Walter Scott
Das schöne Mädchen von Perth.
Walter Scott

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Viertes Kapitel.

Was all die Unruh' nun bedeuten mag?
Nur eines armen, jungen Herzens Schlag.
                                      Dryden.

Was all die Unruh' nun bedeuten mag? Nur eines armen, jungen Herzens Schlag. Dryden.

Der muntere Waffenschmied war, wie man glauben kann, keineswegs träge in Vollzug der Weisung, die ihm sein künftiger Schwiegervater gegeben hatte. Er wandte mehr als gewöhnliche Sorgfalt auf seinen Anzug, indem er diejenigen Stücke, die ein kriegerisches Ansehen hatten, möglichst in Schatten stellte. Er war zu bekannt, um in einer Stadt gänzlich unbewaffnet zu gehen , wo er zwar viele Freunde, aber auch, in Folge seiner früheren Thaten, viele Todfeinde hatte, von denen, wie ihm wohlbewußt war, wenig Schonung zu erwarten stand, wenn sie Anlaß fanden, ihn vortheilhaft anzugreifen. Er trug deshalb unter seiner Kleidung ein Panzerhemd, welches so leicht und fügsam war, daß es ihm in seinen Bewegungen ebenso wenig hinderlich war, als eine Weste der neueren Zeit, während er sich gleichwohl völlig sicher damit fühlen konnte, da er jeden Ring daran selber geschmiedet und an einander gefügt hatte. Ueber dieser Rüstung hatte er, gleich den andern Bürgern seines Alters, die Hosen und das Wams der Niederländer, die zu Ehren des Feiertags von feinstem englischem Tuche, lichtblau mit schwarzem Taffet aufgeschlitzt und mit einer Stickerei von schwarzer Seide ausgenähet waren. Seine Stiefel waren von Korduan und sein Mantel, von derbem, grauem, schottischem Tuche, diente dazu, ein kurzes, im Gürtel steckendes Schwert zu verbergen. Dies war seine einzige Waffe zum Angriff, denn in der Hand trug er nur eine Stechpalme. Seine schwarze Sammetmütze war mit Stahl ausgelegt und zwischen dem Metall und seinem Kopfe mit Wolle gefüttert, so daß sie ein Mittel der Vertheidigung gab, worauf er sich verlassen konnte.

Im Ganzen zeigte Harry, wie es ihm wohl zukam, das Ansehen eines reichen und angesehenen Bürgers, der in seiner Kleidung so viel Pracht entfaltete, als er durfte, ohne sich über seinen Stand zu erheben und in den des Adels einzugreifen. Auch hatte sein freies und männliches Benehmen, obwohl es seinen gänzlichen Gleichmuth hinsichtlich der Gefahr anzeigte, doch nicht die geringste Aehnlichkeit mit dem der Raufbolde und Prahler jener Zeit, mit denen man Harry bisweilen, jedoch mit Unrecht, verwechselte, weil man seine häufigen Händel einem heftigen Charakter zuschrieb, dessen Quelle aus dem Bewußtsein seiner persönlichen Stärke und seiner Geschicklichkeit in Führung der Waffen entspringen sollte. Seine Züge trugen vielmehr nur den Ausdruck gutmüthiger Offenheit, die nicht daran dachte, Jemand zu kränken, während sie gleichwohl keinen Angriff fürchtete.

Nachdem er sich auf's Beste angekleidet, steckte der ehrsame Waffenschmied in den Busen, zunächst seinem Herzen (welches dabei heftig klopfte), ein kleines Geschenk, welches er lange schon für Katharina Glover angeschafft hatte, und das seine Eigenschaft als Valentin ihn bald berechtigen sollte ihr zu überreichen, so wie sie, es ohne Bedenken anzunehmen. Es war ein kleiner Rubin, in Form eines von einem goldnen Pfeil durchbohrten Herzens geschnitten, und in ein Kästchen aus Stahlringen von der feinsten Arbeit gefaßt, wie wenn es für einen König bestimmt gewesen wäre. – Rings um den Rand der Kapsel standen die Worte:

»Der Liebe Pfeil
Durchbohrt das Herz
Trotz Panzers Erz.«

Diese Devise hatte dem Waffenschmied einiges Nachdenken gekostet, und er war sehr zufrieden mit seiner Idee, weil sie anzudeuten schien, daß seine Kunst alle Herzen vertheidigen könne, außer sein eignes. Er hüllte sich in seinen Mantel und eilte durch die noch stillen Straßen, entschlossen, noch etwas vor dem Morgengrauen am bezeichneten Fenster zu erscheinen.

