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Sieh! blutgebadet liegt er dorten,
Die Wunde schreit empor;
Vom Himmel Rache fleh'n die Pforten
Des Blutes nach wie vor.
Uranus und Psyche.
Die hohe Kirche St. Johns in Perth war, als die des Schutzheiligen der Stadt, vom Magistrat gewählt worden, weil die Gemeinde hier am meisten Raum fand zur Feierlichkeit des Gottesgerichts. Die Kirchen und Klöster der Dominikaner, Karthäuser und anderer Ordensgeistlichen waren vom Könige und Edelleuten reich begabt worden, und darum war es der allgemeine Ruf des Stadtrathes, man müsse »ihrem eigenen, guten alten St. John,« dessen Gunst sie sich sicher glaubten, vertrauen und ihn den neuen Patronen vorziehen, für welche die Dominikaner, Karthäuser, Karmeliter und Andere rings um die gute Stadt neuere Sitze gestiftet hatten. Der Streit zwischen Ordens- und Weltgeistlichen erhöhte die Eifersucht, welche die Wahl des Ortes bestimmte, auf dem der Himmel in Folge gerader Berufung auf göttliche Entscheidung eine zweifelhafte Schuld durch eine Art Wunder erklären sollte; und der Stadtschreiber gab sich so viel Mühe, die St. Johnskirche vorgezogen zu sehen, als wäre in der Versammlung der Heiligen eine Partei für und eine andere gegen das Interesse der guten Stadt Perth gewesen.
Mannigfach waren daher die kleinen Intriguen, die man wegen der Bestimmung einer Kirche anlegte und hintertrieb. Aber der Magistrat beschloß, in Betracht, daß diese Sache die Ehre der Stadt sehr nahe betreffe, mit klugem Vertrauen auf die Gerechtigkeit und Unparteilichkeit ihres Heiligen, den Erfolg von St. Johns Einfluß abhängig zu machen.
Es wurden daher nach gehaltenem Hochamte, mit der größten Feierlichkeit, deren die Umstände die Ceremonie fähig machten, und nachdem die versammelte Menge wiederholt feurig zum Himmel gebetet, die Vorbereitungen getroffen, um das direkte Urtheil des Himmels wegen der geheimnißvollen Ermordung des unglücklichen Strumpfwirkers anzurufen.
Der Schauplatz zeigte jene imponirende Feierlichkeit, welche die Gebräuche der katholischen Kirche hervorzubringen so geeignet sind. Das östliche Fenster, reich und bunt gemalt, strömte eine Fluth mannigfachen Lichtes auf den Hochaltar nieder. Auf dem vor diesem stehenden Sarge waren die sterblichen Reste des Ermordeten ausgestreckt, die Arme über die Brust gelegt, die Hände gefaltet mit aufwärts gekehrten Fingerspitzen, als wollte der empfindungslose Erdenkloß noch selber den Himmel um Rache gegen diejenigen anrufen, welche den unsterblichen Geist so gewaltsam von seiner verstümmelten Wohnung getrennt hatten.
Nahe bei der Bahre stand der Thron, welcher Robert von Schottland und seinen Bruder Albany trug. Der Prinz saß auf einem niedrigern Stuhl zur Seite des Vaters; eine Anordnung, die einige Aufmerksamkeit erregte, da Albany's Sitz wenig verschieden von dem des Königs war und der bestimmte Erbe, obwohl volljährig, im Angesicht des versammelten Volkes von Perth unter seinen Oheim gestellt zu sein schien. Der Sarg war so gestellt, daß er den Anblick des darin liegenden Körpers dem größten Theile der in der Kirche versammelten Menge frei ließ.
Am obern Ende des Sarges stand der Ritter von Kinfauns, der Ausforderer, und am untern Ende der junge Graf von Crawford, der den Vertheidiger vorstellte. Das Zeugniß des Herzogs von Rothsay zur Reinigung, wie man es nannte, des Sir John Ramorny hatte diesen von der Nothwendigkeit befreit, sich selber dem Gottesgerichte zu unterwerfen, und seine Krankheit diente ihm als Grund, zu Hause zu bleiben. Seine Dienerschaft mit Einschluß derjenigen, die zwar unmittelbar Sir John bedienten, doch unter die Leute des Prinzen gehörten, aber ihre Entlassung noch nicht erhalten hatten, belief sich auf acht bis zehn Personen, die man meist für verworfene Menschen hielt, und die daher wohl fähig geachtet werden konnten, im Rausche des festlichen Abends den Strumpfwirker ermordet zu haben. Sie waren in einer Reihe an der linken Seite der Kirche aufgestellt und trugen weiße, dem Büßerkleide ähnliche Gewänder. Aller Augen waren auf sie gerichtet, und mehrere von der Bande waren so außer Fassung, daß unter den Zuschauern ein lebhaftes Vorurtheil von ihrer Schuld entstand. Der Mörder selbst aber hatte ein Gesicht, das ihn nicht verrathen konnte – einen düstern, dunkeln Blick, den weder Festmahl noch Weinbecher beleben und den die Gefahr der Entdeckung und des Todes nicht niederschlagen konnte.
Wir haben bereits die Lage des Leichnams erwähnt. Das Gesicht war unbedeckt, und ebenso Brust und Arme. Der Rest des Körpers war in das feinste Linnen gehüllt, so daß, wenn Blut von irgend einem Theile floß, der bedeckt war, es sogleich offenbar werden mußte.
