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Schön ist das Mädchen, es umzieht
Ein sonnig Lächeln sie von Weitem;
Die Wolke trüber Sorge sieht
Man in der Näh' sich drüber breiten.
Lucinda, eine Ballade.
Wir müssen hier ein wenig bestimmter die Ereignisse verfolgen, die nicht recht genau vom Fenster des königlichen Saales gesehen und noch ungenauer von Denen berichtet wurden, die Zeugen derselben waren. Das bereits erwähnte Mädchen hatte sich an einen Ort gestellt, wo zwei breite Stufen, die den Zugang zu der großen Treppe bildeten, ihr den Vortheil darboten, anderthalb Schuh höher zu stehen, als die im Hofe, von denen sie gehört zu werden wünschte. Sie trug die Kleidung ihres Standes, welche, mehr prachtvoll als reich, die Gestalt mehr hervortreten ließ, als andere Frauenkleider jener Zeit. Neben ihr lag ihr Mantel und Körbchen, das ihre kleine Garderobe enthielt; ein kleiner französischer Hühnerhund saß als Wächter daneben. Ein azurblaues, silbergesticktes Jäckchen, vorn geöffnet, zog die Taille der Sängerin zusammen und ließ mehrere seidene Westchen von verschiedener Farbe blicken, deren Zuschnitt die Umrisse der Schultern und der Brust bezeichnete. Eine kleine silberne Kette um den Hals verlor sich darunter und erschien von Neuem, um eine Medaille vom nämlichen Metall zu zeigen, die den Hof oder die Sängergesellschaft ankündigte, wo das Mädchen ihre Grade in der »Fröhlichen Kunst« erhalten hatte. Ein kleiner Beutel hing an einem blauen Bande von der Schulter an der linken Seite herab.
Ihre gebräunte Gesichtsfarbe, die schneeweißen Zähne, die glänzenden schwarzen Augen und Rabenlocken sagten, daß ihre Heimath im fernen Süden Frankreichs lag, und das schalkhafte Lächeln und Grübchenkinn trug denselben Charakter. Ihr schönes, um eine kleine goldene Nadel gelocktes Haar war von einem golddurchwirkten Netz zusammengehalten. Ein kurzes Röckchen mit Silberborde, welches dem Jäckchen entsprach, rothe Strümpfe, die bis zur Mitte des Beines sichtbar waren, und kurze Stiefel von spanischem Leder vollendeten ihren Putz, der zwar nicht neu, aber festlich und mit großer Sorgfalt erhalten war. Sie schien etwa fünfundzwanzig Jahr alt zu sein, aber vielleicht hatten Mühseligkeiten und Wanderungen der Zeit vorgegriffen und die Frische ihrer Jugend beeinträchtigt.
Wir sagten, das Benehmen der Sängerin sei lebhaft gewesen und wir können hinzufügen, daß ihr Lächeln und ihre Antworten schnell waren. Aber ihre Fröhlichkeit war erzwungen, weil diese eine der Haupteigenschaften eines Standes war, der unter seine Unannehmlichkeiten auch die zählte, daß er häufig nöthigte, den Kummer des Herzens unter einem Lächeln zu verbergen. Dies schien Louisens Fall zu sein, die, weil sie wirklich die Heldin ihrer eigenen Ballade war, oder aus irgend einem andern Grunde zur Traurigkeit, oft wider Willen eine Folge schwermüthiger Gedanken ausdrückte, welche die von Ausübung der fröhlichen Kunst geforderte Lebhaftigkeit des Geistes mäßigten. Auch fehlte ihr das kecke, freche Lachen der Frauen ihres Standes, die nie in Verlegenheit waren, auf eine unschickliche Geberde zu antworten, oder das Gelächter gegen Einen zu richten, der sie unterbrach oder störte.
