Walter Scott
Das schöne Mädchen von Perth.
Walter Scott

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Einundzwanzigstes Kapitel.

In Gottes Namen, Schranken und Alles ist bereit;
So geht an's Werk. – Es schütze Gott das Recht!
                              Heinrich IV.

Im nämlichen Rathssaale des Klosterpalastes der Dominikaner saß König Robert mit seinem Bruder Albany, dessen affectirte Tugendstrenge und wirkliche List und Verstellung so viel Einfluß auf den schwachen Monarchen übten. Es war allerdings natürlich, daß ein Mann, der die Dinge selten in ihren wirklichen Formen und Umrissen sah, sie aus dem Gesichtspunkte betrachtete, unter welchem sie ihm durch einen kühnen, listigen Mann gezeigt wurden, der das Vorrecht einer so nahen Verwandtschaft in Anspruch nahm.

Immer besorgt hinsichtlich seines irregeleiteten, unglücklichen Sohnes, bemühte sich nun der König, Albany mit sich gleicher Meinung zu machen, indem er Rothsay von einer Theilnahme an des Strumpfwirkers Tode freisprach in Bezug auf die Andeutung, die Sir Patrick Charteris Seiner Majestät deswegen gegeben hatte.

»Dies ist eine unselige Sache, Bruder Robin,« sagte er, »ein höchst unseliger Vorfall, und wird wohl Zwist und Streit zwischen Adel und Volk hier anstiften, wie sie in vielen freien Ländern einander bekriegt haben. Mir ist nur etwas daran tröstlich, und das ist, daß Sir John Ramorny seine Entlassung aus dem Dienste des Herzogs von Rathsay erhalten hat, und man daher nicht sagen kann, er oder Jemand von seinen Leuten, die diese blutige That verübt haben (wenn sie fürwahr verübt worden ist), sei dazu von meinem armen Sohne ermuthigt oder aufgehetzt worden. Ich bin gewiß, Bruder, Ihr und ich können es bezeugen, wie bereitwillig er auf meine Bitten wegen des Streites in Curfewstreet Ramorny aus seinem Dienste entlassen hat.«

»Ich erinnere mich dessen,« sagte Albany; »und ich hoffe wohl, daß die Verbindung zwischen dem Prinzen und Ramorny nicht erneuert worden sei, seit er sich Eurer Majestät Wünschen zu fügen schien.«

»Zu fügen schien – die Verbindung erneuert?« sagte der König; »wen meint Ihr mit diesen Ausdrücken, Bruder? Gewiß, als David mir versprach, er wolle sich, wenn die unselige Sache in Curfewstreet nur unterdrückt und verborgen bliebe, von Ramorny entfernen, da man ihn für einen Rathgeber hielt, der fähig sei, ihn in ähnliche Thorheiten zu verwickeln, und zufrieden sein, wenn wir ihn verbannten oder sonst eine beliebige Strafe ihm auflegten, – gewiß, Ihr könnt nicht zweifeln, daß seine Geständnisse da aufrichtig waren, und daß er sein Versprechen halten wird? Wißt Ihr nicht mehr, daß auf Euern Rath, man solle statt der Verbannung eine schwere Geldbuße auf seine Güter in Fife legen, der Prinz selber zu sagen schien, Verbannung werde besser für Ramorny, wie für ihn selbst sein?«

»Ich erinnere mich dessen wohl, mein königlicher Bruder. Auch könnt' ich wahrlich nicht von Ramorny vermuthen, daß er so viel Einfluß auf den Prinzen habe, nachdem er dazu beitrug, ihn in eine so gefährliche Lage zu versetzen, hätte es nicht, wie Eure Majestät bemerkte, mein königlicher Neffe selbst gestanden, daß Jener, wenn man ihn am Hofe ließe, noch immer sein Benehmen leiten könnte. In diesem Falle hätte ich bedauert, auf Geldstrafe statt der Verbannung angetragen zu haben. Aber diese Zeit ist vorüber, und es ist neues, für Eure Majestät, für Euern königlichen Erben und das ganze Königreich gefahrvolles Unheil geschehen.«

»Was meint Ihr, Robin?« sagte der schwache König. »Bei dem Grabe unserer Eltern! bei der Seele Bruce's, unseres unsterblichen Ahnen! ich beschwöre dich, mein theuerster Bruder, Mitleid mit mir zu haben. Sage mir, welches Uebel droht meinem Sohne oder meinem Königreiche?«

Das Gesicht des Königs, vor Besorgniß zitternd, und seine Augen, von Thränen gefeuchtet, waren auf seinen Bruder gerichtet, welcher sich Zeit zur Ueberlegung zu nehmen schien, eh' er erwiderte:

