Walter Scott
Das schöne Mädchen von Perth.
Walter Scott

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Zwölftes Kapitel.

Es sprach die alte Wirthin nun,
    Die mürrisch g'nug erschien:
»Mocht' Euer Vater je dies thun,
    So war es schlimm für ihn.«
                      Lucky Trumbull.

Die Gesellschaft war jetzt durch einen geheimen Gang in die Klosterkirche gelangt, deren äußere Thüren, gewöhnlich offen stehend, in Folge des letzten Tumultes für Jedermann verschlossen waren, da die Aufrührer beider Parteien sich bemüht hatten, aus anderen Gründen, als denen der Andacht, hineinzudringen.

Sie gingen durch die düstern Gänge, deren Gewölbe von dem schweren Tritte des Waffenschmieds widerhallten, aber stumm blieben durch den Sandalentritt des Mönchs und den leichten Schritt der armen Louise, die vor Furcht wie vor Kälte außerordentlich zitterte. Sie sah, daß weder ihr geistlicher, noch ihr weltlicher Führer freundlich auf sie blickten. Der Erstere war ein strenger Mann, dessen Miene zeigte, er betrachte den unglücklichen Wanderer mit Verachtung und Abscheu; während der Letztere, obwohl, wie wir sahen, einer der gutmüthigsten Menschen von der Welt, gegenwärtig doch ernst bis zur Härte war, und nicht wenig mißvergnügt, daß er eine Rolle zu spielen genöthigt war, ohne, wie er wohl einsah, sie ablehnen zu können.

Sein Mißfallen an diesem Geschäfte erstreckte sich sogar auf seinen unschuldigen Schützling, und er sagte im Stillen zu sich, während er sie verächtlich betrachtete: – »Eine hübsche Bettlerkönigin, um mit ihr durch die Straßen von Perth zu wandern, ich, ein ehrsamer Bürger! Diese phantastische Schöne muß einen so saubern Ruf haben, als ihre ganze Brüderschaft, und ich bin gut daran, wenn meine Chevalerie zu ihrem Besten zu Katharina's Ohr gelangt! Eher dürft' ich einen Mann erschlagen haben, und wär' er der Beste von Perth; und, bei Hammer und Nägeln! ich wollt' es auf erfolgte Beleidigung lieber gethan haben, als diese Bagage durch die Stadt führen.«

Vielleicht ahnte Louise den Grund der Unruhe ihres Begleiters, denn sie sagte, furchtsam und zögernd: »Werther Herr, wär' es nicht besser, ich blieb' einen Augenblick in der Kapelle und nähme meinen Mantel um?«

»Hm, Liebchen, das ist nicht übel,« sagte der Waffenschmied; aber der Mönch sprach dagegen, indem er zugleich den Finger verbietend erhob.

»Die Kapelle des heiligen Madox ist kein Ankleidezimmer für Gaukler und Landstreicher, um sich dort zu putzen. Ich will dir gleich einen Ort zeigen, der besser für deinen Stand paßt.«

Das arme junge Weib senkte ihr gedemüthigtes Haupt und kehrte von der Kapellenthür, der sie sich genähert hatte, mit dem tiefen Gefühle der Erniedrigung zurück. Ihr kleiner Hund schien aus seiner Herrin Blick und Benehmen zu ahnen, daß sie auf diesem heiligen Boden unberechtigte Eindringlinge waren, denn er senkte die Ohren und fegte den Boden mit dem Schwanze, während er leise und dicht hinter Louisens Füßen hinlief.

Der Mönch ging ohne Aufenthalt vorwärts. Sie stiegen eine breite Treppe hinab und gingen durch ein Labyrinth unterirdischer, matt erhellter Gänge. Als sie durch ein niedrig gewölbtes Thor kamen, wandte sich der Mönch um und sagte, in demselben strengen Tone wie vorher, zu Louisen: – »Dort, Tochter der Thorheit, ist ein Ankleidezimmer, wo viele vor Euch ihre Kleider abgelegt haben!«

Dem geringsten Zeichen mit rascher und furchtsamer Bereitwilligkeit folgend, eilte sie durch die offene Thür, kehrte aber sogleich entsetzt zurück. Es war ein Beinhaus, halb angefüllt mit alten Schädeln und Knochen.

»Ich fürchte mich, dort mein Kleid zu wechseln, und allein – aber wenn Ihr, Vater, es befehlt, so möge es geschehen.«

»Ei, du Kind der Eitelkeit, die Reste, die du siehst, sind nur der irdische Theil derer, die in ihrer Zeit zu weltlicher Lust anführten oder ihr folgten. Und so wirst auch du sein, wegen all' deines Leichtsinns und Wanderns, deines Singens und Klimperns; du, und alle solche Diener leichtfertiger und weltlicher Lust, müßt diesen armseligen Gebeinen gleich werden, die deine eitle Weichlichkeit fürchtet und anzusehen scheut.«

»Sprecht nicht von eitler Weichlichkeit, ehrwürdiger Vater,« antwortete die Sängerin, »denn der Himmel weiß, ich beneide die Ruhe dieser armen gebleichten Reste; und wenn ich, meinen Leib darauf legend, ohne Sünde meinen Zustand dem ihrigen gleich machen könnte, so würde ich den Beinhaufen zu meiner Ruhestatt wählen vor dem sanftesten und schönsten Kissen in Schottland.«

»Sei geduldig und komm',« sagte der Mönch in milderem Tone; »der Schnitter darf die Arbeit nicht verlassen, bis Sonnenuntergang das Zeichen gibt, daß das Tagewerk vorüber ist.«

Sie gingen vorwärts. Bruder Cyprian öffnete am Ende einer langen Gallerie ein kleines Gemach oder vielleicht eine Kapelle, denn es war mit einem Kruzifix geschmückt, vor welchem vier Lampen brannten. Alle neigten und bekreuzten sich, und der Priester sagte zur Sängerin, auf das Kruzifix zeigend: »Was sagt dies Zeichen?«

»Daß Er den Sünder so gut wie den Gerechten zu sich ladet.«

»Ja, wenn der Sünder von seiner Sünde abläßt,« sagte der Mönch, dessen Stimme offenbar milder war. »Bereite dich hier zu deiner Reise.«

Louise blieb ein paar Augenblicke in der Kapelle und erschien sogleich wieder in einem Mantel von grobem grauem Tuch, worein sie sich dicht gehüllt hatte, indem sie soviel von ihrer auffallenden Kleidung, als die Zeit gestattete, in das Körbchen gelegt, welches zuvor ihren gewöhnlichen Anzug enthielt.

