundliches Gemüt. Aber nun fiel mir in meinem Unmut der kernige Wahlspruch erfahrener Altvordern bei: Der Mist und die Gäst' – sind im Feld am best'!

Außerstande, den Gedanken, die auf mich einstürmten, begründeten Ausdruck und sinnfällige Rundung zu verleihen, schwieg ich. Centa, meine Hausfrau, saß neben mir und sann. Es ist ihrem weiblichen Gemüt eingeboren, und sie mag darin als Evas rechte Tochter gelten, daß für sie ein Aristoteles sich nicht mit einer conditio maior seu minor und einer daraus zielenden conclusio sich abgeplagt hat und daß ein Magister der Logik ihr hätte seufzend das Schulgeld für seinen Unterricht zurückgeben müssen. Ihr Kopf wetterleuchtet nach Frauenart, in unmittelbaren, blitzartigen Eingebungen, die durch die Ikarus-Schwingen einer jugendfrischen, lebendigen Einbildungskraft beflügelt sind. So sprang sie plötzlich auf die Füße, warf ihre unschuldigen braunen Rehaugen gen Himmel und stammelte:

»Herr: Vergib ihnen! Ihm und ihr!«

»Katzel! Was hast denn?«

»... Lasse dein Gesicht leuchten über ihr! Leite sie den rechten Pfad!«

Ich schaute ihr in das liebe, angstvoll-verklärte Gesichtel und drang:

»Centa! Unser Herrgott weiß selber, was passiert ist! Aber ich, dein Mann, nicht!«

Da sah sie mich sonderbar wissend an.

»Poldl! ... Begreifst denn net?«

»Damisch bin ich, Katzel! Hast halt solch 'nen Depp zum Mann!«

»Poldl! Poldl! Ihr Männer wollt immer die Klügeren sein und seht dabei den Wald vor lauter Bäumen nicht!«

»Freilich seh' ich vor Bäumen nicht, ob die beiden da noch im Park umeinander laufen!«

Meine Frau Centa hob warnend den Zeigefinger. Sie hatte ganz große Seheraugen, während sie bang raunte:

»Weißt du, was der Johann Preisgott von der Mette will: daß sie das nicht sagen soll, was sie weiß ... wahrscheinlich nur sie allein auf der Welt weiß ...«

»... und was weiß sie denn?« rief ich, jetzt schon ein bissel ungeduldig.

Ich hörte das Herz der Katzel in wildem Galopp an meiner Brust, an die sie sich schmiegte, pumpern, so wie ich selber das nur seinerzeit bei meinem ersten Hirsch, im Jagdfieber, verspürt hab'. Sie flüsterte:

»Du – Hand aufs Herz: Eigentlich glauben wir doch heimlich alle, alle, daß der Johann Preisgott seinen Bruder umgebracht hat ...«

»Unter vier Augen mit dir: Ja!«

»Wir glauben's nur! Aber die Mette – die weiß es!«

Ich ließ die Katzel los und stand starr. Bei der waren jetzt auf einmal die Schleusen auf. Es sprudelte ihr nur so von den Lippen: »Sie weiß es! Sie hat die Beweise in der Hand, daß er, um aus seinen Geldnöten herauszukommen und Pfaffenrod zu erben, zum Kain geworden ist! Sie kann ihn jeden Augenblick, wenn sie will, der Gerechtigkeit überantworten!«

»Was sagst du da?«

»Und er, der Johann Preisgott, weiß, daß er in ihrer Hand ist und sein Dasein von ihr abhängt! Begreifst jetzt, Poldl, warum er ihr so zusetzt! Warum er ununterbrochen auf sie einredet? Er läßt alle seine Künste spielen, und er hat ja Künste genug an der Hand, vor denen ein Christenmensch ein Kreuz schlägt!«

»Das wäre ...«

»Der Johann Preisgott hat die Mette vom Tage der Tat ab durch seine Künste dazu gebracht, zu schweigen! Seit drei Jahren trägt sie das Geheimnis mit sich herum! Seit drei Jahren entzieht sie den Mörder ihres Mannes dem irdischen Gericht!«

»Katzel ... Katzel!«

»... und der unglückliche Gaudenz, ihr zweiter Mann, weiß, daß der Johann Preisgott seinen Vorgänger ermordet hat! Warum ist er sonst bei der Ankunft gestern abend in der Halle an dem Johann Preisgott vor aller Augen finster vorbeigegangen, ohne ihn zu sehen und zu kennen, wo ihm die Mette gerade vorher offensichtlich vor aller Augen die Hand gegeben hat?«

Ich war still. Und die Centa atemlos weiter:

