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Von der Mäßigkeit und Sparsamkeit

Diese beiden häuslichen Tugenden sind der Grundpfeiler der häuslichen Glückseligkeit. Den Meisten unter uns sind sie durchaus nöthig, wenn wir nicht bald zu Grunde gehen wollen, und selbst den Reichern an Gütern sind sie unentbehrlich. Sie folgen aus der Ordnung, oder sie sind vielmehr die Ordnung selbst im Genuß mit Vorsicht und Hinsicht auf die Zukunft. Der Mäßige hält ein im Genusse, um desto länger genießen zu können; der Sparsame geht haushälterisch um mit den Mitteln des Genusses, damit sie ihm nicht fehlen zur Zeit, wenn es am Nötigsten ist. Der Mäßige erreicht mehrere wohlthätige Zwecke durch seine Mäßigkeit. Er verlängert den Genuß und sichert ihn für die Zukunft, und ihm ist doppelt wohl bei dem Gegenwärtigen. Er ist froh, aber nicht ausgelassen; er genießt, aber er schwelgt nicht. Er nimmt zum Bedürfniß und zur Sättigung, aber nicht zur Völlerei; um Kräfte zu sammeln, nicht um sich zu mästen. Seine Seele herrscht über seinen Körper, und er läßt sie nicht in der Unthätigkeit des Körpers einschlummern. Mäßige Mahlzeiten geben frohe Tage und ruhige Nächte. Der gesättigte Mensch ist leicht und heiter und lebendig an Leib und Seele; der überfüllte ist träg und schleicht wie die Schlafsucht. Den Unmäßigen beschweret bald hier bald da eine Uebelkeit, und der Arzt und Apotheker haben zu arbeiten, um wieder gut zu machen, was er verdorben hat. »Keines Dinges zu viel«, ist ein goldenes Sprüchelchen überall. Mancher zerstört seine Gesundheit durch übermäßiges Arbeiten; aber Mehrere vielleicht zerstören sie durch Uebermaß in Speise und Trank. Beides ist sehr schlimm, aber das Letzte ist schändlich. Durch Ausschweifung entehrt der Mensch seine Vernunft, indem er sein Glück verwüstet. Er sinkt fast tiefer als die unvernünftigen Geschöpfe, welche selten über ihr Maß verzehren. Ein Landmann, der den Pflug regiert und den Wagen treibt und den ganzen Tag sich in der freien Luft bewegt, verlangt freilich billig mehr zu einer Mahlzeit als ein Stubensitzer, der selten vom Stuhle aufsteht. Der Landmann arbeitet mehr mit dem Körper, sein Körper muß also mehr Nahrung haben. Er ist stärker, eben deswegen verzehrt er mehr. Mäßigkeit ist eine Sache, die bei verschiedenen Personen Verschiedenes ist. Was für den Einen zuviel wäre, ist für den Andern noch zu wenig, und umgekehrt. Der sicherste Beweis, daß Jeder sein richtiges Maß beobachtet, ist, wenn er beständig gesund, leicht, munter und froh ist; wenn alle seine Arbeit fördert; wenn er nicht ungewöhnlich ermüdet; wenn er nach der guten Mahlzeit gut schläft, ohne viel und ängstlich zu träumen; wenn ihn sein Blut nicht peitscht; wenn er an Doctor und Barbier um Purganz und Aderlaß in zehn Jahren nicht denkt und die Apotheke den Leuten in der Stadt läßt. Uns gewöhnlichen Landleuten wird die Mäßigkeit weit leichter als den Reichen in der Stadt, die dann nicht einmal Gelegenheit haben, ihre Ueberfüllungen durch nöthige starke Bewegung einigermaßen wieder in Ordnung zu bringen. Daher sind in der Stadt Schocke von Krankheiten, die wir in unserer glücklichen Unwissenheit gar nicht kennen. Den Reichen ist also bei ihrem Ueberfluß vorzüglich die Mäßigkeit zu empfehlen; den Armen empfiehlt sie oder gebietet sie sich mit ihrer Begleiterin, der Sparsamkeit, von selbst. Den Reichen ist sie höchst nützlich und nöthig; den Armen ist sie durchaus unentbehrlich. Sparsamkeit gehört durchaus zur Sorge für unser Glück, vorzüglich auf dem Lande. Wer bürgt uns, daß die künftige Ernte so reichlich sein werde wie die von diesem Jahr? Der Winter ist lang. Wenn das Obst alle frisch verzehrt oder verkauft und nichts getrocknet oder gebacken worden ist, so wird der Mangel dieser herrlichen gesunden Kost bald empfindlich gespürt. Werden die Bäume das künftige Jahr wieder so reichlich tragen? Vorrath im Keller und auf dem Boden ist die Pflicht des Hausvaters und der Hausmutter. So wie jeder vernünftige einzelne Mann auf sein Alter denkt, so denkt der Hausvater an die Zukunft für seine Kinder. Es ist Pflicht, den Kindern so viel als möglich das Erbe ihrer Vorfahren zu erhalten. Es ist etwas Ehrwürdiges, einen Hof von Vätern auf Söhne in einer langen Reihe Jahrhunderte herab beständig im Erbe und immer im Wohlstand zu sehen, ebenso ehrwürdig als die Besitzungen der Vornehmen von Ahnen zu Ahnen herab. Nur Häuslichkeit, Ordnung und Sparsamkeit kann dieses bewirken. Es ist höchst wehmüthig, wenn man von einem Manne sagt: »Er hat Haus und Hof verlassen müssen«, und höchst qualvoll muß es für ihn sein, wenn ihm sein eigenes Gefühl sagt, er selbst sei Schuld daran. Diese Sparsamkeit wird desto nothwendiger, je mehr man jetzt von allen Seiten die Bedürfnisse des Lebens vermehrt. Wir haben jetzt so in unsern Haushaltungen Dinge, die wir für unentbehrlich halten, von denen man vor hundert Jahren noch gar nichts wußte und sich ohne sie doch ebenso wohl oder besser befand. Der Tabak und der Kaffee verzehrt auch unter dem Landvolke große Summen, ohne daß er den geringsten Vortheil brächte. Verständige Aerzte behaupten und beweisen die Schädlichkeit von beiden, und doch nimmt der Gebrauch immer mehr überhand. Es ist ein großer Vortheil, wenn man alle oder doch seine meisten Nothwendigkeiten aus seiner eigenen Wirtschaft nehmen kann, welches mit diesen beiden überflüssigen und doch kostspieligen Bedürfnissen durchaus unmöglich ist. Jeder für sich und Alle für Alle sollten nach und nach diesem Unheil zu steuern suchen, das schon manchen Magen und manche Geldbörse verdorben hat. Wenn man Jemand, der es nicht gewohnt wäre, zur Strafe zwänge, Tabak zu rauchen oder zu schnupfen, so würde diese Strafe sehr grausam scheinen, so ekelhaft und widerlich ist diese berauschende, giftartige Pflanze der Natur. Jetzt hat die verderbliche Gewohnheit auch fast die Natur verkehrt; so viel Gewalt hat eine anfangs unsinnige Mode, wenn sie einmal durch Allgemeinheit das Lächerliche verloren hat.


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