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Es haben den Gau von Annandale,
Die edlen Johnstones inn';
Sie waren dort wohl tausend Jahre,
Und bleiben noch tausend d'rin.
Alte Ballade.
Nachdem wir so den Charakter und Beruf Sir Patrick Charteris, des Oberrichters von Perth, im letzten Kapitel gezeichnet haben, kehren wir nun zu der Gesandtschaft zurück, welche sich am östlichen Thore versammeln wollte, um mit ihren Beschwerden sich zu jenem Würdenträger nach Kinfauns zu begeben.
Zuerst erschien Simon Glover auf einem sanften Zelter, welcher bisweilen die Ehre genoß, die schönere Person wie die leichtere Last der reizenden Tochter zu tragen. Glovers Mantel verhüllte ihm den untern Theil des Gesichts, sei es, um seinen Freunden anzudeuten, sie sollten, während er durch die Straßen ritt, ihn durch keine Frage aufhalten, sei es wegen der gerade eingetretenen Kälte. Auf seiner Stirn war eine bedeutende Unruhe zu lesen, als wäre ihm die Sache, worin er sich verwickelt sah, immer schwieriger und gefährlicher vorgekommen, jemehr er sie genauer erwog. Er grüßte nur durch stillschweigende Geberden seine Freunde, als sie sich auf dem Sammelplatz einfanden.
Ein starker Rappe von der alten Gallowayrasse, nicht höher als vierzehn Hände, aber hochschulterig, stark von Gliedern, wohlgestaltet und gutgenährt, trug den wackern Schmied zum Ostthore. Ein Kenner des Thiers hätte in seinem Auge einen Funken der Falschheit bemerken können, die sich nicht selten mit der kräftigsten, ausdauerndsten Gestalt paart; aber das Gewicht des Reiters, seine geschickte Hand und die Art, wie er im Sattel saß, so wie die Erfahrung, die das Pferd erst kürzlich während einer langen Reise gemacht, hatten seine Widerspenstigkeit wenigstens für den Augenblick gezähmt. Ihn begleitete der ehrsame Strumpfwirker, der, da er ein kleiner, ziemlich dicker Mann war, wie ein rother Knäuel (denn er war in einen Scharlachmantel gehüllt, worüber eine Jagdtasche hing) auf einen großen Sattel gepackt war, worauf er mehr hing, als saß. Der Sattel, der den Reiter trug, war mit einem Gurt auf den Rücken einer niederländischen Stute befestigt, die den Rücken wie ein Kameel in die Höhe zog, und deren Füße, mit langen, dichten Haaren bewachsen, sich in einen breiten Huf endigten. Der Kontrast zwischen dem Pferd und dem Reiter war so außerordentlich, daß, während die Vorübergehenden, die seiner ansichtig wurden, sich wunderten, wie der Eine den Andern habe besteigen können, seine Freunde nicht ohne Besorgnisse waren, er möchte abgeworfen werden; denn die Beine des so hoch sitzenden Reiters reichten nicht bis an den untern Saum seines Sattels. Er hatte abgewartet, bis der Schmied sich auf den Weg machte, um diesem sich anzuschließen, denn Oliver Proudfute war der Meinung, daß Männer der That sich vortheilhafter zeigen könnten, wenn sie beisammen wären, und er gerieth in Entzücken, als ein Spötter aus der niedern Volksklasse Ernst genug hatte, laut auszurufen, ohne geradezu zu lachen: »Dort reitet der Stolz von Perth – dort reiten die tapfern Bürger, der wackere Schmied vom Wynd und der kühne Strumpfwirker!«
Es ist wahr, der Bursche, der so sprach, gab dabei seines Gleichen einige deutsame Winke; da aber der Strumpfwirker diese Geberden nicht sah, so warf er jenem großmüthig einen Silberpfennig zu, um seine Achtung für kriegerische Leute aufzumuntern. Dies Geschenk machte, daß ihnen eine Schaar Knaben folgte, lachend und jubelnd, bis Harry Schmied, sich umwendend, den vordersten von ihnen zu peitschen drohte; sie warteten nicht, bis er diese Absicht ausführte.
»Hier sind wir, die Zeugen,« sagte der kleine Mann auf dem großen Pferde, als sie zu Simon Glover am Ostthore kamen; »aber wo sind Jene, die uns beistehen sollen? Ach, Bruder Harry! Das Ansehen ist eine Last, passender für einen Esel, als für ein muthig Pferd; es hindert nur die Bewegungen so junger Burschen, wie Ihr und ich.«
»Ich wünschte, Euch immer ein wenig von dieser Last tragen zu sehen, werther Meister Proudfute,« erwiderte Harry Gow, »wär's auch nur, um Euch im Sattel festzuhalten; denn Ihr schwankt umher, als machtet Ihr einen Tanz auf Eurem Sitze, ohne die Beine dazu zu brauchen.«
»Ja, ja; ich hebe mich in den Steigbügeln, um die Stöße zu vermeiden. Meine Stute hat einen grausam harten Trab; aber sie hat mich in Feld und Wald getragen und durch manch' gefährliche Bergschlucht; so trennen wir uns nie, ich und Jesabel – ich nenne sie Jesabel nach der Prinzessin von Kastilien.«
»Isabelle, meint Ihr wahrscheinlich,« antwortete der Schmied.
»Ja – Isabelle oder Jesabel, – Alles gleich, wie Ihr wißt. Aber dort kommt endlich Bailie Craigdallie, mit dem armen, feige kriechenden Geschöpf, dem Apotheker. Sie haben zwei Stadtwächter mit ihren Partisanen, vermutlich als Leibwache für sich, mitgebracht. – Wenn ich irgend ein Ding vor Allem hasse, so ist es ein kriechender Schuft, wie der Dwining!«
»Hütet Euch, daß er so was nicht von Euch hört,« sagte der Schmied. »Ich sage dir, Strumpfwirker, daß mehr Gefahr in jenem dünnen Gerippe liegt, als in zwanzig tapferen Kerls, wie Ihr selbst.«
»Pfui, Schmied! Ihr wollt mit mir spaßen,« sagte Oliver; – indeß dämpfte er seine Stimme und blickte auf den Apotheker, als wollte er entdecken, in welchem Gliede oder Zuge seines abgezehrten Gesichts und Körpers sich etwa die gedrohte Gefahr zeige; und nachdem seine Prüfung ihn wieder sicher gemacht, antwortete er kühn: »Schwerter und Schilde, Freund! mit einem Dutzend solcher wie Dwining nehm' ich's auf. Was könnt' er einem Manne, der Blut in den Adern hat, thun?«
»Er könnte ihm eine Dosis Arznei geben,« antwortete der Schmied trocken.