Es mag hier bemerkt sein, daß diese Klasse von Frauen, in damaliger Zeit sehr zahlreich, unmöglich in besonderer Achtung stehen konnte. Sie waren indeß durch die Sitten der Zeit geschützt; und von der Art waren die Freiheiten, die sie besaßen durch die Gesetze der Chevalerie, daß nichts seltener war, als diese irrenden Damen sich über erlittene Kränkungen und Unrecht beklagen zu hören. Ohne Gefahr gingen sie an Orten ab und zu, wo bewaffnete Männer wahrscheinlich blutigen Widerstand gefunden hätten. Aber, obwohl, ihrer Kunst zu Ehren, geduldet und geschützt, führten doch die Minstrels beiderlei Geschlechts, wie die wandernden Musikanten und Schauspieler der neuen Zeit, ein zu ungeordnetes und armseliges Leben, um ein geachteter Theil der Gesellschaft zu sein. Ja, unter den strengern Katholiken galt ihr Beruf für unerlaubt.
So war das Mädchen, welches, die Laute in der Hand und auf der erwähnten geringen Erhöhung stehend, gegen die Umstehenden vortrat und sich als Meisterin der fröhlichen Kunst darstellte, dazu erkoren und berechtigt durch das Zeugniß eines Hofes der Liebe und Musik, der zu Aix in der Provence unter dem Vorsitze der Blüthe der Ritterschaft, des tapfern Grafen Aymer, gehalten worden. Und sie bat nun die, durch die weite Welt wegen ihrer Tapferkeit und Artigkeit bekannten schottischen Ritter, einer armen Fremden den Versuch zu gestatten, ihnen durch ihre Kunst einige Unterhaltung zu gewähren. – Die Liebe zum Gesang war damals, wie die Liebe zum Ruhme, allgemeine Leidenschaft, die Jeder zur Schau trug, er mochte sie haben oder nicht; daher wurde der Vorschlag Louisens allgemein angenommen. In diesem Augenblick hielt ein alter Mönch, der sich unter den Zuhörern befand, es für nöthig, das Mädchen zu erinnern, daß, weil sie in Mauern geduldet werde, wo man nicht gewohnt sei, Personen ihres Standes zu empfangen, er hoffe, es werde nichts gesagt oder gesungen werden, was mit dem heiligen Charakter des Ortes im Widerspruch stände.
Die Sängerin neigte das Haupt tief, schüttelte die Rabenlocken und bekreuzte sich ehrerbietig, als bekenne sie die Unmöglichkeit einer solchen Uebertretung, und darauf begann sie das Lied von der armen Louise, welches wir am Schlusse des letzten Kapitels mittheilten.
Kaum hatte sie begonnen, als sie ein Geschrei unterbrach: »Platz – Platz – Raum für den Herzog von Rothsay!«
»Ei, übereilt Niemand meinetwegen,« sagte ein artiger junger Kavalier, der auf einem edlen arabischen Hengste erschien, den er mit vieler Grazie regierte, obwohl durch so leichte Führung der Zügel, so unmerklichen Druck der Seiten des Pferdes, daß das Thier aus freiem Willen weiter zu gehen und einen Reiter zu tragen schien, der zu nachlässig war, um sich selber deshalb zu bemühen.
Des Prinzen Anzug, obwohl sehr reich, war mit großer Nachlässigkeit angelegt. Seine Gestalt, obgleich er nicht groß und seine Glieder schwächlich waren, war vorzüglich schön; und nicht minder hübsch waren seine Gesichtszüge. Aber auf seiner Stirn lag ein bleiches verstörtes Wesen, welches eine Folge von Sorge oder Ausschweifung war, oder von beiden zerstörenden Ursachen zugleich. Seine Augen waren eingesunken und trübe, wie von einem Gelage der letzten Nacht, während seine Wange von unnatürlicher Röthe flammte, sei es, daß die Wirkung bacchanalischer Orgien noch nicht verschwunden, oder daß ein Morgentrunk angewendet worden war, um die Folgen der nächtlichen Ausschweifung zu beseitigen.