In dieser Absicht ging er durch die Highstreet und wandte sich über den Platz, wo jetzt St. John's Kirche steht, um nach der Curfewstraße zu gehen; da schien es ihm, nach dem Ansehen des Himmels, als sei es mindestens um eine Stunde zu früh für seinen Zweck, und es sei besser, am Platze des Rendezvous nicht vor der bestimmten Zeit zu erscheinen. Andere Liebhaber mochten wahrscheinlich so gut als er beim Hause des schönen Mädchens von Perth auf der Lauer stehen, und er kannte seine Schwäche zu wohl, um nicht zu fühlen, daß er dann in Gefahr sei, mit ihnen Streit zu beginnen. »Ich habe den Vortheil,« dachte er, »daß Vater Simon mein Freund ist; und warum sollte ich meine Finger mit dem Blute armer Geschöpfe beflecken, die meiner Aufmerksamkeit nicht werth sind, weil sie minder glücklich sind, als ich? Nein, diesmal will ich klug sein und jede Versuchung zum Streite fern von mir halten. Ich will ihnen nur so viel Zeit gönnen, Händel mit mir zu suchen, als nöthig ist, das verabredete Zeichen zu geben, und von Vater Simon Antwort zu erhalten. Ich kann mir's nicht denken, wie er's angreifen wird, seine Tochter an's Fenster zu bringen. Ich fürchte, wenn sie seine Absicht wüßte, würde es Schwierigkeiten haben, sie zu erreichen.«

Während diese Gedanken, wie sie einem Liebhaber eigen, durch sein Hirn zogen, mäßigte der Waffenschmied seinen Schritt, oft die Augen gen Osten wendend und das Firmament beobachtend, wo noch kein leiser grauer Streif erschien, um die Nähe der Frühdämmerung zu verkündigen, obwohl sie nicht fern, so daß es der Ungeduld des rüstigen Waffenschmieds vorkam, als zögere die Morgenröthe diesmal länger als gewöhnlich. Langsam ging er an der Mauer der St. Annenkapelle vorüber (wobei er nicht verfehlte, ein Kreuz zu schlagen und ein Ave zu sprechen, während er den geweihten Boden betrat), als eine Stimme, die hinter einem der Kapellenpfeiler hervorzukommen schien, sagte: »Er schlendert, da ihm noth thäte zu laufen.«

»Wer spricht?« sagte der Waffenschmied, sich umschauend und etwas überrascht über eine in Ton und Ausdruck so unerwartete Stimme.

»Thut nichts zur Sache, wer spricht,« antwortete dieselbe Stimme. »Beeile dich sehr, sonst wirst du kaum zur rechten Zeit kommen. Verschwende nicht Worte, sondern geh'.«

»Heiliger oder Bösewicht, Engel oder Teufel,« sagte Harry, sich bekreuzend, »dein Rath geht mich zu nahe an, um vernachlässigt zu werden. Heiliger Valentin, leih' mir Schnelligkeit!«

So sprechend, vertauschte er alsbald seinen langsamen Gang mit einem, dem wohl Wenige Schritt gehalten hätten, und im Augenblick befand er sich in der Curfewstraße. Er hatte noch keine drei Schritte gegen Simon Glover's Haus gethan, das in der Mitte der engen Straße lag, als zwei Männer, die sich zu beiden Seiten an der Mauer aufgestellt hatten, wie durch verabredete Bewegung auf ihn zukamen, um ihm den Weg zu vertreten; das unvollkommene Licht ließ ihn nur unterscheiden, daß sie das hochschottische Gewand trugen.

»Räumt den Weg, Räuber,« sagte der Waffenschmied mit der tiefen Stimme, welche der Breite seiner Brust entsprach.

