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Novelle.
Ein Begegnen.
Unter die freundlichsten Wandererinnerungen von deutscher Erde wird immer das Moselland eingereiht. Es liegt auch ein eigener Hauch gemilderter Herbe neben süßer Lieblichkeit, ja von Anmuth und Jugendfrische um diese weich gerundeten Berge, diese allerheimlichsten Thäler. Und wie das Land, so die Leute, freimüthig und sinnig, stets zum Händedruck, gern zum Kusse bereit.
Von Natur und Menschen bevorzugt, selbst neben pittoreskern Fernsichten in's Moselthal, wurde von jeher Weißhaus – Trier gegenüber. Die einfache Villa, auf eine rothe Sandsteinklippe gestellt, umschattet von schwermüthigen Tannen, Frühling, Sommer, Herbst im Dufte von Veilchen, Rosen oder Heliotrop – wahrt in ihren feinsinnig angelegten Gartenpartieen die reizvollsten Luginsland. Vor allen feiert man den schroff herausragenden Grat, von dem der Blick tief hinab über Felsstiege, oder weit hinaus in's trierer Land schweift: zu Füßen die Mosel, welche fernher aus dem Bergthal bei Conz an Klöstern und einsamen Schlössern in Wirbeln und Schnellen vorübertreibt, unter der weitbogigen Römerbrücke durch – hinunter nach Pfalzel, wo auch eine Genovefa gelitten, wo man noch heute die schwarzen Hunde »Golo« tauft; an der Mosel linkem Ufer üppig belaubte Höhen, wie Trabantenschaaren an den Berg mit der Mariensäule gelagert, die hoch hinauf in das fromme Wunschparadies des Himmels weist; am rechten Ufer von Ansonius' Liebling, tief versteckt unter Nußbaumlaub Augusta Trevirorum mit ihren hochgiebligen Kirchen und Häusern, der Porta Martis und dem schlanken Gangolphthurm, der scheinbar Rebenberge hinanreicht, die fern den Horizont begrenzen. Ueber diesem reichen Stückchen Welt ein warmer Abend im Frühherbst, Goldglanz durch den Himmel verflogen und zerstoben, bis in den Zenith empor rosig angehauchte Wolkenflocken, – man fühlt es wohl der kleinen Gesellschaft nach, die schon vor einer Weile auf dem Grat anlangte, wie sie bis jetzt lautlos bleiben konnte, ganz versunken in das traumhaft schöne Bild.
Endlich lächelte die ältere der Damen, die sich auf einer Bank niedergelassen, und sagte mit etwas scharfer Stimme:
»Herr von Neufeld, ich glaube, wenn wir jetzt nicht aufbrechen, wird meine Schwester allmälig zu Stein.«
»Aber eine Niobe!« erwiederte der Regierungsrath leise, indem er an die Bank herantrat, ohne seine Blicke von Frau von Gyvenheim, die seitab neben einem Baume stand, abzuwenden.
