Walter Scott
Das schöne Mädchen von Perth.
Walter Scott

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Siebzehntes Kapitel.

Ei, ich will dich zu einem jungen Prinzen machen.
                                    Falstaff.

Wir kehren zu der fröhlichen Schaar zurück, die vor einer halben Stunde mit so geräuschvollem Applaus Olivers Behendigkeit angesehen hatte, die letzte Probe, die der arme Strumpfwirker je davon ablegen sollte. Auch seinen hastigen Rückzug, den ihr wilder Jubel anfeuerte, hatten sie gesehen. Nachdem sie genugsam gelacht, setzten sie ihren fröhlichen Weg jubelnd und scherzend fort, manche der ihnen Begegnenden anhaltend und erschreckend; aber man muß gestehen, alles dieß, ohne Jemand ernstlich zu kränken, sei es an der Person oder an der Ehre. Endlich gab ihr Führer, von seinen Streifereien ermüdet, seinen lustigen Leuten ein Zeichen, sich dicht um ihn zu versammeln.

»Wir, meine tapferen Herzen und weisen Räthe, sind,« sagte er, »der wirkliche König über alle in Schottland, die des Beherrschens würdig sind. Wir scheuchen die Stunden, wenn der Becher kreist und wenn die Schönheit gefällig wird, wenn der Scherz erwacht und der Ernst auf seinem Bette schnarcht. Wir überlassen unserm Viceherrscher, dem König Robert, das mühevolle Geschäft, ehrsüchtige Edle unter seiner Macht zu erhalten, die Habgier der Geistlichen zu befriedigen, wilde Bergbewohner zu demüthigen und blutige Händel auszugleichen. Und da unser Rath das Reich der Freude und Lust ist, so ist es billig, daß wir all' unsere Kräfte vereinigen, um denen von unsern Unterthanen zu Hilfe zu kommen, die durch unglückliches Geschick im Kerker der Sorge und Krankheit liegen. Ich spreche hauptsächlich von Sir John, den man gemeinhin Ramorny nennt. Wir haben ihn seit dem Tumult in der Curfewstraße nicht gesehen; und obwohl wir wissen, daß er bei jener Sache ein wenig gelitten hat, können wir doch nicht begreifen, warum er nicht kommt, uns zu huldigen, wie es dem treuen Vasallen geziemt. – Hierher, unser Herold von der Kürbißflasche, habt Ihr Sir John zu diesem Abendfeste gesetzmäßig geladen?«

»Ich that es, Herr.«

»Und verkündigtet Ihr ihm, daß wir für diese Nacht sein Verbannungsurtheil aufhoben, damit, weil höhere Mächte die Sache geordnet haben, wir wenigstens einen fröhlichen Abschied von einem alten Freunde nehmen könnten?«

»Das hab' ich ausgerichtet, Herr,« antwortete der Gauklerherold.

»Und sandte er kein Wörtchen schriftliche Antwort, er, der sich so sehr rühmt, ein gelehrter Schreiber zu sein?«

»Er war zu Bett', Mylord, und ich konnte ihn nicht sehen. So viel ich weiß, hat er sehr eingezogen gelebt, weil er einige körperliche Verletzungen hat, unzufrieden mit Eurer Hoheit Ungnade ist und Beleidigungen in den Straßen fürchtet, da er nur mit Mühe den Bürgern entkam, als die Kerls ihn und zwei Diener in das Dominikanerkloster verfolgten. Die Diener sind auch nach Fife entfernt worden, damit sie nichts ausplaudern.«

»Nun, das war weise gehandelt,« sagte der Prinz, – der, wie wir dem einsichtsvollen Leser nicht zu sagen brauchen, mit besserem Rechte so genannt ward, als es ihm die lustige Nacht gewährte, – »es war vorsichtig gehandelt, leichtzüngige Gefährten aus dem Wege zu schaffen. Aber Sir John's Abwesenheit von diesem feierlichen, schon so lang' angeordneten Feste ist Meuterei und Aufkündigung des Gehorsams. Wenn aber der Ritter wirklich Gefangener der Krankheit und Melancholie ist, so müssen wir ihn mit einem Besuche erfreuen, denn es gibt kein besseres Mittel gegen solche Krankheiten, als unsere Gegenwart und einen sanften Kuß der Kürbißflasche. – Vorwärts, Knappen, Musikanten, Wachen und Hofleute! Tragt hoch das große Emblem unserer Würde. – Auf mit dem Kürbiß, sag' ich! und laßt die Träger der Tonnen, mit deren Blut wir unsern Becher füllen, ihres festen Zustandes gemäß erwählt sein. Die Last ist schwer und kostbar, und wenn unser Gesicht nicht getrübt ist, scheinen sie mehr zu schwanken und zu straucheln als uns wünschenswerth ist. Nun, vorwärts, ihr Herren, und laßt unsere Musikanten recht laut und lustig spielen.«

Vorwärts zogen sie mit jubelnder Lust und Freude, während die zahlreichen Fackeln ihr rothes Licht gegen die kleinen Fenster der engen Straßen warfen, aus welchen Hausherren in der Nachtmütze, bisweilen ihre Weiber daneben, verstohlen vorguckten, um zu sehen, welcher wilde Lärm die friedlichen Straßen zu so ungewohnter Stunde störte. Endlich hielt der muntere Zug vor Sir John Ramorny's Hausthür, die durch einen kleinen Hof von der Straße getrennt war.