»Mylord, die Gefahr liegt hier. Eure Majestät glaubt, der Prinz habe keinen Theil an diesem zweiten Angriffe gegen die Bürger von Perth – den Mord des gemeinen Strumpfwirkers, um dessen Tod sie schreien wie ein Schwarm Möven um ihren Kameraden, wenn eine von der lärmenden Brut vom Pfeil eines Knaben niedergestreckt ist.«

»Ihr Leben,« sagte der König, »ist ihnen selbst und ihren Freunden theuer, Robin.«

»Gewiß, ja, mein König; und sie machen es auch uns theuer, ehe wir uns wegen des geringsten Blutstropfens mit den Schuften verständigen können. – Aber, wie ich sagte, Eure Majestät glaubt, der Prinz habe keinen Theil an diesem letzten Mord; – ich will nicht versuchen, Euern Glauben in diesem zarten Punkte zu erschüttern, sondern ich will mich bemühen, Euern Glauben zu theilen. Eure Meinung ist für mich Richtschnur. Robert von Albany wird nie anders denken, als Robert vom großen Schottland.«

»Dank, Dank Euch,« sagte der König, seines Bruders Hand erfassend. »Ich wußte daß Eure Liebe dem armen, leichtsinnigen Rothsay Gerechtigkeit werde widerfahren lassen, der Euch selber so viel Ungelegenheit bereitet, daß er kaum die Gefühle verdient, die Ihr für ihn hegt.«

Albany hatte in seinen Vorsätzen eine so unerschütterliche Festigkeit, daß er den brüderlichen Händedruck des Königs zu erwidern vermochte, während er die Hoffnungen des nachsichtigen, schwachen, alten Mannes bei der Wurzel ausriß.

»Aber ach!« fuhr der Herzog mit einem Seufzer fort, »dieser grobe, rücksichtslose Ritter von Kinfauns und seine händelsüchtige Bürgerheerde werden die Sachen nicht so ansehen wie wir. Sie haben die Kühnheit, zu sagen, dieser tolle Kerl sei von Rothsay und seinen Genossen mißhandelt worden, denn sie haben ihn maskiert auf den Straßen, lärmend und Männer und Weiber anhaltend, genöthigt zu tanzen oder eine ungeheure Menge Wein zu verschlucken, nebst anderen Thorheiten, die ich nicht erzählen mag, gesehen, und sie fügen hinzu, die ganze Gesellschaft habe sich zu Sir John Ramorny begeben, sei mit Gewalt in sein Haus gebrochen, um dort ihr Bacchanal zu schließen, was hinreichenden Grund zu dem Glauben giebt, die Entlassung Sir Johns aus des Prinzen Dienst sei nur ein Kunstgriff gewesen, um das Volk zu täuschen. Und darum behaupten sie, wenn in dieser Nacht durch Sir John Ramorny oder seine Leute etwas Schlimmes geschehen sei, so habe ohne Zweifel der Herzog von Rothsay doch wenigstens darum gewußt, wenn er es auch nicht guthieß.«

»Albany, das ist schrecklich!« sagte der König; »wollen sie einen Mörder aus meinem Sohne machen? Wollen sie behaupten, mein David beflecke seine Hände mit schottischem Blut ohne Zweck oder Ursache? Nein, nein, – sie werden nicht so ungeheure Verläumdung erfinden, die handgreiflich und unglaublich ist.«

»Verzeiht, mein König,« antwortete der Herzog von Albany; »sie sagen, die Ursache des Streites in Curfewstreet und dessen Folgen gehörten dem Prinzen weit mehr an, als Sir John, da Niemand vermuthet und noch weniger glaubt, daß jenes hoffnungsvolle Unternehmen zum Vergnügen des Ritters von Ramorny geschah.«

»Du treibst mich zum Wahnsinn, Robin!« sagte der König.

»Ich bin stumm,« antwortete sein Bruder; »ich sagte nur meine arme Meinung, wie Eure Majestät befahl.«

»Du meinst es gut, ich weiß es,« sagte der König; »aber statt mich durch Eröffnung des unvermeidlichen Unglücks in Stücke zu zerreißen, wär' es nicht freundlicher, Robin, mir zu zeigen, wie man demselben entgehen könnte?«

»Gewiß, mein König; da aber der einzige Weg des Entkommens rauh und schwierig ist, so ist es nöthig, daß Eure Majestät erst die absolute Nothwendigkeit seiner Benutzung begreift, bevor Ihr ihn nur beschreiben hört. Der Chirurg muß seinen Kranken erst von dem unheilbaren Zustande eines zerschmetterten Gliedes überzeugen, eh' er die Ablösung erwähnen darf, obwohl sie das einzige Mittel ist.«

Der König gerieth bei diesen Worten auf einen Grad von Unruhe und Unwillen, wie ihm sein Bruder nicht zugetraut hatte.