»Sie ist immer noch so krankhaft gereizt,« fuhr die Sprecherin eben so leise fort, »Alles, was nur entfernt an ihr Unglück streift, regt ihre Nerven bis zum Leiden auf. Und sie ist bald ein Jahr bei uns! Mir fiel eben ein, sie besuchte hier auf der Hochzeitsreise die Mutter ihres verstorbenen Mannes, welche damals noch lebte. Gewiß waren sie auch zusammen hier oben; wenigstens genügte mir das schon, diese augenblickliche Wehmuth zu erklären.«
»Was bedeutet ein Jahr für solchen Verlust!« entgegnete Neufeld nach einer Pause. »Ihre Frau Schwester müßte den Gatten nicht geliebt haben, wenn Alles überwunden sein sollte. Ich bemitleide sie von ganzem Herzen! Ihre Trauer hat einen so schmerzhaften Zug, und doch liegt dabei über ihren Urtheilen mitunter etwas Hartes; ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, als fehlte dann die natürliche Strömung tief getroffenen Gefühlslebens, solche Ausbrüche würden, ich will nicht sagen, erkünstelt, jedoch hervorgequält, um irgend ein marterndes Leid zu betäuben. War sie denn in ihrer kurzen Ehe glücklich, oder – als Freund, als väterlicher Freund wage ich die Frage, – oder hat sie sich Etwas vorzuwerfen?«
Frau von Callenfels rief heiser auflachend: »Ulla? Ich wenigstens,« fügte sie dann mit Beherrschung hinzu, »habe niemals von der geringsten Trübung ihres Eheglückes gehört. Der Onkel und ich stimmten allerdings gegen diese Verbindung; nennen Sie es Ahnung, wir hatten nicht gerade besondere Gründe, den Antrag abzulehnen, selbst das Einkommen war erträglich, – doch Sie wissen ja, so wenig wir uns oft darüber klar werden können, warum uns ein Menschenkind sympathisch, und jenes ein Horreur – Ulla's Gatte gehörte für mich zu den Männern, die man stets mit stiller Erleichterung wieder gehen sieht. Ich war ganz unglücklich, als meine Schwester darauf bestand, ihm die Hand zu reichen; sein Amt fesselte ihn an ein nüchternes Landstädtchen, welche Kreise für Ulla! Wir hatten stets nur im ersten Cercle gelebt, zuletzt in Frankfurt a. M.; ich denke noch mit Schaudern daran, als diese Verlobung bekannt wurde. Was habe ich damals gehört, welche spöttelnde Rancüne unserer Bekannten ertragen müssen! Und dabei bot sich für sie eine so gute Partie; ein entfernter Verwandter meines Mannes, – Sie haben ihn im vorigen Jahre bei uns gesehen, Leo Callenfels, nicht gerade vermögend, aber Premierlieutenant in einem Garderegiment, interessirte sich für sie auf das Lebhafteste. Es war ein rechtes Verhängniß, daß sie Leo's Wünschen nicht nachgab, sondern ihrem insipiden Geschmacke folgte.«
»Gnädige Frau,« warf der Regierungsrath mit vibrirendem Klange der Stimme ein, »der Mann, von dem wir sprechen, ist todt!«
Es blitzte in den Augen der Frau von Callenfels auf, als wollte sie den schneidenden Vorwurf, der weniger in den Worten als in der Betonung gelegen, scharf abweisen; sie besann sich aber eines Andern, schob nur in nervöser Weise ihr Armband höher und fragte spitz:
»Sie kannten wohl Herrn von Gyvenheim? waren Sie vielleicht Universitätsfreunde?«
»Nein, ich kannte weder Namen, noch wußte ich von der Existenz des Mannes, bevor ich im vergangenen Winter Ihre Frau Schwester kennen lernte. Vergeben Sie, wenn meinem Ton etwas Herbes nachzufühlen war, doch solch' stummer Mann ist so vertheidigungsarm; was hülfe es selbst, legten wir, gleich den Altvorderen, Waffen in die Grube! es sitzt uns dann im Kopfe; der wird zu schwer, wenn das große Triebwerk steht.«
»Mein Gott, wie treu malen Sie diese interessante Situation; es hört sich an, als hätten Sie bereits ernstlich über Sterben und Todtsein nachgedacht! Das sind keine harmonischen Themata für den reizenden Abend; lassen Sie uns versuchen, ihn besser anzuwenden, als über traurige Nothwendigkeiten traurig zu werden.«
Damit erhob sich Frau von Callenfels, glättete mit dem Sonnenschirm eine verschobene Falte der Seidenrobe und rief, indem sie Neufeld's Arm nahm, zur Schwester hinüber:
»Ulla, wenn Du nicht vorziehst, umzukehren, wollen wir noch den Tannenweg auf den Höhen entlang gehen!«
Frau von Gyvenheim warf einen Blick ringsum, dann erwiederte sie, einen Steg nach dem kleinen Parke der Villa zwischen Blumenparterres hindurch einschlagend:
»Mary weiß schon, was ich lieb habe!«
Ziemlich einsylbig, nur von den enthusiastischen Floskeln der Frau von Callenfels über die noch nie so reich empfundene Herbstschöne unterbrochen, kam man an die Stelle des Weges, wo die Tannen zurücktreten und ein todteinsames Waldthal zu Füßen liegt. Heute war das Thal voll in den purpurgoldenen Glanz der scheidenden Sonne getaucht; gleich einem Gewebe von luftigen Edelsteinen hing es über den Baumkronen, und nur hie und da zitterten leise, wie in einem allzu heißen Kuß der Sonne zusammenschauernd, tiefrothe Blätter.