Sie hatten keine Zeit zu fernerem Gespräch, denn Bailie Craigdallie hieß sie die Straße nach Kinfauns einschlagen, und gab selber das Beispiel dazu. Während sie in mäßigem Schritt vorwärts zogen, drehte sich das Gespräch um den Empfang, den sie beim Oberrichter zu erwarten hätten, und um die Theilnahme, die dieser an der vorzutragenden Sache zeigen möchte. Der Handschuhmacher befand sich, wie es schien, in einem Zustande gänzlicher Niedergeschlagenheit, und äußerte sich mehrmals auf eine Weise, die andeutete, daß er noch gewünscht hätte, man möchte die Sache auf sich beruhen lassen. Er sprach sich indeß nicht ganz klar aus, vielleicht aus Furcht, man möchte, wenn er sich's allzudeutlich merken ließe, daß er lieber sähe, wenn die strafbare Unternehmung mit Stillschweigen übergangen würde, nächtheilige Folgerungen für den Ruf seiner Tochter daraus ziehen. Dwining schien seine Meinung zu theilen, sprach aber vorsichtiger als am Morgen.
»Nach Allem,« sagte der Bailie, »wenn ich alles das Gute erwäge, was von der lieben Stadt zum Lord Oberrichter gekommen, kann ich nicht denken, daß er sich uns abgeneigt zeigen werde. Mehr als ein Boot, mit Bordeauxwein beladen, hat den südlichen Strand verlassen, um seine Last unter Schloß Kinfauns auszuladen. Ich habe einiges Recht, davon zu reden, weil ich die Ladung besorgte.«
»Und,« sagte Dwining mit seiner quäkenden Stimme, »ich könnte reden von auserlesenen Confekten, seltenen Confituren, feinem Gebäck und selbst den köstlichen sogenannten Zuckerhüten, die dorthin gingen wegen einer Hochzeit, einer Taufe oder dergleichen. Aber freilich, Bailie Craigdallie, der Wein ist getrunken, das Confekt gegessen, und man vergißt das Geschenk, wenn der Duft davon verschwunden ist. Ach, Nachbar! das Banket von letzter Weihnacht ist vergessen wie der Schnee des letzten Jahres.«
»Aber es gab auch Handschuhe, mit Goldstücken gefüllt,« sagte die Magistratsperson.
»Ich muß ja wissen, wer sie gemacht hat,« sagte Simon, dessen Berufsgedanken sich mit Allem mischten, was sonst seinen Geist beschäftigen mochte. »Einer war ein Jagdhandschuh für Mylady. Ich macht' ihn etwas weit. Ihre Gnaden waren aber nicht unzufrieden damit, in Betracht des Futters.«
»Nun gut,« sagte Bailie Craigdallie, »um so mehr red' ich wahr; und wenn er nicht mehr daran denkt, so ist der Oberrichter schuld und nicht die Stadt; er konnte das Gold weder essen noch trinken in der Gestalt, wie er's bekam.«
»Ich könnte auch von einer tüchtigen Rüstung sprechen,« sagte der Schmied; »aber, Cogan, na schire! wie John, der Hochländer, sagt, – ich denke, der Herr von Kinfauns wird seine Pflicht bei der Stadt in Frieden und Krieg erfüllen; und es ist unnütz, die guten Thaten der Stadt nachzurechnen, bevor wir ihn undankbar dafür sehen.«
»So mein' ich's,« schrie unser Freund Proudfute vom Gipfel seiner Stute. »Wir wackern Degen können uns nicht so erniedrigen, daß wir Wein und Nüsse nachzählen, wenn von einem Freunde, wie Sir Patrick Charteris, die Rede ist. Nein, glaubt mir, ein guter Waidmann, wie Sir Patrick, wird das Recht, im Gebiete der Stadt jagen zu dürfen, als eine hohe Gunst würdigen, die, Seine Majestät den König ausgenommen, keinem Lord oder Bürger gewährt wird, außer unserm Oberrichter allein.«
Während der Strumpfwirker sprach, hörte man zur Linken ein Geschrei: »So, so – wau wau – hau!« welches der Ruf eines Jägers zu seinem Falken ist.
»Mich dünkt, es übt soeben ein Mensch das Vorrecht, wovon Ihr sprecht, welcher weder König noch Oberrichter scheint,« sagte der Schmied.
»Ja, wahrlich, ich seh' ihn,« sagte der Strumpfwirker, welcher glaubte, es biete sich eine Gelegenheit dar, um Ehre einzulegen. »Du und ich, wackerer Schmied, wollen hin und ihn zur Rede stellen.«
»Nun vorwärts also,« sagte der Schmied; und sein Gefährte spornte seine Stute und ritt fort, gar nicht zweifelnd, daß Gow ihm dicht folge.