Der Mönch entriegelte sogleich eine Thür, welche in's Freie führte. Sie befanden sich in dem Garten, der das Kloster der Dominikaner umgab. »Das südliche Thor ist nur verriegelt und ihr könnt unbemerkt hindurch,« sagte der Mönch. »Gott segne dich, mein Sohn; und er segne auch dich, unglückliches Kind. Gedenke, wo du deine eitlen Gewänder ablegtest und hüte dich, sie je wieder anzuthun!«

»Ach, Vater!« sagte Louise, »könnte die arme Fremde die einfachen Bedürfnisse des Lebens durch eine ehrenvollere Beschäftigung gewinnen, so möchte sie gern dieser eitlen Kunst entsagen. Aber – –«

Aber der Mönch war verschwunden, ja, dieselbe Thür, durch die sie eben gekommen, schien auch verschwunden zu sein, so merkwürdig war sie durch einen beweglichen Pfeiler, wie unter den reichen gothischen Mauerzierrathen versteckt. »Hier ist nun freilich ein Weib durch die geheime Thür herausgelassen,« dachte Harry. »Gebe der Himmel, daß die guten Väter keines wieder einlassen. Der Ort scheint ganz geeignet zum Versteckenspielen. – Aber, Benedicite, was ist nun zu thun? Ich muß die Dirne so geschwind als möglich loswerden – und ich muß sie in Sicherheit bringen. Denn mag sie eigentlich sein, wie sie will, sie sieht so sittsam aus, nunmehr sie ehrbare Kleidung trägt, als daß sie die Mißhandlung des wilden Schotten von Galloway oder die der Teufelslegion von Liddell verdienen sollte.«

Louise stand da, als wartete sie, welchen Weg Harry sie führen werde. Ihr kleiner Hund, erleichtert durch den Wechsel der dunklen unterirdischen Wölbung mit der freien Luft, sprang in wilden Sätzen durch die Gänge und hüpfte an seiner Gebieterin empor; ja er umkreiste auch, obwohl schüchterner, des Schmiedes Füße, um auch diesem seine Zufriedenheit auszudrücken und seine Gunst zu gewinnen.

»Nieder, Charlot, nieder!« sagte die Sängerin. »Du freuest dich, wieder im hellen Sonnenlicht zu sein; aber wo werden wir die Nacht ruhen, mein armer Charlot?«

»Und nun, Mistreß,« sagte der Schmied – nicht unfreundlich, denn dies lag nicht in seiner Natur, aber kurz, wie Einer, der ein unangenehmes Geschäft zu endigen wünscht, – »wohin liegt Eure Straße?«

Louise blickte zu Boden und schwieg. Auf's Neue gedrängt, zu sagen, welchen Weg sie geführt zu sein wünschte, blickte sie wieder abwärts und erklärte, sie könne es nicht sagen.

»Kommt, kommt,« sagte Harry, »ich versteh' Alles – ich bin ein munterer Bursch' gewesen – ein Wildfang zu meiner Zeit – aber 's ist am besten, man ist offen. Wie die Sachen jetzt mit mir stehen, so bin ich seit vielen, vielen Monaten ein anderer Mann; und daher, meine Gute, müssen Ihr und ich uns vielleicht eher trennen, als sich ein junges hübsches Weib wie Ihr eigentlich trennen möchte von – einem ansehnlichen jungen Burschen.«

Louise weinte still, die Augen immer noch zu Boden gesenkt, wie Jemand, der eine Beleidigung fühlt, worüber er kein Recht hat sich zu beklagen. Endlich, als sie merkte, daß ihr Führer ungeduldig ward, sagte sie mit gebrochener Stimme: »Edler Sir –«

»Sir gehört für einen Ritter,« sagte der ungeduldige Bürger, »und edel für einen Baron. Ich bin Harry vom Wynd, ein ehrsamer Handwerker und von freier Zunft.«

»Nun, guter Handwerker,« sagte die Sängerin, »Ihr beurtheilt mich hart, aber ohne scheinbaren Grund. Ich wollte Euch sogleich von meiner Gesellschaft befreien, die vielleicht guten Männern wenig Ehre bringt, wüßt' ich nur, wohin ich gehen sollte.«

»Zum nächsten Jahrmarkt oder Feste gewiß,« sagte Harry rauh, indem er nicht zweifelte, daß ihre Traurigkeit nur verstellt sei, um ihn zu fesseln, und vielleicht auch, weil er fürchtete, selbst in Versuchung zu gerathen; »und es ist das Fest des heiligen Madox zu Auchterarder. Gewiß wirst du den Weg dorthin recht gut finden.«

»Aftr – Auchter –« wiederholte die Sängerin, vergebens mit ihrer südlichen Zunge die Celtischen Laute versuchend. »Man sagt mir, meine armen Lieder würden nicht verstanden, wenn ich jenen schrecklichen Bergen näher käme.«

»Wollt Ihr also in Perth bleiben?«

»Aber wo wohnen?« sagte die Fremde.