Ulla hielt ihre Schritte an und sagte, indem sie auf ein Haus wies, das schwerfällig am Berghang lehnte:
»Welch' unnahbarer Friede mag unter dem Strohdach wohnen!«
»Das dünkt Ihnen heute so natürlich,« versetzte Neufeld, »die kirchenhafte Stille des Thales, die glückliche Beleuchtung scheint von Nichts als Frieden zu wissen. Kommen Sie aber im Spätherbst her, ehe Schnee fiel, wenn in dem Thalkessel die Nebel brodeln, wenn sich der duftige Rauch, der jetzt gen Himmel schwebt, in gestaltlosen Massen das Dach niederwälzt, wenn die Raben schreien und es durch die Baumwipfel seufzt, als wäre in ihrem Schatten etwas Entsetzliches geschehen, – dann wird Ihnen das stille Haus nicht als Asyl des Friedens winken: was es gewesen, eine Mordherberge, steht es an dem dunkeln Wege!«
»Wie,« fragte Mary Callenfels, »dort spielte die Vatermord-Affaire?«
»Das wußten Sie nicht?« erwiederte Neufeld, und wollte eben dem fragenden Blicke Ulla's antworten, als Mary lebhaft fortfuhr:
»Eine neue Version der Phädrageschichte! Auch hier ein schöner Stiefsohn, allerdings mit dem weniger poetischen Namen Jakob, doch bis zum Wahnsinn geliebt. Leider blieb Jakob weniger grausam als Hippolyt, gab Herz um Herz und mordete im Einverständniß mit der Stiefmutter den eigenen Vater. Bald nach dieser schauerlichen Mordthat wurde er von durchgehenden Pferden zu Tode geschleift, und nun, in der Verzweiflung über ihren Verlust, von Gewissensqualen gefoltert, bekannte die Bäuerin Alles. Gerade, nachdem wir hier angekommen, begannen die Verhandlungen vor den Assisen. Was wurde doch aus der Frau, Herr von Neufeld? so viel ich mich erinnere, ist sie nicht hingerichtet worden?«
»Sie sitzt hier im Zuchthause,« versetzte Neufeld.
Eine glühe Blutwelle stieg im Gesichte Ulla's bis in die Schläfen empor; sich halb abwendend blickte sie starr den eben zurückgelegten Weg hinunter, als ob es sie beschäftigte, die von Weißhaus Kommenden zu erkennen.