»Zerschmettertes und abgestorbenes Glied! Mylord von Albany! Ablösung das einzige Mittel? – Das sind unverständliche Worte, Mylord. – Wenn du sie auf unsern Sohn Rothsay anwendest, so magst du sie bis auf den Buchstaben gut machen, wenn du die Folgen nicht bitter bereuen willst.«

»Ihr versteht mich zu buchstäblich, mein königlicher Herr,« sagte Albany. »Ich sprach nicht von dem Prinzen in so ungeziemenden Ausdrücken; denn ich nehme den Himmel zum Zeugen, daß er mir als der Sohn eines geliebten Bruders theurer ist, als wär' er mein eigner Sohn. Aber ich sprach mit Rücksicht auf seine Lostrennung von seinen Thorheiten und Eitelkeiten des Lebens, welche nach dem Ausspruche frommer Männer abgestorbenen Gliedern ähnlich sind, und gleich ihnen abgeschnitten und von uns geworfen werden sollten, als Gegenstände, die unsern Fortschritt zum Bessern hemmen.«

»Ich verstehe – du willst, daß dieser Ramorny, den man für das Werkzeug der Thorheiten meines Sohnes hielt, vom Hofe verbannt werde,« sagte der getröstete Monarch, »bis diese unseligen Aergernisse vergessen und unsere Unterthanen geneigt sind, unsern Sohn mit anderen und vertrauensvolleren Augen zu betrachten.«

»Das wäre guter Rath, mein König; aber der meine ging ein wenig – ein klein wenig – weiter. Ich würde den Prinzen selbst für eine kurze Zeit vom Hofe entfernen.«

»Wie, Albany! mich von meinem Kinde trennen, meinem Erstgebornen, dem Lichte meiner Augen, und – so leichtsinnig er ist – dem Liebling meines Herzens! – O! Robin! ich kann nicht, und ich will nicht.«

»Ei, ich gab nur den Rath, Mylord. – Ich fühle, welche Wunde ein solches Verfahren dem Herzen eines Vaters schlagen muß, denn bin ich nicht selbst Vater?« Und er senkte seinen Kopf, wie in hoffnungsloser Verzweiflung.

»Ich könnt' es nicht überleben, Albany. Wenn ich bedenke, daß selbst unser eigener Einfluß auf ihn (der zwar bisweilen in unserer Abwesenheit vergessen, doch immer wirksam, wenn er bei uns ist), durch Euren Plan gänzlich wegfiele, in welche Gefahren könnt' er sich nicht stürzen? Ich könnte während seiner Abwesenheit nicht schlafen – ich würde sein Todesseufzen in jedem Lüftchen hören; und Ihr, Albany, obwohl Ihr es eher verbergt, würdet doch fast ebenso besorgt sein.«

So sprach der gefällige Monarch, der gern seinen Bruder versöhnen und sich täuschen wollte, indem er es für gewiß annahm, daß eine Zuneigung, von der keine Spur vorhanden war, zwischen Oheim und Neffen bestände.

»Eure väterlichen Besorgnisse werden zu leicht erregt, Mylord,« sagte Albany. »Ich schlage nicht vor, des Prinzen Bewegungen seinem eigenen zügellosen Belieben zu überlassen. Ich meine, der Prinz müßte für eine kurze Zeit unter einen passenden Zwang gestellt werden. – Man sollte ihm einen ehrwürdigen Rath zur Aufsicht geben, der für sein Benehmen und seine Sicherheit verantwortlich wäre, wie ein Hofmeister für den Zögling.«

»Wie! ein Hofmeister! und in Rothsay's Alter?« rief der König; »er ist zwei Jahre über die Grenze, bis zu welcher unsere Gesetze die Unmündigkeit erstrecken.«