»... und der Gaudenz weiß, daß seine Frau nur den Mund aufzumachen braucht, um den Mörder ans Messer zu liefern, und es seit Jahr und Tag nicht tut! Das ist das Geheimnis dieser tief unglücklichen, im Innern zerrissenen Ehe!«

»Schön ist die Ehe freilich nicht!«

»Der Gaudenz und die Mette sprechen ja kaum mehr ein Wort miteinander! Sie kümmert sich mit Fleiß, sogar vor wildfremden Leuten und vor ihren eigenen Dienstboten, wie der Poletta, nicht mehr um ihn! Sie schaut gar nicht mehr auf ihn hin! Die beiden geben sich überhaupt nicht mehr die Mühe, zu verbergen, daß sie ganz auseinander sind!«

Ich schüttelte den Kopf.

»Der arme Mann kann einem in der Seele leid tun, Poldl! Er sitzt irgendwo im Zimmer in einer dunklen Ecke und starrt vor sich hin und spricht kein Wort. Der Stärkste im Kopf ist der Gaudenz ohnedies nicht! Er weiß nicht, was er tun soll! Er weiß nur, daß seine Frau durch den Oetsch verhext ist! Der hat ihr vom Mordtag an mit seinen Teufelskünsten die Lippen versiegelt!«

»Deine Rechnung, Katzel, hat ein Loch! Aber schon eines, durch das man mit einem Heuwagen und vier Rössern hindurchfahren kann!«

»Was für eines?«

»Weswegen schweigt denn eigentlich die Mette? He?«

Die Katzel war still. Es bebte alles leise an ihr, wie an den Zitterbäumen im Garten, auch wenn sich kein Lüftel regt.

»Die Mette müßte doch irgendeinen Grund haben, den Mörder ihres Mannes zu schonen, Katzel!«

»Ja!«

Es klang laut. Viel fester, als ich dachte. Das beunruhigte mich. Ich fuhr fort:

»Die Mette kennen wir doch alle von Jugend auf! Sie ist doch ein sanfter, guter, gewissenhafter Mensch! Sie ist doch deine beste Freundin!«

»Ja ...«

»Sie ist fromm erzogen und geht jeden Morgen in die Messe und jede Woche zur Beichte und glaubt an unsern Heiland!«

»Ja!«

»Sie hat in glücklichster Ehe mit ihrem ersten Mann, unserem unvergeßlichen, unvergänglichen Peter-Paul, gelebt. Auch das weiß jeder.«

»Ja!«

»Also, Katzel! Jetzt denk' mal vernünftig – mit dem Kopf, nicht mit dem Herzen – und sag' selbst: Warum, – um Himmels willen, soll denn die Frau schweigen?«

Die Centa war still.

»Warum soll sie denn ihren heiligen Witwenschmerz und die frommen Gefühle aller rechtlichen Menschen mit Füßen treten, um einen Brudermörder dem Richtschwert zu entziehen?«

»Weil –«

»Bedenke doch, was das heißt! Dies Donnerwort: Ein Brudermörder! Wer solch eine Schuld nicht sühnen hilft, wenn er kann, der macht sich selber schuldig! Warum zögert denn die Mette seit drei Jahren? Warum tritt sie denn nicht vor und weist mit dem Finger auf den Oetsch und spricht: ›Er war's! Da sind die Beweise!‹«

»Weil sie ihn liebt!«

Die Centa schrie es in heller Angst heraus. Ich trat zwei Schritte zurück. Sie kam mir nach und rief mir wieder ins Gesicht: »Weil sie ihn liebt!«

»Centa ...«

»... weil sie ihn liebt ... weil sie ihn liebt .. weil er sie irgendwie behext hat – gleich nach dem Tod ihres Mannes. Er verhext ja euch alle! Er macht ja mit euch allen, was er will! Er hypnotisiert euch ja, wenn er euch nur anschaut ...«

Eine Zeitlang redeten wir nichts mehr. Ich war ganz betäubt. Dann sagte ich:

»Wenn dem so wäre – warum hat sie denn dann den Safferstätt geheiratet und nicht den Oetsch?«

Die Katzel schauderte. »Den Mörder des eigenen Mannes heiraten ...«, sprach sie. »Nein ... Poldl ... dagegen empört sich die Natur! So weit reicht selbst dem Johann Preisgott seine übernatürliche Macht über die Menschen nicht! Aber groß genug ist sie, daß er die Mette ganz in seinem Bann hält! Sie ist ja gestern wie verzaubert auf ihn zugeschritten und hat ihm vor uns allen lächelnd und willenlos die Hand gegeben!«

Jetzt fröstelte auch mich. Aber ich wollte an solch eine Lähmung der Seele durch fremden Einfluß nicht glauben und versetzte:

»Centa – hältst du es denn für möglich, daß ein Mensch – und wenn er es selbst aus Liebe täte – solch ein furchtbares Geheimnis jahrelang oder womöglich lebenslang mit sich herumtragen kann?«

»Nein.«

»Ja ... also ...«

»Sie erträgt's ja auch nicht! Schau sie doch nur an! Die Frau ist ja nur noch ein Schatten! Sie geht an dem Zwiespalt zugrunde! Sie möchte sich selbst von der furchtbaren Last befreien! Und sie will doch den Johann Preisgott nicht seinen Richtern überliefern!«

»Da gibt's aber doch keinen Ausweg!«

»Freilich gibt's einen! Deswegen ist sie ja hier bei uns!«

»Das versteh' ich nicht, Katzel!«

»Deswegen läßt sie sich hierher den Pater Faramund kommen, den letzten Verwandten ihres Mannes! Was sie dem unter dem Siegel des Beichtgeheimnisses anvertraut, erfährt, solange die Welt steht, kein Richter und kein Mensch! Der Beichtstuhl – das wissen wir wahrhaftig – schweigt tiefer als das Grab!«

»... und der Johann Preisgott läuft auch in Zukunft frei herum und läßt weiter den Kain einen guten Mann sein!«

»Aber sie, die Mette, hat ihr Herz erleichtert! Sie hat einem andern ihre Last aufgebürdet! Der Pater Faramund ist von einem strengen Orden. Er wird nicht glimpflich mit ihr ins Gericht gehen, daß sie so lange geschwiegen. Was er ihr sagen und was er ihr auferlegen wird, das können wir Menschen nicht wissen. Aber das ist gewiß: er wird nicht leicht den Stab nehmen und sie absolvieren!«

»Ich denke mir, was er tun wird!« sagte ich.

»Poldl ... sprich es nicht aus! Daß so etwas in unserem Hause sich vollziehen soll ...«

»... was er tun muß!« fuhr ich fort. »Das heißt – damit ich nicht sündige: der Priester im Beichtstuhl ist nur Gott Rechenschaft schuldig. Er hat unumschränkte Macht, Sünden zu vergeben! Aber trotzdem ... so wie ich es mir als Sohn der Kirche einbilde, kann er zu der Mette nur sprechen: Ich verweigere dir die Absolution, bis du deine Gewissenspflicht erfüllt und den Mörder deines Mannes der irdischen Gerechtigkeit überliefert hast!«

»Ja!«

»Denkst das auch, Katzel?«

Die Centa wies mit zitternder Hand nach dem farbenbunten Park hinüber.

»Und ob ich's tu! ... Deswegen hat sie ihm ja die Hand geschüttelt bei der Ankunft, weil sie schon Mitleid mit ihm hat und weiß, was kommt! Deswegen hat sie heute vor Tau und Tag voll Angst und Zwiespalt in der Frühmesse gekniet. Deswegen geht er jetzt neben ihr drüben im Wald und beschwört sie und behext sie und redet ihr in einem Zug zu und läßt sie nicht zu Atem kommen, daß sie im letzten Augenblick von ihrer Reue zurückkommt und auch dem Pater Faramund gegenüber schweigt und den frommen Mann unverrichteter Dinge in sein Kloster zurückschickt! Der Johann Preisgott weiß zu genau: Mit dem Pater Faramund tritt sein Tod über unsere Schwelle! Da wehrt er sich, wie er kann, und ihm ist ja jedes Mittel recht ...«

»Das freilich!«

»Jetzt setzt er mit all seinen höllischen Kräften der unglücklichen Mette zu und ringt mit ihr, um sie doch noch wieder vor sich auf die Knie zu zwingen! Wenn er diesmal siegt, dann hat er wahrscheinlich für immer gesiegt, und sie schweigt hier auf Erden bis ins Fegfeuer hinein!«

»Mög' ihr Gott Standhaftigkeit verleihen!«

»Einen furchtbaren Stand hat sie gegen ihn und seine Gewalt! Es geht doch eine schreckliche Gewalt von ihm aus. Ich begreif' sie nicht! Ich tät' mich lieber in den Gottseibeiuns selber vergaffen als in den Johann Preisgott. Aber so recht grundschlechte Menschen sind ja, scheint mir, für gute, schwache Menschen so seduisant wie der Böse in Person ...«

»Da magst recht haben, Centa ...«

»Jetzt kämpfen da im Park das Licht und die Finsternis miteinander, und der Pater Faramund ist wahrscheinlich schon unterwegs, und wir können nichts tun, Poldl!«

»Wir können nichts tun als warten!«

Meine Frau zuckte plötzlich zusammen.