Nachdem das Hochamt gehalten, dem eine feierliche Anrufung der Gottheit folgte, daß es ihr gefallen möge, den Unschuldigen zu schützen und den Schuldigen bekannt zu machen, wurde Eviot, Sir John Ramorny's Page, aufgerufen, sich dem Gottesurtheil zu unterwerfen. Er trat mit unsicherem Schritte vor. Vielleicht glaubte er, seine innere Ueberzeugung, daß Bonthron der Mörder sei, werde hinreichen, ihn des Mordes theilhaft zu machen, wenn er gleich keinen wirklichen Antheil daran hätte. Er blieb vor dem Sarge stehen, und seine Stimme bebte, als er bei Allem schwur, was in sieben Tagen und sieben Nächten erschaffen worden, beim Himmel, bei der Hölle, bei seinem Theil am Paradies, bei dem Gott und Schöpfer der Welt, daß er unschuldig und frei sei von der blutigen That an dem Leichnam, der vor ihm lag, und auf dessen Brust er zur Bekräftigung dessen das Zeichen des Kreuzes machte. Es erfolgte nichts. Der Körper blieb steif wie zuvor; die geronnenen Wunden gaben kein Zeichen von Blut.
Die Bürger sahen einander mit Gesichtern voll unangenehmer Täuschung an. Sie hatten sich von Eviot's Schuld überredet und ihr Verdacht war durch sein unentschlossenes Benehmen bestärkt worden. Ihr Erstaunen über sein freies Ausgehen war daher das größte. Die anderen Diener Ramorny's faßten Muth und traten, den Eid zu leisten, mit einer Kühnheit vor, die immer stieg, wenn einer von ihnen die Probe bestanden hatte; sie wurden durch die Stimme der Richter von jedem Verdacht, der auf sie wegen Oliver Proudfute's Tod geworfen worden, für frei und unschuldig erklärt.
Aber es war noch eine Person, die an diesem steigenden Vertrauen keinen Theil nahm. Der Name »Bonthron – Bonthron!« tönte drei Mal durch die Hallen der Kirche; aber er, dem er gehörte, beantwortete den Ruf nicht anders, als durch eine scharrende Bewegung der Füße, als hätte ihn plötzlich eine Lähmung befallen.
»Sprich, Hund,« flüsterte Eviot, »oder mache dich zum Tode eines Hundes fertig!«
Aber des Mörders Hirn war so verstört durch das Schauspiel vor ihm, daß die Richter, sein Benehmen betrachtend, schwankten, ob man ihn vor den Sarg schleppen lassen oder das Urtheil der Schuld verkündigen solle; und erst, als man ihn das letzte Mal fragte, ob er sich dem Gottesurtheil unterziehen wollte, antwortete er mit seiner gewöhnlichen Kürze:
»Ich will nicht; – was weiß ich, welche Gauklerpossen man braucht, um eines armen Mannes Leben zu nehmen? – ich erbiete mich zum Zweikampf mit Jedem, der sagt, daß ich jenen Leichnam verletzte.«
Und gemäß der üblichen Form warf er seinen Handschuh auf den Boden der Kirche.
Harry Schmied trat vor, begleitet vom Beifallgemurmel seiner Mitbürger, welches selbst die ehrwürdige Stätte nicht völlig unterdrücken konnte; und des Schurken Handschuh aufhebend, den er in seine Mütze legte, warf er dagegen den seinigen nach üblicher Form als Unterpfand des Kampfes hin. Aber Bonthron hob ihn nicht auf.
»Er ist mir nicht gleich,« brummte der Wilde, »kann auch meinen Handschuh nicht aufheben. Ich diene dem Prinzen von Schottland im Gefolge seines Stallmeisters. Der Kerl ist ein elender Handwerker.«
Hier unterbrach ihn der Prinz. »Du dienst mir, Schuft! ich entlasse dich auf der Stelle meines Dienstes. – Nimm ihn unter deine Hand, Schmied, und schlag' ihn, wie du je einen Ambos schlugst. – Der Schurke ist sowohl schuldig als feig. Es macht mir übel, ihn nur anzusehen; und wenn mein königlicher Vater mich hören will, so läßt er den Parteien zwei hübsche, schottische Aexte geben, und wir wollen sehen, wer von ihnen der Bessere ist, eh' der Tag noch eine halbe Stunde älter wird.«
Dem stimmte rasch der Graf von Crawford und Sir Patrick Charteris bei, die Pathen beider Parteien, welche, da die Kämpfer Männer niederen Standes waren, übereinkamen, daß sie in Stahlhauben, Büffelwämsern und mit Aexten fechten sollten; und das so bald, als sie sich zum Kampfe bereiten könnten.
Die Schranken wurden in den Kürschnerhöfen, einem benachbarten Grundstücke, errichtet, welches die Innung besaß, von der es den Namen hatte, und die schnell einen Raum, dreißig Fuß lang und fünfundzwanzig breit, für die Kämpfer errichtete. Dorthin drängten sich Edle, Priester und Volk, – Alle, außer dem alten König, der, solche Blutscenen verabscheuend, sich in seinen Palast zurückzog, und dem Lord Großconnetable von Errol, zu dessen Amt es eigentlich gehörte, die Aufsicht über den Kampfplatz übergab. Der Herzog von Albany beobachtete den ganzen Vorgang mit scharfem und listigem Auge. Sein Neffe betrachtete die Sache mit der Gleichgiltigkeit, die seinem Charakter eigen war.