»Die weisern Römer,« sagte Albany, »erstreckten sie vier Jahre über die Zeit, welche wir dafür annehmen; und um deutlich zu reden, das Recht der Beaufsichtigung sollte dauern, bis sie nicht mehr nöthig wäre; und sonach müßte die Zeit je nach dem Charakter verschieden sein. Da ist der junge Lindsay, Graf von Crawford, der, wie man sagt, Ramorny bei dieser Ausforderung vertritt, – er ist ein Bursch von fünfzehn, mit den tiefen Leidenschaften und der entschlossenen Festigkeit eines Mannes von dreißig Jahren, während mein königlicher Neffe, bei liebenswürdigeren und edleren Eigenschaften des Verstandes und Herzens, zuweilen im dreiundzwanzigsten die üppigen Launen eines Knaben zeigt, gegen den der Zwang nur Güte ist. – Und seid nicht traurig, mein Fürst, daß es so ist, oder zornig, daß Euer Bruder die Wahrheit sagt, denn die besten Früchte reifen am langsamsten, und die besten Rosse machen dem Bereiter am meisten zu schaffen, der sie zum Schlachtfeld oder für die Schranken erzieht.«

Der Herzog hielt inne, und nachdem er einige Minuten König Robert in einem Nachdenken gelassen, welches er nicht zu unterbrechen versuchte, sagte er in lebhaftem Tone: »Aber, seid guten Muthes, mein edler König. Der Streit kann vielleicht ohne weiteres Gefecht und ohne Schwierigkeit abgemacht werden. Die Wittwe ist arm, denn ihr Gatte war, so viel er auch arbeitete, eitel und verschwenderisch. Die Sache läßt sich daher vielleicht mit Geld abmachen, und den Betrag einer Buße kann man von Ramorny's Gütern erheben.«

»Nein, das wollen wir selber besorgen,« sagte König Robert, begierig die Hoffnung auf einen friedlichen Schluß des unerfreulichen Streites ergreifend. »Ramorny's Aussichten werden durch seine Verbannung vom Hofe und seine Entlassung aus dem Hause des Prinzen zerstört, und es wäre unedel, einen Fallenden zu beschweren. – Aber hier kommt unser Schreiber, der Prior, um uns zu sagen, daß die Stunde des Rathes naht. – Guten Morgen, mein würdiger Vater.«

»Benedicite, mein königlicher Herr!« antwortete der Abt.

»Nun, guter Vater,« fuhr der König fort, »wir können, ohne auf Rothsay zu warten, für dessen Uebereinstimmung mit unseren Beschlüssen wir bürgen, die Geschäfte unseres Reiches beginnen. Was wißt Ihr von Douglas?«

»Er ist in seinem Schlosse Tantallon eingetroffen, mein König, und hat einen Boten mit der Nachricht gesendet, daß, obwohl der Graf von March in düsterer Abgeschlossenheit in seiner Veste Dunbar bleibt, sich doch seine Gefährten und Freunde sammeln und ein Feldlager bei Coldingham bilden, wo sie, wie man glaubt, die Ankunft eines starken Heeres der Engländer erwarten wollen, das Hotspur und Sir Ralph Percy an der englischen Grenze zusammenziehen.«

»Das sind kalte Neuigkeiten,« sagte der König; »und Gott möge Georg von Dunbar vergeben!« – Der Prinz trat bei diesen Worten ein, und er fuhr fort – »ha! bist du endlich da, Rothsay? – ich sah dich nicht in der Messe.«

»Ich war diesen Morgen ein Müßiggänger,« sagte der Prinz, »weil ich eine schlaflose und fieberische Nacht gehabt habe.«

»Ah, thörichter Bursche!« antwortete der König; »wärst du nicht am Fastnachtabend schlaflos gewesen, so wärst du die Nacht des Aschermittwochs nicht vom Fieber geplagt.«

»Ich will Eure Gebete nicht unterbrechen, mein König,« sagte der Prinz leicht. »Eure Majestät ruft den Himmel an für einen – einen Feind wahrscheinlich, denn denen kommen Eure Gebete häufig zu gut.«

»Setze dich und sei still, thörichter Jüngling!« sagte sein Vater, während sein Blick zugleich auf dem hübschen Gesicht und der anmuthigen Gestalt seines Lieblings ruhte. Rothsay zog einen Schemel zu den Füßen seines Vaters und ließ sich nachlässig darauf nieder, worauf der König weiter sprach: »Ich bedaure, daß der Graf von March, nachdem er von mir mit der Zusicherung der Vergütung für Alles, worüber er sich beklagen konnte, weggegangen, fähig gewesen sein sollte, sich mit Northumberland gegen sein eigenes Vaterland zu verschwören – ist es möglich, daß er an unserer Absicht zweifelte, unser Wort zu erfüllen?«

»Ich will für ihn antworten, nein!« sagte der Prinz; »March zweifelte nie an Eurem Wort. Wahrlich, es mag ihm wohl fraglich gewesen sein, ob Eure erfahrenen Räthe Eurer Majestät die Macht lassen würden, es zu halten.«

Robert der Dritte hatte in hohem Grade die furchtsame Politik angenommen, sich zu stellen, als höre er Ausdrücke nicht, die, wenn sie gehört wurden, selbst in seinen Augen eine Kundgebung des Mißfallens erforderten. Er fuhr daher in seiner Rede fort, ohne des Sohnes Worte zu bemerken; aber im Stillen vermehrte Rothsay's Raschheit das Mißfallen, welches sein Vater gegen ihn zu unterhalten begann.