Hier klopften sie, donnerten und halloheten, Rache drohend dem Widerspenstigen, der die Thüren nicht öffnen wollte. Die geringste Strafe, die angedroht ward, war Einkerkerung in ein leeres Faß im Burgverließ des Schlosses des Fürsten Kurzweil, d. h. im Bierkeller. Aber Eviot, Ramorny's Page, hörte und kannte wohl den Charakter der Zudringlichen, die so kühn anpochten, und er hielt es für besser, in Betracht der Lage, worin sein Herr sich befand, keine Antwort zu geben, in der Hoffnung, die jungen Thoren würden ihres Weges gehen; denn er wußte wohl, daß es ein vergeblicher Versuch sein würde, sie von ihrem Vorsatz abzubringen. Da das Gemach seines Herrn auf einen kleinen Garten ging, so dachte der Page, er würde durch das Geräusch nicht geweckt werden. Er vertraute der Stärke des äußeren Thores und beschloß, sie klopfen zu lassen, bis sie von selbst müde würden oder ihr Rausch vorüber wäre. Die lüderliche Gesellschaft schien sich auch wirklich bald durch das Geschrei und die Anstrengungen erschöpfen zu müssen, die sie mit Anschlagen an die Pforte machten, als ihr scheinbarer Fürst, oder vielmehr derjenige, der unglücklicher Weise nur zu gewiß ihr Gebieter war, sie als traurige und träge Verehrer des Gottes des Weines und der Lust schalt.

»Bringt,« sagte er, »unsern Schlüssel herbei – dort liegt er, und wendet ihn bei dieser rebellischen Pforte an.«

Der Schlüssel, auf den er zeigte, war ein großer Balken, der an einer Seite der Straße lag, nach der gewöhnlichen Nachlässigkeit, welche eine schottische Stadt jener Zeit charakterisirte.

Die jauchzenden Leute aus Indien hoben ihn alsbald auf ihre Arme und stießen, ihn mit vereinigter Kraft unterstützend, damit so gewaltsam gegen das Thor, daß Riegel, Angel und Pfosten krachten und zu weichen schienen. Eviot wartete diesen äußersten Fall nicht ab; er kam in den Hof herab, und nachdem er der Form wegen einige Fragen gethan, hieß er den Pförtner das Thor öffnen, wie wenn er jetzt erst die nächtlichen Gäste erkannt hätte.

»Treuloser Sklave eines untreuen Herrn!« sagte der Prinz. »Wo ist unser pflichtvergessener Unterthan, Sir John Ramorny, der unserem Rufe nicht gehorcht hat?«

»Mylord,« sagte Eviot, sich zugleich in Rücksicht auf die wirkliche, wie auf die angenommene Würde des Anführers verbeugend; – »mein Herr ist gerade jetzt sehr unwohl – er hat einen Schlaftrunk genommen – und – Eure Hoheit muß mich entschuldigen, wenn ich meine Pflicht erfülle, indem ich sage, er kann ohne Lebensgefahr für ihn nicht gesprochen werden.«

»Still! rede mir nicht von Gefahr, Herr Teviot – Cheviot – Eviot – wie heißt Ihr doch? – aber zeige mir deines Herrn Gemach, oder vielmehr öffne mir die Thür seiner Wohnung, und ich werde mich schon selber zurechtfinden. – Tragt die Kürbißflasche hoch, meine wackeren Gefährten, und seht zu, daß ihr keinen Tropfen des Getränkes verschüttet, welches der große Bacchus uns gesendet hat, um alle Krankheiten des Leibes und Sorgen des Gemüths zu heilen. Bringt sie vorwärts, sag' ich, und laßt uns das heilige Gefäß sehen, welches so köstliche Flüssigkeit einschließt.«

Der Prinz trat somit in das Haus und eilte, mit dem Innern bekannt, die Stufen empor, gefolgt von Eviot, der vergeblich um Ruhe bat, und so stürzte er mit den übrigen Schwärmern in's Gemach des verwundeten Herrn der Wohnung.

Wer es selber erfahren hat, trotz folternden Körperschmerzes mittelst eines starken Opiats zum Schlaf gezwungen zu sein, bis er durch Lärm und Gewalt aus dem unnatürlichen Zustande der Empfindungslosigkeit erweckt ward, in welchen ihn die Macht der Arznei gebracht hatte, kann im Stande sein, den verwirrten und unruhvollen Gemüthszustand Sir John Ramorny's und die Qualen seines Körpers sich vorzustellen, die beide gegenseitig auf einander wirkten. Nehmen wir zu diesen Empfindungen noch das Bewußtsein des verbrecherischen Befehls, den er gegeben hatte und der wahrscheinlich schon vollzogen war, so können wir uns ein Erwachen denken, dem der ewige Schlaf vorzuziehen wäre. Der Seufzer, den er beim ersten Schmerzgefühl hören ließ, hatte etwas so Schauerliches, daß selbst die leichtsinnigen, jungen Leute einige Minuten still blieben. Ohne die Lage zu ändern, die er während des Schlafes auf seinem Bette eingenommen hatte, sah der Kranke sich düsteren Blickes in dem mit phantastischen Gestalten gefüllten Zimmer um und sagte, noch halb besinnungslos, zu sich selbst:

»Ist denn demnach fürwahr so, und die Sage ist wahr! Diese sind Teufel und ich bin für immer verdammt? Das Feuer ist nicht äußerlich, aber ich fühl' es – ich fühl' es am Herzen – es brennt, wie wenn ein sieben Mal geheizter Ofen im Innern wirkte!«

Während er schreckliche Blicke um sich warf und einen Theil seines Bewußtseins zu erringen strebte, näherte sich Eviot dem Prinzen und bat ihn, auf die Knie fallend, die Anwesenden das Gemach räumen zu lassen.