So war der Herzog von Rothsay und Erbe der schottischen Krone zugleich ein Anblick der Theilnahme und des Mitleides. Alle zogen die Mützen und machten ihm Platz, während er gleichgiltig wiederholte: »Nichts übereilt – ich werde bald genug den Ort erreichen, der mich ruft. – Was ist das? ein Mädchen von der fröhlichen Kunst? Ja, bei St. Giles! und eine hübsche Dirne obendrein. Wartet, meine lustigen Leute; Minnesang ward nie durch mich gestört. – Eine gute Stimme, bei allen Heiligen! Fang' das Lied von vorn an, mein Liebchen.«
Louise kannte den Mann nicht, von dem sie angeredet ward; aber die Achtung, die ihm alle zollten und die leichte und gleichgiltige Manier, wie er sie aufnahm, zeigten ihr, daß sie von einem hochgestellten Manne angeredet wurde. Sie begann ihr Lied wieder und sang besser; der junge Prinz wurde gegen den Schluß der Ballade nachdenklich, aber er pflegte traurige Eindrücke nicht lange festzuhalten. »Das ist ein traurig Lied, mein nußbraunes Mädchen,« sagte er, indem er der jungen Sängerin unter's Kinn griff und sie beim Kragen ihres Kleides hielt, was nicht schwer war, da er dicht neben den Stufen, wo sie stand, zu Pferde saß. »Aber ich wette, Ihr habt fröhlichere Lieder, ma bella tenebrosa; ja, und könnt in einer Laube so gut singen, als im Freien, und bei Nacht so gut, als bei Tage.«
»Ich bin keine Nachtigall, Mylord,« sagte Louise, die sich bemühte, einer Galanterie zu entgehen, die schlecht für Ort und Umstände paßte, eine Ungehörigkeit, wogegen er, der sie anredete, ganz gleichgiltig zu sein schien.
»Was hast du da, Liebchen?« setzte er hinzu, seine Hand vom Kragen nach dem Beutel bewegend, den sie trug.
Louise war froh, von seiner Hand frei zu sein, indem sie den Knoten des Bandes löste und den kleinen Beutel in des Prinzen Hand ließ, wobei sie, weit genug zurücktretend, antwortete: »Nüsse, Mylord, vom letzten Frühling.«
Der Prinz nahm eine Hand voll Nüsse heraus. »Nüsse, Kind! – sie werden deine Elfenbeinzähne brechen – deiner artigen Stimme schaden,« sagte Rothsay, eine Nuß, gleich einem Dorfschuljungen, mit den Zähnen aufknackend.
»Es sind nicht die Wallnüsse meiner sonnigen Heimath, Mylord,« sagte Louise; »aber sie hängen tief und die Armen können sie erreichen.«
»Ihr sollt Etwas haben, was besser für Euch ist, mein armes wanderndes Aeffchen,« sagte der Herzog in einem Tone, worin mehr Gefühl lag, als in der gezierten und vornehmen Artigkeit seiner ersten Anrede.
In diesem Augenblicke, als er sich wandte, um von einem Begleiter seine Börse zu fordern, begegnete der Prinz dem strengen und durchbohrenden Blicke eines großen schwarzen Mannes, der auf einem gewaltigen eisengrauen Hengste saß, und mit seinem Gefolge den Hof betreten hatte, während der Herzog von Rothsay mit Louise beschäftigt war. Jener blieb jetzt erstaunt und fast versteinert vor Ueberraschung und Zorn bei dem unziemlichen Schauspiel. Wer auch den schwarzen Douglas noch nie gesehen hatte, der würde ihn an seiner schwarzbraunen Farbe, seinem riesigen Wuchs, seinem Koller von Büffelhaut und seiner Miene voll Muth, Festigkeit und Scharfsinn, vermischt mit unbändigem Stolze, erkannt haben. Der Verlust eines Auges in der Schlacht, obwohl beim ersten Anblick nicht bemerkbar, da der verletzte Augapfel dem andern ähnlich geblieben war, gab dem ganzen Gesichte einen strengen und unbeweglichen Ausdruck.
Das Zusammentreffen des königlichen Schwiegersohnes mit seinem furchtbaren Schwiegervater geschah unter Umständen, welche die Aufmerksamkeit aller Anwesenden darauf lenkten, und die Zuschauer erwarteten den Erfolg mit Schweigen, und hielten den Athem an, damit ihnen nichts von dem, was vorginge, entgehen möchte.
Als der Herzog von Rothsay den Ausdruck sah, den die strengen Züge Douglas' zeigten, und bemerkte, daß der Graf nicht die geringste Bewegung zu ehrerbietigem oder nur höflichem Gruße machte, schien er entschlossen, ihm zu zeigen, wie wenig er seine mißfälligen Blicke zu beachten geneigt sei. Er nahm die Börse von dem Kämmerer.