Sie antworteten nicht, zum wenigsten nicht verständlich, aber er konnte sehen, daß sie ihre Schwerter zogen, in der Absicht ihm Gewalt entgegenzusetzen. Etwas Schlimmes vermuthend, ohne die Art desselben recht zu ahnen, entschloß sich Harry sofort, sich auf jeden Fall Bahn zu brechen und seine Geliebte zu vertheidigen, oder wenigstens zu ihren Füßen zu sterben. Er schlang seinen Mantel als Schild um seinen linken Arm und trat rasch und fest auf die beiden Männer zu. Der nächststehende führte einen Hieb gegen ihn, aber Heinrich, den Schlag mit dem Mantel parirend, schlug dem Menschen in's Gesicht und wußte ihn zu gleicher Zeit auf der Straße niederzuwerfen; fast im nämlichen Augenblick streckte er den Burschen, der ihm zur Rechten stand, mit einem Hieb seines Jagdmessers nieder, so daß er zu seinem Gefährten zu liegen kam. Inzwischen eilte der Waffenschmied unruhig vorwärts, wozu er guten Grund hatte, da die Straße von Fremden bewacht oder vertheidigt war, die sich solche Gewaltthaten erlaubten. Er hörte ein leises Flüstern am Hause des Handschuhmachers und gerade unter dem nämlichen Fenster, wo er gehofft hatte, Katharina zu erblicken und sich das Recht, ihr Valentin zu werden, zu erwerben. Er hielt sich auf der andern Seite der Straße, um die Anzahl und die Absichten derer, die sich hier befanden, zu erforschen. Aber einer von ihnen, die unter dem Fenster waren, hatte ihn gesehen oder gehört, lief, weil er ihn vermuthlich für eine der beiden Wachen hielt, über die Straße auf ihn zu und sagte mit halbunterdrückter Stimme: »Was bedeutet jener Lärm, Kenneth? Warum gabt Ihr nicht das Zeichen?«

»Schurke,« sagte Harry, »Ihr seid entdeckt und sollt mit dem Leben bezahlen!«

So sagend, führte er einen Hieb mit seiner Waffe gegen den Fremden, wodurch seine Drohung sich erfüllt haben würde, wenn der Mann nicht mit dem Arme den Hieb aufgefangen hätte, der seinem Haupte galt. Die Wunde mußte bedeutend sein, denn er wankte und fiel mit einem tiefen Seufzer. Ohne sich weiter um ihn zu kümmern, sprang Harry Schmied jetzt auf eine Schaar von Männern los, die, wie sich zeigte, damit beschäftigt waren, eine Leiter an das Fenster oben zu lehnen. Harry hielt sich nicht auf, sie zu zählen, bevor er an's Werk ging. Er erhob den Lärmruf der Stadt und gab das Zeichen, worauf sich die Bürger zu versammeln pflegen; damit warf er sich auf die Nachtschwärmer, deren einer bereits die Leiter erstieg. Der Schmied ergriff diese unten, warf sie auf das Pflaster, und indem er seinen Fuß auf den Körper des gestürzten Mannes setzte, hinderte er diesen aufzustehen. Die Genossen desselben griffen Harry heftig an, um ihren Gefährten zu befreien; aber sein Panzerhemd leistete ihm trefflichen Dienst, und reichlich gab er ihre Streiche zurück unter dem Rufe: »Helft, helft, es gilt St. Johnston! – Bogen und Klingen, brave Bürger! Man bricht in unsere Häuser im Schatten der Nacht!«

Diese Worte, welche weit durch die Straßen hallten, waren von eben so vielen heftigen Hieben begleitet, die mit gutem Erfolg unter diejenigen ausgetheilt wurden, welche den Waffenschmied angriffen. Inzwischen begannen die Bürger aufzustehen und erschienen auf der Straße im Hemd, aber mit Schwertern und Schilden, einige auch mit Fackeln. Nun versuchten die Unbekannten zu entkommen, und dies gelang ihnen auch, bis auf denjenigen, der mit der Leiter umgeworfen worden war. Der muthige Waffenschmied hatte ihn in dem Augenblicke, wo er sich wieder aufrichtete, an der Kehle gefaßt und hielt ihn so fest, wie der Windhund den Hasen. Die andern Verwundeten waren von ihren Kameraden fortgetragen worden.