»Es ist gut, daß Douglas an den Grenzen ist,« sagte der König. »Seine Brust ist, wie die seiner Vorfahren, immer das beste Bollwerk Schottlands gewesen.«

»Dann weh' uns, wenn er dem Feinde den Rücken wendet!« sagte der unverbesserliche Rothsay.

»Wagst du den Muth des Douglas zu verdächtigen?« erwiderte der König, höchst aufgebracht.

»Kein Mensch stellt des Grafen Muth in Frage,« sagte Rothsay; »er ist so sicher wie sein Stolz; – aber sein Glück ist etwas zu bezweifeln.«

»Bei St. Andreas, David!« rief sein Vater, »du bist wie eine Eule! – jedes deiner Worte bedeutet Streit und Unglück.«

»Ich schweige, Vater!« antwortete der Jüngling.

»Und welche Neuigkeiten von den hochländischen Unruhen?« fuhr der König, sich an den Prior wendend, fort.

»Ich hoffe, sie haben eine günstige Gestalt angenommen,« antwortete der Geistliche. »Das Feuer, welches das ganze Land bedrohte, wird wahrscheinlich mit dem Blute von vierzig bis fünfzig Räubern gelöscht werden; denn die zwei großen Bündnisse haben in feierlichem Waffenvertrage beschlossen, ihren Streit mit den von Eurer Majestät genannten Waffen in Eurer königlichen Gegenwart, an einem von Euch bestimmten Orte, am nächsten dreißigsten März, dem Palmsonntag, zu entscheiden. Die Zahl der Kämpfer ist auf dreißig von jeder Seite beschränkt, und das Gefecht geht bis zum letzten Hauch, weshalb sie Eure Majestät demüthig und ehrerbietig ersuchen und bitten, daß Ihr an diesem Tage Euer königliches Vorrecht, den Kampf durch Hinunterwerfen Eures Scepters oder durch den Ruf: »Ho!« zu endigen, väterlich außer Kraft setzen wollt, bis die Schlacht gänzlich zu Ende gekämpft ist.«

»Die wilden Barbaren!« rief der König; »wollen sie unser bestes und theuerstes Vorrecht beschränken, das, einem Streite Einhalt zu thun und einer Schlacht Stillstand zu gebieten? – Wollen sie den einzigen Beweggrund entfernen, der mich zu dem schlächtermäßigen Schauspiel ihres Kampfes bringen könnte? – Wollen sie wie Menschen fechten oder wie ihre eigenen Bergwölfe?«

»Mylord,« sagte Albany, »der Graf von Crawford und ich haben uns angemaßt, ohne Euch zu befragen, jene Artikel zu ratificiren, da uns dringende Gründe die Annahme zu fordern schienen.«

»Wie! der Graf von Crawford!« sagte der König. »Mich dünkt, er ist ein junger Rath in so ernsten Angelegenheiten.«

»Er ist,« erwiderte Albany, »trotz seiner jungen Jahre so geachtet unter seinen hochländischen Nachbarn, daß ich ohne seine Hilfe und seinen Einfluß wenig bei ihnen hätte ausrichten können.«

»Hör' dies, junger Rothsay!« sagte der König vorwurfsvoll zu seinem Erben.

»Ich bedaure Crawford, Sir.« erwiderte der Prinz. »Er hat zu früh einen Vater verloren, dessen Rathschläge in einer solchen Zeit, wie diese, besser gewesen sein würden.«

Der König wendete sich zunächst mit einem triumphirenden Blicke gegen Albany wegen der kindlichen Zuneigung, die sein Sohn durch seine Antwort an den Tag gelegt hatte.

