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Nach Ablauf der Regenzeit setzte ich die Reise fort. Meine botanischen Studien in der Umgebung der Seriba Ghattas waren beendet, und ich entschloß mich, mein Schicksal mit dem des stets gefälligen Mohammed Abd-es-Ssammat zu verknüpfen. Dieser war am weitesten nach Süden vorgedrungen und hatte bereits wiederholt den großen rätselhaften Fluß der Mangbattu überschritten, der, unabhängig vom Nilsystem, nach Westen strömen sollte. Auch konnten einige tausend Mariatheresientaler für Trägerkosten erspart werden, wenn Mohammed seine Versprechungen hielt, und er war ein Mann von Wort. Am 17. November 1869 setzte sich die aus 250 Trägern und Bewaffneten bestehende Karawane in Bewegung. Mein Gepäck war auf 36 Lasten beschränkt; begleitet war ich von meinen nubischen Dienern und drei arabisch sprechenden Sklaven als Dolmetschern.
Der Marsch durch gut bewässertes, langsam aus der Anschwemmungsebene des Nilgebiets ansteigendes Land zeigte nur zu viele Spuren der Verödung durch Steppenbrände und durch die Mißwirtschaft der nubischen Händler. Eine Strecke von etwa 130 Kilometern war noch vor drei Jahren gut bebautes und bevölkertes Land gewesen, jetzt enthielt sie nur noch wenige Bongosiedlungen. Seitdem die Bongo in Massen unter die Dinka geflüchtet waren, weideten jetzt auf den fetten Grasflächen des ehemaligen Kulturlandes nur noch Elefanten und Antilopen. Aus dem Grase starrten hin und wieder die verkohlten Reste großer Dörfer. In der nur spärlich bebauten Umgebung einer der Seriben war das nackte Gestein weit und breit mit menschlichen Gebeinen bedeckt. Zusammengeraubte Sklaven erlagen hier in Menge den Anstrengungen ihres Marsches, oft auch mögen sie wohl buchstäblich den Hungertod erlitten haben, sobald in dem öden Lande kein Korn mehr aufzutreiben war. Verbrannte menschliche Gebeine und verkohlte Hüttenpfähle bezeichneten hier das Vorrücken des Islam. Auch in den Seriben selbst harrte meiner ein empörendes Schauspiel: eine Anzahl hilfloser Kinder, Bilder des Jammers und des äußersten Elends.
Nach siebentägiger Wanderung durch fast unbewohnte Gegenden befand ich mich in der Hauptseriba Mohammeds, die nach dem Anführer seiner Bongo den Namen Ssabbi trug; sie war von zahlreichen Dörfern und ausgedehnten Feldern umgeben. Von hier aus beherrschte Mohammed seine Bongo- und Mittugebiete, die in ihrer längsten Ausdehnung nicht weniger als 120 Kilometer maßen. Die Speicher der Bongo waren jetzt gefüllt, da die Ernte soeben erst beendet war. Da ging es lustig her, und meine nächtliche Ruhe war häufig durch wilden Lärm gestört. Aus dem Waldesdunkel machten sich die Orgien der Bongo vernehmbar. Nun geht es los mit dem Zappeln und Tanzen, die öltriefenden Kautschukgestalten beginnen ihre Schaukelbewegungen mit maschinenhafter Beharrlichkeit, bis die Lunge der Posaunenbläser erlahmt und die Fäuste der Paukenschläger steif werden. Eine Pause, dann beginnt das Toben von neuem. Der Gegenstand ihrer Späße ist in der Regel derbster Art.
Alle Welt klagte über Verarmung und Verödung des Landes. Die hier seßhaft gebliebenen Bongo hatten ihren frühern Reichtum an Schafen, Ziegen und Hühnern längst eingebüßt, auch der Kornbau war vernachlässigt worden. Sie erzählten, sie hätten im ersten Jahr des Eindringens der Chartumer alle ihre Schafe, Ziegen und Hühner aufgegessen, aus Angst, daß ihnen nun alles genommen werden würde. War die Ernte ergiebig, so schwelgte man, bis der Vorrat aufgebraucht war. Verhungern können die Leute nicht so leicht, da die weiten Wälder unerschöpfliche Vorräte an Knollen und Früchten bergen. An Fruchtbarkeit stand die Gegend meinem frühern Standquartier nicht im geringsten nach. Aber die Fläche des angebauten Landes war weit geringer. Was ein jeder besaß, suchte er ängstlich zu verbergen.
In voller Sicherheit, bei unbeschränkter Gastfreundschaft und achtungsvoller Behandlung verlebte ich in Ssabbi angenehme Tage, die ich mit kleinen Ausflügen, Jagd, ethnographischen, botanischen und zoologischen Beobachtungen ausfüllte. Den Dezember und die erste Hälfte des Januar 1870 verbrachte ich auf einer weit nach Osten und Südosten ausgedehnten Rundreise durch das benachbarte Land der Mittu. Überall fand ich in den Seriben Mohammeds den freundlichsten Empfang und reichliche Bewirtung, meine Leute aber konnten schwelgen. In einer Seriba sah ich eine Sklavenkarawane, 150 junge Mädchen und kleine Kinder, die für die Nacht in zwei Hütten zusammengepfercht waren, im übrigen aber menschlich behandelt wurden. Eine Anzahl alter Sklavinnen war mit der Beaufsichtigung und Beköstigung der Kinder betraut, die Bewirtung schien mit vieler Ordnung vor sich zu gehen. Auch für meine Begleitung ward auf das beste gesorgt. Freilich wurde in diesem unglücklichen Land eigentlich jeder Bissen zum Gewissensbiß, das Brot, das man aß, wurde den Ärmsten entrissen. Man schwelgte im Überfluß von Rindfleisch, aber man hatte es geraubt von armen Wilden. Mancher Beschwerde war ich ausgesetzt, da ich auch ärztlichen Rat zu erteilen hatte. Die Veranlassung waren gewöhnlich kleine Verletzungen und Grasschnittwunden, die durch eine unvernünftige Heilmethode verschlimmert worden waren. Ich sah Leute, denen einzelne Zehen fehlten, andere hatten am Schienbein oder auf dem Rücken des Fußes die ekelhaftesten Wunden. Gelegentlich habe ich diese aufgedrungene ärztliche Tätigkeit zu einer derben Strafpredigt benutzt: Es sei merkwürdig, daß das Gras nur hier so böse sei, es sei gewiß eine Strafe Gottes für die Räubereien an fast wehrlosen Wilden!