»Es kann,« sagte er, »meinem Herrn das Leben kosten.«

»Keine Furcht, Eviot!« erwiderte der Herzog von Rothsay: »wär' er auch an den Pforten des Todes. Hier ist Etwas, was die Teufel ihre Beute zu verlassen zwingt. – Bringt die Kürbißflasche, Ihr Herren.«

»Es ist Tod für ihn, wenn er in diesem Zustande trinkt,« sagte Eviot; »wenn er Wein trinkt, stirbt er.«

»Es muß Jemand für ihn trinken, er wird durch einen Stellvertreter geheilt – und möge unser großer Bacchus dem Sir John Ramorny Trost, Erhebung des Herzens, Erleichterung der Lunge und schöne Einbildungskraft schenken, welches seine erlesensten Gaben sind, während der treue Diener, der für ihn trinkt, Ekel, Unbehaglichkeit, Nervenreizung, Trübung der Augen und Hirnklopfen haben wird, womit unser großer Meister Gaben begleitet, die uns sonst den Göttern zu ähnlich machen würden. – Was meint Ihr, Eviot? wollt Ihr der treue Diener sein, der zu seines Herrn Besten und als sein Stellvertreter trinkt? Thut dieß, und wir werden uns begnügen, Abschied zu nehmen, denn uns dünkt, daß unser Unterthan etwas gräßlich aussieht.«

»Ich würde Alles thun, was in meiner geringen Macht steht,« sagte Eviot, »um meinen Herrn vor einem Tranke zu bewahren, der sein Tod sein kann, und Eure Hoheit vor dem Bewußtsein, ihn veranlaßt zu haben. Aber hier ist Jemand, der sich mit Freuden diesem Geschäft unterziehen und Eurer Hoheit obendrein danken wird.«

»Wen haben wir da?« sagte der Prinz. »Einen Fleischer – und mich dünkt, direkt von seinem Geschäft? Treiben Fleischer ihr Geschäft am Fastnachtsabend? Pfui, wie er nach Blut riecht!«

Diese Worte galten Bonthron, der, theils verwundert über den Tumult im Hause, wo er Alles finster und still zu finden erwartete, und theils vom Weine betäubt, den der Elende in großer Masse getrunken, auf der Schwelle der Thür stand, den Auftritt vor sich anstarrend, sein Büffelwams mit Blut bedeckt und eine blutige Axt in der Hand, so daß er einen schrecklichen und widerlichen Anblick für die Schwärmer darbot, welche, obwohl sie nicht sagen konnten warum, Furcht und Unbehagen bei seiner Anwesenheit empfanden.

Als sie diesem unsaubern und gräßlich aussehenden Wilden die Kürbißflasche näherten und als er eine, wie es schien, mit Blut besudelte Hand darnach ausstreckte, rief der Prinz:

»Hinab mit ihm! laßt den Elenden nicht in unserer Gegenwart trinken; sucht ein ander Gefäß für ihn, als unsern heiligen Kürbiß, das Zeichen unserer Freuden – ein Sautrog wäre besser, wenn er zu haben wäre. Fort mit ihm! Man ertränke ihn zur Buße für seines Herrn Nüchternheit. – Laßt mich mit Sir John Ramorny und seinem Pagen allein; bei meiner Ehre! mir gefallen jenes Schurken Blicke nicht.«

Das Gefolge des Prinzen verließ das Gemach und nur Eviot blieb zurück.

»Ich fürchte,« sagte der Prinz, sich dem Bette mit anderem Betragen, als er bisher gezeigt, nähernd, »ich fürchte, mein lieber Sir John, daß dieser Besuch unwillkommen war; aber es ist Eure eigene Schuld. Obwohl Ihr unsere alte Gewohnheit kennt und die Pläne für den Abend selber entwerfen halfet, seid Ihr uns doch nicht nahe gekommen seit dem St. Valentinstag – es ist nun Fastnacht und die Entfernung ist offener Ungehorsam und Verrath an unserm Königreiche der Lust und den Statuten der Kürbisflasche.«

Ramorny erhob sein Haupt und heftete einen wirren Blick auf den Prinzen; dann gab er Eviot ein Zeichen, ihm Etwas zu trinken zu geben. Der Page reichte ihm einen großen Becher Arznei, welche der Kranke mit Gier und zitternder Hast verschlang. Dann brauchte er wiederholt die aufreizende Essenz, die ihm zu dem Zwecke der Arzt zurückgelassen, und schien seine zerstreuten Sinne zu sammeln.

»Laßt mich Euern Puls fühlen, lieber Ramorny,« sagte der Prinz; »Ich versteh' Etwas von der Heilkunst – Wie, Ihr reicht mir die linke Hand, Sir John? – Das ist gebührlich weder nach den Regeln der Arzneikunst, noch nach denen der Höflichkeit.«

»Die Rechte hat bereits ihr Letztes in Eurer Hoheit Diensten gethan,« murmelte der Kranke mit leiser und gebrochener Stimme.

»Wie meint Ihr das?« sagte der Prinz. »Ich weiß, daß dein Diener, der schwarze Quentin, eine Hand verlor; aber er kann mit der andern so viel stehlen, daß er an den Galgen kommt, und also leidet sein Schicksal keine Aenderung.«

»Jener Bursche hatte den Verlust nicht in Eurer Hoheit Dienst – ich hab' ihn – John von Ramorny.«

»Ihr!« sagte der Prinz; »Ihr scherzt mit mir, oder das Opiat beherrscht Eure Vernunft noch.«

»Wenn der Saft aller Mohnköpfe Aegyptens in einem Tranke gemischt wäre,« sagte Ramorny, »er würde den Einfluß auf mich verlieren, wenn ich das sehe.« Er zog seinen rechten Arm unter der Bettdecke hervor und streckte ihn, in den Verband eingewickelt, dem Prinzen entgegen, während er sagte: »Wäre das abgenommen und entfernt, so könnte Eure Hoheit sehen, daß nur ein blutiger Stumpf von einer Hand übrig blieb, stets bereit, das Schwert auf Eurer Hoheit leisesten Befehl zu ziehen.«

Rothsay bebte entsetzt zurück. »Dies,« sagte er, »muß gerächt werden!«

»Zum kleinen Theil ist es gerächt,« sagte Ramorny; »das heißt, mir war, als hätt' ich soeben Bonthron gesehen – oder war es der Traum der Hölle, der sich zuerst vor meiner Seele zeigte, als ich erwachte, und mir ein ähnliches Bild heraufbeschwor? Eviot, rufe das Ungeheuer – das heißt, wenn er im Stande ist, zu erscheinen.«

Eviot ging und kehrte sogleich mit Bonthron zurück, den er von der Strafe (die ihm gar nicht unangenehm) einer zweiten Kürbißflasche Weins rettete, nachdem der rohe Mensch die erste verschlungen hatte, ohne eine sichtbare Aenderung seines Betragens zu zeigen.

