William Shakespeare
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William Shakespeare

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Sechste Scene.

Claudio kommt herein.

Kerkermeister. Siehe hier, Claudio, dein Todesurtheil; es ist izt Mitternacht, und bis morgen um acht Uhr must du unsterblich gemacht werden. Wo ist Bernardin?

Claudio. So stark vom Schlaf gefesselt als ob er unschuldig wäre, und nichts zu befürchten hätte. Er wird nicht aufzuweken seyn.

Kerkermeister. Und was würd' es ihm auch helfen; er ist ein verhärteter Bube – – Gut, begebt euch wieder weg und bereitet euch.

(Claudio geht ab.)

Still! was für ein Getöse ist das? – – der Himmel stärke euch! – – Ich komme – – Hoffentlich ist es Begnadigung, oder doch einiger Aufschub für den wakern Claudio – – Willkommen, Vater.

Der Herzog kommt herein.

Herzog. Die besten und heilsamsten Geister der Nacht steigen auf euch herab, wakrer Kerkermeister! Wer klopfte seit einiger Zeit hier an?

Kerkermeister. Niemand, seitdem die Nachtgloke geläutet worden.

Herzog. Nicht Isabella?

Kerkermeister. Nein.

Herzog. So wird sie doch nicht lange mehr ausbleiben.

Kerkermeister. Was für Hoffnung haben wir für den Claudio?

Herzog. Es ist noch nicht alle verlohren.

Kerkermeister. Der Statthalter ist ein harter Mann.

Herzog. Nicht so, nicht so; sein Leben lauft mit seiner strengen Gerechtigkeit in gleicher Linie: Mit der Enthaltung eines Heiligen bezwingt er den Trieb in ihm selbst, dessen Ausschweiffungen sein Amt an andern strafen muß. Ja, dann wenn er selbst ausübte, was er an andern straft, dann wär' er tyrannisch; aber so wie er ist, ist er gerecht – – Nun kommen sie.

(Man hört an der Thüre klopfen. Der Kerkermeister geht hinaus.)

Dieser Kerkermeister ist ein wakrer Mann; es ist etwas seltnes an einem Mann von seinem Beruf, ein Menschenfreund zu seyn. Aber was giebts? Was für ein Getöse? Das muß ein hastiger Geist seyn, der so ungestüm an der Thüre pocht.

Der Kerkermeister kommt zurük.

Kerkermeister. Er kan warten, bis der Wächter wieder kommt, der ihn hineinführen soll; er ist abgeruffen worden.

Herzog. Habt ihr noch keinen Gegenbefehl wegen des Claudio? Muß er morgen sterben?

Kerkermeister. Keinen, ehrwürdiger Herr, keinen.

Herzog. Es fängt schon an zu dämmern, Kerkermeister; ihr werdet, eh es Morgen seyn wird, mehr hören.

Kerkermeister. Wie glüklich wär's, wenn ihr etwas wißtet; aber ich fürchte, es kommt kein Gegenbefehl; wir haben kein solch Exempel; und zudem, so hat der Stadthalter, auf dem Thron der Gerechtigkeit selbst, und vor den Ohren des ganzen Volks das Gegentheil versichert.


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