»Hier ist ein Stück von Schurken, wie sie den Frieden der Stadt brechen,« sagte Harry zu den Nachbarn, die sich zu versammeln begannen; »eilt den Schuften nach. Sie können nicht alle davonkommen, denn ich habe einige von ihnen gezeichnet; das Blut wird euch auf ihre Spur führen.«

»Einige hochländische Räuber,« sagten die Bürger – »auf und ihnen nach, Nachbarn!«

»Ja, ja, nach! laßt mich den Burschen hier handhaben!« fuhr der Waffenschmied fort.

Die Andern zerstreuten sich nach verschiedenen Richtungen, während ihre Fackeln leuchteten und ihr Geschrei durch den ganzen umliegenden Bezirk widerhallte.

Unterdessen bat des Waffenschmieds Gefangener um Freiheit, indem er Versprechungen und Drohungen anwendete. »Wenn du ein Edelmann bist,« sagte er, »laß mich gehen, und was geschehen ist, soll vergeben sein.«

»Ich bin kein Edelmann,« sagte Harry – »ich bin Harry vom Wynd, ein Bürger von Perth; und ich habe nichts gethan, was Vergebung bedarf.«

»Schurke, du weißt nicht, was du gethan hast! Aber laß mich gehen, und ich will deine Mütze mit Goldstücken füllen.«

»Ich will deine Mütze gleich mit einem gespaltenen Kopfe füllen,« sagte der Waffenschmied, »wenn du nicht als Gefangener ordentlich still hältst.«

»Was gibt's da, mein Sohn Harry?« sagte Simon, der jetzt am Fenster erschien. – »Ich höre deine Stimme in einem andern Tone, als ich erwartete. – Was soll all' dieser Lärm; und warum versammeln sich die Nachbarn allesammt?«

»Es hat eine Schaar Schufte Euer Fenster ersteigen wollen, Vater Simon; aber ich werde wohl bei einem von ihnen Gevatter stehen, den ich hier halte, fest, wie eine Zange das Eisen.«

»Hört mich, Simon Glover,« sagte der Gefangene; »laßt mich nur ein Wort mit Euch insgeheim sprechen, und befreit mich aus der Haft dieses eisenhändigen, bleitöpfigen Tölpels, so will ich Euch zeigen, daß man Euch und den Eurigen kein Leid thun wollte; und ferner will ich Euch sagen, was Euch von großem Vortheil sein wird.«

»Ich sollte diese Stimme kennen,« sagte Simon Glover, der jetzt mit einer Blendlaterne an die Thür kam. »Sohn Schmied, laß diesen jungen Mann mit mir reden. Er ist nicht gefährlich, verlass' dich darauf. Bleib' nur einen Augenblick, wo du bist, und laß Niemand in's Haus treten, weder zum Angriff noch zum Schutz. Ich stehe dafür, daß der Herr nur einen St. Valentinsscherz im Sinne hatte.«

So sprechend zog der alte Mann den Gefangenen hinein und schloß die Thür, Harry ein wenig überrascht über das unerwartete Licht lassend, worin sein Schwiegervater die Sache erblickte. »Ein Scherz!« sagte er; »das wär' mir ein wunderlicher Scherz geworden, wenn sie in's Schlafzimmer seiner Tochter gekommen wären! Und geglückt war's ihnen, wäre die freundliche Stimme nicht gewesen, die mich hinterm Kapellenpfeiler hervor gewarnt hat. Diese Stimme, wofern es nicht die der gepriesenen St. Anna war – und wer bin ich, daß sie mich würdigte zu mir zu sprechen? – durfte sich dort ohne ihre Zustimmung nicht hören lassen, und ich gelobe ihr eine Wachskerze, so lang wie mein Jagdmesser. Ja, daß ich mein großes Schwert nicht bei mir hatte! Diese Jagdmesser sind zwar fein und zierlich, aber sie gehören eher in die Hand eines Knaben, als in die des Mannes. O, mein alter zweihändiger Trojaner, wärst du in meinen Händen gewesen, statt zu Häupten meines Bettes zu hängen, die Beine dieser Schufte hätten nicht so rasch laufen sollen! Aber ich sehe Fackeln und bloße Klingen. Heda! halt! Seid ihr für St. Johnston? – Wenn Freunde der guten Stadt, seid ihr willkommen.«