Aber Craigdallie hielt Harry's Pferd beim Zügel. »Bleibt bei der Fahne,« sagte er; »laßt uns sehen, wie's unserm leichten Reiter geht. Wenn er sich eine Beule holt, wird er für diesen Tag ruhiger.«
»Nach dem, was ich schon sehe,« sagte der Schmied, »kann er leicht dazu kommen. Jener Kerl, der so unverschämt stehen bleibt, uns zu betrachten, als wär' er auf der rechtmäßigsten Jagd von der Welt begriffen – ich erkenn' ihn an seinem Klepper, seiner rostigen Pickelhaube mit der Hahnenfeder, und dem langen zweihändigen Schwerte, als Einen, der im Dienste eines Lords im Süden steht, – Leute, die dem Südland so nahe wohnen, daß sie den Harnisch immer umgeschnallt haben, und die eben so gern Schläge austheilen, als lange Finger machen.«
Während sie so den Erfolg dieses Zusammentreffens besprachen, begann der tapfere Strumpfwirker Jesabel langsam laufen zu lassen, damit der Schmied, den er noch hinter sich glaubte, ihn einholen, und entweder vorangehen oder wenigstens neben ihm reiten möchte. Als er ihn aber in einer Entfernung von einigen hundert Schritten bei der Gruppe der Gefährten halten sah, fing der Held von Perth, wie der alte spanische General, an, vor den Gefahren zu zittern, denen sein verwegener Geist ihn entgegenführen konnte. Jedoch ermuthigte ihn der Gedanke wieder, daß seine Freunde nahe waren, und da er hoffte, ihre Anzahl werde dem einzelnen Wilddiebe Furcht einflößen, und da er sich schämte, von einem Unternehmen abzulassen, wozu er sich selber erboten, so widerstand er der starken Versuchung, seine Jesabel herumzuwerfen und so schnell als möglich zu den Freunden zurückzukehren, unter deren Schutz er gern gewesen wäre. Er rückte also dem Fremden näher, und seine Besorgnisse stiegen sehr, als er diesen in raschem Trabe auf seinem Klepper heraneilen sah. Sobald er diese offenbar offensive Bewegung bemerkte, blickte unser Held mehrmals über seine linke Schulter zurück, als wollte er das Feld wegen des Rückzugs recognosciren und machte inzwischen geradezu Halt. Aber der Philister kam über ihn, eh' sich der Strumpfwirker für Kampf oder Flucht entscheiden konnte, und es war ein verdächtig aussehender Philister. Seine Gestalt war hager und groß, sein Gesicht bezeichneten einige entstellende Narben und der ganze Mann sah einem solchen Menschen ähnlich, der gewohnt ist zu sagen: »Steh' und gib her, was du hast.«
Die Person begann die Unterhaltung, indem sie in einem Tone, so schlimm wie der Blick, rief: »Der Teufel führt Euch Kuckuck her; warum reitet Ihr über den Moor, um meine Jagd zu stören?«
»Würdiger Fremdling,« sagte unser Freund im Tone friedlicher Vorstellung, »ich bin Oliver Proudfute, ein Bürger von Perth, und ein Mann von Ansehen; und dort ist der würdige Adam Craigdallie, der älteste Bailie der Stadt, mit dem tapferen Waffenschmied Harry Gow und einigen andern bewaffneten Männern, die wissen möchten, wie Ihr heißt und wie es kommt, daß Ihr auf dem Stadtgebiete jagt. Indeß kann ich Euch versichern, daß sie durchaus nicht im Sinne haben, mit einem Edelmanne oder Fremden wegen dieses zufälligen Eingriffs Streit anzufangen. Nur sind sie nicht gewohnt, diese Erlaubniß zu geben, wenn man sie nicht geziemend darum ersucht; und – und – darum wünsch' ich Euren Namen zu wissen, werther Herr.«
Die trotzige und verächtliche Miene, womit der Falkner während dieser Rede Oliver Proudfute betrachtet hatte, entmuthigte Letztern sehr, und änderte den Ton der Frage gänzlich, die, war Harry Gow bei ihm, wahrscheinlich ganz anders geklungen hätte.
Der Fremde erwiderte sie, da sie gelind war, mit einer höchst verdächtigen Miene, wodurch ihn die Narben seines Gesichtes noch wilder erscheinen ließen. »Ihr wollt meinen Namen wissen? – mein Name ist der Teufels-Dick von Hellgarth, wohlbekannt in Annandale als ein edler Johnstone. Ich begleite den tapfern Laird von Wamphray, der mit seinem Vetter, dem muthigen Lord von Johnstone, reitet, welcher mit dem mannhaften Grafen von Douglas zieht; und der Graf und der Lord und der Laird und ich, der Knappe, lassen unsere Falken fliegen, wo wir unsere Beute finden, und fragen Niemand, über dessen Feld wir reiten.«
»Ich will Eure Botschaft ausrichten, Sir,« erwiderte Oliver Proudfute ziemlich sanft; denn er fing an, sich das Unternehmen eifrigst vom Halse zu wünschen, welches er so vorschnell unternommen, und er war im Begriff, sein Pferd umzuwenden, als der Mann von Annandale hinzufügte:
»Und das nehmt noch mit, damit Ihr Euch merkt, Ihr seid dem Teufels-Dick begegnet, und damit Ihr Euch ein andermal zu hüten wißt, die Jagd eines Mannes zu stören, der den geflügelten Sporn auf der Schulter trägt.«
Mit diesen Worten gab er einige harte Schläge mit seiner Reitgerte dem unglücklichen Strumpfwirker auf Kopf und Leib. Einige von ihnen trafen Jesabel, die, sich rasch umwendend, ihren Reiter auf das Moor legte und zur Gesellschaft der Bürger zurückkehrte.
Der so niedergeworfene Proudfute begann in nicht sehr männlichem Tone um Hülfe zu rufen und fast im nämlichen Athem um Gnade zu bitten; denn sein Gegner war, sobald er ihn am Boden sah, abgestiegen und hielt ihm die Spitze eines kleinen Jagdmessers an die Kehle, während er die Tasche des unglücklichen Bürgers plünderte und sogar seine Jagdtasche untersuchte, die er trug, und schwur, er wolle sich mit ihrem Inhalte dafür entschädigen, daß seine Jagd gestört worden. Er riß heftig an dem Gürtel, den unterlegenen Strumpfwirker noch mehr durch sein gewaltthätiges Verfahren erschreckend, da er sich nicht die Mühe nahm, die Schnalle zu lösen, sondern zerrte, bis der Riemen riß. Offenbar aber enthielt sie nichts nach seinem Geschmack. Er warf sie verächtlich weg und ließ zugleich den abgesetzten Reiter aufstehen, während er selbst seinen Klepper bestieg und nach Olivers Gefährten sah, die sich jetzt näherten.