Als die Kämpfer in den Schranken erschienen, konnte nichts überraschender sein, als der Contrast zwischen dem männlichen, fröhlichen Gesichte des Schmieds, dessen leuchtendes, helles Auge schon von dem Siege zu strahlen schien, den er erwartete, und der düstern, niedergeschlagenen Miene des thierischen Bonthron, der einem Nachtvogel glich, welcher aus dem Schutze seines finstern Schlupfwinkels an das Sonnenlicht gejagt wird. Sie beschworen beide die Wahrheit ihrer Sache, Harry Gow mit heiterem, männlichem Vertrauen, Bonthron mit hündischer Frechheit, was den Herzog von Rothsay nöthigte, dem Großconnetable zu sagen: »Hast du je, mein lieber Errol, eine solche Mischung von Bosheit, Grausamkeit und, wie mich dünkt, auch Furcht gesehen, als in dieses Kerls Gesicht?«
»Er ist nicht hübsch,« sagte der Graf, »aber ein so kräftiger Bursche, wie ich je einen sah.«
»Ich wette ein Oxhoft Wein mit Euch, mein guter Lord, daß er den Tag verliert. Harry der Waffenschmied ist so stark als er, und weit gewandter. Und dann seht sein kühnes Benehmen! Es ist Etwas in dem andern Kerl, was Abscheu einflößt. Laßt sie sogleich aneinander, mein lieber Connetable, denn mich ekelt, ihn anzusehen.«
Der Großconnetable wandte sich darauf an die Wittwe, die, in tiefer Trauer und ihre Kinder neben sich, einen Platz in den Schranken einnahm: – »Frau, seid Ihr bereit, diesen Mann, Harry Schmied, als Euern Kämpen in dieser Sache anzunehmen?«
»Ich thu es – ich thu es, sehr gern,« antwortete Magdalena Proudfute; »und mag der Segen Gottes und St. Johns ihm Kraft und Glück geben, da er für vaterlose Waisen kämpft!«
»Dann erkläre ich dies für geschlossenes Kampffeld,« sagte der Connetable laut. »Niemand wage, bei Gefahr seines Lebens, diesen Streit durch Wort, Rede oder Blick zu unterbrechen. – Tönt, Trompeten, und fechtet, Kämpfer!«
Die Trompeten schmetterten und die Kämpfer naheten von den entgegengesetzten Enden der Schranken, mit festem, ruhigem Schritte, sahen einander aufmerksam an, wohlgeübt, aus der Bewegung des Auges die Richtung zu erkennen, nach welcher der Schlag fallen soll. Sie standen, als sie nahe genug waren, still und versuchten mehr als eine Finte, um die Gewandtheit und Wachsamkeit des Gegners zu erproben. Endlich, entweder dieser Bewegungen müde oder aus Furcht, in diesem Streit seine ungeheure Kraft von der Gewandtheit des Waffenschmieds überwunden zu sehen, hob Bonthron die Axt zu einem senkrechten Schlage, mit der ganzen Kraft seiner stämmigen Arme das Gewicht der niederfahrenden Waffe verstärkend. Der Schmied aber beugte dem Hiebe durch eine Bewegung seitwärts aus, denn der Streich war zu gewaltig, um durch irgend Etwas aufgehalten zu werden, das er zu seiner Hemmung hätte thun können. Ehe Bonthron sich wieder decken konnte, schleuderte ihm Harry einen Seitenhieb auf den Stahlhelm, der ihn zu Boden streckte.
»Bekenne oder stirb,« sagte der Sieger, seinen Fuß auf den Körper des Besiegten und ihm die Axt an die Kehle setzend, welche in einer Spitze dolchartig endete.
»Ich will bekennen,« sagte der Schurke, wild aufwärts gen Himmel starrend. »Laß mich aufstehen.«
»Nicht, bis Ihr Euch ergeben habt,« sagte Harry Schmied.
»Ich ergebe mich,« murmelte Bonthron wieder, und Harry rief laut, daß sein Gegner unterlegen sei.
Die Herzöge von Rothsay und Albany, der Großconnetable und der Dominikanerprior betraten nun die Schranken und fragten Bonthron, ob er sich als besiegt bekenne.
»Ja,« antwortete das Ungeheuer.
»Und als schuldig der Ermordung Oliver Proudfute's?«
»Ich bin's – aber ich nahm ihn für einen Andern.«
»Und wen dachtest du zu erschlagen?« sagte der Prior; »gesteh', mein Sohn, und verdiene deine Verzeihung in einer andern Welt; denn in dieser hast du wenig mehr zu thun.«
»Ich hielt den Erschlagenen,« sagte der besiegte Kämpfer, »für den, dessen Hand mich niedergeworfen hat, dessen Fuß mich jetzt drückt.«
»Gepriesen seien die Heiligen!« sagte der Prior; »nun mögen Alle, die an der Kraft des heiligen Gottesgerichts zweifeln, die Augen über ihren Irrthum öffnen. Seht, er ist in die Schlinge gefallen, die er dem Unschuldigen legte.«
»Ich sah den Mann kaum jemals zuvor,« sagte der Schmied. »Ich that ihm oder den Seinen nie ein Unrecht. – Fragt ihn, wenn es Euch gefällt, ehrwürdiger Herr, warum er mich meuchlerisch zu erschlagen gedachte.«
»Es ist eine Frage, die sich ziemt,« antwortete der Prior. »Gib Ehre, dem sie gebührt, mein Sohn, wenn es auch zu deiner Schmach offenbart werden mag. Aus welchem Grunde wolltest du diesem Waffenschmied auflauern, der sagt, er habe dich nie gekränkt?«
»Er hat ihn beleidigt, dem ich diente,« antwortete Bonthron; »und ich unternahm die That auf seinen Befehl.«
»Auf wessen Befehl?« fragte der Prior.