»Wir waren nur Jäger ohne Beute,« sagten die Städter. »Wir folgten den Spuren des Blutes nach dem Begräbnißplatz der Dominikaner, und haben zwischen den Gräbern zwei von den Schuften gesehen, die einen dritten trugen, der vermuthlich von Euch einige Merkmale bekommen hatte, Harry; aber sie haben das Thor erreicht, eh' wir an sie kommen konnten. Sie zogen die Klosterglocke, – das Thor öffnete sich und weg waren sie. So sind sie in Sicherheit, und wir können wieder in unsere kalten Betten und uns wärmen.«

»Ja,« sagte einer von der Schaar, »die guten Dominikaner haben immer einen Bruder, der wacht, damit er das Thor jeder armen bedrängten Seele, die Schutz in der Kirche sucht, öffnen kann.«

»Ja, wenn die arme gejagte Seele gut dafür bezahlen kann,« sagte ein Anderer; »aber wahrlich, ist er arm am Beutel, wie am Geiste, so kann er außen stehen bleiben, bis die Hunde zu ihm herankommen.«

Ein Dritter, der einige Minuten lang mit der Fackel auf den Boden geleuchtet hatte, blickte jetzt empor und sprach ebenfalls. Er war ein munterer, rascher, ziemlich korpulenter, kleiner Mann, genannt Oliver Proudfute, wohlhabend und von Geltung in seiner Zunft, welches die der Strumpfwirker war; daher sprach er als ein Mann von Gewicht. – »Kannst du uns sagen, lustiger Schmied,« – denn sie erkannten einander bei den Fackeln, die in die Straßen gebracht wurden, – »welcher Art die Schelme waren, die den Aufruhr in unserer Stadt machten?«

»Die zwei, die ich zuerst sah,« antwortete der Waffenschmied, »schienen mir, soviel ich unterscheiden konnte, hochländische Plaids zu tragen.«

»Ganz wahrscheinlich,« antwortete ein anderer Bürger, den Kopf schüttelnd. »Es ist eine Schande, daß die Lücken in unseren Mauern nicht ausgebessert sind, und daß diese landstreicherischen Hochländerschufte ehrliche Männer und Frauen in jeder hinreichend finstern Nacht aus ihren Betten scheuchen können.«

»Aber seht hier, Nachbarn,« sagte Oliver Proudfute, eine blutige Hand zeigend, die er vom Boden aufgehoben hatte; »wann gehörte eine Hand wie diese einem Hochländer? Sie ist groß, das ist wahr, und starkknochig, aber zart wie eine Frauenhand, mit einem Ringe, der wie eine brennende Kerze funkelt. Simon Glover hat wohl schon Handschuhe für diese Hand gemacht, wenn ich mich nicht sehr irre, denn er arbeitet für alle Hofleute.« Die Zuschauer begannen hier mit verschiedenen Bemerkungen das blutige Pfand zu betrachten.

»Wenn das der Fall ist,« sagte einer, »so wird für Harry Schmied das Beste sein, ein paar flinke Fersen zu zeigen, da der Richter den Schutz eines Bürgerhauses schwerlich als Entschuldigung für das Abhauen einer Edelmannshand gelten lassen wird. Die Gesetze über Verstümmelung sind hart.«