»Eviot,« sagte der Prinz, »laß mir die Bestie nicht zu nahe kommen. Meine Seele schaudert vor ihm zurück vor Furcht und Ekel; in seinen Blicken ist etwas meiner Natur Fremdes, und ich bebe davor, wie vor einer widerlichen Schlange, vor welcher ein innerer Trieb zurückdrängt.«

»Erst hört ihn sprechen, Mylord,« antwortete Ramorny; »spräche nicht ein Weinrausch, so könnte Niemand weniger Worte brauchen. – Bist du an ihn gekommen, Bonthron?«

Der Wilde erhob seine Axt, die er noch in der Hand hielt und senkte sie mit der Schneide abwärts.

»Gut. Wie erkanntest du deinen Mann? – Ich höre, daß eine finstere Nacht ist.«

»An Gesicht und Stimme, Kleidung, Gang und Pfeifen.«

»Genug, geh' fort! – und, Eviot, laß ihn Gold und Wein haben, um sein viehisches Verlangen zu befriedigen. – Geh' fort! – und geh' du mit ihm.«

»Und wessen Tod ist erfolgt?« fragte der Prinz, befreit von dem Gefühle des Abscheus und Ekels, worunter er litt, so lange der Mörder da war. »Ich hoffe, das ist nur ein Scherz? Sonst muß ich es eine voreilige und grausame That nennen. Wem ward das bittere Loos, durch den blutigen und wilden Sklaven hingeschlachtet zu werden?«

»Ein wenig Besserer, als er selbst,« sagte der Kranke; »ein elender Handwerker, dem indeß das Schicksal die Macht gab, Ramorny zu einem verstümmelten Krüppel zu machen – ein Fluch folge seiner schlechten Seele! – Sein elendes Leben ist für meine Rache nur, was ein Tropfen Wasser für einen Ochsen sein würde. Ich muß mich kurz fassen, denn meine Gedanken verwirren sich wieder; es ist nur die Noth, die sie beisammen hält, wie ein Köcher ein Bündel Pfeile. Ihr seid in Gefahr, Mylord – ich spreche aus sicherer Ueberzeugung – Ihr habt Douglas getrotzt und Euern Oheim beleidigt – Eures Vaters Unwillen erregt – obwohl das nur Kleinigkeit gegen das Uebrige ist.«

»Es schmerzt mich, meines Vaters Unwillen erregt zu haben,« sagte der Prinz, über den nun berührten wichtigern Gegenständen eine so unbedeutende Sache, wie den Mord eines Handwerkers, gänzlich vergessend, »wenn es in der That so ist. Aber wenn ich lebe, soll Douglas' Macht gebrochen werden, und die Schlauheit Albany's soll diesem wenig frommen!«

»Ja, wenn – wenn! Mylord!« sagte Ramorny; »mit solchen Gegnern, wie Ihr habt, müßt Ihr Euch nicht auf wenn und aber verlassen – Ihr müßt Euch gleich entschließen zu schlagen oder erschlagen zu werden.«

»Wie meint Ihr das, Ramorny? Euer Fieber macht Euch toll,« antwortete der Herzog von Rothsay.

»Nein, Mylord,« sagte Ramorny, »stände meine Raserei auch auf dem höchsten Punkte, dennoch würden die Gedanken, die jetzt durch meine Seele ziehen, sie rechtfertigen. Es kann sein, daß Schmerz über meinen eigenen Verlust mich verzweifelt macht, daß Besorgniß für Eurer Hoheit Sicherheit mich kühne Pläne unterhalten läßt; aber ich habe die volle Urtheilskraft, womit der Himmel mich begabte, wenn ich Euch sage, daß, wenn Ihr je die Krone Schottlands tragen, ja, noch mehr, wenn Ihr einen zweiten St. Valentinstag sehen wollt, Ihr müßt –«

»Was werd' ich müssen, Ramorny?« sagte der Prinz mit würdevoller Miene; »nichts meiner Unwürdiges hoff' ich!«

»Gewiß nichts, was für einen Prinzen Schottlands unwürdig oder unschicklich ist, wenn die blutbefleckten Jahrbücher unseres Landes die Wahrheit sagen; aber Etwas, was wohl die Nerven eines Fürsten der Gaukler und Narren erschüttern dürfte.«

»Du bist streng, Sir John Ramorny,« sagte der Herzog von Rothsay mit dem Ausdrucke des Mißfallens; »aber du hast dein Recht, uns zu tadeln, theuer durch den Verlust erkauft, den du in unserem Dienste erlitten.«

»Mylord von Rothsay,« sagte der Ritter, »der Arzt, der diesen verstümmelten Stumpf verband, sagte mir, je mehr ich den Schmerz seines Messers empfände, um so stärker sei die Hoffnung auf Heilung. Ich werde daher nicht anstehen, Eure Gefühle zu verletzen, weil ich dadurch Euch zu einer Einsicht bringen kann, die nothwendig für Eure Sicherheit ist. Eure Hoheit ist zu lange der Zögling fröhlicher Thorheit gewesen; Ihr müßt jetzt männliche Klugheit annehmen oder wie ein Schmetterling zermalmt werden im Schooße der Blume, an der Ihr Euch weidet.«