»Ei, wo wohntet Ihr die letzte Nacht?« erwiderte der Schmied. »Ihr wißt sicherlich, woher Ihr kommt, obwohl Ihr zweifelhaft scheint, wohin Ihr gehen sollt.«

»Ich schlief im Hospitium des Klosters. Aber ich ward nur mit großer Schwierigkeit zugelassen und man befahl mir, nicht wiederzukommen.«

»Nein, sie werden Euch nimmer aufnehmen, da Ihr des Douglas Zorn auf Euch geladen, das ist nur zu wahr. Aber der Prinz erwähnte Sir John Ramorny's – ich kann Euch durch Seitengassen zu seiner Behausung führen, – obwohl dies kein Geschäft für einen ehrlichen Bürger ist, und meine Zeit drängt.«

»Ich will gehen, wohin es sei – ich weiß, ich bin ein Aergerniß und eine Last. Es gab eine Zeit, wo es anders war. – Aber wer ist dieser Ramorny?«

»Ein artiger Ritter, der ein munteres Junggesellenleben führt, und Knappe und Privado, wie man sagt, des jungen Prinzen ist.«

»Wie! des wilden, höhnischen jungen Mannes, der Anlaß zu jenem Skandal gab? – O, bringt mich nicht dorthin, guter Freund! Ist keine christliche Frau da, die einem armen Wesen in ihrem Stall oder ihrer Scheune für eine Nacht Ruhe gönnen möchte? Ich will mit Tagesanbruch fortgehen. Ich habe Gold und ich will Euch auch bezahlen, wenn Ihr mich wohin führen wollt, wo ich sicher vor dem wilden Schwärmer bin und vor den Dienern des schwarzen Barons, in dessen Blicken der Tod lag.«

»Behaltet Euer Gold für die, die es brauchen, Mistreß,« sagte Harry, »und bietet nicht ehrlichen Händen das Geld an, was durch Lautenspiel, Fiedeln, Tanzen und vielleicht schlimmeres Handwerk gewonnen ist. Ich sag' Euch geradezu, Mistreß, ich lasse mich nicht bethören. Ich bin bereit, Euch zu jedem sichern Orte zu führen, den Ihr nennt, denn mein Versprechen ist so fest, wie eine Eisenspange. Aber Ihr macht mich nicht glauben, als wüßtet Ihr nicht wohin. Ihr seid nicht so jung in Eurem Gewerbe, um nicht zu wissen, daß es Wirthshäuser in jeder Stadt gibt, zumal in einer Stadt wie Perth, wo Euresgleichen Herberge für Geld finden kann, wenn Ihr nicht einen mehr oder weniger großen Dummkopf findet, der Eure Zeche bezahlt. Wenn Ihr Geld habt, Mistreß, so hab' ich wenig Sorge um Euch; und in der That seh' ich wenig mehr als Vorwand in dem übertriebenen Kummer und der Furcht, allein zu sein, bei Jemand von Eurem Beruf.«

Nachdem er so, wie er glaubte, angezeigt hatte, er lasse sich durch die gewöhnlichen Künste einer Sängerin nicht täuschen, ging er einige Schritte vorwärts, indem er sich einbildete, er handle so am weisesten und klügsten; er konnte sich aber nicht enthalten, zurückzusehen, wie Louise seinen Abschied ertrüge, und war betroffen, als er bemerkte, daß sie auf ein Beet gesunken war, die Arme auf den Knieen und das Haupt auf den Armen ruhend, in einer Lage, welche die höchste Verzweiflung ausdrückte.

Der Schmied suchte sein Herz zu verhärten, »'s ist Alles Schein,« sagte er, »die Dirne kennt ihr Geschäft – ich will drauf schwören, bei St. Ringan.«

In diesem Augenblicke zerrte Etwas am Saume seines Kleides, und als er sich umsah, erblickte er den kleinen Hund, der sogleich, als wollte er seiner Gebieterin Sache vertreten, sich auf die Hinterbeine stellte und zu tanzen begann, zu gleicher Zeit winselnd und nach Louise zurücksehend, als wollte er für seine verlassene Herrin Mitleiden erregen.

»Armes Thier,« sagte der Schmied, »auch du verstellst dich vielleicht nur, denn du thust nur, was man dich gelehrt hat. – Doch, da ich dies arme Wesen zu schützen versprach, so darf ich sie nicht in einer Ohnmacht verlassen, wenn es eine ist, geschäh' es auch nur aus Menschlichkeit.«

Als er umkehrte und sich seiner beschwerlichen Bürde näherte, erkannte er sogleich an ihrer veränderten Gesichtsfarbe, daß sie entweder wirklich sehr unwohl sei, oder eine Macht der Verstellung besitze, wie kein Mann, ja vielleicht keine Frau begreifen könnte.

»Junges Weib,« sagte er mit mehr Freundlichkeit, als er bisher an den Tag zu legen vermocht hatte, »ich will Euch offen sagen, wie es mit mir steht. Es ist heute St. Valentinstag, und der Sitte nach muß ich ihn bei meiner schönen Valentine zubringen. Aber Schläge und Streit haben den ganzen Morgen weggenommen, bis auf eine armselige halbe Stunde. Nun könnt Ihr wohl einsehen, wo mein Herz und meine Gedanken sind, und wo, wär' es auch nur der Höflichkeit wegen, mein Leib sein sollte.«

Die Sängerin lauschte und schien ihn zu begreifen.