Unbefangen, seine nur einen Moment lang scharf auf die junge Frau gerichteten Blicke mildernd, fuhr Neufeld fort:
»Es ist der alte Fluch, der auf verlorenen Posten ruht! Da muß ja wie im Zauberbann – Alles in demselben nächsten Umlauf kreisen, man sieht sich stündlich, man kann nicht mit Anderem vergleichen, nicht von Andern Urtheile hören, es steht schlimm, wenn in solchem Aufeinanderangewiesensein eine unberechtigte Leidenschaft aufkeimt. Elementarisch, gleich der Windsbraut, wächst sie in's Ungeheure und thut endlich das Ungeheure wie Gewöhnliches. Solcher Einsamkeit gönnte ich wohl unsere ängstliche Besorgniß, was die lieben Andern von unserem Thun sagen dürften, da thäte sie noth: von der zersetzenden Kritik dieser getreuen Nachbarn, von ihrem nur zu aufrichtigen Sinn für's Herabziehen wird ja solche Leidenschaft schon im Beginn so tief verletzt, oder in so widerstreitende Gefühle aufgelöst, daß es uns wie ein Räthsel ohne Lösung scheint, wächst sie einmal trotzdem im Weltgetriebe fort.«
»Also ein Plätzchen würden Sie doch der Meinung unserer Mitmenschen gönnen,« stichelte Mary, »zwar ein unmögliches, da mit der Nähe von Menschen die Einsamkeit aufhört, aber es ist immer Etwas. Liebste Ulla,« dabei ließ sie Neufeld's Arm los und trat an die Schwester heran, »Du hast vielleicht noch weniger Gelegenheit gehabt, es zu hören, unser Regierungsrath gibt spottwenig auf die Meinung der Andern. Schon neulich habe ich meinen ganzen Vorrath von Philosophie und Witz erschöpft, ihn davon zu heilen – umsonst.«
»Und jetzt würde das ganz unmöglich sein,« antwortete Neufeld trocken. »Was mir zwar immer als dunkle Antipathie im Herzen lebte, aber nirgend recht faßbar vorkam, weil es sich in tausend kleine Züge verzettelt, dieses Gebiet habe ich kürzlich unter Schopenhauer's Führung mit unbeschreiblichem Genuß durchwandert.«
»Nun ist es die allerhöchste Zeit, umzukehren,« rief Mary pathetisch, »sobald Herr von Neufeld auf Freund Schopenhauer kommt, ist er ganz unberechenbar,« und lachend drehte sie Ulla dem Wäldchen zu, um den Heimweg anzutreten.
In diesem Augenblicke, Neufeld war noch hinter den Damen, grüßte eine Frau, vor der zwei Knaben herjagten. Die Frau schien im Vorübergehen sogar zu zögern, als ob sie eine Anrede erwartete; doch Mary begann nach einem herablassenden: »Guten Abend, Frau Osner!« an Beispielen, die sie erlebt hatte, den hohen Werth der Meinung Anderer darzuthun, ohne daß sie die Vorbeischreitende weiter beachtete, selbst ohne zu bemerken, wie über die Züge der Schwester eine jähe Veränderung geglitten und gleichsam erstarrt auf denselben haften geblieben war. Bis zur Fahlheit erblaßt, was die Umrahmung des dunkeln Tannengrüns noch gespenstischer hervorhob, erschien Ulla auf einmal alt geworden; die Augen glanzlos, ein Zittern um den Mund, als bebten Fieberschauer über ihre Lippen.
Doch Frau von Callenfels und Neufeld stritten ununterbrochen, an Ulla's Schweigen war man gewöhnt, so gewann sie Zeit, sich nach und nach zu fassen.
Schon an der Fähre stand sie, ein wenig hinter ihre Schwester zurückgetreten, wieder ruhig wie immer da, und folgte – äußerlich sogar theilnahmvoll – den Scherzen eines Offiziers, welcher den Damen sein heute ausgestandenes Vergnügen schilderte.
Die Schwestern.
Ulla, die selbst ihren Thee abgelehnt und Mary gebeten hatte, nach dem Abendbrod herüberzukommen, schritt in ihrem Zimmer rastlos auf und nieder; sie blieb wohl auch einen Augenblick an dem geöffneten Fenster stehen, indem sie den Duft einer noch blühenden Caprifoliumwand einsog, oder blickte zur Mariensäule empor und folgte den feinen Konturen des Muttergottesbildes, das sich hell von dunkeln Wolken abhob: doch lag über all' diesem Thun etwas Zerstreutes, man fühlte, daß ihre Gedanken lebhaft mit Anderem beschäftigt waren, irgend Etwas erwogen, ohne einen Entschluß fassen zu können. Da trat die Schwester herein.