»Ich glaube Eure Sittenlehren zu kennen, Sir John; Ihr seid der fröhlichen Thorheit müde, – die Geistlichen nennen sie Laster, – und Ihr sehnt Euch nach einem etwas ernsteren Verbrechen. Nun, ein Mord oder ein Blutbad würde den Geschmack der Ausschweifungen erhöhen, wie der Geschmack der Olive den Wein würzt; aber meine schlimmsten Thaten sind nur lustige Schelmerei; mich freut ein blutiger Handel nicht, und es empört mich, zu sehen oder zu hören, selbst wenn er nur in Betreff des gemeinsten Sklaven geübt wurde. Sollte ich je den Thron einnehmen, so werd' ich wahrscheinlich, wie mein Vater vor mir, meinen eigenen Namen aufgeben und mich zu Ehren des Bruce ›Robert‹ nennen – nun, und wenn dies geschieht, so soll jeder Schotte seine Flasche in der einen Hand haben und die andere um seines Mädchens Nacken legen, und die Mannhaftigkeit soll durch Küsse und Becher, nicht durch Dolche und Schwerter erprobt werden; und auf mein Grab werden sie schreiben: ›Hier liegt Robert, der Vierte seines Namens. Er gewann nicht Schlachten gleich Robert dem Ersten. Er erhob sich nicht von einem Grafen zum König, wie Robert der Zweite. Er gründete keine Kirchen, wie Robert der Dritte, sondern begnügte sich zu leben und zu sterben als König braver Leute!‹ Von all' meinen Vorgängern der letzten zwei Jahrhunderte würde ich nur beneiden den Ruhm des

Alten Königs Coul
Der führt' 'ne tücht'ge Bowle.«

»Mein gnädiger Herr,« sagte Ramorny, »laßt mich Euch erinnern, daß Eure fröhlichen Schwärmereien ernste Uebel erzeugen. Hätt' ich diese Hand im Gefecht verloren, um Eurer Hoheit einen wichtigen Vortheil über Eure allzumächtigen Feinde zu verschaffen, so würde mich der Verlust weniger schmerzen. Aber von Helm und Harnisch zum Schlafrock und zur Nachtmütze gebracht zu sein –«

»Ei, laßt das jetzt endlich, Sir John« – unterbrach ihn der leichtsinnige Prinz – »wie kannst du so unwürdig handeln, und mir fortwährend die blutige Hand vor Augen halten, wie Gaskhall's Geist seinen Kopf dem Sir William Bruce zuwarf? Bedenke, du bist unvernünftiger, als Fawdyon selbst, denn ihm hatte Wallace im Zorn den Kopf abgehauen, während ich gern Alles hingäbe, dir die verlorene Hand wieder zu schaffen. Weil dies aber nicht sein kann, will ich dir eine andere dafür machen lassen, wie die stählerne Hand des Ritters von Carselogie, mit der er seine Freunde grüßen, seiner Gattin die Hand drücken, seinen Gegnern stehen und Alles thun konnte, was man mit einer Hand aus Fleisch und Blut verrichtet. Glaubt mir nur, John Ramorny, wir haben viel Ueberflüssiges an uns; der Mensch könnte mit einem Auge sehen, mit einem Ohre hören, mit einer Hand fühlen, mit einem Nasenloch riechen, und warum sollten wir das Alles doppelt haben, wenn nicht, um im Nothfall das Eine durch das Andere zu ersetzen? Ich kann es wenigstens nicht begreifen.«

Sir John Ramorny wandte sich mit einem leisen Seufzer von dem Prinzen ab.

»Ei, Sir John,« sagte der Herzog, »ich bin ganz ernst. Ihr kennt die Wahrheit der Sage von der Stahlhand des Carselogie besser, als ich, da er Euer eigener Nachbar war. Zu seiner Zeit konnte das merkwürdige Werk nur in Rom gefertigt werden; aber ich wette um hundert Mark mit Euch, laßt den Waffenschmied von Perth nur das Modell haben, so wird Harry vom Wynd es so gut zu Stande bringen, als es alle Schmiede von Rom unter dem Segen aller Cardinäle im Stande wären.«

»Ich könnt' es wagen, Eure Wette anzunehmen, Mylord,« antwortete Ramorny bitter, »aber da ist keine Zeit zu Späßen. – Ihr habt mich auf Befehl Eures Oheims aus Eurem Dienste entlassen?«

»Auf Befehl meines Vaters,« antwortete der Prinz.

»Dem Eures Oheims Befehle unverletzlich sind,« erwiderte Ramorny. »Ich bin ein schmachbeladener Mann, bei Seite geworfen, wie ich nun meinen rechten Handschuh wegwerfen kann, als ein unnützes Ding. Aber mein Kopf könnte Euch nützen, obwohl meine Hand fort ist. Ist Eure Hoheit geneigt, mir in einer wichtigen Sache einen Augenblick Gehör zu schenken? – Denn ich bin sehr erschöpft und fühle meine Kräfte schwinden.«

»Sprecht nach Gefallen,« sagte der Prinz; »dein Verlust verpflichtet mich, dich zu hören; dein blutiger Stumpf ist ein Scepter, mir zu gebieten; sprich also, aber sei gnädig im Gebrauch deines Vorrechts.«

»Ich will kurz sein, sowohl meinet- als Euretwegen; in der That, ich habe nur wenig zu sagen. Douglas stellt sich sofort an die Spitze seiner Vasallen. Er will im Namen König Roberts dreißigtausend Grenzer versammeln, die er bald nachher in's Innere führen will, um zu verlangen, daß der Herzog von Rothsay seine Tochter wieder annehme, oder vielmehr ihr den Rang und die Rechte seiner Gemahlin wieder einräume. König Robert wird sich allen Bedingungen fügen, die den Frieden sichern können. – Was wird der Herzog thun?«