»Da, hübsches Kind,« sagte er, »ich gebe dir ein Goldstück für das Lied, das du mir gesungen hast, ein zweites für die Nüsse, die ich dir entwendet habe, und ein drittes für den Kuß, den du mir geben wirst. Denn wisse, artiges Kind, wenn schöne Lippen (und deine können in Ermanglung besserer so heißen) süße Musik zu meinem Vergnügen machen, so habe ich St. Valentin geschworen, sie an die meinigen zu drücken.«
»Mein Gesang ist fürstlich bezahlt,« – sagte Louise, zurückbebend; »meine Nüsse sind um einen guten Preis verkauft – weiterer Handel, Mylord, würde für Euch nicht passen und mir nicht ziemen.«
»Wie, Ihr thut spröde, meine Nymphe von der Landstraße?« sagte der Prinz verächtlich. »Wißt, Mädchen, daß Euch Einer um eine Gunst bittet, der keine Weigerung gewohnt ist.«
»Es ist der Prinz von Schottland – der Herzog von Rothsay« – sagten die Hofleute rings zu der erschreckten Louise, das zitternde junge Weib vorwärts drängend; »Ihr müßt ihn nicht böse machen.«
»Aber ich kann Eure Herrlichkeit nicht erreichen,« sagte sie schüchtern, »Ihr sitzt zu hoch zu Rosse.«
»Muß ich absteigen,« sagte Rothsay, »so wird die Buße um so schwerer sein – warum zittert die Dirne? Stelle deinen Fuß auf die Spitze meines Stiefels und reich mir die Hand – so war's brav!« Er küßte sie, während sie so in der Luft schwebend auf seinem Fuße und von ihm gehalten, stand; und dabei sagte er: »Da ist dein Kuß, und da ist meine Börse, ihn zu bezahlen; und um dich ferner zu ehren, wird Rothsay deinen Beutel für immer tragen.« Er ließ das erschrockene Mädchen auf den Boden springen, und wandte seine Blicke von ihr, um sie verächtlich auf den Grafen Douglas zu lenken, als wollte er sagen: »Alles dies thu' ich trotz Euch und Eurer Tochter Ansprüchen.«
»Beim heiligen Zaum von Douglas!« sagte der Graf, sich nach dem Prinzen drängend, »dies ist zu viel, unbärtiger Knabe, ebenso weit entfernt von Verstand, als Ehre! Ihr wißt, welche Rücksichten Douglas' Hand zurückhalten, sonst hättet Ihr nimmer gewagt –«
»Könnt Ihr mit Schnellkugeln spielen, Mylord?« sagte der Prinz, eine Nuß auf das zweite Glied seines Zeigefingers legend, und sie mit dem Daumen fortschnellend. Die Nuß traf Douglas' breite Brust, welcher einen furchtbaren Ausruf des Zornes hören ließ, unartikulirt, aber ähnlich dem Gebrüll eines Löwen an Tiefe und Härte. »Ich bitt' Euch um Verzeihung, mächtiger Lord,« sagte der Herzog von Rothsay höhnend, während alle Anwesenden zitterten; »ich dachte nicht, daß Euch meine Kugel verwunden könnte, da Ihr ein Büffelkleid tragt. Hoffentlich traf ich doch Euer Auge nicht?«
Der Prior, der, wie wir im letzten Kapitel sahen, vom König abgeschickt wurde, hatte sich indessen durch die Menge gedrängt, und indem er Douglas' Zügel auf eine Weise ergriff, daß er nicht vorwärts konnte, erinnerte er ihn, daß der Prinz der Sohn seines Souverains und der Gemahl seiner Tochter sei.
»Fürchtet nichts, Sir Prior,« sagte Douglas. »Ich verachte den kindischen Knaben zu sehr, als daß ich nur einen Finger gegen ihn erheben sollte. Aber ich will Beleidigung mit Beleidigung vergelten. – Hier, wer von Euch den Douglas liebt, – jagt mir diese Bettlerin aus dem Hofe und laßt sie geißeln, damit sie sich bitterlich bis an ihr Ende erinnern möge, daß sie einem unehrerbietigen Knaben das Mittel gab, Douglas zu beleidigen!«
Vier oder fünf vom Gefolge traten sogleich vor, um Befehle zu vollziehen, die selten umsonst ertheilt wurden, und schwer würde Louise für ein Vergehen gebüßt haben, wozu sie die unschuldige, unbewußte und unfreiwillige Ursache war, wäre der Herzog von Rothsay nicht dazwischen getreten.