Es war stark dämmerig geworden; Mary konnte Ulla's Gesichtszüge nicht mehr deutlich unterscheiden, so rief sie denn neckend, während sie ihr Schlüsselkörbchen auf einen Fensterkopf stellte und eine Jalousie aufzog:
»Aermste, Dir hat gewiß der Regierungsrath mit seinem philosophischen Unsinn den Appetit genommen; ich hörte in eurem Gespräch auf der Fähre wieder den Namen Schopenhauer fallen. Du bist an seine prätentiöse Sprechweise, überhaupt seine Art noch zu wenig gewöhnt; grüble nicht weiter darüber, da ist für Niemanden viel zu holen. Neufeld hat trotz seiner grauen Haare manche nur zu jugendliche Ansicht, man hört ihn eben um seines guten Herzens willen an.«
Die Damen setzten sich auf einen kleinen Ecksopha, und jetzt erst, als Mary die krankhaft glühende Hand der Schwester ergriff, blickte sie rasch in deren Züge und ragte:
»Mein Gott, Du fühlst Dich wirklich unwohl?«
»Nicht körperlich,« erwiederte Ulla, »da fürchte Nichts; dennoch stehen Dir und Oskar wieder schwere Sorgen mit mir bevor.«
Mary drückte ihre Hand, schüttelte sogar wie zweifelnd den Kopf, als aber Ulla die Worte hervorstieß: »Ich muß fort!« nahmen Mary's Augen einen erschreckten Ausdruck an.
»Was ist vorgefallen?« rief sie besorgt. »Briefe sind für Dich nicht angekommen?«
»Erinnerst Du Dich einer Frau, die auf dem Tannenwege grüßte; zwei Knaben sprangen vor ihr her.«
»Gewiß; Frau Osner, die Wäscherin unserer Oberst Myrlenbach! Doch was soll die Frage?«
»Diese Frau kennt mich; sie –«
»Ah, das ist allerdings unangenehm!« fiel Mary ein. »Standet ihr in irgend welcher Beziehung vor oder gar nach Deiner Ehe? Sie weiß doch von Deiner Scheidung nichts?«
»Sie ist die Tochter eines Lehrers aus Wohlsdorf.«
»O, mein Gott!«
»Noch mehr,« fuhr Ulla fort; »ihr Mann ist auch – Zuchthäusler, und daran Allenstedt nicht schuldlos. Osner war ein jähzorniger Mensch, und ein paar Jahre früher schon einmal wegen Mißhandlung seines Knechtes zu Gefängniß verurtheilt worden; einige Wochen vor meinem Fortgange von Wohlsdorf, wo er eine Handelsgärtnerei gepachtet hatte, verletzte er wieder einen Mann so schwer, daß Zuchthausstrafe unvermeidlich eintreten mußte, sobald nicht starke Milderungsgründe angenommen wurden. Man fürchtete für Osner's Verstand, so unglücklich machte ihn dieser neue Ausbruch seines Temperaments, Jeder bemitleidete ihn – außer Allenstedt; und gerade dessen Gewicht der Stimme soll es dahin gebracht haben, daß man den Gesetzen freien Lauf ließ.«
»Weiß die Frau das?« fragte Mary gespannt.
»Wenigstens verurtheilte man im ganzen Orte – die Schroffheit Allenstedt's.«
»Nenne doch den Elenden nicht immer bei Namen,« brauste Mary auf, »das ist zu viel Ehre für ihn! Du hast ja die Auswahl: Dieb, Betrüger, Schurke, wie Oskar sagt, ich werde Dich schon verstehen. Diesen Zug wieder für einen solchen« – sie stockte bei Ulla's flehender Geberde, fuhr aber gleich wieder fort – »der seine Finger wahrscheinlich bereits in der Kasse hatte, auf den man sicher schon fahndete. Welch' deutlicher Eingriff des Himmels! Gott verwirrte ihm den Sinn, damit er gerichtet würde, wie er gerichtet hatte – erbarmungslos. Und bei Osner handelte es sich um eine verhängnißvolle Naturanlage, hier bei ihm –«