»Wenn Ihr ein ächter Liebender seid, und eine keusche Valentine zu besuchen habt, so verhüte Gott, daß Meinesgleichen Euch eine Störung bereiten sollte. Denkt nicht mehr an mich. Ich will diesen großen Fluß als Führer zum Meere nehmen, wo sich, wie man sagt, ein Hafen befindet; von dort will ich nach dem schönen Frankreich segeln, und noch ein Mal meine Heimath begrüßen, wo der roheste Bauer das ärmste Weib nicht so kränken würde.«

»Ihr könnt heute nicht nach Dundee gehen,« sagte der Schmied. »Die Leute des Douglas sind auf beiden Seiten des Flusses in Bewegung, denn der Lärm vom Morgen muß sie schon erreicht haben; und den ganzen Tag, und den nächsten, und die ganze Nacht, die dazwischen ist, während sie sich zu ihres Führers Fahne sammeln, wie Hochländer zum feurigen Kreuz. Seht Ihr jene fünf oder sechs Männer, die so rasch am andern Ufer des Flusses reiten? Das sind Leute von Annandale; ich kenne sie an ihren langen Lanzen und an der Art, wie sie sie tragen. Ein Mann von Annandale läßt seinen Speer nie rückwärts hängen, sondern trägt die Spitze immer aufwärts oder vorwärts.«

»Und was ist mit ihnen?« sagte die Sängerin. »Sie sind Bewaffnete und Krieger – sie werden mich meiner Laute und meiner Hilflosigkeit wegen schonen.«

»Ich will ihnen nichts Böses nachsagen,« antwortete der Schmied. »Wäret Ihr in ihren eigenen Thälern, würden sie Euch gastfrei behandeln und Ihr hättet nichts zu fürchten; aber jetzt sind sie im Felde. Alles ist Fisch, was in ihr Netz kommt. Es gibt unter ihnen welche, die Euch das Leben nehmen würden Eurer goldnen Ohrringe wegen. Ihre ganze Seele ruht in ihren Blicken, um Beute zu sehen, und in ihren Händen, um sie zu ergreifen. Sie haben keine Ohren, um Lieder zu hören, oder auf eine Bitte um Gnade zu horchen. Ueberdies haben sie einen Befehl von ihrem Führer hinsichtlich Eurer, und der Befehl ist von einer Art, daß er sicher befolgt wird. Ach, großen Herren schenken sie eher Gehorsam, wenn es heißt, brennt eine Kirche nieder, als wenn sie sagen, baut eine auf.«

»Dann,« sagte die Sängerin, »ist das Beste, ich setze mich hin, um zu sterben.«

»Sprecht nicht so,« erwiderte der Schmied. »Wenn ich nur ein Nachtquartier für Euch erlangen könnte, so führte ich Euch morgen an die Treppe bei unsrer lieben Frau, von wo die Fahrzeuge stromab nach Dundee gehen, und übergäbe Euch Jemand am Bord, der für Eure Sicherheit sorgte, damit Ihr gute Bewirthung und freundliche Behandlung fändet.«

»Guter – trefflicher – großmüthiger Mann!« sagte die Sängerin. »Thut das, und wenn die Gebete und Segenswünsche einer armen Unglücklichen je den Himmel erreichen, so werden sie für Euch emporsteigen. Wir werden uns an jener Hinterpforte treffen, um die Zeit, wo die Boote abgehen.«

»Das ist um sechs Uhr Morgens, so wie der Tag anbricht.«

»Also geht nur zu Eurer Valentine; – und wenn sie Euch liebt, o, so hintergeht sie nicht.«

»Ach, armes Mädchen! ich fürchte, Täuschung hat dich in diesen Zustand gebracht. Aber ich darf Euch nicht so unversorgt verlassen. Ich muß wissen, wo Ihr die Nacht zubringen werdet.«

»Sorgt nicht darum,« erwiderte Louise. – »Der Himmel ist hell. – Es gibt Büsche und Gesträuche genug am Flusse; Charlot und ich können wohl für eine Nacht ein Blätterlager als Schlafgemach nehmen; und morgen werd' ich, mit Eurer versprochenen Hilfe, aus dem Bereich der Kränkung und Beleidigung kommen. O, die Nacht vergeht bald, wenn man Hoffnung auf den Morgen hat! – Zögert Ihr noch, während Eure Valentine auf Euch wartet? Ei, ich werde Euch nur für einen lauen Liebhaber halten, und Ihr wißt, was der Tadel eines Minstrels gilt.«

»Ich kann Euch nicht verlassen, Mädchen,« antwortete der Waffenschmied. »Es wäre geradezu Mord, ließ' ich Euch die Nacht unter der Strenge eines schottischen Februarwindes zubringen. Nein, nein, – mein Wort wär' auf diese Weise schlecht gehalten; und lief' ich Gefahr, Tadel zu ärnten, so wär's gerechte Strafe, daß ich übel von Euch dachte und Euch durch ein Betragen kränkte, das Ihr gewißlich nicht verdient. Kommt mit mir, Mädchen – Ihr sollt für die Nacht sicher wohnen, was auch daraus werde. Es wär' ein schlechtes Kompliment für meine Katharina, ließ ich ein armes Geschöpf umkommen, um mich eine Stunde früher ihrer Gesellschaft zu freuen.«

So sprechend, und indem er sich gegen jede Ahnung der üblen Folgen stählte, die eine solche Maßregel haben könnte, entschloß sich her mannhafte Schmied, der Verläumdung Trotz zu bieten und der Fremden in seinem eigenen Hause eine Zuflucht für die Nacht zu geben. Es muß noch bemerkt werden, daß er dies mit großem Widerstreben und nur in einer Art von Begeisterung des Wohlwollens that.

Bevor unser wackerer Sohn des Vulkan dem schönen Mädchen von Perth seine stete Verehrung weihte, stellte ihn eine gewisse natürliche Wildheit des Charakters unter den Einfluß der Venus so gut wie unter den des Mars; und es war nur die Folge redlicher Neigung, die ihn gänzlich von solchen ungebundenen Freuden abgelenkt hatte. Er war daher mit Recht eifersüchtig auf seinen neuerworbenen Ruf der Beständigkeit, den sein Betragen gegen die arme Fremde dem Verdachte aussetzen konnte – auch fürchtete er sich vielleicht selbst ein wenig vor Versuchung – und besonders verzweifelte er darüber, daß er so viel vom St. Valentinstage verlor, den der Brauch nicht nur erlaubte, sondern selbst verpflichtete bei der Genossin des Jahres zuzubringen. Die Reise nach Kinfauns, und die mancherlei folgenden Vorgänge hatten den Tag weggenommen und es war nun fast Vesperzeit.