Als sie ihren Abgeordneten fallen sahen, hatten sie gelacht; so sehr hatte die Prahlerei des Strumpfwirkers seine Freunde zum Scherze geneigt gemacht, als sie, wie sich Harry Schmied ausdrückte, ihren Oliver einem Roland begegnen sahen. Als man aber sah, wie des Strumpfwirkers Gegner über jenen herfiel und ihn in der beschriebenen Weise behandelte, konnte sich der Waffenschmied nicht länger halten. »Mit Erlaubniß, guter Meister Bailie, ich kann's nicht mit ansehen, daß unser Mitbürger geschlagen und geplündert wird, und vielleicht vor unsern Augen ermordet. Das betrifft unsere gute Stadt; und wenn es des Nachbars Proudfute Unglück ist, so ist's unsere Schande. Ich muß ihm zu Hilfe.«
»Wir alle wollen ihm zu Hilfe kommen,« antwortete Bailie Craigdallie; »aber schlage Keiner zu ohne mein Geheiß. Wir haben mehr Fehden vor uns, wie zu fürchten steht, als Kraft, sie zu gutem Ende zu bringen. Und daher befehl' ich euch Allen und besonders Euch, Harry vom Wynd, im Namen der guten Stadt, daß Ihr keinen Hieb außer zur Nothwehr thut.« Sonach rückten Alle miteinander vor, und das Erscheinen einer solchen Anzahl vertrieb den Räuber von seiner Beute. Er stand indeß, um sie zu betrachten, in einiger Entfernung, gleich dem Wolf, der, obwohl er sich vor den Hunden zurückzieht, nicht zu unbedingter Flucht gebracht werden kann.
Als Harry diesen Stand der Dinge sah, spornte er sein Pferd und eilte den Uebrigen weit voraus, nach dem Schauplatze von Oliver Proudfute's Mißgeschick. Das Erste, was er that, war, daß er Jesabel am Zügel ergriff, das Zweite, daß er sie ihrem Herrn wieder zuführte, der die Kleider ganz mit Koth überzogen und Thränen in den Augen, die ihm Schmerz und Verdruß entlockt hatten, auf ihn zukam. Der Anblick, den er darbot, war von seiner sonstigen wichtigen und anmaßenden Miene so verschieden, daß der ehrliche Schmied nicht umhin konnte, einiges Mitleid mit dem kleinen Mann zu fühlen und sich Vorwürfe zu machen, daß er ihn solchem Unfall ausgesetzt hatte. Es gibt wohl Niemand, glaub' ich, den ein übel abgelaufener Scherz nicht ergötzt. Der Unterschied ist nur, daß ihn der Boshafte ohne unangenehme Nebenempfindung genießt, während der Wohlwollende bald die lächerliche Seite der Sache vergißt und nur Mitgefühl für den Schmerz des Leidenden behält.
»Laßt mich Euch wieder auf Euren Sattel helfen, Nachbar,« sagte der Schmied, während er zugleich abstieg und Oliver auf seinen Kriegssattel klettern half, wie es ein Affe etwa gethan hätte.
»Gott mag Euch verzeihen, Nachbar Schmied, daß Ihr nicht hinter mir kamet! Ich würde es nicht geglaubt haben und hätten mir's hundert glaubwürdige Zeugen zugeschworen.«
Dies waren die ersten Worte, gesprochen mehr im Schmerz als Zorn, womit der gemißhandelte Oliver seinen Gefühlen Luft machte.
»Der Bailie hielt mein Roß beim Zaume; und überdies,« fuhr Harry mit einem Lächeln fort, welches selbst sein Mitleid nicht unterdrücken konnte, »dachte ich, Ihr hättet mir die Beeinträchtigung Eures Ruhmes vorgeworfen, wenn ich Euch gegen einen einzelnen Mann zu Hilfe gekommen wäre! Der Schuft gewann den Vortheil über Euch, weil Euer Pferd nicht pariren wollte.«
»Das ist wahr – das ist wahr,« sagte Oliver, der die Entschuldigung eifrig aufgriff.
»Und dort steht der Schurke und freut sich über das gestiftete Unheil und triumphirt über Eure Niederlage, wie der König in der Romanze, der die Geige spielte, während eine Stadt brannte. Komm' du mit mir und du sollst sehen, wie wir mit ihm umspringen – wahrlich, fürchte nicht, daß ich dich diesmal im Stiche lasse.«
So sprechend ergriff er Jesabel am Zügel und während er ihr zur Seite galoppirte, ohne Oliver Zeit zu einer Weigerung zu lassen, eilte er auf Teufels-Dick zu, welcher auf dem Gipfel einer Anhöhe in einiger Entfernung Halt gemacht hatte. Indessen klatschte der edle Johnstone, sei es, daß er sah, der Kampf würde ungleich werden, oder daß er für einen Tag genug gethan zu haben meinte, in die Hände, streckte, als wollte er seinem Gegner Trotz bieten, die Arme aus, und lenkte dann sein Pferd in das nahe Moor, worin er sich instinktmäßig, wie eine wilde Ente, zu bewegen schien, wobei er sein Federspiel um seinen Kopf schwang und seinem Falken pfiff, während jedes andere Pferd und jeder andere Reiter sogleich bis an den Sattelgurt versunken wäre.
»Das ist ein vollkommener Moorreiter,« sagte der Schmied. »Dieser Kerl wird fechten oder fliehen, wie es ihm behagt, und ihn zu verfolgen nützt nicht mehr, als eine wilde Gans zu jagen. Wahrscheinlich hat er Euren Beutel genommen, denn sie gehen selten fort, ohne die Hände voll zu haben.«
»Ja – ja – ja,« sagte Proudfute in traurigem Tone; »er hat mir den Beutel genommen – aber daran liegt wenig, da er mir die Jagdtasche gelassen hat.«
»Ei wahrlich, die Jagdtasche wäre ein Siegeszeichen für ihn gewesen, gewiß – eine Trophäe, wie es die Minstrels nennen.«
»Es liegt noch mehr daran, als das, Freund,« sagte Oliver bedeutsam.