»Mary, Mary, halt' ein, ich kann das nicht ertragen! Der Grund seiner That ist ja für uns Alle noch ein Räthsel.«
»Für mich,« entgegnete Mary mit unterdrückter Heftigkeit, »gibt es bei dieser unseligen Geschichte bald nur noch ein Räthsel – und das bist Du. Schon öfters haben Dir Oskar und ich wiederholt, wie es ganz gleichgültig bleibt, ob er mit dem Gelde alte Schulden bezahlt, oder ob die Tausende in irgend einem Schwindelgeschäfte angelegt wurden; was kümmert uns der Grund, das Faktum liegt klar da, von ihm nicht einmal bestritten: Er hat das Geld aus der Kasse gestohlen! Wohl mag er Ursache gehabt haben, nichts, gar nichts als Entschuldigung vorzubringen, die Gründe hätten eben seine That als noch erbärmlicher gekennzeichnet, wenn das überhaupt möglich. – Kannst Du darüber nicht zur Ruhe kommen? Muß mir das nicht seltsam erscheinen? Es sieht fast einem noch andauernden Interesse ähnlich. Ich sprach schon mit Neufeld darüber, welchem auch Dein Wesen aufgefallen, der aber natürlich nicht ahnt, daß Dein einstiger Gatte nicht todt ist, sondern nur im Zuchthause sitzt. Dieses fortwährende Leiden, Dein Garnichtüberwindenkönnen wird uns noch in irgend eine Katastrophe treiben. Als Neufeld heute von der Zuchthäuslerin sprach, wurdest Du verlegen und roth; ihm gegenüber ist das nicht von Belang, bei Andern kann uns solche Szene, wenn man auf Dich achtet, in die tödtlichste Verlegenheit bringen. Du bist in aller Form Rechtens geschieden, nicht der geringste Makel haftet an Dir, nun mußt Du aber auch endlich jeden Gedanken an dieses schauerliche Bündniß von Dir stoßen und uns wieder ganz gehören. – Verdienen wir das nicht?«
»O Alles, Alles verdient ihr um mich!« rief Ulla, ergriff Mary's Hände und drückte die Stirn darauf. »Wie treu habt ihr von Anbeginn zu mir gestanden! Was danke ich Deinem festen Entschlusse, der mich abhielt, ihn noch einmal zu sprechen, der unsere Trennung rasch vollzog! Du hast so richtig und klug für mich gehandelt, ich hätte damals – von alledem das Falsche gethan. Und Oskar, Dein theurer Mann, es war ja ein Opfer ganz unvergeßlich! Eben in das fremde Regiment versetzt, wo der Eindringling von allen Seiten beachtet wird, wo Jeder nach seiner Vorgeschichte fragt, in der Zeit öffnet er sein Haus der Gattin eines – Zuchthäuslers.«
Mary strich weich über Ulla's Scheitel und sagte: »Ruhe, liebste Ulla, Ruhe!«
Doch diese schüttelte den Kopf.
»Laß mich sprechen, Du wirst den Sinn schon fühlen, wenn er auch den Worten fehlen sollte; es müßte mir das Herz sprengen, wenn sich jetzt nicht Alles von der Seele ränge. Ich danke und segne euch immer und täglich; das vergesse ich ja keinen Augenblick, ich könnte euch mein armes Leben zu Füßen legen, und doch wimmert, schreit Etwas in meinem Herzen, was nicht sterben will, – ich kann ihn nicht vergessen!«
Schluchzend brach sie zusammen und weinte, weinte ganz unstillbar.
Wohl hatte Mary in der ersten Empörung heftige Worte auf den Lippen gehabt, aber dieser erschütternde Ausbruch tiefsten Leidens drängte jeden Vorwurf zurück und rief ihre volle schwesterliche Liebe wach. Sie redete so lange zärtlich auf sie ein und trocknete Zähre an Zähre von den Wangen, bis Ulla stiller wurde und endlich nur ihr Athem schwerer ging als sonst.