Albany fuhr ungerührt fort. »Es ist nicht das Leben dieser Hochländer, sondern ihr Tod, welcher dem schottischen Staate nützlich sein wird; und allerdings schien es dem Grafen von Crawford und mir höchst wünschenswerth, daß der Streit ein Vernichtungskampf werde.«

»Wahrlich,« sagte der Prinz, »wenn die jugendliche Politik Lindsay's eine solche ist, so wird er nach zehn oder zwölf Jahren ein gnädiger Gebieter sein! Zum Henker mit einem Knaben, der ein hartes Herz hat, bevor er Haar über der Lippe trägt! Besser, er hätte sich zu Fastnacht mit Hahnkämpfen begnügt, als Pläne zu schmieden, wie zum Palmsonntag Menschen sich niedermetzeln sollen, wie wenn es einen wälschen Kampf gälte, wo Alle bis zum Tode streiten müssen.«

»Rothsay hat Recht, Albany,« sagte der König: »es wäre unschicklich für einen christlichen Monarchen, in diesem Punkte nachzugeben. Ich kann nicht billigen, daß Menschen kämpfen, bis sie wie Vieh im Schlachthaus zusammengehauen sind. Der Anblick würde mich krank machen und das Scepter würde meiner Hand entfallen, blos weil mir die Kraft fehlte, es zu halten.«

»Es würde unbeachtet fallen,« sagte Albany. »Laßt mich Eure Majestät bitten, zu bedenken, daß Ihr nur ein königliches Vorrecht aufgebt, das Euch, wenn Ihr es ausübt, keine Achtung brächte, da ihm nicht gehorcht würde. Würde Eure Majestät das Scepter niederwerfen, wenn der Kampf tobt und das Blut dieser Männer heiß ist, so würde es nicht mehr Achtung finden, als wenn ein Sperling den Strohhalm, den er zu Neste trägt, unter eine Heerde kämpfender Wölfe fallen läßt. Nichts wird sie trennen, als die Ermordung Aller; und besser, sie geben sich den Tod unter einander, als daß sie ihn von den Kriegsleuten erhalten, die sie auf Eurer Majestät Befehl zu trennen suchten. Ein Versuch, Frieden durch Gewalt zu erhalten, schiene ihnen ein für sie gelegter Hinterhalt, beide Parteien würden sich dagegen vereinigen, das Morden wäre dasselbe und die gehofften friedlichen Folgen verloren.«

»Es ist nur zu viel Wahrheit in dem, was Ihr sagt, Bruder Robin,« erwiderte der lenksame König. »Es hilft wenig, das zu befehlen, was ich nicht erzwingen kann; und obwohl ich das Unglück habe, dies jeden Tag meines Lebens zu thun, so ist es doch nicht nöthig, vor dem Volke, das sich zum Zuschauen hinzudrängt, ein so öffentliches Schauspiel königlicher Ohnmacht zu geben. Laßt also diesen Wilden ihren blutigen Willen gegen einander bis auf das Aeußerste; ich will nicht versuchen, Etwas zu verbieten, was ich nicht hindern kann. – Der Himmel helfe diesem unglücklichen Lande! Ich will in mein Betgemach und für dasselbe beten, da es mir versagt ist, ihm mit Kopf und Hand zu helfen. Vater Prior, ich bitte um Euern Arm.«

»Aber Bruder,« sagte Albany, »verzeiht mir, wenn ich Euch erinnere, daß wir die Sache zwischen den Bürgern von Perth und Ramorny hören müssen, wegen des Todes eines Bürgers –«

»Wahr, wahr,« – sagte der Monarch, sich wieder setzend; – »noch mehr Gewaltthat – noch mehr Kampf – o Schottland, Schottland! wenn das beste Blut deiner tapferen Söhne deinen dürren Boden bereichern könnte, welches Land auf Erden würde dich an Fruchtbarkeit übertreffen! Wann hat man einen Schotten weißes Haar tragen sehn, es sei denn ein Unglücklicher, wie dein König, den seine Ohnmacht vor dem Morden schützt, um die Blutscenen zu sehen, denen er kein Ziel setzen kann? – Laßt sie eintreten – haltet sie nicht auf. Sie sind auf Mord erhitzt, und beneiden einander jeden frischen Athemzug aus ihres Schöpfers lieber Luft. Der Dämon des Streites und Mordes besitzt das ganze Land.«

Während sich der sanfte Fürst mit einer Miene voll Zorn und Ungeduld, die ihm nicht sehr gewöhnlich war, auf seinem Stuhle zurücklegte, wurde die Thür am untern Ende des Saales geöffnet, und es trat aus der Gallerie, in welche sie führte, und wo man im Hintergrunde eine Wache der Brandanen aufgestellt sah, in Trauerprocession die Wittwe des armen Oliver Proudfute, von Sir Patrick Charteris mit so viel Ehrerbietung geführt, als wäre sie eine Lady vom ersten Range gewesen. Hinter ihnen kamen zwei ehrbare Frauen, die Gattinnen von Stadtbeamten, in Trauerkleidern, die eine das kleine Kind tragend und die andere das ältere führend. Der Schmied folgte in seiner besten Kleidung, eine Trauerschürze über dem Koller tragend. Den trauernden Zug schlossen der Bailie Craigdallie und ein anderer Beamter.