»Das arme Mädchen fortjagen!« sagte er mit tiefem Unwillen; »sie peitschen, weil sie meinem Befehl gehorchte! – Jage deine eigenen unterdrückten Vasallen, roher Graf! – geißele deine eigenen schlechten Hunde – aber hütet Euch, daß Ihr wie einen Hund den behandelt, dem Rothsay das Haupt streichelte, geschweige denn ein Mädchen, dessen Lippen er geküßt hat!«
Bevor Douglas eine Antwort geben konnte, die jedenfalls herausfordernd gewesen wäre, erhob sich jener große Tumult am äußern Klosterthor, den wir bereits erwähnten, und Männer zu Pferd und zu Fuß begannen hastig herein zu stürzen, nicht eigentlich unter einander fechtend, aber jedenfalls auf unfriedliche Weise.
Eine der streitenden Parteien waren, wie es schien, Lanzknechte des Douglas, kenntlich durch das Zeichen des blutigen Herzens, die andere Partei bestand aus Bürgern der Stadt Perth. Es schien, daß sie außerhalb des Thores ernstlich gekämpft hatten, aber aus Ehrfurcht vor dem geweihten Boden senkten sie ihre Waffen, als sie eintraten, und beschränkten ihren Streit auf einen Wortkrieg und Schimpfreden.
Der Tumult hatte die gute Wirkung, den Prinzen und Douglas in dem Augenblicke zu trennen, wo der Leichtsinn des Einen und der Stolz des Andern sie zur größten Heftigkeit getrieben hatte. Aber von allen Seiten erschienen nun Friedenstifter. Der Prior und die Mönche warfen sich unter den Haufen und geboten im Namen des Himmels und der Ehrerbietung, die man heiligen Orten schuldig sei, bei Strafe der Excommunication, Frieden. Man gab ihren Bitten nach. Der Herzog von Albany, der von seinem Bruder gleich im Anfang des Zankes abgeschickt worden war, kam in diesem Augenblicke herbei. Er wandte sich sogleich an Douglas und beschwor ihn leise, seine Hitze zu mäßigen.
»Beim heiligen Zaum von Douglas, ich will Rache!« sagte der Graf. »Kein Mensch soll sich des Lebens freuen, nachdem er Douglas beleidigt hat.«
»Ei, so mögt Ihr Euch zu passender Zeit rächen,« sagte Albany; »aber laßt Euch nicht nachsagen, daß der große Douglas, wie ein zänkisches Weib, weder Zeit noch Ort zur Rache zu wählen gewußt habe. Bedenkt, daß Alles, was wir gethan haben, auf dem Punkt steht, durch einen unseligen Umstand gestört zu werden. Georg von Dunbar hat eine geheime Audienz bei dem guten Manne gehabt, und währte sie auch nur fünf Minuten, so fürcht' ich, er hat den König vermocht, eine Verbindung aufzulösen, die wir mit so viel Mühe zu Stande brachten. Die Bestätigung von Rom ist noch nicht erlangt.«
»Ach Possen!« antwortete Douglas hochmüthig. – »Sie wagen nicht, sie aufzulösen.«
»Nicht, so lange Douglas kraftvoll und im Besitze seiner Macht ist,« sagte Albany. »Aber, edler Graf, kommt mit mir, und ich will Euch zeigen, wie Ihr im Nachtheil seid.«
Douglas stieg ab und folgte seinem schlauen Gefährten schweigend. In einem untern Saale sahen sie die Reihen der Brandanen unter Waffen, wohlgerüstet mit Pickelhauben und Panzerhemden. Ihr Hauptmann, der Albany achtungsvoll grüßte, schien ein Gespräch mit ihm zu wünschen.
»Wie steht's, Mac Louis?« sagte der Herzog.