Mary wollte sie nun bewegen, zur Ruhe zu gehen, doch hastig wischte diese die letzten Thränen fort und bat:
»Bleibe noch, ich werde mich zusammennehmen, Dich nicht von Neuem ängstigen. Was mir innen Alles so erstickend füllte, ist wieder einmal vom Herzen, nun kann ich ruhig sein! – Was hältst Du von meiner Begegnung mit der Osner? Es wird etwas geschehen müssen; wir können damit unmöglich warten, bis Oskar zurückkehrt.«
»Was wolltest Du thun? In acht Tagen ist Oskar's Urlaub um, Männer sind in solchen Dingen erfahrener, umsichtiger, ich denke, wir erwarten seine Ankunft. Das Ganze wäre doch überhaupt nur von Bedeutung, wenn die Frau wüßte, daß Du meine Schwester bist. Das ist aber eigentlich undenkbar, und selbst, erführe sie es jetzt, man kennt Dich hier nur unter Deinem Mädchennamen, augenblicklich würde Niemand darüber in's Klare kommen, ob Du jenes Allenstedt's Gattin, ob nicht.«
»Für mich lag aber in der Osner Gesicht etwas Hartes, etwas, was mich zittern ließ.«
»Meinst Du, ein Zug von sich rächen Können oder gar Wollen?«
Ulla nickte.
»Nein,« erklärte Mary. »Dein Argwohn hat wieder Gespenster gesehen; davon lag keine Spur in ihrem demüthigen Gruße!«
»Der Himmel gebe es,« sagte Ulla still vor sich hin.
»Und meinen steten Argwohn laß mir schon, er kommt euch zugute; nur euretwegen bange ich um jedes Wort, das einen Schein von Unklarheit auf mich werfen könnte. Freilich beherrscht mich nun zu Zeiten ein so tiefes Unbehagen, wie ich es nie empfunden. Ich darf nicht wahr sein, muß immer von Neuem für Alle, die fragen, Lügen erfinden, selbst für Die, welche es freundlich mit mir meinen; dessen schäme ich mich, das quält mich und dennoch kann ich es nicht ändern. Die ich stets Wahrheit gefordert und stets Wahrheit gegeben, – ich muß nun Tag aus, Tag ein lügen, das nimmt mir alle Stimmung und peinigt, peinigt zum Verzweifeln. Ich werde erst Frieden finden, wenn ich das liebe Asyl hier verlasse und zum Onkel gehe.«
»Ulla, wäre es bei ihm anders oder besser? Du weißt, Tante liebt auch Geselligkeit, dort wie hier wird man Dir Theilnahme beweisen wollen und – fragen.«
»Der Onkel hat aber kein Amt mehr, ihn wird es gleichgültiger lassen, wenn über mich Gerüchte umgehen.«
»Und die Tante? Wir sind von ihr ja liebevoll erzogen worden, doch ob sie ein Bekanntwerden Deines Unglücks ertragen könnte?«
»Nein, Mary, nein! Es steht trüb um mich; nirgend kann ich mehr willkommen sein; ich dachte an alte Zeit, wo mich der Onkel so in Liebe verwöhnte, und hoffte einen Augenblick lang, durch mein Kommen Freude in sein Haus zu bringen, – das ist vorbei! Wäre ich nur älter und könnte allein leben! Aber muß es sein, wird sich solch' Alleinstehen auch tragen lassen, ich weiß nicht, ob dazu mehr Kraft gehören sollte, als auf Denen, die ich lieb habe, heute und immer wie eine Wolke Unheil zu lasten, die jeder Windhauch herabstürzen kann! Ach, Mary, Mary!«
Ihr Haupt sank schwer herab; endlich richtete sie sich wieder auf und fuhr fort:
»Ehe Du kamst, dachte ich daran, selbst zur Osner zu gehen. Vielleicht ließe sich, wenn sie Geldanerbietungen zugänglich, ihr Schweigen erkaufen? Ich habe ihr persönlich nie etwas zu Leide gethan, wir kennen uns nur, weil wir ein Jahr lang zusammen an demselben Orte gelebt. Schlimmsten Falls könnte meine Bitte doch nur abgeschlagen werden.«
»Dein Gedanke ist sehr zu überlegen,« versetzte Mary rasch. »Wenn Du zu diesem Gange Dich entschließen kannst, erfährt man wenigstens, ob wir etwas zu fürchten haben: denn gerade ihre Bekanntschaft mit unserer Oberst ist der fatale Punkt; die geringste Klatscherei dort bringt Alles zu Tage, weil Frau von Myrlenbach die eigenen Sünden nicht auf dem Herzen zu behalten weiß. Meine Leute kennen auch die Wohnung der Osner; erst kürzlich hatten sie da im Auftrage der Oberst eine Bestellung zu machen.«
»Ich werde morgen früh zu ihr gehen,« sagte Ulla mit einem Tone von Entschiedenheit, der jede weitere Erörterung der Frage aufhob.