»Nun, das ist gut, Nachbar; mir ist's lieb, daß ich Euch wieder in Eurem würdevollen Tone reden höre. Munter! Ihr habt des Burschen Rücken gesehen und die Trophäen wiedergewonnen, die Ihr verlort, als er im Vortheil gegen Euch war.«
»Ach, Harry Gow – Harry Gow!« sagte der Strumpfwirker und hielt mit einem tiefen Seufzer inne, der fast wie ein Schluchzen klang.
»Was gibt's denn?« fragte sein Freund. »Womit quält Ihr Euch nun selber?«
»Ich habe einigen Verdacht, mein theuerster Freund Harry Schmied, daß der Bursche floh aus Furcht vor Euch und nicht vor mir.«
»Denkt das nicht,« antwortete der Waffenschmied; »er sah zwei Männer und floh, und wer kann sagen, ob er wegen des einen oder des andern floh? Ueberdies kennt er aus Erfahrung Eure Stärke und Gewandtheit; wir Alle sahen, wie Ihr stießt und kämpftet, als Ihr am Boden laget.«
»That ich das?« sagte der arme Proudfute; »ich erinnere mich nicht – aber ich weiß, daß das meine starke Seite ist – ich bin stark, wenn's darauf ankommt. Aber sahen es auch Alle?«
»Alle so gut wie ich,« sagte der Schmied, die Neigung zum Lachen unterdrückend.
»Aber du wirst sie daran erinnern?«
»Ganz gewiß,« antwortete der Schmied; »und auch an dein letztes verzweifeltes Nachsetzen. Merkt, was ich dem Bailie Craigdallie sagen werde, und macht's Euch zu nutze.«
»'s ist nicht darum, daß ich ein Zeugniß zu meinen Gunsten brauchte, denn ich bin von Natur so tapfer, wie die meisten Männer in Perth – sondern nur« – hier hielt der Mann des Muthes inne.
»Aber was denn?« fragte der muthige Waffenschmied.
»Nur, daß ich mich vor dem Todtgeschlagenwerden fürchte. Mein artiges Weib und meine jungen Kinder zu verlassen, Ihr seht wohl, das wäre ein trauriger Wechsel, Schmied. Ihr werdet dies erfahren, wenn Ihr selber in dem Falle seid, und Euer Muth wird dann schwächer werden.«
»Das kann wohl sein,« sagte der Waffenschmied nachsinnend.
»Dann bin ich so gewöhnt an den Gebrauch der Waffen und habe so guten Athem, daß Wenige es mit mir aufnehmen. Seht hier,« sagte der kleine Mann, indem er seine Brust wie die eines Huhns am Bratspieß ausdehnte und die Hände darauf legte, »hier ist Raum genug für die Luft.«
»Ich darf wohl sagen, Ihr seid langathmig – zum wenigsten beweisen's Eure Reden –«
»Meine Reden? – Ihr seid ein Spaßvogel – aber ich habe die Schilderei von einem Dromond den Fluß herauf von Dundee geschafft.«
»Die Schilderei von einem Dromond!« rief der Waffenschmied. »Nun, Freund, das wird Euch mit dem ganzen Clan in Fehde verwickeln – der meines Wissens nicht der am wenigsten rachsüchtige im Lande ist.«
»Heiliger Andreas, Mann, Ihr mißversteht mich! – Ich meine einen Dromond, d. h. ein großes Schiff. Ich habe diese Schilderei in meinem Hofe befestigt und gemalt und ausgebessert, daß das Ding wie ein Sultan oder Saracene aussieht, und daran üb' ich meinen Athem und brauche mein zweihändig Schwert auf Hieb und Stoß stundenlang dagegen.«
»Das muß Euch mit dem Gebrauch Eurer Waffen vertraut machen,« sagte der Schmied.
»Ja freilich thut es das – und manchmal setz' ich eine Mütze (versteht sich eine alte) auf meines Sultans Haupt und spalte sie mit einem so gewaltigen Hieb, daß der Ungläubige wahrlich bald nur noch die Hirnschale übrig haben wird.«
»Das ist nicht gut, denn Ihr werdet Eure Uebung verlieren,« sagte Harry. – »Aber was sagt Ihr, Strumpfwirker? Ich will einmal meine Pickelhaube und meinen Harnisch anlegen, und Ihr sollt auf mich hauen, wenn Ihr mir erlaubt, mit einem großen Schwert zu pariren und die Hiebe zurückzugeben. Was meint Ihr dazu?«
»Das geht auf keinen Fall, mein lieber Freund. Ich würde Euch zu viel Schaden thun; – überdies fecht' ich, die Wahrheit zu gestehen, viel freier gegen einen Helm oder Mütze, wenn sie auf meinem hölzernen Sultan sitzt – denn da bin ich gewiß, sie 'runter zu hauen. Seh' ich aber eine Feder darauf schwanken, zwei feurige Augen unter dem Visir hervorblitzen und die ganze Gestalt hier und dorthin tanzen, da ist allerdings meine Hand weniger fest.«
»Also, wenn die Leute still hielten, wie Euer Sultan, so würdet Ihr den Tyrannen mit ihnen spielen, Meister Proudfute?«
»Mit der Zeit und durch Uebung könnt' ich es wohl,« antwortete Oliver. – »Aber hier kommen wir zu den Andern; Bailie Craigdallie sieht böse aus – aber seine Art zornig zu sein, schreckt mich nicht.«
Der freundliche Leser muß sich erinnern, daß, sobald der Bailie und seine Gefährten sahen, wie der Schmied zum besiegten Strumpfwirker kam und der Fremde sich zurückzog, sie nicht weiter für nöthig hielten, Oliver zu Hilfe zu eilen, in der Hoffnung, die Gegenwart des gefürchteten Harry Gow werde Jenen hinreichend sicherstellen. Sie schlugen daher wieder den geraden Weg nach Kinfauns ein, weil sie sich ihres Auftrages möglichst bald entledigen wollten. Da eine geraume Zeit verflossen war, bis der Strumpfwirker und der Schmied wieder zu ihnen stießen, fragte der Bailie, sich vorzüglich an Harry wendend, warum sie die kostbare Zeit mit Verfolgung des Falkners verschwendet hätten?