»Man sagt uns, der Herzog von Rothsay sei beleidigt worden, und ich kann die Brandanen kaum hier zurückhalten.«
»Tapferer Mac Louis,« sagte Albany, »und Ihr, meine wackern Brandanen, der Herzog von Rothsay, mein Neffe, befindet sich so wohl, als ein Ritter nur sein kann. Ein kleiner Streit war, aber Alles ist beigelegt.« Er fuhr fort, den Grafen von Douglas weiter zu führen. »Ihr seht, Mylord,« sagte er ihm leise, »daß, wenn das Wort Verhaftung einmal ausgesprochen würde, man leicht gehorchen möchte, und Ihr wißt, daß Eurer Gefährten zu wenig zum Widerstande sind.«
Douglas schien sich für diesmal aus Nothwendigkeit in Geduld zu fügen. »Wenn meine Zähne,« sagte er, »auch die Lippen durchbeißen sollten, ich will schweigen, bis die Stunde zum Sprechen kommt.«
Georg von March hatte inzwischen das leichtere Geschäft, den Prinzen zu beruhigen. »Mylord von Rothsay,« sagte er, sich mit ernster Würde nähernd, »ich brauche Euch nicht zu sagen, daß Ihr mir einige Ehrerstattung schuldig seid, obwohl ich Euch nicht persönlich für den Bruch des Contrakts anklage, der den Frieden meiner Familie störte. Laßt mich Euch bei der Achtung beschwören, die Eure Hoheit einem gekränkten Manne schuldig ist, für jetzt diesen ärgerlichen Streit zu vergessen.«
»Mylord, ich schulde Euch viel,« erwiderte Rothsay; »aber dieser übermüthige und herrschsüchtige Lord hat meine Ehre verletzt.«
»Mylord, ich kann nur hinzufügen, Euer königlicher Vater ist unwohl – ist vor Furcht wegen Eurer Hoheit Sicherheit ohnmächtig geworden.«
»Unwohl!« erwiderte der Prinz – »der freundliche, gute alte Mann – ohnmächtig, sagt Ihr, Mylord von March? – ich werde im Augenblick bei ihm sein.«
Der Herzog von Rothsay sprang aus dem Sattel auf den Boden und eilte wie ein Windspiel in den Palast, als eine schwache Hand seinen Mantel faßte und die zarte Stimme einer knieenden Frau ausrief: »Schutz, mein edler Prinz! – Schutz für eine hilflose Fremde!«
»Weg mit der Hand, Landstreicherin!« sagte der Graf von March, die flehende Sängerin bei Seite drängend.
Aber der sanftere Prinz blieb stehen. »Es ist wahr,« sagte er, »ich habe die Rache eines unbarmherzigen Teufels auf dies arme Wesen gelenkt. O Himmel! Welch' ein Leben führ' ich, verhängnißvoll für Alle, die sich mir nahen! – Was ist in der Eile zu thun? – Sie darf nicht nach meinen Gemächern gehen – und all' meine Leute sind geborne Schufte. – Ha! du neben mir, wackerer Harry Schmied? Was machst du hier?
»Es ist so eine Art von Gefecht gewesen, Mylord,« antwortete unser Bekannter, der Schmied, »zwischen den Bürgern und den südländischen Burschen, die mit dem Douglas reiten; und wir haben sie bis zum Thore der Abtei gejagt.«
»Das freut mich – das freut mich. Und Ihr klopftet die Schufte hübsch aus?«
»Hübsch? fragt Eure Hoheit?« sagte Harry. »Ei ja! wir waren allerdings stärker an Zahl; aber keine Reiter sind besser bewaffnet, als die dem blutigen Herzen folgen. Und daher haben wir sie in einer Hinsicht hübsch geklopft; denn wie Eure Hoheit weiß, ist es der Schmied, der Kriegsleute macht, und Männer mit guten Waffen wiegen ganze Schaaren auf.«
Während sie so schwatzten, kehrte der Graf von March, der mit Einem in der Nähe des Palastthores gesprochen hatte, in ängstlicher Eile zurück. »Mylord Herzog! – Mylord Herzog! – Euer Vater hat sich erholt, und wenn Ihr nicht sehr eilt, so wird Mylord von Albany und der Douglas sein Ohr in Besitz nehmen.«
»Und wenn sich mein königlicher Vater erholt hat,« sagte der leichtsinnige Prinz, »und hält, oder will Rath halten mit meinem gnädigen Oheim und dem Grafen Douglas, so schickt es sich weder für Eure Herrlichkeit noch für mich, uns einzudrängen, bevor wir gerufen werden. Daher hab' ich Zeit, meine kleinen Geschäfte mit meinem wackern Waffenschmied hier zu besprechen.«
»Betrachtet es Eure Hoheit so?« sagte der Graf, dessen sanguinische Hoffnungen auf Hofgunst zu schnell erweckt waren und ebenso rasch gedämpft wurden, – »dann gebt nur Georg von Dunbar auf.«
Er eilte mit düsterer mißvergnügter Miene hinweg; und so machte sich, zu einer Zeit, wo die Aristokratie den Thron so sehr beschränkte, der Erbe desselben die zwei mächtigsten Edelleute Schottlands zu Feinden, indem er den Einen durch verachtenden Trotz, den Andern durch fehlerhaften Leichtsinn beleidigte. Indeß bemerkte er kaum des Grafen von March Abschied oder fühlte sich vielmehr erleichtert von seiner Zudringlichkeit.