Bonthron schwieg einen Augenblick, dann brummte er: »er ist zu mächtig, als daß ich ihn nennen könnte.«
»Hör', mein Sohn,« sagte der Geistliche, »warte nur eine kurze Stunde, und die Mächtigen und Geringen dieser Erde werden dir wie ein leerer Schall sein. Die Schleife wird eben bereitet, um dich zum Richtplatze zu schleppen. Daher, Sohn, bitte ich dich noch ein mal, dein Seelenheil zu berathen, indem du Gott die Ehre gibst und die Wahrheit sagst. War es dein Herr, Sir John Ramorny, der dich zu einer so schändlichen That trieb?
»Nein,« antwortete der verworfene Schurke, »es war ein Größerer als er.« Und zugleich wies er mit dem Finger nach dem Prinzen.
»Elender!« sagte der erstaunte Herzog von Rothsay; »wagst du, anzudeuten, ich habe dich angereizt?«
»Ihr selbst, Mylord,« antwortete der schamlose Schuft.
»Stirb in deiner Lüge, schamloser Sklave!« sagte der Prinz; und sein Schwert ziehend, würde er seinen Verleumder durchbohrt haben, hätte sich nicht der Großconnetable mit Wort und That dazwischen gelegt.
»Eure Hoheit muß mir verzeihen, wenn ich mein Amt verwalte – dieser Schuft muß den Händen des Henkers übergeben werden. Er darf nicht von einem Andern, am wenigsten von Eurer Hoheit abgethan werden.«
»Wie! edler Graf,« sagte Albany laut und mit großer, wahrer oder angenommener Bewegung, »wollt Ihr den Hund lebendig von hier lassen, um der Leute Ohren mit falschen Anklagen gegen den Prinzen von Schottland zu vergiften? – Ich sage, haut ihn auf der Stelle in Stücke.«
»Eure Hoheit wird mir verzeihen,« sagte der Graf von Errol; »ich muß ihn schützen, bis sein Urtheil vollzogen ist.«
»Dann laßt ihn sofort wegschleppen,« sagte Albany. – »Und Ihr, mein königlicher Neffe, warum steht Ihr so starr vor Staunen? Ruft Eure Entschlossenheit zurück – sprecht mit dem Gefangenen – schwört – bezeugt bei Allem, was heilig ist, daß Ihr nichts von dieser Schandthat wißt. – Seht, wie die Leute einander ansehen und heimlich flüstern. – Diese Lüge breitet sich wahrlich schneller aus als das Evangelium. – Sprecht zu ihnen, königlicher Vetter, gleichviel, was Ihr sagt, wenn Ihr nur standhaft im Läugnen seid.«
»Wie, Sir,« sagte Rothsay, aus seinem Schweigen des Staunens und der Betäubung emporfahrend und sich stolz gegen seinen Oheim wendend: »Wollt Ihr, daß ich mein königliches Wort gegen das eines verworfenen Ungeheuers verpfände? Laßt diejenigen, welche glauben können, der Sohn ihres Souveräns, der Nachkomme Bruce's, sei fähig, dem Leben eines armen Handwerkers einen Hinterhalt zu legen, laßt die sich des Gedankens freuen, des Schurken Rede sei wahr.«
»Das will ich nicht, was mich anlangt,« sagte der Schmied offen. »Ich that nie Etwas, außer was ehrenhaft war, gegen seine königliche Hoheit den Herzog von Rothsay, und nie erfuhr ich etwas Unfreundliches in Wort, Blick oder That von ihm; und ich kann nicht glauben, daß er so etwas Schlechtes bezweckt habe.«
»War es ehrenhaft, daß Ihr seine Hoheit von der Leiter warft, in Curfewstreet am Valentinsabend?« sagte Bonthron; »oder meint Ihr, diese Gunstbezeugung sei freundlich oder unfreundlich aufgenommen worden?«
Dies war so kühn gesagt und erschien so glaublich, daß es des Schmieds Meinung von des Prinzen Unschuld erschütterte.
»Ach, Mylord,« sagte er, schmerzlich auf Rothsay blickend, »könnte Eure Hoheit eines armen Mannes Leben suchen, weil er so seine Pflicht für ein hilfloses Mädchen erfüllte? – Ich wollte lieber in diesen Schranken gestorben sein, als leben, um dies von Bruce's Erben sagen zu hören!«
»Du bist ein guter Mensch, Schmied,« sagte der Prinz; »aber ich kann nicht erwarten, daß du weiser urtheilen sollst, als Andere. – Fort mit dem Verbrecher zum Galgen und knüpft ihn lebendig auf, wenn Ihr wollt, daß er Lüge ausspreche und Aergerniß über uns verbreite bis zum letzten Augenblick seines Daseins!«
Mit diesen Worten wandte sich der Prinz aus den Schranken, indem er's verschmähte, der düsteren Blicke, die sich auf ihn richteten, zu achten, während die Menge ihm langsam und widerstrebend Platz machte, und über ein tiefes, hohles Murmeln oder Seufzen, welches seinen Weggang begleitete, Staunen oder Mißfallen zu äußern. Nur wenige seiner vertrauten Diener begleiteten ihn vom Kampfplatze, obwohl mehrere vornehme Männer in seinem Gefolge gekommen waren. Selbst die niederen Bürger hörten auf dem unglücklichen Prinzen zu folgen, dem sein früherer zweifelhafter Ruf schon vorher oft den Vorwurf der Unbesonnenheit und des Leichtsinns zugezogen hatte, und um den sich jetzt ein finsterer Verdacht der schrecklichsten Art zu lagern schien.
