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Ein blutig Land, wo kein Gesetz das Leben sichert.
Byron.
Der Morgen des Aschermittwochs begann kalt und bleich, wie gewöhnlich zu solcher Jahreszeit in Schottland, wo das schlechteste und unfreundlichste Wetter oft in den Frühlingsmonden eintritt. Es war ein frostiger Tag, und die Bürger hatten die Folgen der Schwelgerei des vorigen Festtags zu verschlafen. Die Sonne stand daher bereits seit einer Stunde am Horizonte, eh' sich das Leben allgemein unter den Bewohnern von Perth regte, so daß es einige Zeit nach Tagesanbruch geschah, daß ein Bürger, der zur Frühmesse ging, des unglücklichen Proudfute Körper auf dem Gesicht über'm Rinnstein liegen sah, ganz in der Lage, wie er (unsere Leser erriethen dies bereits) unter dem Streiche Anthony Bonthrons, des »Gürtelburschen«, d. h. des Vollstreckers der Befehle Sir John Ramorny's, gefallen war.
Dieser frühmuntere Bürger war Allan Greif, so genannt, weil er Herr der Greifschenke war, und der Lärm, den er erhob, führte bald schlaftrunkene Nachbarn und allmälig einen Auflauf von Bürgern zusammen. Anfangs erhob sich, wegen des wohlbekannten Büffelwamses und der rothen Feder auf der Blechhaube, ein Geschrei, der tapfere Schmied liege dort erschlagen. Dies falsche Gerücht erhielt sich eine Weile, denn der Wirth des Greifs, der selber Magistratsperson war, wollte den Körper nicht anrühren oder aufheben lassen, bis der Bailie Craigdallie ankäme, so daß Niemand das Gesicht zu sehen bekam.
»Dies ist eine Angelegenheit der guten Stadt, meine Freunde,« sagte er; »und wenn es der muthige Schmied vom Wynd ist, der hier liegt, so lebt kein Mensch in Perth, der nicht Gut und Blut wagen wird, um ihn zu rächen. Seht ihr, die Schurken haben ihn von hinten getroffen, denn zehn schottische Meilen in der Runde ist kein Mensch, weder Edler noch Bauer, weder Hochländer noch Niederländer, der ihm von Angesicht zu Angesicht in so schnöder Absicht begegnet wäre. O, brave Männer von Perth, die Blüthe eurer Mannheit ist niedergehauen, und das durch eine schlechte und verrätherische Hand!«
Ein wildes Geschrei der Wuth erhob sich unter dem Volke, welches sich schnell versammelte.
»Wir wollen ihn auf unsere Schultern nehmen,« sagte ein starker Fleischer; »wir wollen ihn vor den König in's Dominikanerkloster tragen.«
»Ja, ja,« antwortete ein Grobschmied, »weder Pforte noch Riegel soll uns vom König zurückhalten; weder Mönch noch Messe soll unsern Vorsatz hindern. Ein besserer Waffenschmied führte nie den Hammer über'm Ambos!«
»Zu den Dominikanern! zu den Dominikanern!« rief das versammelte Volk.
»Bedenkt, Bürger,« sagte ein Anderer; unser König ist ein guter König und liebt uns wie seine Kinder. Der Douglas und der Herzog von Albany sind es, die den guten König Robert die Klagen seines Volkes nicht hören lassen.«
»Sollen wir uns wegen des Königs Herzenssanftmuth in unseren eigenen Straßen erschlagen lassen?« sagte der Fleischer. »Der Bruce hielt's anders. Will uns der König nicht schützen, müssen wir uns selber schützen. Zieht die Sturmglocke, jede Glocke, die einen Ton gibt. Ruft und schont nichts, – die Jagd St. Johnstons ist los!«
»Ja,« rief ein anderer Bürger, »und laßt uns zu Douglas' und Albany's Häusern, daß wir sie bis auf den Grund niederbrennen. Laßt das Feuer weit und breit verkünden, daß Perth seinen tapfern Harry Gow zu rächen verstand! Er hat zwanzig Mal für das Recht der guten Stadt gekämpft – laßt uns zeigen, daß wir einmal fechten können, um sein Unrecht zu rächen. Hallo ho! brave Bürger, St. Johnstons Jagd ist los!«
Dies Geschrei, der wohlbekannte Lärmruf unter den Einwohnern von Perth, den man selten hörte, außer in Fällen allgemeinen Aufruhrs, hallte von Mund zu Munde wieder, und einige benachbarte Kirchthürme, deren sich die wüthenden Bürger, sei es mit Zustimmung der Priester oder trotz deren Widerstand, bemächtigt hatten, begannen die verhängnisvollen Lärmsignale zu entsenden, wobei die Glocken, wie man sagte, da die gewöhnliche Aufeinanderfolge der Klänge umgekehrt war, rückwärts geläutet wurden.