»Alle Heiligen, meine Schuld war's nicht, Meister Bailie,« erwiderte der Schmied. »Wenn Ihr einen gemeinen niederländischen Windhund mit einer hochländischen Wolfsdogge paart, so dürft Ihr jenen nicht schelten, wenn er beiher läuft, wohin diese ihn zieht. Ganz so ist mir's mit meinem Nachbar Oliver Proudfute gegangen. Kaum war er wieder aufgestanden, so warf er sich wie der Blitz auf sein Pferd, und ergrimmt über die Feigheit, womit der Räuber seinen Sturz benutzt hatte, eilte er ihm nach wie ein Dromedar. Ich mußte ihm wohl folgen, theils um einen zweiten Fall zu verhüten, theils um unsern Beschützer, unsern tapfern Freund zu vertheidigen, wenn ihm dort oben auf der Anhöhe ein Hinterhalt gelegt worden wäre. Aber der Schurke, der im Gefolge eines Lords von den Marches ist und einen geflügelten Sporn auf der Schulter trägt, floh vor unserm Nachbar, wie die Funken vom Feuersteine.«
Der Senior Bailie von Perth lauschte mit Staunen der Sage, welche Harry Gow zu verbreiten beliebte; denn obwohl ihm wenig an der Sache lag, hatte er doch immer an der Wahrheit der romantischen Thaten des Strumpfwirkers gezweifelt, die er nun doch in gewissem Grade für richtig halten mußte. Der schlaue alte Glower durchschaute die Sache besser.
»Ihr werdet den alten Strumpfwirker toll machen,« flüsterte er Harry zu; »er wird mit seiner Klapper lärmen, als wär's eine Stadtglocke an einem Freudenfeste, während er der Ordnung und des Anstandes wegen ganz still sein sollte.«
»O, bei unserer lieben Frau, Vater,« erwiderte der Schmied, »ich liebe den armen kleinen Prahlhans, und mag nicht daran denken, ihn reuig und schweigend beim Oberrichter zu sehen, während alle Uebrigen, und besonders der giftige Apotheker, ihre Meinung sagten.«
»Du bist ein allzuguter Bursche, Harry,« antwortete Simon. »Merk' aber den Unterschied zwischen diesen beiden Männern. Der harmlose kleine Strumpfwirker nimmt die Miene eines Drachen an, um seine natürliche Feigheit zu verstecken, während der arglistige Apotheker sich bemüht, schüchtern, muthlos und bescheiden zu scheinen, um seine gefährliche Gemüthsart zu bergen. Die Natter ist nicht minder tödtlich, weil sie unter einen Stein kriecht. Ich sage dir, Sohn Harry, daß, bei all' seinen kriechenden Blicken und schüchternen Worten, dies elende Gerippe Unheil mehr liebt, als es Gefahr fürchtet. – Aber hier stehen wir vor des Oberrichters Schloß. Und Kinfauns ist ein stattlicher Ort, und es gereicht der Stadt zum Vortheil, den Eigner eines so tüchtigen Schlosses zur obersten Magistratsperson zu haben.«
»In der That eine hübsche Burg,« sagte der Schmied, auf den breitfluthenden Tay blickend, der unter der Höhe hinfloß, worauf das Schloß stand, gleich seinem modernen Nachfolger, und wie die Königin des Thales erschien, obschon auf der andern Seite des Flusses die starke Mauer von Elcho ihr den Vorrang streitig machen zu wollen schien. Indeß war Elcho um diese Zeit ein friedliches Kloster, und hinter den Mauern, die es umschlossen, lebten keusche Jungfrauen, die der Welt und ihren Genüssen entsagt hatten. »Ein tüchtiges Schloß,« sagte der Waffenschmied, wieder auf die Thürme von Kinfauns blickend, »es ist Brustwehr und Panzer des schönen Gebietes des Tay; es müßte manche gute Klinge schartig werden, ehe man ihm beikommen könnte.«
»Der Pförtner von Kinfauns, der aus der Ferne die Personen und den Stand der Nahenden erkannte, hatte bereits das Hofthor zu ihrem Eintritt geöffnet, nachdem er Sir Patrick Charteris hatte melden lassen, daß der älteste Bailie von Perth mit mehreren anderen Bürgern dieser Stadt sich dem Schlosse nähere. Der Ritter, der gerade auf die Falkenjagd gehen wollte, empfing diese Nachricht etwa auf die Weise, wie ein Gutsherr in unserer Zeit, wenn ein ungelegener Besuch gemeldet wird, d. h. er wünschte im Stillen die Gäste zu allen Teufeln, während er laut befahl, sie mit gebührendem Anstand und aller Höflichkeit zu empfangen. Den Dienern befahl er, Wildpret und kaltes Fleisch im großen Saale aufzustellen, und seinem Kellermeister, einige Tonnen anzuzapfen, und seine Pflicht zu thun; denn wenn die gute Stadt dann und wann seinen Keller füllte, so waren die Bürger stets ebenso bereit, seine Flaschen leeren zu helfen.