»Eben kommt die Mette zurück!« sagt sie.

Ich folgte der Richtung ihres Blicks. Es schimmerte da etwas wie ein Klecks Bleiweiß auf einer vielfarbigen Malerpalette. Das war der Mette Safferstätt ihr weißes Kleid vor dem bunten Herbstlaub. Sie trug keinen Hut. Ihr prachtvolles, aschblondes Haar trank sich förmlich an der Sonne satt und spiegelte sich in goldenen Lichtern wider. Ihr zartes, weiches Gesicht darunter war blaß wie immer. Es trug einen ruhigen, träumerisch leidenden Ausdruck. Die blauen Augen schauten, wie sie näher kam, verschleiert und versonnen in die Weite. Sie war allein und wandte auch das Haupt nicht und blickte nicht zurück. Sie hatte die Hände in den Taschen ihrer weißen Jacke und ging rasch, biegsam, mit flüchtigen Schritten. Sie sah wie ein junges Mädchen aus.

Und doch fiel mir etwas auf, was nicht zu ihrem gewohnten sanften und hingebenden Wesen paßte. Eine Entschlossenheit. Worin dieses Unbeirrte lag – ob in einem Zug der zusammengepreßten Lippen, ob in der Haltung des etwas in das Genick gelegten Hauptes, die von der sonstigen, anmutig geschwungenen Nackenlinie abstach, ob in dem raschen, unbeirrten Gang – jedenfalls: sie blickte nicht rechts und nicht links, sie blickte unentwegt geradeaus. Schritt um den Springbrunnen herum, ohne darauf zu achten, daß er sie an dem frischen Herbstmorgen mit seinem kalten Wasserdunst überstäubte. Öffnete mit einem kurzen, harten Ruck die kleine Treppenpforte. Verschwand im Schloß.

Ich hatte mein Fernrohr genommen und schaute über die Parkwipfel zum jenseitigen Berghang hinüber. Richtig: Über die grünen Almen stieg der Oetsch empor oder vielmehr, er schwang sich eben, auf seinen Bergstock gestützt, mit einem Riesensprung über ein hohes Viehgatter, federte drüben stählern in den nackten Knien, klomm mit der Lungenweite eines Holzhackers aufwärts. Es war mir immer wieder erstaunlich, zu beobachten, wie sein ganzer äußerer Mensch sofort sich der Kleidung anpaßte, die er gerade anhatte. Jetzt trug er bayrische Gebirgstracht, und so ging er auch, etwas vorgebeugt, mit langem krummem Schritt, den Nagelschuh kaum über den Boden hebend, die kurze Pfeife im Mundwinkel, den Rucksack auf dem Buckel, genau wie einer meiner Holzknechte oder Forstgehilfen. Die furchtbare Auseinandersetzung, die er doch eben unter vier Augen mit der Mette Safferstätt gehabt haben mußte, störte ihn, schien es, in keiner Weise darin, sich oben vom Zwieselstein, ein paar Stunden von hier, mit dem Krimstecher die Gemse in den Schrofen gegenüber aufzusuchen, auf die er sich morgen früh im ersten Tagesgrauen wie ein Indianer auf dem Bauch heranpirschen wollte.

Hinter mir räusperte es sich diskret. Der Haushofmeister war eingetreten und meldete, daß unten der Wagen bereit stände, der den Grafen Meerwarth und den Professor Langpointner zur Poststation fahren sollte, damit genannte Landstände zum morgigen Landtag in München zurechtkämen. Auf dem Rückweg sollte der Wagen gleich wieder einen neuen erlauchten Gast, den k. k. Lieutenant Prinzen Tettikon, mitbringen, der vom nahen Tirol über die Grenze herüber gerne einmal bei mir zu einem guten Schuß kommen wollte. Ich hatte Seiner Durchlaucht denn auch versprochen, daß er nicht ohne ein präsentables Geweih aus Vogelöd abreisen sollte. Ich ging in den Hof hinunter, um mich als Hausherr von dem Onkel Franz Assisi und dem Professor zu verabschieden. Meine Frau bat mich:

»Tu mir die einzige Liebe und entschuldige mich! Ich kann jetzt nicht unter Menschen! Ich zittere am ganzen Leib! Sag' halt, ich hätt' Migräne ...«

»Legst dich denn wirklich hin, Katzel?«

»Nein. Ich hätt' ja doch keine Ruh'! Ich geh' jetzt die Treppe hinauf zu den Kindern! Das beruhigt mich noch am ehesten!«

»Gut is!« erwiderte ich. »Sowie die Gäste abgefahren sind, komm' ich dir nach!«


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