Des guten Königs vorübergehende Heftigkeit verschwand sofort, als er auf das blasse Gesicht der kummervollen Wittwe sah und die Bewußtlosigkeit der unschuldigen Waisen betrachtete, die einen so großen Verlust erlitten hatten; und als Sir Patrick Charteris der Wittwe niederknien half und sich selbst, sie immer noch bei der Hand haltend, auf ein Knie niederließ, fragte der König mitleidig nach ihrem Namen und Geschäft. Sie gab keine Antwort, sondern murmelte Etwas, auf ihren Führer blickend.

»Sprecht für das arme Weib, Sir Patrick Charteris,« sagte der König, »und berichtet uns, weshalb sie vor uns tritt.«

»Mit Eurer Erlaubniß, mein König,« antwortete Sir Patrick aufstehend, »diese Frau und diese unglücklichen Kinder klagen bei Eurer Hoheit gegen Sir John von Ramorny, Ritter, daß durch ihn oder durch Jemand aus seinem Hause ihr vormaliger Gatte, Oliver Proudfute, Freier und Bürger von Perth, in den Straßen der Stadt am Abend des Fastendienstags oder am Morgen des Aschermittwochs erschlagen wurde.

»Frau,« erwiderte der König mit vieler Leutseligkeit, »du bist sanft schon deines Geschlechts wegen und solltest gerade durch deine Trauer barmherzig sein; denn unser eigenes Unglück sollte uns, – ja, ich glaube, macht uns wirklich gegen Andere barmherzig; dein Gatte hat nur den Weg betreten, der uns Allen angewiesen ist.«

»In diesem Falle,« sagte die Wittwe, »muß sich mein König erinnern, daß es ein kurzer und blutiger war.«

»Ich gestehe, daß arg mit ihm verfahren ward. Aber da ich unfähig war, ihn zu schützen, wie es allerdings meine königliche Pflicht war, so bin ich bereit zur Sühne, dich und diese Waisen zu unterstützen, und zwar so gut oder vielmehr besser, als Ihr in den Tagen Eures Gatten lebtet; laß du nur von dieser Anklage ab und gib keinen Anlaß, noch mehr Blut zu vergießen. Bedenke, ich lasse dir die Wahl zwischen Barmherzigkeit und Rache, und die zwischen Fülle und Armuth.«

»Es ist wahr, mein König, wir sind arm,« antwortete die Wittwe mit unerschütterter Festigkeit; »aber ich und meine Kinder werden uns eher mit den Thieren des Feldes nähren, ehe wir um den Preis des Blutes meines Gatten leben. Ich verlange den Kampf durch meinen Kämpen, so wahr Ihr gegürteter Ritter und gekrönter König seid.«

»Ich wußte, so würd' es kommen!« sagte der König leise zu Albany. »In Schottland sind die ersten Worte, die ein Kind stammelt, und die letzten des sterbenden Graukopfes: Kampf, Blut, Rache. Weitere Worte fruchten nichts. – Laßt die Vertheidigung vor.«

Sir John Ramorny trat in das Gemach. Er war in einen langen Pelzmantel gekleidet, wie Männer vom Stande trugen, wenn sie unbewaffnet waren. Verborgen durch die Falten des Besatzes, wurde sein verwundeter Arm durch eine Schärpe oder Schlinge von rother Seide gehalten, und mit dem linken Arm stützte er sich auf einen Jüngling, der, kaum über die Knabenjahre hinaus, auf der Stirn die tiefe Spur frühen Denkens und frühreifer Leidenschaft trug. Es war der gepriesene Lindsay, Graf von Crawford, der in seinen späteren Tagen durch den Beinamen des »Tigergrafen« bekannt war und das große, reiche Thal von Strathmore mit der unbeschränkten Macht und unbarmherzigen Grausamkeit eines Lehnstyrannen beherrschte. Zwei oder drei Edelleute, seine oder des Grafen Freunde, unterstützten Sir John Ramorny durch ihre Gegenwart bei dieser Gelegenheit. Die Anklage wurde wiederholt und von Seiten des Beschuldigten kurzweg durch Läugnen abgewiesen, und die Kläger erboten sich sofort, ihre Versicherung durch Berufung auf das Gottesgericht des Sargrechts zu erweisen.