Als könnte er durch eiligen Schritt die Zeit einbringen, die er für einen Gegenstand verwenden mußte, der jenem, welcher ihm am Herzen lag, so fremd war, ging er durch den Dominikanergarten, betrat die Stadt, und, indem er den Mantel dicht um den untern Theil seines Gesichtes schlug und zur Verhüllung des obern die Mütze herunterzog, lief er mit der nämlichen Eile weiter durch die Straßen und Gäßchen, indem er sein Haus auf dem Wynd zu erreichen hoffte, ohne bemerkt zu werden. Als er aber seinen Weg so rasch zehn Minuten lang verfolgt hatte, begann er zu glauben, sein Schritt möchte für das junge Weib zu scharf sein. Er sah sich daher mit einer Art von Ungeduld um. die sich aber bald in Reue verwandelte, als er sie fast ganz erschöpft vor übermäßiger Anstrengung sah.

»Ei, wahrlich, wär' ich doch werth als wilde Bestie aufgehängt zu werden,« sagte Harry zu sich selbst. »Und hätt' ich noch größere Eile, könnte das dem armen Geschöpf Flügel geben? Und sie hat noch dazu Gepäck zu tragen! Ich bin ein ungeleckter Bär, das ist gewiß, sobald sich's um Weiber handelt; und immer werd' ich Unrecht thun, wenn ich den besten Willen habe, gut zu sein. – Hört, Mädchen, laßt mich das Zeug für Euch tragen. Wir kommen dann schneller vorwärts.«

Die arme Louise würde widersprochen haben, aber ihr Athem war zu erschöpft, als daß sie hätte sprechen können; sie gestattete daher ihrem gutmüthigen Beschützer, den kleinen Korb zu nehmen; als dies der Hund sah, lief er vor Harry hin, richtete sich auf, schüttelte die Vorderpfoten und winselte leise, als wollte er auch getragen sein.

»Ei nun, so muß ich dich wohl auch schleppen,« sagte der Schmied, welcher sah, wie ermüdet das Thier war.

»Pfui, Charlot!« sagte Louise; »du weißt, daß ich selber dich tragen werde.«

Sie bemühte sich, den kleinen Hund zu fangen, aber er entkam ihr, und indem er an die andere Seite des Schmieds ging, erneuerte er seine Bitten um Aufnahme.

»Charlot hat Recht,« sagte der Schmied; »er weiß am besten, wer ihn tragen kann. Dies thut mir kund, mein artig Kind, daß Ihr nicht immer der Träger Eurer Sachen selber wart. Charlot weiß was zu erzählen.«

Eine solche Todesblässe überzog der armen Sängerin Gesicht, während Harry sprach, daß er genöthigt war, sie zu unterstützen, damit sie nicht zu Boden fiel. Sie erholte sich indeß nach wenig Augenblicken wieder, und mit matter Stimme bat sie ihren Führer, weiter zu gehen.

»Nun, nun,« sagte Harry, als sie ihren Weg fortsetzten, »haltet Euch an meinem Mantel oder an meinem Arm, wenn Euch das besser forthilft. Wir geben einen schönen Anblick; und hätt' ich noch eine Fiedel oder Guitarre auf dem Rücken, wir glichen dem lustigsten Paar Landstreicher, das je vor einem Schloßthor anklopfte. – Bei allen Nägeln,« so dachte er bei sich selbst, »wenn mir ein Nachbar mit diesem Pack Lumpen auf dem Rücken begegnete, einen Hund unterm Arm, und solch ein Mädchen am Mantel hängend, er dächte nicht anders, als ich sei Komödiant geworden. Nicht um den besten Harnisch, woran ich je den Hammer legte, möcht' ich, daß mir einer unserer zungenfertigen Nachbarn in diesem Aufzug begegnete; das wär' ein Spaß, der von St. Valentin bis Lichtmeß währte.«

Beunruhigt durch diese Gedanken, schlug der Schmied, obwohl auf Gefahr einen weit längern Weg, als er wünschte, durchlaufen zu müssen, den entlegensten Pfad ein, den er finden konnte, um die Hauptstraßen zu vermeiden, die noch immer von Menschen angefüllt waren wegen des letzten Tumultes. Aber zum Unglück half ihm seine Vorsicht nichts. Denn als er aus einer Gasse herausging, begegnete er einem in einen Mantel gehüllten Manne, der auch nicht erkannt sein zu wollen schien, obwohl die hagere, dünne Gestalt, die Spindelbeine, die sich unter dem Mantel zeigten, und die kleinen trüben Augen, die oben über dieses Kleid hervorblinzelten, den Apotheker so deutlich ankündigten, als hätte er seinen Namen auf der Mütze getragen. Diese unerwartete und unangenehme Begegnung setzte den Schmied in Verwirrung. Die Flucht schickte sich nicht für seinen kühnen, entschlossenen Charakter. Er wußte, daß dieser Mann so verleumderisch als neugierig, und besonders, daß er ihm sehr abgeneigt war. Es blieb also nur ein Mittel, aus der Verlegenheit zu kommen, und Harry hoffte, der Apotheker werde ihm eine Gelegenheit geben, ihm den Hals umzudrehen, damit er seiner Verschwiegenheit sicher wäre.