Der Prinz ließ sich in ein müssiges Gespräch mit dem Waffenschmied ein, dessen Geschick in seiner Kunst ihn mit vielen der vornehmsten Lords bei Hofe persönlich bekannt gemacht hatte.
»Ich hatte dir Etwas zu sagen, Schmied – kannst du einen gebrochenen Ring in meinem Mailänder Panzer wieder einsetzen?«
»So gut, mit Eurer Hoheit Erlaubniß, als meine Mutter eine Masche in einem Netz wieder aufnehmen konnte – der Mailänder wird mein Werk von seinem eigenen nicht unterscheiden.«
»Gut, aber das war's nicht, was ich dir jetzt sagen wollte,« sagte der Prinz, sich besinnend. »Diese arme Sängerin, guter Schmied, muß in Sicherheit gebracht werden. Du bist Mann genug, um für jede Frau ein Ritter zu sein, und du mußt sie zu einem sichern Orte geleiten.«
Harry Schmied war, wie wir gesehen haben, rasch und kühn genug, wo es Waffen zu führen galt; aber er hatte auch den Stolz eines ehrbaren Bürgers und wollte sich nicht gern in Dinge einlassen, die bei dem anständigen Theile seiner Mitbürger für zweideutig gelten konnten.
»Mit Eurer Hoheit Erlaubniß,« sagte er, »ich bin nur ein armer Handwerker. Aber obwohl mein Arm und Schwert dem König zu Befehl stehen, sowie auch Eurer Hoheit, so bin ich doch, verzeiht mir, kein Knappe für Damen. Eure Hoheit wird unter Eurem eigenen Gefolge Ritter und Herren finden, die recht gern den Sir Pandarus von Troja spielen werden – es ist eine zu ritterliche Rolle für den armen Harry vom Wynd.«
»Hm – ha!« sagte der Prinz. »Meine Börse, Edgar« – (sein Diener flüsterte ihm Etwas zu) – »freilich, freilich, ich gab sie der armen Dirne. – Ich weiß genug von Eurem Gewerbe, Sir Schmied, und von Gewerbsleuten im Allgemeinen, um überzeugt zu sein, daß man keine Falken mit leeren Händen lockt; aber ich denke, mein Wort mag für den Werth einer guten Rüstung gelten, und soviel will ich dir, mit Dank obendrein, für den kleinen Dienst zahlen.«
»Eure Hoheit mag andere Handwerker kennen,« sagte der Schmied; »aber mit Erlaubniß, sie kennt Harry Gow nicht. Er gehorcht Euch, wenn es eine Waffe zu machen oder auszubessern gilt, aber er versteht nichts von diesem Schürzendienst.«
»Höre, du Maulthier von Perth,« sagte der Prinz, jedoch während er sprach, über das Zartgefühl des ehrsamen Bürgers lächelnd, – »die Dirne geht mich so wenig an, wie dich. Aber in einem müssigen Augenblicke, wie Euch die Umstehenden erzählen können, wenn Ihr's nicht selber saht, gab ich ihr im Vorbeigehen einen Kuß, was der armen Unglücklichen wahrscheinlich das Leben kosten wird. Hier ist nicht Einer, dem ich ihren Schutz anvertrauen kann gegen die Gürtelriemen und Bogenstränge, womit die Gränzbestien, die Douglas folgen, sie zu Tode schlagen werden, da es sein Wille so ist.«
»Wenn die Sache so ist, Herr, so hat sie Anspruch auf jedes ehrlichen Mannes Schutz; und da sie einen ordentlichen Rock trägt – obwohl ich wollte, er wäre länger und von minder phantastischem Schnitt – so will ich für ihre Sicherheit stehen, so gut dies ein einzelner Mann kann. Aber wohin soll ich sie bringen?«