Er lenkte seinen langsamen und gedankenvollen Schritt nach der Kirche der Dominikaner; aber die schlimmen Neuigkeiten, die sprüchwörtlich schnell fliegen, hatten seines Vaters Ruhesitz erreicht, bevor er selbst erschien. Als der Herzog von Rothsay in den Palast trat und nach dem Könige fragte, wurde er durch die Botschaft überrascht, er sei in tiefer Berathung mit dem Herzog von Albany, der sogleich zu Pferde steigend, als der Prinz die Schranken verließ, das Kloster vor ihm erreicht hatte. Er wollte eben, das Vorrecht seines Ranges und seiner Geburt geltend machend, in das königliche Gemach treten, als Mac Louis, der Befehlshaber der Brandanenwache, ihm in den ehrerbietigsten Ausdrücken meldete, er habe besondern Befehl, ihm den Zutritt zu verbieten.
»Geh' wenigstens, Mac Louis, und laß sie wissen, daß ich ihren Willen erwarte,« sagte der Prinz. »Wenn mein Oheim die Macht wünscht, des Vaters Zimmer gegen den Sohn zu verschließen, so wird es ihm angenehm sein, zu wissen, daß ich wie ein Bedienter im Vorsaal warte.«
»Mit Eurer Erlaubniß,« sagte Mac Louis zögernd, »wenn Eure Hoheit sich nur gerade jetzt zurückziehen und eine Weile geduldig warten wollte, so will ich Euch Nachricht senden, wenn der Herzog von Albany geht; und ich zweifle nicht, daß dann Seine Majestät Euch vorlassen werde. Jetzt – Eure Hoheit muß mir verzeihen – ist es unmöglich, Euch Zutritt zu gestatten.«
»Ich verstehe Euch, Mac Louis; aber trotzdem geh' und gehorche meinem Befehl.«
Der Offizier ging also und kehrte mit der Nachricht zurück, der König sei unwohl und im Begriff, sich in sein Privatzimmer zurückzuziehen; aber der Herzog von Albany werde dem Prinzen von Schottland sogleich aufwarten.
Es verging indeß eine volle halbe Stunde, ehe der Herzog von Albany erschien, – ein Zeitraum, den Rothsay theils in müssigem Geschwätz mit Mac Louis und den Brandanen hinbrachte, je nachdem der Leichtsinn oder die Reizbarkeit seines Gemüthes die Oberhand behielt.
Endlich kam der Herzog und mit ihm der Lord Großconnetable, dessen Gesicht großen Kummer und Verlegenheit ausdrückte.
»Lieber Neffe,« sagte der Herzog von Albany, »es schmerzt mich, zu sagen, daß meines königlichen Bruders Meinung ist, es werde zur Ehre der königlichen Familie das Beste sein, daß Eure königliche Hoheit sich eine Zeitlang zu der Abgeschiedenheit der Wohnung des Großconnetabels entschlösse, und den edlen Grafen hier als Euern hauptsächlichsten, wo nicht einzigen Gesellschafter annähme, bis die ärgerlichsten Gerüchte, die heute verbreitet wurden, widerlegt oder vergessen sind.«
»Wie ist das, Mylord von Errol?« sagte der Prinz erstaunt. »Soll mir Euer Haus ein Gefängniß und Eure Herrlichkeit mein Kerkermeister sein?«
»Die Heiligen verhüten das, Mylord,« sagte der Graf von Errol; »aber es ist meine unglückliche Pflicht, den Befehlen Eures Vaters zu gehorchen, indem ich Eure königliche Hoheit eine Zeitlang als unter meiner Obhut stehend betrachte.«
»Der Prinz – der Erbe von Schottland unter der Obhut des Großconnetable's! – Was für ein Grund ist dazu vorhanden? Ist die schändliche Rede eines überführten Verbrechers von genügender Kraft, um mein königliches Wappen zu beflecken?«
»So lange solche Beschuldigungen nicht widerlegt und geläugnet sind, mein königlicher Neffe,« sagte der Herzog von Albany, »werden sie das eines Monarchen beflecken.«
»Geläugnet, Mylord?« rief der Prinz; »wer behauptet sie? nur ein Elender, der zu schmachvoll ist, selbst durch sein eigenes Geständniß, um nur einen Augenblick glaubwürdig zu sein, wär' auch nur eines Bettlers und nicht eines Prinzen Charakter verdächtigt. – Holt ihn hierher – laßt ihm die Folter zeigen; Ihr werdet ihn bald die Verläumdung widerrufen hören, die er zu äußern wagte.«