Die guten Bürger wurden ehrerbietig in den Saal geführt, wo der Ritter, in einem Reitkleide und Stiefeln bis in die Mitte der Schenkel, sie mit einem Gemisch von Höflichkeit und oberherrlicher Herablassung empfing; er wünschte sie dabei in den Grund des Tay, weil sie ihn in einem Vergnügen störten, dem er den Morgen hatte widmen wollen. Er ging ihnen bis in die Mitte des Saales mit entblößtem Haupte und den Hut in der Hand entgegen, und begrüßte sie ungefähr so: – »Ah, Meister Bailie Craigdallie, ehrenwerther Simon Glover, Väter der guten Stadt – und Ihr, mein gelehrter Apotheker – und Ihr, tapferer Schmied, – und auch Ihr, mein muthiger Strumpfwirker, der mehr Köpfe spaltet, als er Mützen verfertigt, – was schafft mir das Vergnügen, so viel Freunde zu so gelegener Stunde bei mir zu sehen? Ich wollte auf die Falkenjagd, und eure Gesellschaft wird den Genuß noch erhöhen – (bei Seite: ich hoffe zu unsrer lieben Frau, daß sie die Hälse brechen!) – das heißt, wenn die Stadt keinen Auftrag für mich hat – Gilbert, du Schelm, spute dich mit dem Wein. – Aber ich hoffe, euer Geschäft ist nicht ernsterer Art, als zu versuchen, ob der Malvasier hier seinen Wohlgeschmack behalten hat?«
Die Abgeordneten der Stadt erwiderten ihres Oberrichters Höflichkeiten durch Verbeugungen und Kratzfüße, die mehr oder minder charakteristisch waren. Die Verbeugung des Apothekers war die tiefste, und die des Schmieds die ungezwungenste. Wahrscheinlich kannte er seinen eignen Werth als Mann des Schwertes. Der Bailie antwortete im Namen der Andern.
»Sir Patrick Charteris und unser edler Lord Oberrichter,« sagte Craigdallie würdevoll, »wäre unsere Absicht nur, Gebrauch von der Gastlichkeit zu machen, mit der Ihr uns schon oft empfangen habt, so hätte uns das Gefühl des Schicklichen gelehrt, wie sonst auf eine Einladung zu warten. Was die Falkenjagd anlangt, so haben wir deren für einen Morgen schon genug gehabt, denn wir stießen unterwegs auf einen Burschen, der im Stadtgebiet jagte und der unsern Freund Oliver oder Proudfute, wie er genannt wird, aus dem Sattel geworfen und gemißhandelt hat, einzig darum, weil er ihn in Eurem und der Stadt Namen fragte, wer oder was er sei, daß er sich so viel herausnehme.«
»Und was sagte er von sich?« fragte der Oberrichter. »Bei St. John! ich will ihn meine Jagd achten lehren!«
»Mit Eurer Gnaden Erlaubniß,« sagte der Strumpfwirker, »er nahm seinen Vortheil über mich wahr. Aber ich stieg hernach wieder auf und setzte ihm muthig nach. Er nennt sich Richard der Teufel.«
»Wie, mein Freund? Auf den die Lieder und Romanzen gemacht sind?« sagte der Oberrichter. »Ich dachte, dieses Burschen Namen wäre Robert.«
»Ich denke, das sind verschiedene Leute, Mylord; ich nannte den Kerl blos beim vollen Namen, denn eigentlich nannte er sich den Teufels-Dick und sagte, er sei ein Johnstone und im Gefolge des Lords gleichen Namens. Aber ich hetzte ihn tüchtig und jagte ihm meine Jagdtasche wieder ab, die er mir bei meinem Unfall abgenommen.«
Sir Patrick schwieg einen Augenblick. »Wir haben,« sagte er dann, »vom Lord von Johnstone und seinen Begleitern gehört. Es kommt wenig dabei heraus, wenn man sich mit ihnen einläßt. – Schmied, sagt mir, habt Ihr das ruhig angesehen?«
»Ja, freilich wohl, Sir Patrick; meine Vorgesetzten befahlen mir, nicht zu Hilfe zu kommen.«
»Nun, wenn du ruhig geblieben bist,« sagte der Oberrichter, »so seh' ich nicht ein, warum wir unruhig werden sollten; besonders da Meister Oliver Proudfute, obwohl anfangs im Nachtheil, wie er sagt, seine Ehre und die der Stadt rettete. Aber hier kommt endlich der Wein. Schenkt meinen guten Freunden und Gästen ein, bis es überläuft. Auf das Wohl von St. Johnston und ein fröhlicher Willkommen euch Allen, meine wackern Freunde! Und nun setzt euch und eßt einen Bissen, denn die Sonne steht hoch und ihr muntern Leute werdet lange nichts genossen haben.«
»Bevor wir essen, Mylord Oberrichter,« sagte der Bailie, »laßt uns den dringenden Grund unseres Kommens berichten, welchen wir noch nicht berührt haben.«
»Nein, ich bitte, Bailie,« sagte der Oberrichter, »laßt das, bis ihr gegessen habt. Eine Beschwerde gegen die übermüthigen Jackmen und Diener der Edeln, die in den Straßen der Stadt Ball spielten, oder sonst so eine hübsche Sache?«
»Nein, Mylord,« sagte Craigdallie ernst und fest. »Die Herren der Jackmen sind's, über die wir klagen, weil sie Ball mit der Ehre unserer Familien spielten, und so wenig Umstände mit unserer Töchter Schlafkammern machen, als wären sie in einem Bordell zu Paris. Eine Schaar Nachtschwärmer, – Hofleute und Männer von Rang, wie nur zu viel Grund zu glauben ist, – versuchten in letzter Nacht die Fenster in Simon Glovers Hause zu ersteigen; sie standen mit gezogenen Wehren zu ihrer Verteidigung, als sie durch Harry Schmied gestört wurden, und sie kämpften, bis sie von den erwachten Bürgern vertrieben wurden.«
»Wie?« sagte Sir Patrick, den Becher niedersetzend, den er eben erheben wollte. »Teufel, beweist mir das, und bei der Seele Thomas von Longueville's, mit meiner besten Macht will ich euch beistehen und sollt' es mir Leben und Land kosten. – Wer bezeugt das? – Simon Glover, man kennt Euch als ehrlichen und behutsamen Mann – nehmt Ihr die Wahrheit dieser Beschuldigung auf Euer Gewissen?«
»Mylord,« sagte Simon, »versteht wohl, daß ich nicht freiwillig in dieser wichtigen Sache als Kläger auftrete. Nur die Ruhestörer selbst haben dabei den Schaden gehabt. Ich fürchte, nicht blos große Macht konnte sie zu solcher ungesetzlichen Tollkühnheit ermuthigen; und ich möchte nicht gern Anlaß geben, daß sich zwischen meiner Vaterstadt und einem mächtigen Edlen eine gefährliche Fehde erhöbe. Aber man hat angedeutet, wenn ich mich lässig zeigte, hierin zu klagen, so gäb' ich gleichsam zu erkennen, daß meine Tochter einen solchen Besuch erwartete, was völlig unwahr ist. Daher, Mylord, will ich Ew. Gnaden den ganzen Hergang der Sache nach Wissen und Gewissen erzählen und Eurer Weisheit die Entscheidung, was zu thun sei, überlassen.« Dann erzählte er, Punkt für Punkt, Alles, was er von dem Ueberfalle gesehen hatte.