»Ich bin nicht gebunden,« antwortete Sir John Ramorny, »mich diesem Gericht zu unterwerfen, da ich durch das Zeugniß meines ehemaligen königlichen Herrn darthun kann, daß ich in meiner eigenen Behausung war und auf meinem Bette krank lag, zu der Zeit, wo dieser Oberrichter und diese Bailie's behaupten, daß ich ein Verbrechen begangen habe, wozu ich nie Willen oder Versuchung hatte. Ich kann daher kein gerechter Gegenstand des Verdachtes sein.«

»Ich kann bezeugen,« sagte der Prinz, »daß ich in derselben Nacht, wo dieser Mord geschah, Sir John Ramorny sah und mit demselben einige Gegenstände in Betreff meines Haushaltes besprach. Daher weiß ich, daß er krank war und die fragliche That nicht in Person begehen konnte. Aber ich weiß nichts von der Beschäftigung seiner Leute und will es nicht auf mich nehmen, zu sagen: daß Einer von ihnen nicht das angeschuldigte Verbrechen begangen haben könne.«

Sir John Ramorny hatte während des Anfangs dieser Rede mit trotziger Miene um sich geschaut, wurde aber durch Rothsay's letzte Worte etwas verwirrt. »Ich danke Eurer Hoheit,« sagte er mit einem Lächeln, »für Euer behutsames und beschränktes Zeugniß für mich. Er war weise, der da schrieb: ›Setze dein Vertrauen nicht auf Fürsten!‹«

»Wenn Ihr kein anderes Zeugniß Eurer Unschuld habt, Sir John Ramorny,« sagte der König, »so können wir hinsichtlich Eurer Diener der beleidigten Wittwe und den Waisen, den Klägern, den Beweis durch das Gottesgericht des Sargrechts nicht verweigern, wenn nicht Einer von ihnen das des Zweikampfes vorziehen sollte. Was Euch selbst betrifft, so seid Ihr durch des Prinzen Zeugniß von der Anklage befreit.«

»Mein König,« antwortete Sir John, »ich kann selbst für die Unschuld meines Gefolges und meiner Diener bürgen.«

»Ei, so könnte ein Weib oder ein Mönch sprechen,« sagte Sir Patrick Charteris. »In ritterlicher Sprache: willst du, Sir John von Ramorny, für dein Gefolge mit mir kämpfen?«

»Der Oberrichter von Perth hätte nicht Zeit gehabt, das Wort Zweikampf zu nennen,« sagte Ramorny, »eh' ich ihn angenommen hätte. Aber ich bin jetzt nicht fähig, eine Lanze zu führen.«

»Das freut mich; mit Eurer Gunst, Sir John – dann wird um so weniger Blutvergießen sein,« sagte der König. »Ihr müßt daher Eure Leute nach Eures Verwalters Haushaltbuch in der großen Kirche St. Johns stellen, damit sie in Gegenwart Aller, die es angeht, sich von der Anklage reinigen können. Sorgt dafür, daß ein Jeder von ihnen zur Zeit des Hochamtes erscheint, wenn Eure Ehre nicht arg befleckt sein soll.«

»Sie werden sämmtlich erscheinen,« sagte Sir John Ramorny. Dann verbeugte er sich tief vor dem König, wendete sich an den jungen Herzog von Rothsay, zu dem er, gleichfalls mit ehrerbietiger Begrüßung, so daß er's allein hören konnte, sagte: »Ihr habt mich großmüthig behandelt, Mylord! – Ein Wort von Euern Lippen konnte diesen Streit geendet haben, und Ihr weigertet Euch, es zu sprechen!« –

»Bei meinem Leben,« flüsterte der Prinz, »ich sprach, so weit es die äußerste Grenze von Wahrheit und Gewissen erlaubten. Ich denke, du konntest nicht erwarten, daß ich Lügen für dich schmieden sollte; – und überdies, John, entsinne ich mich in meinen verworrenen Erinnerungen dieser Nacht eines schlächtermäßigen Kerls mit einer Streitaxt, dem es ganz ähnlich sah, daß er jenen Nachtstreich begangen! – Ha! traf ich es, Sir Ritter?«

Ramorny gab keine Antwort, sondern wendete sich so hastig ab, als hätte plötzlich Jemand seinen verwundeten Arm gedrückt, und erreichte mit dem Grafen von Crawford seine Wohnung wieder. Letzterem, obwohl er zu nichts weniger als zu einem Gelage aufgelegt war, mußte er eine glänzende Mahlzeit bieten, um einigermaßen den Beistand anzuerkennen, den der junge Edelmann ihm gewährt hatte.


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