Aber weit entfernt, Etwas zu thun oder zu sagen, was so zum Aeußersten führen konnte, schien der Apotheker, als er seinem starken Nachbar sich so nahe gegenüber sah, daß Erkennung unvermeidlich blieb, diese so kurz als möglich zu machen. Ohne daß er des Schmieds Begleiterin große Aufmerksamkeit zu schenken schien, ließ er im Vorbeigehen die Worte fallen, während er nach dem ersten Moment der Begegnung keinen Blick weiter schenkte: – »Einen recht lustigen Feiertag für Euch, Schmied! Wie, du führst dein Mühmchen, die hübsche Mistreß Joan Letham, mit ihrem Bündel vom Wasser herauf – gewiß erst von Dundee, nicht wahr? Ich hörte, daß man sie bei dem alten Schuster erwartete.«

Während er so sprach, sah er weder rechts noch links, dankte noch für ein »Gott grüß' Euch!« das ihm der Schmied mehr zugemurmelt als gerufen, und verschwand auf seinem Wege, wie ein Schatten.

»Hole mich der Satan, wenn ich diese Pille verschlucken kann,« sagte Harry Schmied, »wie schön sie auch immer vergoldet sein mag. Der Schuft hat ein scharfes Auge, wenn es Weiber betrifft, und kann eine wilde Ente von einer zahmen unterscheiden, so gut als irgend einer in Perth. – Er wäre der letzte in der guten Stadt, um saure Pflaumen für Birken zu nehmen, oder meine dicke Muhme Joan für dies phantastische Stück Eitelkeit. Mir ist, als hätt' ich ihn sagen hören: Ich will nicht sehen, was Ihr mir verbergen wollt – und er thut recht daran, da er sich leicht einen gebrochenen Schädel kaufen könnte, wenn er sich in meine Angelegenheit mischte – und daher wird er seinetwegen stumm sein. Aber wer kommt nun wieder? – Bei St. Dunstan! der schwatzhafte, prahlerische, feige Schuft, Oliver Proudfute!« Es war in der That der kühne Strumpfwirker, dem sie zunächst begegneten, und der, die Mütze auf einer Seite und die Weise des Liedchens,

»Du bleibst zu lang' beim Krug, Tom, Tom,«

summend, deutlich anzeigte, daß er sein Mahl nicht trocken gehalten hatte.

»He, mein wackerer Schmied!« sagte er, »fang' ich dich auf die Weise? – Wie kann sich ächter Stahl biegen? – Kann Vulkan, wie der Minnesänger spricht, Venus mit ihrer eigenen Münze zahlen? – Wahrlich, du wirst das Jahr ein hübscher Valentin sein, da du den Festtag so lustig anfängst.«

»Hört, Oliver,« sagte der mißvergnügte Schmied, »schließt Eure Augen und geht Eures Wegs, Alter. Und merkt wohl, rührt Eure Zunge nicht um das, was Euch nichts angeht, wenn Euch eine ganze Reihe Zähne in Eurem Kopfe lieb sind.«

»Ich aus der Schule schwatzen? – Ich plaudern, und noch dazu gegen meinen Kampfgefährten? – Ich veracht' es – ich würd' es nicht einmal meinem hölzernen Sultan sagen. – Ei, ich kann auf einem Winkel ein so lustiger Bruder sein, als du, Freund, – und da ich gerade daran denke, ich will mit gehen, wir wollen eins mit einander trinken und deine Delila soll uns dazu ein Lied singen. Ha! ist's Euch nicht recht so?«

»Trefflich,« sagte Harry, der sich die ganze Zeit über sehnte, seinen Kampfgefährten niederzuschlagen, aber klüglich einen friedlichern Weg wählte, um seine lästige Gegenwart loszuwerden. – »Ja vortrefflich! – Ich kann deinen Beistand brauchen – denn hier sind fünf oder sechs vom Douglas vor uns – sie werden gewiß versuchen, einem armen Bürger wie mir die Dirne abzunehmen, daher freut mich's, den Beistand eines so tapfern Mannes wie du zu haben.«

»Dank' Euch – dank' Euch,« antwortete der Strumpfwirker; »aber wär's nicht besser, ich liefe, ließe die Gemeindeglocke läuten und holte mein großes Schwert?«

»Ja, ja – geht heim so schnell Ihr könnt, und sagt nichts von dem, was Ihr gesehen habt.«

»Wer, ich? – nein, fürchtet mich nicht. Pah! ich hasse das Plaudern.«

»Also fort mit Euch, – ich höre Waffen klirren.«

Dies belebte und bewegte die Fersen des Strumpfwirkers, welcher, der vermeinten Gefahr den Rücken kehrend, einen Schritt annahm, daß der Schmied nicht zweifeln konnte, er werde bald zu Hause sein.

»Wieder eine schwatzhafte Elster,« dachte der Waffenschmied; »aber auch ihn hab' ich im Garne. Die Minstrels haben eine Fabel von einem Vogel, der sich mit eines andern Federn schmückte, – nun, Oliver ist derselbe Vogel, und, bei St. Dunstan! wenn sich seine Schwätzerzunge auf meine Kosten erlustigt, so will ich ihn rupfen, wie nur je ein Falke das Rebhuhn. Und das weiß er.«

Während sich ihm solche Gedanken aufdrängten, hatte er fast das Ziel seiner Wanderung erreicht; und während die Sängerin noch an seinem Mantel hing, erschöpft, theils aus Furcht, theils vor Müdigkeit, langte er endlich auf der Mitte des Wynd an, den seine eigene Wohnung zierte, und von dem er, der Unsicherheit zufolge, die damals in Anwendung von Familiennamen herrschte, seinen eigenen Zunamen ableitete. Hier brannte an Werkeltagen ein Ofen, und vier halbnackte Bursche betäubten die Nachbarschaft durch den Lärm des Hammers und Amboßes. Aber am St. Valentinstag war kein Handwerker bei der Arbeit, und jetzt waren diese Leute auswärts auf ihren eigenen Wegen der Andacht oder des Vergnügens. Das Haus neben der Schmiede gehörte Harry eigenthümlich, und obwohl es klein war und in einer engen Straße lag, war doch ein großer Garten mit Obstbäumen dahinter, und es bot im Ganzen eine angenehme Wohnung. Der Schmied, statt zu klopfen oder zu rufen, was die Nachbarn an Thür und Fenster gezogen haben würde, zog einen Hauptschlüssel von seiner eigenen Arbeit hervor, damals eine große und beneidete Merkwürdigkeit, und öffnete die Thür seines Hauses, worauf er die Gefährtin in die Wohnung führte.