»Der Herzog von Rothsay liebt den Frieden,« sagte der Prinz stolz; »aber er fürchtete nie den Krieg. Eh' er jenes stolze Weib an Tisch und Bett zurücknimmt, auf Befehl ihres Vaters, so muß Douglas König von Schottland sein.«

»Sei dem so – aber selbst dies ist die minder drängende Gefahr, vorzüglich da mit offener Gewalt dabei gedroht wird, denn der Douglas thut nichts im Geheimen.«

»Was ist das Drängendere, das uns zu dieser späten Stunde wach hält? ich bin ein müder Mann, du ein Verwundeter, und selbst die Kerzen schimmern, als wären sie unseres Gesprächs müde.«

»So sagt mir, wer ist es, der dies Königreich von Schottland beherrscht?« sagte Ramorny.

»Robert, der Dritte seines Namens,« sagte der Prinz, die Mütze abnehmend, während er sprach; »und mög' er lange das Scepter führen!«

»Ja und Amen,« antwortete Ramorny; »aber wer führt den König Robert und schreibt fast jede Maßregel vor, die der gute König ergreift?«

»Mylord von Albany, wollt Ihr sagen,« erwiderte der Prinz. »Ja, es ist wahr, mein Vater wird fast durchaus durch die Rathschläge seines Bruders geleitet; auch dürfen wir ihn unserm Gewissen nach nicht tadeln, Sir John Ramorny, denn er hat wenig Beistand von Seiten seines Sohnes.«

»Laßt uns ihm jetzt beistehen, Mylord,« sagte Ramorny. »Ich besitze ein schreckliches Geheimniß – Albany hat mit mir unterhandeln wollen, ihm beizustehen gegen Eurer Hoheit Leben! Er bietet volle Verzeihung des Vergangenen – hohe Gunst für die Zukunft.«

»Wie, Mann – mein Leben? Ich hoffe indeß, du meinst nur mein Königreich? Es wäre gottlos! – er ist meines Vaters Bruder – sie saßen auf den Knieen ein und desselben Vaters. – Schweig', Mensch! welche Thorheiten kann man einem Kranken weißmachen!«

»Weißmachen, in der That!« sagte Ramorny. »Es ist mir neu, mich leichtgläubig genannt zu hören. Aber der Mann, durch den mir Albany seine Versuchungen mittheilte, ist Einer, dem Alle glauben, sobald er ein Unheil anzeigt – selbst die Arzneien, die seine Hände bereiten, haben einen giftigen Beigeschmack.«

»Still! solch ein Sklave würde einen Heiligen verleumden,« erwiderte der Prinz. »Du bist genarrt worden, Ramorny, so schlau du auch bist. Mein Oheim von Albany ist ehrsüchtig und möchte für sich und sein Haus mehr Macht und Reichthum sichern, als er mit Grund beanspruchen kann. Aber zu vermuthen, er könnte seines Bruders Sohn entthronen oder ermorden – Pfui, Ramorny! laß mich nicht das alte Sprichwort erwähnen: ›Wer Böses thut, fürchtet Böses‹ – es ist Euer Argwohn, nicht Eure Ueberzeugung, was aus Euch redet.«

»Eure Hoheit befindet sich in unseliger Täuschung – ich will zu Ende reden. Der Herzog von Albany ist allgemein gehaßt wegen seiner Habsucht und seines Geizes – Eure Hoheit mag vielleicht beliebter sein, als –«

Ramorny hielt inne und der Prinz ergänzte ruhig: »beliebter, als geachtet? so will ich es eben haben, Ramorny.«

»Zum wenigsten,« sagte Ramorny, »seid Ihr mehr geliebt als gefürchtet, und das ist keine sichere Lage für einen Prinzen. Aber gebt mir Euer ritterliches Ehrenwort, daß Ihr das nicht ahnden wollt, was ich als guten Dienst zu Eurem Besten unternehme, und leihet mir Euer Siegel, um Freunde in Eurem Namen zu werben, und der Herzog von Albany soll keine Autorität am Hofe gewinnen, bis die verlorene Hand, die einst an diesem Stumpfe saß, wieder mit dem Leibe vereinigt sein wird, um den Befehlen meines Geistes wieder zu gehorchen.«

»Ihr werdet nicht wagen, Eure Hände in königliches Blut zu tauchen?« sagte der Prinz sehr ernst.

»Pfui, Mylord – auf keine Weise – Blut braucht nicht vergossen zu werden, das Leben kann, ja wird von selber erlöschen. Aus Mangel an Oel, oder weil es nicht vor einem Windstoß geschützt wird, stirbt das zitternde Licht der Lampe. Dulden, daß ein Mensch stirbt, heißt nicht ihn tödten.«

»Freilich – ich vergaß diese Politik. – Nun wohl, angenommen, mein Oheim fährt nicht fort zu leben. – ich denke, so müssen die Worte heißen. – Wer beherrscht dann den schottischen Hof?«

»Robert der Dritte, mit Beistimmung, Rath und Ansehen des mächtigen David, Herzogs von Rothsay, Statthalter des Königreichs und Alter Ego; – zu dessen Gunsten gewiß der gute König, müde der Anstrengungen und Mühen der Herrschaft, geneigt sein wird, abzudanken. Also lebe lange unser tapferer, junger Monarch, König Robert der Dritte!

