William Shakespeare
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William Shakespeare

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Dritte Scene.

Der Herzog und der Kerkermeister zu den Vorigen.

Herzog. Ein Wort mit euch, junge Schwester, nur ein Wort.

Isabella. Was ist euer Begehren?

Herzog. Wenn eure Zeit es zuliesse, so möcht ich eine kleine Unterredung mit euch haben, deren Inhalt zu euerm eignen Besten abzielt.

Isabella. Ich habe keine überflüßige Zeit; ich muß mein Verweilen andern Geschäften stehlen; aber doch will ich noch eine Weile hier bleiben, euch anzuhören.

Herzog. Sohn, ich habe gehört was zwischen euch und eurer Schwester vorgegangen ist. Angelo hat nie den Vorsaz gehabt sie zu verführen; seine Absicht war nur, ihre Tugend auf die Probe zu stellen, und er ist erfreut daß sie ihn so muthig abgewiesen hat. Ich bin des Angelo Beichtiger, und weiß daß diß wahr ist; bereitet euch also zum Tode. Entkräftet eure Entschlossenheit nicht durch betrügliche Hoffnungen; morgen müßt ihr sterben; auf eure Knie nieder, und bereitet euch zu!

Claudio. Laßt mich meine Schwester um Verzeihung bitten. Die Liebe zum Leben ist mir so vergangen, daß ich froh seyn werde, davon los zu kommen.

(Claudio geht ab.)

Herzog. Gehabt euch wohl. Kerkermeister, ein Wort mit euch.

Kerkermeister. Was ist euer Wille, Vater?

Herzog. Daß ihr euch ein wenig entfernen sollt; laßt mich eine Weile bey dieser Schwester; mein Habit und mein Character sind euch Bürge, daß sie von meiner Gesellschaft nichts zu besorgen hat.

Kerkermeister. Das kan wohl geschehen.

(Geht ab.)

Herzog. Das Glük hat es so gefügt, daß ich von dem Anfall, den Angelo auf eure Tugend gethan hat, benachrichtiget worden bin; und wenn diese Gebrechlichkeit nicht durch andre Beyspiele begreiflich gemacht würde, so würde sie mich an Angelo wundern: aber was wollt ihr thun, diesen Statthalter zu befriedigen, und euern Bruder zu retten?

Isabella. Ich bin im Begriff ihm meinen Entschluß zu melden; ich will lieber, mein Bruder sterbe durch das Gesez, als mein Sohn werde gegen das Gesez gebohren. Aber, o! wie sehr hat sich der gute Herzog in diesem Angelo betrogen! Wenn er jemals wieder zurük kömmt, und ich vor ihn kommen kan, so will ich die Sprache verliehren, oder ihm diese schändliche Regierung entdeken.

Herzog. Das wird nicht übel gethan seyn; aber so wie die Sache izt steht, wird Angelo eure Anklage unkräftig machen; er wird sagen, er habe euch nur auf die Probe gesezt. Höret also meinen Rath; meine Begierde Gutes zu thun, giebt mir ein Mittel ein: Mich däucht, ihr könntet auf die unschuldigste Art und zu gleicher Zeit einem armen beleidigten Frauenzimmer einen Dienst leisten den sie verdient, euerm Bruder das Leben retten, und euch dem abwesenden Herzog nicht wenig gefällig machen, wenn er jemals wiederkommen, und von dieser Sache hören sollte.

Isabella. Redet weiter; ich habe Muth genug alles zu unternehmen, wovon mein Herz mir nicht sagt, daß es unrecht ist.

Herzog. Die Tugend ist herzhaft, und die Güte niemals furchtsam. Habt ihr nicht von einer gewissen Mariana gehört, einer Schwester des Schiffhauptmann Friedrichs der auf dem Meer verunglükte?

Isabella. Ich habe viel Gutes von diesem Frauenzimmer sagen gehört.

Herzog. Sie sollte dieser Angelo geheurathet haben, er hatte sich mit ihr versprochen, und der Hochzeit-Tag war schon angesezt: Allein während der Zwischenzeit hatte Friedrich das Unglük, in einem Schiffbruch sein Vermögen, seiner Schwester Erbtheil, und sein Leben zu verliehren. Die arme Fräulein verlor dadurch einen edeln und angesehnen Bruder der sie zärtlichst liebte, mit ihm ihr Heurathgut, und mit beyden ihren Bräutigam, diesen scheinbaren Angelo.

Isabella. Ist das möglich? Angelo verließ sie?

Herzog. Verließ sie in Thränen, und troknete nicht eine derselben mit seinem Trost ab, brach sein Gelübde unter dem Vorwand einige Fleken an ihrer Ehre entdekt zu haben; kurz, überließ sie ihrem Elend, und den Schmerzen die sie um seinetwillen leidet – –

Isabella. Wie wohl würde der Tod thun, wenn er dieses arme Mädchen aus der Welt nähme! Und wie ungerecht ist dieses Leben, daß es einen solchen Mann leben läßt! Aber wie kan ihr geholfen werden?

Herzog. Es ist ein Bruch, den ihr leicht heilen könnet; und die Heilung desselben rettet nicht nur euern Bruder, sondern macht auch daß ihr ihn ohne Verlezung eurer Ehre retten könnet.

Isabella. Wie kan das geschehen, mein guter Vater?

Herzog. Die vorbenannte Person hegt noch immer ihre erste Leidenschaft; sein ungerechter Kaltsinn, der ihre Liebe billig ausgelöscht haben sollte, hat sie, gleich einem Hinderniß das dem Lauf eines Stroms entgegensieht, nur heftiger und unordentlicher gemacht. Geht ihr zu Angelo, antwortet seinem Begehren durch den Verspruch eines verstellten Gehorsams; gestehet ihm die Hauptsache zu, nur behaltet euch diese Bedingungen vor, daß ihr euch nicht lange bey ihm verweilen müsset, daß die Zeit von Dunkelheit und Stillschweigen begleitet sey, und der Ort die Bequemlichkeiten habe, die ein Geheimniß erfodert. Gesteht er euch dieses zu, so geht alles nach unserm Wunsche; wir unterrichten alsdenn dieses beleidigte Mädchen, sich zur gesezten Stunde an euern Plaz zu stehlen; dieses kan, wenn die Wahrheit sich in der Folg' entdekt, ihn nöthigen ihr Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, euer Bruder kommt dadurch in Freyheit, eure Ehre bleibt unbeflekt, die arme Mariana wird versorgt, und dem Stadthalter wird die Larve abgezogen. Ich nehm' es über mich, das gute Mädchen dazu vorzubereiten; wenn euch dieser Entwurf sonst gefällt, so braucht ihr euch kein Bedenken zu machen; das dreyfache Gute das daraus entspringt, macht den Betrug untadelhaft. Was dünkt euch hiezu?

Isabella. Die Vorstellung davon beruhigt mich bereits und ich hoffe der Ausgang werde erfreulich seyn.

Herzog. Es kommt alles auf euern Beytrag an; eilet unverzüglich zu Angelo; wenn er euch um diese Nacht bittet, so sagt es ihm zu, unter den Bedingungen, die wir abgeredt haben. Ich will indessen zu Marianen gehen; fraget mir bey St. Lucas wieder nach, und macht daß ihr von Angelo bald zurükkommt.

Isabella. Ich danke euch für diesen Beystand; lebet wohl indessen, mein guter Vater.

(Sie gehen ab.)


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