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Epilog

Kaum drei Monate sind seit der Ermordung Rasputins vergangen. Der Sturm der Revolution braust über Russland hinweg. Der Zar hat abgedankt. Die Zarenfamilie ist im Schloss in Zarskoje-Selo gefangen. In der halbfertigen Kapelle, unter der Rasputin liegt, graben Soldaten im Schnee. Ein aus Petersburg erschienener Revolutionär hat Befehl gegeben, Rasputins Leiche auszugraben. Die Arbeiten werden geleitet von dem Artillerie-Offizier Klimow, der, vor der Abdankung des Zaren, zur Fliegerabwehrbatterie des kaiserlichen Palastes gehörte.

Man stösst auf den Sarg. Man öffnet ihn.

Das Gesicht des Toten ist ganz schwarz geworden. Auf der Brust liegt das Heiligenbild, das die Wyrubowa ihm noch am letzten Tage überbracht hat und das auf der Rückseite die Namenszüge der Zarin, ihrer vier Töchter und Annuschkas trägt.

Der Offizier Klimow bittet den Revolutionär, ihm dieses Heiligenbild zu geben, damit er es dem Kommandanten von Zarskoje-Selo übergeben kann. Das wird ihm bewilligt. Der Revolutionär ruft dann bei Kerenski in der Duma an, dass man den Sarg gefunden habe. Kerenski befiehlt, die Leiche heimlich nach Petersburg zu bringen.

Man packte den Sarg in eine grosse Kiste, die sonst zu Klaviertransporten gedient hatte, und überführte sie nachts nach Petersburg, wo man sie in den ehemaligen kaiserlichen Marställen versteckte. Am 10. März wurde die Leiche von einem Bevollmächtigten des Provisorischen Komitees der Duma namens Kuptschinski, einem Vertreter der Regierung von Petersburg namens Kolotsejew und mehreren Studenten auf einen Lastwagen geladen. Der Wagen verliess die Stadt und schlug die Richtung nach Lesnoje ein. Bei Lesnoje verbrannte man die Leiche an der Chaussee, einen halben Werst vom Walde. Hierüber nahm man ein Protokoll mit amtlichen Siegeln auf.

Kuptschinski hat später erzählt, dass die Einäscherung der Leiche aus folgendem Grunde geschehen sei. Er hatte von Kerenski Auftrag erhalten, die Leiche Rasputins irgendwo auf dem freien Felde zu beerdigen. Während der Fahrt hatten sie eine Motorpanne und mussten bei Lesnoje haltmachen. Menschen rotteten sich zusammen; die Leute behaupteten, dass Gold in der Kiste sei, und verlangten, dass man sie öffne. Man fand die Leiche darin. Kuptschinski liess sich nicht aus der Fassung bringen und beschloss, sie an Ort und Stelle zu verbrennen. Er liess Bäume abhacken und einen Scheiterhaufen errichten, den man mit Benzin tränkte.

Fand die Verbrennung der Leiche infolge eines solchen Zufalls statt, wie Kuptschinski erzählt, oder auf Befehl der Provisorischen Regierung? Die Sache ist nicht aufgeklärt.

Im übrigen ändert das nichts an der Angelegenheit. Rasputin wurde verbrannt und seine Asche im Winde zerstreut. So war es seinerzeit Grigori Otrepiew, dem Usurpator, der im siebzehnten Jahrhundert auf den Zarenthron gestiegen war, ergangen. So erging es auch Rasputin, dem Bauern, dem es im zwanzigsten Jahrhundert gelang, bis zum Thron vorzudringen.

Lange Zeit hatte die orthodoxe Kirche den Bannfluch über Grigori Otrepiew ausgesprochen. Wird das russische Volk in gleicher Weise seinen Fluch über Rasputin aussprechen? Wir glauben das nicht. Das Volk wird begreifen, dass trotz allem Bösen, was er seinem Vaterlande zufügte, Rasputin seinem Lande gegenüber weniger schuldig ist als die Vertreter der gebildeten Kreise aller Klassen der Bevölkerung, die ihm den Weg zum Thron freigemacht und ihn für ihre egoistischen Zwecke ausgenutzt haben. Auf ihren Manövern nur beruht es, dass der Zar und die Zarin sich ernsthaft von Rasputin haben verblenden lassen und in ihm einen Vertreter des »Volkes« sahen, einen heiligen Mann, der zum Heile ihrer Familie und zum Heile Russlands von Gott geschickt war.


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