Ille, manu fortis,
Anglis ludebit in hortis.
«

»Und unser Vater und Vorgänger,« sagte Rothsay, »wird fortleben, für uns zu beten als unser Kaplan, wofür er das Privilegium erhält, sein graues Haar nicht früher ins Grab zu legen, als der Lauf der Natur es will. – Oder treffen ihn gleichfalls einige jener Vernachlässigungen, in Folge deren Leute aufhören, fortzuleben, und vertauscht er die Mauern eines Gefängnisses oder Klosters, was jenem ähnlich, mit der dunklen und ruhigen Zelle, wo, wie die Priester sagen, die Schlechten aufhören Unruhe zu stiften und wo die Müden ruhen?«

»Ihr redet im Scherz, Mylord,« erwiderte Ramorny. »Den guten alten König zu kränken, wäre ebenso unnatürlich als unklug.«

»Warum davor zurückbeben, Mensch,« antwortete der Prinz mit strenger Mißbilligung, »wenn dein ganzer Plan eine Lehre unnatürlichen Verbrechens, gemischt mit kurzsichtigem Ehrgeiz ist? – Wenn der König von Schottland kaum seinen Edeln die Spitze bieten kann, selbst jetzt, da er ihnen ein ehrenhaftes, unbeflecktes Banner entgegenstellt, wer wird seinem Fürsten folgen, der durch den Tod seines Oheims und die Einkerkerung seines Vaters befleckt ist? Wahrlich, Mensch, deine Politik könnte einen heidnischen Divan, geschweige denn einen christlichen Staatsrath empören. – Du warst mein Vormund, Ramorny, und vielleicht könnte ich mich mit Recht auf deinen Unterricht und dein Beispiel bei den meisten Thorheiten berufen, die man mir vorwirft. Vielleicht wär' ich ohne dich nicht hier um Mitternacht in der Maske der Narrheit (dabei blickte er auf seine Kleidung), um einen ehrsüchtigen Wüstling anzuhören, der mir vorschlägt, meinen Oheim zu ermorden und den besten der Väter zu entthronen. Weil es aber doch mein Fehler so gut als der deine ist, wenn ich mich in diesen Abgrund gesenkt habe, wäre es ungerecht, daß du allein dafür leidest. Aber erneuere diese gehässigen Anträge nicht, bei Gefahr deines Lebens! Denn ich verklage dich bei meinem Vater, beim Herzog von Albany, bei ganz Schottland! Jedes Kreuz auf den Märkten der verschiedenen Städte wird dann ein Stück von dem Leichnam des Verräthers tragen, der dem Thronerben von Schottland solch schauderhaften Rath zu geben gewagt hat. Ich hoffe zu deiner Ehre, daß das Fieber deiner Wunde und der berauschende Einfluß des Trankes, der auf dein krankes Gehirn wirkte, dich diese Nacht über die gewöhnlichen Grenzen geführt hat.«

»Wirklich, Mylord,« sagte Ramorny, »wenn ich irgend Etwas gesagt habe, was Eure Hoheit so sehr aufbringen konnte, so muß es aus übermäßigem Eifer geschehen sein, gemischt mit Schwäche der Urtheilskraft. Gewiß werde ich am wenigsten unter allen Menschen ehrgeizige Pläne zu meinem eigenen Vortheil ersinnen. Ach! all' meine Aussichten sind ja nur, Lanze und Sattel mit Brevier und Beichtstuhl zu tauschen. Das Kloster zu Lindores muß den verstümmelten und verachteten Ritter von Ramorny aufnehmen, der dort Muße genug haben wird, über den Text nachzudenken: ›Vertraue keinem Fürsten.‹«

»Das ist ein kluger Vorsatz,« sagte der Prinz, »und er soll gewiß gefördert werden. Ich dachte, wir würden uns nur auf einige Zeit trennen – jetzt muß es für immer geschehen. Gewiß, nach einem solchen Gespräch, wie wir's hielten, ist es gerathen, daß wir getrennt leben. Doch das Kloster von Lindores oder welch' anderes Haus dich aufnimmt, soll von uns reich begabt und hoch begünstigt werden. – Und nun, Sir John von Ramorny, schlaft – schlaft – und vergeßt die verhängnißvolle Unterhaltung, wobei, hoff' ich, mehr das Fieber der Krankheit und des Weines das Wort führte, als unsere eigenen Gesinnungen. – Leuchtet zur Thür vor, Eviot!«

Eviot rief die Begleiter des Prinzen herbei, die, erschöpft von den Genüssen des Abends, auf der Treppe und in der Vorhalle eingeschlafen waren.

»Ist Niemand unter Euch nüchtern?« sagte der Herzog von Rothsay, dem der Anblick seiner Gefährten widerlich war.

»Nicht Einer – nicht Einer,« antworteten die Leute mit trunkenem Jubel; »Keiner von uns ist Verräther am Kaiser der lustigen Leute!«

»Und also sind Alle von Euch in Bestien verwandelt?« sagte der Prinz.

»Aus Gehorsam und in Nacheiferung Eurer Hoheit,« antwortete ein Bursche; »oder wenn wir ein wenig Eurer Hoheit nachstehen, so wird ein Zug aus der Flasche –«

»Still, Vieh!« sagte der Herzog von Rothsay: »Ist Keiner von Euch nüchtern? sag' ich.«

»Ja, mein edler Fürst,« war die Antwort; »hier ist ein falscher Bruder, der Engländer Watkins.«

»So komm her, Watkins, und trag' mir eine Fackel. Gib mir auch einen Mantel und eine andere Mütze, und nimm das dumme Zeug da weg,« mit diesen Worten warf er seine Federkrone weg; »könnt' ich doch all' meine Thorheiten so leicht wegwerfen. – Engländer Watkins, begleite mich allein und Ihr Uebrigen endet Eure Lust und legt Eure Masken ab; der Karneval ist vorüber und das Fasten hat begonnen.«

»Unser Monarch dankt diese Nacht früher als gewöhnlich ab,« sagte Einer von dem Schwarme; da aber der Prinz keine weitere Aufmunterung gab, so bemühten sich diejenigen, die jetzt der Tugend der Nüchternheit entbehrten, sie nachzuahmen, so gut sie konnten, und sämmtliche wilde Lärmer begannen das Ansehen einer Anzahl anständiger Personen anzunehmen, die, welche von einem Rausche unversehens befallen, ihren Zustand zu bemänteln bemüht sind, indem sie eine doppelte Portion von Förmlichkeit im Benehmen blicken lassen. Inzwischen ließ sich der Prinz, nachdem er hastig seine Kleidung verändert, durch den einzigen nüchternen Mann der ganzen Gesellschaft zur Thür leuchten, wäre aber auf dem Wege dorthin fast über den schlafenden Körper des rohen Bonthron gestolpert.