Das Gemach, welches Harry und die Sängerin aufnahm, war die Küche, die unter Leuten vom Stande des Schmiedes als Wohnzimmer diente, obwohl Einige, wie Simon Glover, auch ein Speisezimmer hatten, getrennt von dem, worin ihre Speisen bereitet wurden. Im Winkel dieses Gemachs, welches außerordentlich sauber gehalten war, saß eine alte Frau, deren sorgfältige Kleidung und die Nettigkeit, mit welcher sie den Scharlachplaid auf dem Kopfe trug, so daß er zu beiden Seiten auf die Schultern fiel, einen höhern Rang angedeutet haben könnte, als den der Luckie Shoolbred, der Haushälterin des Schmieds. Aber dieser und kein anderer war ihr Titel; und da sie der Frühmesse nicht beigewohnt hatte, saß sie ruhig beim Feuer, während ihr halbgebeteter Rosenkranz über den Arm hing; ihr halblautes Gebet hielt oft auf den Lippen still, und ihre halbgeschlossenen Augen schlummerten, während sie den erwartete, dessen Amme sie gewesen, ohne die Stunde errathen zu können, wo er zurückkehren würde. Sie fuhr beim Geräusch seines Eintrittes empor und wandte ihr Auge auf die Gefährtin, zuerst mit einem Blick des höchsten Staunens, welches sich allmälig in den Ausdruck des höchsten Mißvergnügens verwandelte.

»Nun, die Heiligen schützen mein Augenlicht, Harry Schmied!« – rief sie sehr andächtig aus.

»Amen von ganzem Herzen. Schnell ein Bißchen zu essen, gute Amme, denn ich fürchte, diese Fremde wird nur leicht zu Mittag gespeist haben.«

»Und ich bitte nochmals, daß unsere Frau mein Augenlicht schütze vor den schnöden Blendwerken des Satans.«

»So sei es, sag' ich Euch, gute Frau. Aber wozu all dies Bitten und Beten? Hört Ihr mich nicht? oder wollt Ihr nicht thun, was ich Euch heiße?«

»Er muß es doch selber sein, wie's auch zugehe! Aber o! Er sieht dem bösen Feinde ähnlicher, da ihm ein solch Gepäck am Mantel hängt. – O, Harry Schmied! Die Leute nannten Euch um geringere Dinge einen wilden Burschen; aber wer hätte je gedacht, daß Harry ein liederlich Weibsstück unter das Dach bringen könnte, das seine würdige Mutter deckte, und wo seine eigene Amme dreißig Jahre lang gewohnt hat!«

»Haltet Ruhe, alte Frau, und seid vernünftig,« sagte der Schmied. »Diese Sängerin ist kein Liebchen für mich, noch für sonst Jemand, den ich kenne; aber sie geht morgen früh mit dem Boten nach Dundee, und wir müssen sie bis dahin beherbergen.«

»Beherbergen!« sagte die alte Frau. »Ihr mögt solchem Vieh Quartier geben, wenn es Euch gefällt, Harry Wynd; aber dasselbe Haus soll nicht die liederliche Dirne und mich beherbergen, darauf verlaßt Euch.«

»Eure Mutter ist böse auf mich,« sagte Louise, das Verhältniß der Andern mißdeutend. »Ich will nicht bleiben, um ihr Aergerniß zu geben. Wenn ein Stall vorhanden ist, so wird er ein genügendes Lager für mich und Charlot gewähren.«

»Ja, ja; ich denke, an solches Quartier seid Ihr am besten gewöhnt,« sagte Frau Shoolbred.

»Hört, Amme Shoolbred,« sagte der Schmied; »Ihr wißt, ich liebe Euch um Euretwillen selbst, und meiner Mutter wegen; aber bei St. Dunstan! der ein Heiliger meines eigenen Gewerbes war, ich will in meinem Hause zu befehlen haben; und wenn Ihr keinen bessern Grund, als Euren unsinnigen Verdacht, vorbringt, indem Ihr mich verlaßt, so mögt Ihr erwägen, wie Ihr Euch die Thür öffnen wollt, wenn Ihr zurückkehrt; denn ich werd' Euch nicht dabei helfen, das sag' ich Euch.«

»Ei nun, mein Sohn, dies soll mich nie zwingen, den ehrlichen Namen dranzuwagen, den ich sechzig Jahre bewahrte. Es war nie Eurer Mutter Sitte, und soll nie die meine sein, Landstreicher und Bänkelsängerinnen aufzunehmen; und ich brauche nicht lange nach einer Wohnung zu suchen, wenn ich nicht will, daß mich dasselbe Dach mit einer solchen Prinzessin deckt.«

Damit begann die strenge Hofmeisterin in großer Eile ihren Tartanmantel zurecht zu legen, um fortzugehen, indem sie ihn so weit vorzog, daß er ihre weiße Linnenhaube deckte, deren Saum ihr runzeliges, aber frisches und gesundes Gesicht umzog. Darauf ergriff sie einen Stab, den treuen Gefährten ihrer Gänge, und ging auf die Thür zu, als der Schmied zwischen sie und den Ausgang trat.

»Wartet wenigstens, Alte, bis wir abgerechnet haben. Ich bin Euch noch Lohn schuldig.«

»Und das ist wieder ein Traum Eures eigenen thörichten Kopfes. Welchen Lohn soll ich von dem Sohne Eurer Mutter nehmen, die mich nährte und kleidete, als wär' ich eine Schwester gewesen?«

»Und das lohnt Ihr gut, Amme; Ihr verlaßt ihr einzig Kind, da es Euch am nöthigsten braucht.«

Dies schien das hartnäckige alte Weib zur Ueberlegung zu bringen. Sie blieb stehen und sah abwechselnd ihren Herrn und die Sängerin an; dann schüttelte sie das Haupt und schien sich wieder nach der Thür bewegen zu wollen.