Während die Menge dichter wurde und das allgemeine Geschrei immer lauter, behielt Allan Greif, ein dicker Mann mit tiefer Stimme, und angesehen bei Hohen und Niedern, seinen Posten beim Leichnam, rief laut der Menge zu, zurückzutreten und die Ankunft der Magistratspersonen zu erwarten.
»Wir müssen in der Sache nach der Ordnung verfahren, ihr Meister; müssen unsere Obrigkeit an unserer Spitze haben. Sie ist gehörig gekoren und erwählt auf unserem Rathhause, gute und, würdige Männer; wir wollen uns nicht Aufrührer oder müßige Störer von des Königs Frieden nennen lassen. Bleibt still stehen und macht Platz, denn dort kommt Bailie Craigdallie, ja, und der ehrsame Simon Glover, dem die gute Stadt sehr verpflichtet ist. Ach, ach! meine lieben Mitbürger, seine schöne Tochter war gestern Abend eine Braut – diesen Morgen ist das schöne Mädchen von Perth Wittwe geworden, bevor sie ein Weib gewesen!«
Dieser neue Grund zum Mitgefühl steigerte die Wuth und den Schmerz der Menge um so mehr, da sich viele Weiber nunmehr eingefunden hatten, welche das Lärmgeschrei der Männer nachriefen.
»Ja, ja! St. Johnstons Jagd ist los: für das schöne Mädchen von Perth und den tapfern Harry Gow! Auf, auf! Mann für Mann! Spart keine Hiebe! – Zu den Ställen! – zu den Ställen! Wenn das Pferd weg ist, nützt der Kriegsmann nichts! Haut die Knechte und Yeomen nieder! Lähmt, verstümmelt die Rosse! Tödtet die schlechten Knappen und Pagen! Die stolzen Ritter mögen uns zu Fuße begegnen, wenn sie's wagen!«
»Sie wagen's nicht, sie wagen's nicht!« antworteten die Männer; »ihre Stärke liegt in Roß und Rüstung, und doch haben die hochmüthigen und undankbaren Schurken einen Mann erschlagen, dessen Geschick als Waffenschmied weder in Mailand noch Venedig übertroffen ward. Zu den Waffen! Zu den Waffen, brave Bürger! St. Johnstons Jagd ist los!«
Unter diesem Geschrei gewannen die Magistratspersonen und die vornehmen Einwohner mit Mühe Platz, um den Leichnam zu untersuchen; sie hatten den Stadtschreiber bei sich, der ein amtliches Protokoll führen, oder, wie man es noch nennt, eine Untersuchung des Thatbestandes aufsetzen sollte. Die Menge fügte sich diesem Verzug mit einer Geduld und Ordnung, welche den Nationalcharakter eines Volkes stark bezeichnete, dessen Zorn immer um so gefährlicher war, da es, ohne von seinen Racheplänen abzugehen, jede Weitläufigkeit, die zu ihrer sichern Ausführung nöthig ist, mit vollkommener Ruhe erträgt. Man empfing daher die Obrigkeit mit lautem Freudengeschrei, unter welchem sich aber dennoch die Rachelust äußerte, und zugleich mit ehrerbietiger Unterwürfigkeit gegen die Beschützer, durch deren Hülfe sie ihren Zweck auf gesetzlichem und rechtlichem Wege zu erreichen versichert waren.
Während diese Laute des Willkommens noch unter der Menge ertönten, die nun die sämmtlichen angrenzenden Straßen erfüllte, und während man tausend verschiedene Gerüchte empfing und weitertrug, ließen die Väter der Stadt den Leichnam aufheben und genauer untersuchen; da erkannte man sofort und verkündigte alsbald die Wahrheit, daß es nicht der Leichnam des so allgemein und wegen der damals achtungswerthesten Eigenschaften mit vollem Recht geliebten Waffenschmieds, Harry's vom Wynd, sondern der eines weit geringer geachteten Mannes, obwohl er nicht ohne Verdienst in der Gesellschaft war, des lustigen Strumpfwirkers Oliver Proudfute. Der Zorn des Volkes war so sehr auf den Gedanken zusammengedrängt, sein tapferer, unerschrockener Vertheidiger, Harry Gow, sei das Opfer, daß die Widerlegung dieses Gerüchts hinreichte, seine Wuth zu stillen, während wahrscheinlich, hätte man den armen Oliver gleich im ersten Augenblick erkannt, aus jedem Mund der Racheruf erschollen wäre, wie um Harry vom Wynd. Die Verkündigung dieser unerwarteten Neuigkeit erweckte sogar Anfangs ein Gelächter im Volke, so nahe grenzt das Komische mit dem Schrecklichen zusammen.
»Die Mörder haben ihn ohne Zweifel für Harry Schmied gehalten,« sagte Greif, »was für ihn bei diesen Umständen ein großer Trost gewesen sein muß.«
Aber die Ankunft anderer Personen auf dem Schauplatze stellte dessen tragischen Charakter bald wieder her.