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Von der Gottlosigkeit

Gottlos nennt man wol im gemeinen Leben jedes Laster, weil durch jedes der Mensch gewissermaßen Gott lästert, Gottes und seiner Ordnung und seiner ganzen Einrichtung spottet oder zu erkennen giebt, daß er nicht wahrhaft an ihn glaubt. Aber Gottlosigkeit im engern Verstande ist entweder der gänzliche Mangel des Glaubens an Gott oder unerhörte Unbesonnenheit in Allem, was sich auf Gott, Vorsehung, Religion, Tugend und wahre Würde des Menschen bezieht. Wer ohne Gott ist, ist gottlos, so wie Derjenige sinnlos ist, der ohne Sinn ist und handelt. Wer Gottes Allmacht und Weisheit und Güte leugnet, wer seinen Mitmenschen den Trost der Religion, die Hoffnung der Ewigkeit und die Vergeltung der Thaten rauben will, ist gottlos. Wer über Dinge, die jedem guten Menschen heilig sind, über Wahrheit und Tugend spottet, ist gottlos. Wie schrecklich und entsetzlich muß der Zustand eines Menschen sein, dem Gott, Vorsehung, Religion, Tugend, Hoffnung der Unsterblichkeit nichts ist, und wie noch schrecklicher, wie noch entsetzlicher muß der Zustand eines Menschen sein, der Härte, Verderbtheit des Herzens und Bosheit genug hat, auch seinen Mitbrüdern diesen seligen Trost rauben zu wollen! Aber nicht allein das gänzliche Leugnen oder die vermessene Zweifelsucht an der göttlichen Wahrheit der Religion ist gottlos, sondern auch und noch mehr der leichtsinnige, unbesonnene, frevelhafte Mißbrauch dieser göttlichen Lehren. »Du sollst den Namen des Herrn Deines Gottes nicht mißbrauchen«, ist eines der ersten Gebote der weisen Gesetzgebung von Sinai. Wir schämen uns schon, den Namen unserer Lehrer, unserer Obrigkeiten, unserer Fürsten ohne Ehrfurcht und mit Geringschätzung zu nennen, und wir sollten nicht voll heiliger Ehrfurcht sein, wenn wir den Namen des Gottes der Welten nennen, vor dem die Erden Sandkörner und die Sonnen Lichtfunken sind, und der Könige und Bettler in gleicher Wage nach ihrem wirklichen Werth wägt? Das Fluchen ist entweder Bosheit oder Unsinn, verräth entweder Finsterniß des Verstandes oder Verkehrtheit des Herzens, oft auch Beides zugleich. Ein Mann, der immer die Wahrheit zu reden gewohnt ist, wie jeder vernünftige Mensch soll, hat nicht nöthig, das, was er spricht, feierlich zu betheuern. Man glaubt seinem Worte, und wenn man diesem nicht glaubt und nicht glauben kann, so glaubt man ebenso wenig seinen Schwüren. Flüche und Schwüre zeigen überall einen sehr frevelhaften, rohen, ungebildeten Menschen und sind für ein vernünftiges Wesen, das die Majestät des Schöpfers und seine eigene Würde fühlt, sehr erniedrigend. Ist es nicht unsinnig, dem Himmel durch seine Ruchlosigkeit und Verwegenheit Trotz bieten zu wollen? Gott ist kein Mensch, daß er zürne; aber ein Mensch, der so frevelnd denken und reden kann, zeigt schon selbst eine Gemüthsstimmung, die ihn der wahren Glückseligkeit unfähig macht. Wie will der Mensch glücklich sein, der bei jeder Gelegenheit den Zorn des Himmels auf sich herabruft und böse Geister zu seinem Verderben auffordert? Nicht der Zorn des Himmels, den er herabruft, nicht die bösen Geister, welche er auffordert, bringen ihm Verderben, sondern seine eigene Bosheit, seines Herzens Verstocktheit und seines Geistes Finsterniß. Der Himmel straft immer die Lasterhaften durch ihre eigenen Laster. Der Gottlose wird endlich fürchterlich durch allen Mangel des Trostes, durch die Pein der Seelenangst und zuweilen durch Verzweiflung am Rande des Lebens gestraft. Dem Gottseligen und Tugendhaften ist die Stunde des Todes eine Botschaft der Ruhe und des Friedens; dem Gottlosen und Lasterhaften ist sie eine Folter ohne Linderung, eine unaussprechliche Qual ohne Hoffnung. Selbst die Vernunft hat dann Schiffbruch gelitten und ist unfähig, die letzten Strahlen des Lichts zu sehen, den letzten Weg zur Rettung und Ruhe zu finden. Es giebt fürchterliche Beispiele dieser Art, die jeden noch der Besinnung fähigen Menschen bei Zeiten abschrecken sollten, der den Weg der Sünder angetreten hat und sich schon dorthin setzet, wo die Spötter sitzen. Jedes Laster kann ein trauriges Ende nehmen; aber das Ende der Gotteslästerer und Religionsspötter ist das gräßlichste, es mag sie noch die Pein des Gewissens ergreifen, oder sie mögen dahinfahren in ihres Herzens Härtigkeit. Manchmal wird der Grund zu diesem schrecklichen Zustande durch jugendlichen Leichtsinn und Mangel eines vernünftigen Unterrichts gelegt. Wie wichtig, wie heilig muß also Eltern und Erziehern die Pflicht sein, über das junge Herz und den aufkeimenden Verstand ihrer Kinder und Pfleglinge zu wachen, damit sie sich nicht in diese Irrwege voll tödtlicher Gefahren verlieren! Wie wichtig, wie heilig ist die Pflicht eines jeden Menschen, alle seine Empfindungen und alle seine Gedanken durch Vernunft und Religion prüfen und leiten zu lernen! Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang. Wer nicht Gott, seinen Schöpfer und Wohlthäter, ehret, wer die heilige, ewige Wahrheit seiner Religion nicht lebendig fühlt, nicht in derselben seine ganze Glückseligkeit sucht und findet, der wird nie ganz und sicher weise und zufrieden. Möchte Niemand von uns Ursache haben, vor sich selbst zu zittern, wenn er in seinen Busen greift, wenn er die geheimsten Gedanken und Empfindungen seiner Seele untersucht; möchte Jeder sich an den Trost der Tugend und der Gottseligkeit halten, so lange es Zeit ist! Wer Gott nicht fürchtet, nicht liebet als seinen Vater, der fürchtet ihn endlich mit Entsetzen als seinen Richter.

Gott, unser Trost, laß uns von dem Gedanken
An Dich, an Dich nie, nie ein Haarbreit wanken;
Laß unser Ohr nie hören Spott der Spötter,
Gott, unser Retter!

Laß unser Herz stets Deine Wege wallen,
Und lehr uns thun nach Deinem Wohlgefallen,
Daß hier durchaus im Glück nichts, nichts im Leide
Von Dir uns scheide!


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