»Der Galgen hat sein Werk zu sicher gethan, als daß Bonthron noch Gefühl für die Folter hätte,« sagte der Herzog von Albany. »Er ist seit einer Stunde hingerichtet.«
»Und warum so eilig, Mylord?« sagte der Prinz; »wißt Ihr, daß das wie ein Kunstgriff aussieht, um meinen Namen zu beflecken?«
»Es ist allgemeiner Brauch – der im Kampfe des Gottesgerichts geschlagene Kämpfer wird sogleich aus den Schranken zum Galgen gebracht. – Und doch, lieber Neffe,« fuhr der Herzog von Albany fort, »wenn Ihr die Anschuldigung fest und keck geläugnet hättet, würde ich es für recht gehalten haben, den Elenden zu weiterer Untersuchung leben zu lassen, da aber Eure Hoheit schwieg, so hielt ich es für's Beste, das Aergerniß mit dem Athem dessen zu ersticken, der es ausgesprochen.«
»Heilige Maria, Mylord, dies ist aber zu beleidigend! Hieltet Ihr, mein Oheim, mich der Ausübung einer so unnützen und unwürdigen That für schuldig, als sie der Sklave bekannte?«
»Es kommt mir nicht zu, über die Sache mit Eurer Hoheit zu streiten; sonst würde ich fragen, ob Ihr auch den fast ebenso unwürdigen, obwohl minder blutigen Angriff auf das Haus in Curfewstreet läugnen wollt? – Seid nicht böse mit mir, Neffe; aber fürwahr, Eure zeitweilige Entfernung vom Hofe, wär' es auch nur, so lange sich der König in dieser Stadt aufhält, wo so großes Aergerniß gegeben worden, wird unumgänglich gefordert.«
Rothsay schwieg, als er diese Anrede vernahm, und den Herzog auf ganz eigentümliche Weise anblickend, erwiderte er:
»Oheim, Ihr seid ein guter Jäger. Ihr habt Eure Netze sehr geschickt aufgestellt; aber Ihr würdet Euch trotzdem getäuscht haben, wenn der Hirsch nicht freiwillig hineingestürzt wäre. Gott sei mit Euch, und mögt Ihr den Nutzen davon haben, den Eure Maßregeln verdienen! Sagt meinem Vater, ich gehorche ihm. – Mylord Großconnetable, ich erwarte Euern Befehl, um Euch in Eure Wohnung zu begleiten. Da ich einmal in Verwahrung sein muß, so hätte ich keinen freundlichern und artigern Hüter wünschen können.«
Nachdem sich so das Gespräch zwischen Oheim und Neffen geschlossen, zog sich der Prinz mit dem Grafen von Errol nach seinen Gemächern zurück; die Bürger, denen sie auf den Straßen begegneten, traten, wenn sie den Herzog von Rothsay erblickten, zur Seite, um der Nothwendigkeit zu entgehen, den zu grüßen, welchen sie jetzt auch als einen grausamen, nicht mehr blos leichtsinnigen Wüstling betrachten mußten. Des Connetables Wohnung nahm den Besitzer und seinen fürstlichen Gast auf, Beide froh, die Straßen zu verlassen, aber nicht zufrieden mit der Lage, die Beide im Hause sich gegenüber einnehmen mußten.
Wir müssen zu den Schranken zurückkehren nach beendigtem Kampfe, als sich die Edelleute zurückgezogen hatten. Die Menge trennte sich nun in zwei bestimmte Haufen. Der an Zahl kleinere, aber zu gleicher Zeit durch Achtbarkeit ausgezeichnetere bestand aus der besseren Klasse der Einwohner von Perth, die dem Sieger und sich unter einander zu dem rühmlichen Ziele Glück wünschten, zu dem ihr Streit mit dem Adel geführt worden sei. Die Obrigkeit war so stolz darauf, daß sie Sir Patrick Charteris bat, eine Mahlzeit im Rathssaale anzunehmen, wozu auch vorzüglich Harry, der Held des Tages, eingeladen wurde, oder vielmehr Befehl erhielt, dabei zu erscheinen. Er hörte mit großer Verlegenheit diese Aufforderung, denn sein Herz war, wie leicht zu glauben ist, bei Katharina Glover. Aber Simon Glovers Rath gab den Ausschlag. Dieser alte und ächte Bürger hatte eine natürliche und geziemende Ehrfurcht vor dem Magistrate der guten Stadt; er unterhielt eine hohe Achtung für alle Ehren, die aus dieser Quelle floßen, und glaubte, sein künftiger Schwiegersohn würde Unrecht thun, sie nicht dankbar anzunehmen.