Sir Patrick Charteris, mit vieler Aufmerksamkeit zuhörend, schien besonders verwundert über das Entkommen des Mannes, der gefangen worden war. »Seltsam,« sagte er, »daß Ihr ihn nicht festhieltet, als Ihr ihn hattet. Saht Ihr ihn nicht genau genug an, um ihn wieder zu erkennen?«
»Ich hatte nur das Licht einer Laterne, Mylord Oberrichter; und entkommen lassen mußt' ich ihn, da ich ja allein war und alt bin. Dennoch würd' ich ihn gehalten haben, hätte ich nicht das Geschrei meiner Tochter im obern Zimmer gehört; und eh' ich von dort zurückkam, war der Mann durch den Garten entflohen.«
»Nun, Waffenschmied, als ein wahrhafter Mann und guter Krieger,« sagte Sir Patrick, »erzählt mir, was Ihr von der Sache wißt.«
Harry Gow gab in seiner entschiedenen Redeweise eine kurze, aber klare Schilderung der ganzen Sache.
Der ehrsame Proudfute, der zunächst aufgerufen wurde, begann seinen Bericht mit einer wichtigern Miene: »Indem ich von dem schrecklichen und erstaunlichen Tumult innerhalb der Stadt rede, kann ich allerdings, das ist wahr, nicht mit Harry Gow sagen, daß ich den ersten Anfang sah. Aber es läßt sich nicht läugnen, daß ich einen großen Theil des Endes betrachtete, und daß ich den kräftigsten Beweis zur Ueberführung der Bösewichter beibrachte.«
»Und welcher ist das, Mann?« sagte Sir Patrick Charteris. »Verliert keine Zeit mit langen Reden. Was ist's?«
»Ich habe Ew. Gnaden in dieser Tasche mitgebracht, was einer der Schurken zurückließ,« sagte der kleine Mann. »Es ist eine Trophäe, die ich, in voller ehrlicher Wahrheit, zwar bekenne nicht selbst gewonnen zu haben, bei welcher ich aber doch den Ruhm in Anspruch nehme, daß ich sie mit der Geistesgegenwart sicherte, die wenige Männer unter leuchtenden Fackeln und klirrenden Waffen bewahren. Ich sicherte sie, Mylord, und hier ist sie.«
So sprechend, zog er aus der bereits erwähnten Jagdtasche die erstarrte Hand, die auf dem Schauplatze des Gefechts gefunden ward.
»Ei, Strumpfwirker,« sagte der Oberrichter, »ich glaube, Ihr seid Mann genug, um eines Schurken Hand zu sichern, nachdem sie vom Körper gehauen ist. – Was sucht Ihr so geschäftig in Eurer Tasche?«
»Es muß darin sein – es war darin – ein Ring, Mylord, der an dem Schurkenfinger stak. Ich fürchte, ich war vergeßlich und ließ ihn zu Hause, denn ich nahm ihn ab, um ihn meiner Frau zu zeigen, daß sie sich nichts aus der todten Hand machte, wie denn Weiber dergleichen Anblick nicht lieben. Ich dachte aber doch, ich hätt' ihn wieder an den Finger gesteckt. Trotzdem muß er, glaub' ich, zu Hause sein. Ich will darnach zurückreiten und Harry Schmied wird mit mir traben.«
»Wir werden Alle mit dir traben,« sagte Sir Patrick Charteris, »da ich selber nach Perth will. Seht, ehrenwerthe Bürger und gute Nachbarn von Perth, Ihr mögt geglaubt haben, es liege mir nichts an Euren leichten Beschwerden und Klagen wegen des Bruchs Eurer Privilegien, z. B. was die Jagd aus Eurem Revier betrifft, das Ballspiel der Edelknappen in den Straßen und dergleichen. Aber bei der Seele Thomas Longueville's, Ihr werdet Patrick Charteris nicht träge finden in einer so wichtigen Sache. – Diese Hand,« fuhr er, das getrennte Glied in die Höhe haltend, fort, »gehört Einem, der keine Handarbeit verrichtete. Wir wollen sie an einem Orte aufstecken, wo der Eigner sie erkennen und beanspruchen kann, wenn seine Kameraden der Nachtschwärmerei noch einen Funken Ehre in sich haben. – Hört Ihr, Gerard – laßt gleich ein Paar Dutzend tüchtiger Leute aufsitzen und Panzer und Speer mit sich nehmen. Inzwischen, Nachbarn, wenn eine Fehde hieraus entspringt, was sehr wahrscheinlich ist, müssen wir einander beistehen. Wenn mein armes Haus angegriffen wird, wie viel Leute werdet Ihr mir zuführen?«
Die Bürger sahen Harry Gow an, an den sie sich instinktmäßig bei derartigen Erörterungen wendeten. »Ich will,« sagte er, »dafür stehen, daß fünfzig tüchtige Bursche beisammen sind, ehe die Stadtglocke zehn Minuten geläutet hat; tausend werden in Zeit von einer Stunde da sein.«
»Es ist gut,« antwortete der ritterliche Oberrichter; »und im Fall der Noth will ich der guten Stadt mit so viel Mannschaft zu Hilfe kommen, als ich auftreiben kann. Und nun, gute Freunde, steigen wir zu Pferde.«