»Ja wahrhaftig, das kann ich nicht sagen,« antwortete der Prinz. »Bringt sie nach Sir John Ramorny's Wohnung – aber, nein, nein – er ist krank, und überhaupt sind da Gründe – bring' sie zum Teufel, wenn du willst, aber nur in Sicherheit, und du verbindest David von Rothsay.«
»Mein edler Prinz,« sagte der Schmied, »ich denke – mit allem Respekt, daß ich ein schutzloses Weib der Fürsorge des Teufels immer eher als Sir John Ramorny anvertrauen könnte. Aber obwohl der Teufel ein Feuerarbeiter ist, wie ich, so kenn' ich doch seinen Aufenthalt nicht, und hoffe ihn mit Hilfe der heiligen Kirche in gebührender Entfernung von mir zu halten. Und wie kann ich sie überhaupt durch dies Gedränge oder durch die Straßen in einem solchen Narrenkleide führen? Das ist die große Frage.«
»Was das Verlassen des Klosters anlangt,« sagte der Prinz, »so wird dieser gute Mönch« (dabei ergriff er den Nächsten bei der Kapuze), »Vater Niclas oder Bonifacius –«
»Der arme Bruder Cyprian, zu Eurer Hoheit Befehl,« sagte der Pater.
»Ja richtig, Bruder Cyprian,« fuhr der Prinz fort, »ja, Bruder Cyprian wird Euch durch den geheimen Gang lassen, den er kennt, und ich werd' ihn wieder sehen, um eines Prinzen Dank dafür zu zahlen.«
Der Geistliche neigte sich einwilligend, und die arme Louise, die während des Streites von einem Sprecher auf den andern geblickt hatte, sagte hastig: »Ich will diesem guten Manne mit meinem thörichten Anzug kein Aergerniß geben – ich habe einen Mantel, den ich gewöhnlich trage.«
»Nun also, Schmied, du hast eines Mönchs Kapuze und einen Weibermantel, um dich d'runter zu bergen. Ich wollte, all' meine Schwachheiten wären so gut verhüllt! Lebe wohl, wackerer Bursche; ich werde dir später danken.«
Damit, als fürchtete er einen neuen Einwand von Seiten des Schmieds, eilte er in den Palast.
Harry Gow blieb erstaunt über das Geschehene stehen, da er sich ein Geschäft auferlegt sah, das nicht nur sehr gefährlich war, sondern auch Anstoß erregen konnte, was Beides, verbunden mit dem großen Antheil, den er nach gewohnter Raschheit am Gefechte genommen, ihm nicht geringen Schaden bei Verfolgung des eifrig erstrebten Zieles bringen konnte. Gleichwohl ein schutzloses Wesen der Mißhandlung barbarischer Galwegier und zügelloser Gefährten des Douglas zu überlassen, war ein Gedanke, den sein männliches Herz keinen Augenblick hegen konnte.
Aus dieser Betrachtung ward er durch die Stimme des Mönchs erweckt, der, seine Worte mit der Gleichgültigkeit äußernd, welche die heiligen Väter gegen alle weltlichen Angelegenheiten hatten oder heuchelten, ihm zu folgen bat. Der Schmied setzte sich mit einem Seufzer, der mehr einem Schluchzen glich, in Bewegung, und offenbar wenig auf des Mönchs Bewegungen achtend, folgte er diesem in einen Gang und durch eine Hinterthür, die der Priester, sich noch ein Mal umschauend, offen ließ. Ihnen folgte Louise nach, die eilend ihr kleines Bündel ergriffen und ihren kleinen vierbeinigen Gefährten gerufen hatte. Hastig folgte sie auf dem Pfade, der sie einem Orte entgehen ließ, wo ihr kurz zuvor eine große und unvermeidliche Gefahr zu drohen schien.