»Denke nicht daran, dich einer solchen Feierlichkeit fern zu halten, Sohn Harry,« war sein Rath. »Sir Patrick Charteris wird selbst dort sein, und ich denke, es ist eine seltene Gelegenheit für dich, sein Wohlwollen zu erwerben. Vielleicht bestellt er bei dir eine neue Rüstung, und ich hörte selber den würdigen Bailie Craigdallie sagen, daß man davon rede, die Rüstkammer der Stadt neu auszustatten. Du mußt die guten Geschäfte nicht vernachlässigen, da du nun eine größere Familie unterhalten wirst.«
»Still, Vater Glover,« antwortete der niedergeschlagene Sieger. »Es fehlt mir nicht an Kunden – und du weißt, daß sich Katharina über meine Abwesenheit wundern und sich allerlei Klatschereien von Spieldirnen und dergleichen erzählen lassen wird.«
»Fürchte das nicht,« sagte der Handschuhmacher; »aber geh' als gehorsamer Bürger, wohin deine Vorgesetzten dich verlangen. Ich läugne nicht, daß dir's einige Mühe kosten wird, mit Katharina wegen dieses Zweikampfes Frieden zu schließen; denn sie hält sich in solchen Dingen für klüger, als König und Staatsrath, Kirche und Geistliche, Oberrichter und Bailies. Aber ich will den Streit selbst führen und so für dich arbeiten, daß, wenn sie dich auch morgen etwas mißgelaunt empfängt, dies in Thränen und Lächeln wegschmelzen soll, wie ein Aprilmorgen, der mit mildem Regen anfängt. Also fort mit dir, mein Sohn, und sei morgen früh nach der Messe bereit.«
Der Schmied sah sich, obwohl mit Widerstreben, genöthigt, den Gründen seines künftigen Schwiegervaters nachzugeben, und einmal entschlossen, die ihm von den Vätern der Stadt bestimmte Ehre anzunehmen, zog er sich aus der Menge zurück und eilte nach Hause, um seine besten Kleider anzulegen; in diesen begab er sich nachher sogleich auf's Rathhaus, wo die schwere Eichentafel unter den gewaltigen Schüsseln mit Thaysalmen und köstlichen Seefischen aus Dundee sich zu beugen schien, Leckerbissen, welche die Fastenzeit erlaubte, und wobei es weder an Wein und Bier noch Meth fehlte, um sie hinunterzuspülen. Die »Aufwartenden oder Stadtmusikanten« spielten während des Mahles, und während der Pausen ihrer Musik erzählte Einer von ihnen sehr ausdrucksvoll die lange poetische Geschichte von der Schlacht zu Blackearnside, gefochten von Sir William Wallace und seinem unerschrockenen Hauptmann und Freunde, Thomas von Longueville, gegen den englischen General Sewart – eine allen Gästen ganz bekannte Begebenheit, der sie aber doch, nachsichtiger als ihre Enkel, zuhörten, wie wenn sie allen Reiz der Neuheit gehabt hätte. Es lag ohne Zweifel ein Kompliment für die Ahnen des Ritters von Kinfauns und anderer Familien von Perth in den Stellen, bei denen sich ein lauter Beifallruf erhob, indeß man einander gewaltig zutrank auf das Gedächtniß der Helden, die dem Kämpfer von Schottland zur Seite gestanden hatten. Harry Wynds Gesundheit wurde mit wiederholtem Jubel ausgebracht, und der Oberrichter verkündigte öffentlich, der Magistrat würde darüber berathen, wie man ihm am besten ein ausgezeichnetes Vorrecht oder einen ehrenvollen Lohn geben könnte, um zu zeigen, wie hoch seine Mitbürger seine muthigen Thaten schätzten.
»Nein, mit Eurer Erlaubniß, nehmt es nicht so, würdige Herren,« sagte der Schmied in seiner gewohnten geraden Weise, »damit die Leute nicht sagen, der Muth müsse selten in Perth sein, wenn sie einen Mann belohnen, der für das Recht einer verlassenen Wittwe kämpft. Es sind gewiß viele Dutzend braver Bürger in Perth, die das Tagewerk so gut als ich, oder besser als ich gethan hätten. Denn wahrlich, ich hätte jenen Helm zerschmettern sollen wie einen irdenen Topf, und es wäre auch geschehen, wär' es nicht einer gewesen, den ich selbst für Sir John Namorny machte. Aber wenn der Stadt mein Dienst irgend eines Lohnes werth dünkt, so halte ich ihn für weit mehr als abgetragen durch jede Hülfe, die Ihr aus dem Gemeindegute zur Unterstützung der Wittwe Magdalena und ihrer armen Waisen geben wollt.«
»Das mag wohl geschehen,« sagte Sir Patrick Charteris, »und doch kann die schöne Stadt reich genug bleiben, um ihre Schuld dem Harry Wynd abzutragen, über den jeder von uns ein besserer Richter ist, als er selbst, den eine unnütze Zartheit verdiendet, die man Bescheidenheit nennt. – Und wenn die Stadt zu arm dazu ist, so wird der Oberrichter seinen Theil tragen. Des Räubers goldene Engel sind noch nicht alle davongeflogen.«
Die Becher kreisten nun unter dem Namen eines Trostbechers für die Wittwe, und schäumten dann noch einmal auf das glückliche Gedächtniß des ermordeten Oliver, der nun so tapfer gerächt war. Kurz, es war ein so fröhliches Mahl, daß Alle übereinstimmten, es habe nichts gefehlt, um es vollkommen zu machen, als die Gegenwart des Strumpfwirkers, dessen Unfall die Zusammenkunft veranlaßte, und der sonst immer für den Spaß bei solchen festlichen Versammlungen gesorgt hatte. Wäre seine Anwesenheit möglich gewesen, bemerkte der Bailie Craigdallie trocken, so würde er gewiß den Erfolg des Tages in Anspruch genommen und sich der Rache seines eigenen Mordes gerühmt haben.
Beim Schalle der Vesperglocke brach die Gesellschaft auf; einige der ernster Gestimmten gingen zum Abendgebet, wo sie, mit halb geschlossenen Augen und strahlenden Gesichtern, einen höchst rechtgläubigen und erbaulichen Theil einer Fastenpredigt bildeten; Andere gingen nach ihren Wohnungen, um dort im Familienkreise von dem Kampfe und Gastmahle zu erzählen; Einige aber ohne Zweifel zu der ungebundenen Freiheit einer Schenke, deren Thür die Fastenzeit nicht so fest schloß, als die Kirche verlangte. Harry kehrte, warm vom guten Wein und vom Beifall seiner Mitbürger, in den Wynd zurück und schlief ein, um von vollkommenem Glück und Katharina Glover zu träumen.