»Pfui über Euch, daß Ihr so sagen könnt, Michael Wabster,« antwortete der Strumpfwirker; »sind wir nicht Stellvertreter und Nachkommen der wackern, alten Römer, welche Perth so ähnlich als möglich ihrer eigenen Stadt erbauten? Haben wir nicht Urkunden von all' unsern erlauchten Königen, die uns für ihre getreuen Unterthanen erklärten? Wolltet Ihr zusehen, daß wir unsern Rechten, Gerechtsamen, Freiheiten, unserer hohen, mittlern und niedern Gerichtsbarkeit und unserm Rechte entsagten, Geldbußen, Verpfändungen und selbst Todesstrafe zu verhängen, falls einer auf frischer That ertappt wird? Dürfen wir dulden, daß das Haus eines ehrbaren Bürgers angegriffen wird, ohne daß er dafür Genugthuung erhält? Nein, wackere Genossen, Mitbrüder und Bürger, der Tag soll eher nach Dunkeld zurückfließen, ehe wir uns solcher Ungerechtigkeit unterwerfen!«

»Und wie können wir uns helfen?« sagte ein würdiger, alter Mann, der auf sein zweihändiges Schwert gelehnt stand – »was können wir thun?«

»Wahrlich, Bailie Craigdallie, mich wundert, daß Ihr unter Allen die Frage thut. Ich wollte, wir gingen von hier Alle mit einander als brave Leute vor den König, selbst auf die Gefahr, seine Ruhe zu stören, stellten ihm vor, wie mißlich es für uns sei, zu gegenwärtiger Jahreszeit das Bett verlassen zu müssen, beinahe ohne alle andere Bedeckung, als das Hemd, zeigten ihm diese blutige Hand und bäten ihn, mit seinem königlichen Munde zu entscheiden, ob es recht und billig sei, daß seine getreuen Unterthanen durch die Ritter und Edeln seines ausschweifenden Hofes derartig behandelt werden. Und das hieße ich unsere Sache frisch verfechten.«

»Frisch, sagst du?« erwiderte der alte Bürger; »ei, so frisch und warm, daß wir Alle vor Kälte sterben würden, Freund, ehe der Thürsteher den Schlüssel im Schloß umgedreht hätte, uns vor den König zu lassen. – Kommt, Freunde, die Nacht ist bitter. – Wir haben unsere Wache als Männer gehalten und unser wackerer Schmied hat zwei von denen, die uns eine Unbill anthun wollten, eine Lehre gegeben, die mehr fruchten wird, als zwanzig Bescheide des Königs. Morgen ist wieder ein Tag, da wollen wir wieder hier zusammenkommen, um über die Maßregeln Rath zu halten, die ergriffen werden müssen, um die Schurken zu entdecken und zu verfolgen. Und daher laßt uns jetzt gehen, bevor uns das Blut in den Adern erstarrt.«

»Bravo, bravo, Nachbar Craigdallie – St. Johnston lebe hoch!«

Oliver Proudfute hätte gern noch gesprochen, denn er war einer jener erbarmungslosen Redner, welche meinen, daß ihre Beredsamkeit alle Unbequemlichkeiten der Zeit, des Orts und der Umstände aufwiegt. Aber Keiner wollte mehr hören, und die Bürger zerstreuten sich nach ihren Häusern beim Lichte der Frühdämmerung, welche den Horizont zu färben begann.

Sie waren kaum gegangen, als sich die Thüre von Glovers Hause öffnete und der alte Mann, den Schmied bei der Hand nehmend, diesen hineinzog.

»Wo ist der Gefangene?« fragte der Waffenschmied.

»Er ist fort – entflohen – entkommen – was weiß ich von ihm?« sagte der Handschuhmacher. »Er entkam durch die Hinterthür und so durch den kleinen Garten. – Denkt seiner nicht, sondern kommt und seht die Valentine, deren Ehre und Leben Ihr diesen Morgen gerettet habt.«

»Laßt mich nur die Waffe in die Scheide stecken,« sagte der Schmied – »laßt mich nur meine Hände waschen.«

»Da ist kein Augenblick zu verlieren, sie ist auf und fast angekleidet. – Herein, Freund. Sie soll dich sehen mit deiner guten Wehr in der Hand und mit Schurkenblut an deinen Fingern, damit sie erkennt, was eines ächten Mannes Dienst werth ist. Sie hat mir den Mund nur zu lange mit ihrer Sprödigkeit und ihrer Bedenklichkeit geschlossen. Ich will, daß sie wisse, was eines braven Mannes Liebe gilt und eines kühnen Bürgers obendrein.«


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