»Wie – begegnet uns das erbärmliche Thier noch ein Mal?« sagte zornig und voll Ekel der Prinz. »Hier, stoße Einer von Euch den Elenden in den Pferdetrog, damit er ein Mal in seinem Leben rein gewaschen wird.«

Während das Gefolge seinen Befehl vollzog, indem sie sich eines Brunnens im äußeren Hofe bedienten, und während Bonthron eine Strafe erlitt, der er nicht anders zu widerstehen vermochte, als durch inarticulirtes Stöhnen und Grunzen, wie es ein Bär hören läßt, setzte der Prinz seinen Weg nach seinen Gemächern fort, die in einem Hause, Constables Lodgings genannt, befindlich waren, welches den Grafen von Errol gehörte. Unterwegs fragte der Prinz, um seine Gedanken von den unangenehmen Gegenständen abzulenken, seinen Gefährten, wie es käme, daß er nüchtern sei, während sich die Uebrigen so sehr mit Getränken beladen hätten.

»Mit Eurer Hoheit Erlaubniß,« erwiderte der Engländer Watkins, »ich gestehe, es war sehr frei von mir, nüchtern zu sein, wenn Euer Gnaden Wille war, daß Euer Gefolge betrunken sein sollte; aber da Alle Schotten waren, außer mir, so hielt ich es nicht für klug, in ihrer Gesellschaft betrunken zu werden; sie können mich kaum ausstehen, wenn wir Alle nüchtern sind; und wenn der Wein die Oberhand erhielte, möchte ich ihnen eine offene Meinung sagen und mit so viel Stöcken bezahlt werden, als Leute in der guten Gesellschaft sind.«

»Also bist du entschlossen, nie einem der Gelage unseres Hauses beizuwohnen?«

»Mit Eurer Gunst, allerdings; wenn Eure Hoheit nicht etwa will, daß die Uebrigen Eures Gefolges einen Tag nüchtern bleiben, damit sich Will Watkins einmal ohne Lebensgefahr betrinken kann.«

»Solch' eine Gelegenheit kann sich finden. – Wo dienest du, Watkins?«

»Im Stall, mit Eurer Erlaubnis.«

»Unser Kämmerer soll dich als Yeoman der Nachtwache in's Haus aufnehmen. Du gefällst mir, und es ist gut, einen nüchternen Burschen im Hause zu haben, wenn er's auch nur wegen Furcht vor'm Tode ist. Bleib' daher unserer Person nahe, und Nüchternheit wirst du als eine einträgliche Tugend erkennen lernen.«

Inzwischen ward den Leiden des Krankenzimmers Sir John Ramorny's eine Last von Sorge und Furcht zugesellt. Seine Betrachtungen, verwirrt durch das Opiat, geriethen in große Unruhe, als der Prinz, in dessen Gegenwart er dieselbe mit Gewalt bezwungen, das Gemach verlassen hatte. Sein Verstand, den er während des Gespräches vollkommen besessen hatte, verließ ihn plötzlich. Er träumte verwirrt, daß er in großer Gefahr sei, da der Prinz sein Feind geworden war und er ihm ein Geheimniß anvertraut hatte, das ihm das Leben kosten konnte. In dieser Lage des Leibes und der Seele ist es kein Wunder, daß seine Träume schreckhaft wurden, oder vielmehr sein kranker Geist die phantasmagorischen Gestalten sah, die durch häufigen Gebrauch des Opiums erregt werden. Er glaubte den Schatten der Königin Annabella neben seinem Bette stehen und den einfachen, tugendhaften und unschuldigen Jüngling ihm abfordern zu sehen, den sie ihm als solchen anvertraut hatte.

»Du hast ihn leichtsinnig, lüderlich und lasterhaft gemacht,« sagte der Schatten der bleichen Majestät. »Aber ich danke dir, John von Ramorny, der du undankbar gegen mich, treulos deinem Wort und verrätherisch meinen Hoffnungen bist. Dein Haß soll dem Uebel entgegenarbeiten, das deine Freundschaft anrichtete. Und wohl hoffe ich, daß, nun du nicht mehr sein Rathgeber bist, eine herbe Strafe auf Erden meinem unglücklichen Kinde Gnade und Aufnahme in einer bessern Welt gewähren werde.«

Ramorny streckte die Arme nach seiner Wohlthäterin aus und bemühte sich, Zerknirschung und Reue zu äußern; aber die Miene der Erscheinung ward immer düsterer und ernster, bis es nicht mehr die der verstorbenen Königin war, sondern das finstere und stolze Gesicht des schwarzen Douglas darstellte – dann das schüchterne und kummervolle Antlitz König Roberts, der über die nahende Endschaft seines königlichen Hauses zu trauern schien – und endlich eine Gruppe phantastischer Gesichter, theils häßlich, theils lächerlich, die sich in unnatürliche und abenteuerliche Formen verzerrten und verwandelten, als spotteten sie seines Bemühens, einen genauen Begriff ihrer Züge zu erlangen.


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