Wir haben gesagt, daß sich nach Entscheidung des Kampfes die Zuschauer in zwei Haufen theilten. Von diesen folgten der achtbarere Theil dem Sieger in fröhlichem Zuge, während die Mehrzahl, oder was man den Pöbel nennen konnte, den besiegten und verurtheilten Bonthron begleitete, der nach entgegengesetzter Richtung und in ganz anderer Absicht wegzog. Was man immer zwischen dem Anziehenden eines Trauerhauses und eines Gastmahles unter andern Umständen für einen Vergleich anstellen mag, ist es doch zu errathen, was mehr Zuschauer herbeilockt, wenn es sich fragt, ob wir Zeugen fremden Elends sein oder einem Mahle zusehen wollen, woran wir nicht Theil nehmen. Dieser Wahrheit gemäß begleitete der bei weitem größere Theil der Einwohner von Perth den Karren, worauf der Verbrecher zur Hinrichtung geführt wurde.
Ein Mönch saß auf demselben Karren neben dem Mörder, und letzterer ließ nicht ab, gegen jenen unter dem Siegel der Beichte dieselbe Behauptung zu wiederholen, die er auf dem Kampfplatze geäußert hatte, und die den Herzog von Rothsay beschuldigte, der Anstifter des Hinterhalts gewesen zu sein, wobei der unglückliche Strumpfwirker gefallen war. Dieselbe Lüge verbreitete er unter der Menge, indem er mit unverschämter Frechheit denen, die dem Karren am nächsten waren, versicherte, er verdanke seinen Tod der Bereitwilligkeit, womit er die Befehle des Herzogs von Rothsay erfüllt habe. Eine Zeitlang wiederholte er finster und tückisch diese Worte, wie Einer, der einen Auftrag ausrichtet, oder wie ein Bettler, der seinen Worten durch Wiederholung Glauben verschaffen will, während er überzeugt ist, daß sie ihn nicht verdienen. Aber als er die Augen erhob und in der Ferne die dunkle Gestalt des Galgens, wenigstens vierzig Fuß hoch, nebst der Leiter und dem unseligen Strick, senkrecht aufsteigen sah, wurde er plötzlich still, und der Mönch konnte bemerken, daß er sehr zitterte.
»Tröste dich, mein Sohn,« sagte der gute Priester, »Ihr habt die Wahrheit bekannt und erhaltet Absolution. Eure Reue wird nach ihrer Aufrichtigkeit angenommen werden; und obwohl Ihr ein Mann von blutigen Händen und grausamen Herzens gewesen, werdet Ihr doch durch die Bitten der Kirche in gehöriger Zeit aus den Flammen des Fegefeuers erlöst werden.«
Diese Zusicherungen waren mehr geeignet, den Schrecken des Schuldigen zu mehren, als zu mindern, da ihn Zweifel beunruhigten, ob die für seine Rettung vom Tode angegebene Weise gewiß auch wirksam sein möchte, so wie die Besorgniß, ob man sie auch zu seinen Gunsten in Anwendung bringen möchte; denn er kannte seinen Herrn gut genug, um von der Gleichgültigkeit überzeugt zu sein, womit er Einen opfern würde, der bei künftiger Gelegenheit ein gefährliches Zeugniß gegen ihn ablegen könnte.
Sein Loos war indeß besiegelt und es galt kein Entkommen mehr. Sie näherten sich langsam dem verhängnißvollen Baume, der an einem Ufer des Flusses, etwa eine halbe (englische) Meile von den Mauern der Stadt errichtet war; eine Stätte, die gewählt war, damit der Leichnam des Elenden, der als Futter für die Raben hier bleiben mußte, aus der Ferne in jeder Richtung gesehen werden konnte. Hier übergab der Priester Bonthron dem Henker, der ihm auf die Leiter steigen half und allem Anschein nach den üblichen Formen des Gesetzes gemäß verfuhr. Er schien eine Minute mit dem Tode zu ringen, hing aber bald still und leblos. Der Henker, nachdem er länger als eine halbe Stunde auf dem Posten gewartet, wie wenn er den letzten Lebensfunken erlöschen lassen wollte, verkündete den Bewunderern solcher Schauspiele, daß die Eisen für das beständige Aufhängen des Leichnams nicht in Bereitschaft wären, und daß die Schlußceremonie, die Ausweidung und endliche Befestigung an den Galgen, erst am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang vorgenommen werden könne.
Trotz der frühen Stunde, die er nannte, hatte Meister Smotherwell doch eine ansehnliche Begleitung des Pöbels zum Richtplatze, um das Schlußverfahren der Gerechtigkeit mit ihrem Opfer anzusehen. Aber groß war das Staunen und der Unwille dieser Liebhaber, als sie sahen, daß der todte Körper vom Galgen entfernt war. Sie waren jedoch nicht lange ohne einen Einfall, um die Ursache des Verschwindens zu erklären. Bonthron war der Diener eines Barons gewesen, dessen Güter in Fife lagen, und war selbst ein Eingeborner dieser Provinz. Was war natürlicher, als daß einige Leute aus Fife, deren Boote häufig den Fluß befuhren, heimlich den Körper ihres Landsmannes von dem Orte der Schande entfernt hatten? Die Menge machte ihrer Wuth gegen Smotherwell Luft, daß er sein Werk nicht am vorigen Abend vollendet habe; und hätte er und sein Gehülfe sich nicht in ein Boot begeben und über den Tay geflüchtet, so wären sie Gefahr gelaufen, zu Tode gesteinigt zu werden. Das Ereigniß war indeß zu sehr im Geiste jener Zeit, um Verwunderung zu erregen. Die wirkliche Ursache desselben wollen wir im folgenden Kapitel erklären.