»Ich nehme blos die arme Pilgerin unter mein Dach,« sagte der Schmied, »um sie vor Gefängniß und Geißel zu schützen.«

»Und warum sollt Ihr sie schützen?« sagte die unerbittliche Frau Shoolbred. »Ich kann sagen, sie hat Beides verdient, so gut nur je ein Dieb einen Hanfkragen verdiente.«

»Mag sie das, oder mag sie nicht. Aber sie kann nicht verdienen, zu Tode gegeißelt oder eingekerkert zu werden, bis sie verhungert; und dies Loos finden Alle, auf die der schwarze Douglas böse ist.«

»Und den schwarzen Douglas wollt Ihr beleidigen einer Sängerin wegen? Das wird noch die schlimmste von Euren Fehden werden. – Ach, Harry Gow, es ist so viel Eisen in Eurem Kopf, als in Eurem Ambos!«

»Ich habe das selber manchmal gedacht, Mistreß Shoolbred; aber bekomm' ich bei dieser neuen Gelegenheit ein Paar Hiebe, so weiß ich nicht, wer mich pflegen soll, wenn Ihr von mir lauft, wie eine aufgescheuchte wilde Gans. Ja, noch mehr, wer soll meine hübsche Braut empfangen, die ich dieser Tage auf den Wynd zu bringen denke?«

»Ach, Harry, Harry!« sagte die alte Frau kopfschüttelnd; »das ist nicht die Art, um eines ehrsamen Mannes Haus für eine junge Braut zu bereiten. Ihr solltet Euch mit Sittsamkeit und Anstand betragen, und nicht liederlich und üppig.«

»Ich sage Euch noch ein Mal, das arme Wesen geht mich nichts an. Ich wünsche nur, daß sie in Sicherheit sei; und ich denke, der kühnste Gränzbewohner in Perth wird den Riegel meiner Thür so gut achten, wie das Thor von Carlisle Castle. – Ich gehe jetzt hinab zu Sim' Glovers – ich kann wohl die ganze Nacht dort bleiben, denn der hochländische Bursche ist nach den Bergen gelaufen, wie ein junger Wolf, und also ist dort ein Bett frei und Vater Simon wird es mich gern benutzen lassen. Ihr werdet bei diesem armen Wesen bleiben, sie speisen und während der Nacht schützen, und ich werde sie vor Tage abrufen; und wenn du willst, kannst du selber mit ihr zum Boote gehen, und so wird dein letzter Blick zugleich mit dem meinigen sie beobachten.«

»Das klingt wohl etwas vernünftig,« sagte Frau Shoolbred; »obwohl mir ein Räthsel ist, warum Ihr Euren Ruf wegen eines Wesens in Gefahr bringt, die für einen Silberpfennig und noch weniger ein Quartier finden würde.«

»Habt darin Vertrauen zu mir, gute Alte, und begegnet dem Mädchen freundlich.«

»Freundlicher als sie's verdient, verlaßt Euch darauf; und wirklich, obwohl ich wenig Gefallen an der Gesellschaft solchen Viehes finde, glaube ich doch, sie wird mir weniger Leid zufügen können, als Euch – sie müßte denn eine Hexe sein, was wohl der Fall sein kann, da der Teufel sehr mächtig ist bei Allen, die so ein Landstreicherleben führen.«

»Sie ist nicht mehr eine Hexe, als ich ein Zauberer,« sagte der ehrliche Schmied; »ein armes trauriges Wesen, die, wenn sie Uebles gethan hat, nur zu bitter dafür gestraft wurde. Seid freundlich gegen sie; – und Ihr musikalisches Mädchen – ich will Euch morgen früh rufen und zum Strande führen. Diese alte Frau wird Euch freundlich behandeln, wenn Ihr nichts zu Ihr sagt, außer was für ehrsame Ohren paßt.«

Die arme Sängerin hatte dem Gespräche zugehört, ohne mehr davon zu verstehen, als den allgemeinen Inhalt; denn obwohl sie englisch gut sprach, hatte sie doch die Sprache in England selbst gelernt, und der nördliche Dialekt war damals, wie jetzt, von einem breitern und rauhern Charakter. Sie sah indeß, daß sie bei der alten Frau bleiben sollte, und freundlich ihre Arme auf der Brust übereinander legend, beugte sie bescheiden ihr Haupt. Dann sah sie auf den Schmied mit dem Ausdrucke tiefen Dankgefühls, erhob darauf ihre Augen gen Himmel, nahm seine duldsame Hand und schien im Begriff, die kräftigen Finger zu küssen, zum Zeichen tiefer und inniger Dankbarkeit. Aber Frau Shoolbred erlaubte der Fremden nicht, auf diese Weise ihre Gefühle auszudrücken. Sie drängte sich zwischen beide und sagte, Louisen bei Seite schiebend: »Nein, nein, solche Sachen mag ich nicht leiden. Geht in die Kaminecke, Mistreß, und wenn Harry Schmied fort ist, so könnt Ihr, wenn Ihr einmal Hände küssen müßt, die meinen küssen, so lang's Euch gefällt. – Und Ihr, Harry, macht, daß Ihr zu Sim' Glovers kommt, denn wenn die artige Mistreß Katharina von der Gesellschaft hört, die ihr heimgeführt habt, so dürfte sie so wenig Freude daran haben, als ich. – Nun, wie steht es? – ist der Mensch von Sinnen? – wollt Ihr ohne Euren Schild ausgehen, und die ganze Stadt ist in Aufruhr?«

»Ihr habt Recht, Frau,« sagte der Waffenschmied; und den Schild über seine breiten Schultern werfend, verließ er sein Haus, ohne eine weitere Frage abzuwarten.


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