»Es ist eigentlich,« begann nach einer Weile Mary wieder, »ein seltsames Zusammentreffen, daß sich diese Frau ebenfalls Trier zum Aufenthaltsorte wählen mußte! Wahrscheinlich sitzt ihr Mann hier seine Strafe ab.«
»Das glaube ich nicht,« erwiederte Ulla, »so viel ich mich entsinne, kam er nach Köln. Vielleicht hat auch sie Verwandte hier; ob so gütige wie ich?«
Mary nickte lächelnd, erhob sich und rief:
»Nun wollen wir aber nicht länger in die Nacht hineinplaudern, gehe bald zur Ruhe! Ueber Nichts mehr denken, Du weißt ja, was man sich am Abend noch so hübsch zurecht gelegt, der Morgen ändert überall.«
Sie nahm ihr Körbchen und ging; an der Thür jedoch kehrte sie nochmals um, indem sie mit einem Kuß auf Ulla's Lippen sagte:
»Du bleibst bei uns?«
»So lange ich darf, gewiß!« antwortete diese herzlich.
Noch ein Händedruck, dann öffnete sich die Thür und man hörte Mary gleich darauf Jemanden sehr energisch fragen, warum die Flurampel nicht angezündet sei.
Ulla trat an das Eckfenster, indem sie tief in die Nacht hinausathmete. Ein warmer Wind ging durch das Weinlaub unter ihr und raschelte hier und dort mit den großen Blättern. Es war letztes Viertel; über all' den schlafenden Gärten solch' müdes, dämmerndes Zwielicht; nur Wolkenstreifen, die unter dem Monde zusammengeweht, schimmerten heller. Ulla blickte zu ihnen empor, bis sie und die Mondsichel hinter einem Erker verschwanden; dann schloß sie in ihrer geräuschlosen Weise die Fenster und schritt langsam dem Schlafgemache zu.
Treue Liebe.
Durch die buschreichen Anlagen rechts vor dem trierer Neuthore, wo sich im Frühsonnenschein eine Schaar von Sperlingen zwitschernd und schreiend an reifen Beeren labte, an dem alten Mauerthurm vorüber, auf dem sein Humorist von Besitzer allerlei mögliche und unmögliche Gestalten angebracht, die sich im geringsten Windhauch drehen und schwenken, Arme, Köpfe, Beine umherschleudern oder dazu kreischen – selbst diesem viel bewunderten Thurm vorüber, dort, wo die Anlagen aufhören, stand ein einsames Haus, nur aus Fachwerk bestehend, jedoch über und über mit demselben Holzschnitzwerk geziert, das den russischen Sommervillen ein so anmuthiges Aussehen verleiht.
Das Haus stand seitwärts der Nußbaumallee, welche Trier rings umgibt, unweit der Stadtmauer; vor und hinter demselben – üppige Grasflächen, auf denen kleine Wäschestücke ausgebreitet lagen, während größere an Leinen, welche zwischen Obstbäumen gezogen, darüber hin und her schaukelten. Ein gerader, sandbestreuter Weg, nach der Straße durch eine Bretterthür in der lebendigen Hecke, die sich um Hof und Gärtchen zog, abgeschlossen, führte auf das Haus zu; an dem Wege liefen Rabatten hin, deren Hauptzierde – zwei Rosenstöcke – noch in blaßgelben Blüten und zahllosen Knospen prangten.
In der einfachen Laube dicht am Hause, die nur aus einer Traueresche bestand, um deren Stamm Tisch und Bänke gruppirt, saß eine schlichte, zarte Frau. Ueber ihrer Haltung, wohl hauptsächlich durch die Lage der Arme hervorgerufen, die schwer im Schooße ruhten, lag ein Etwas von Müdigkeit gebreitet, was wehmüthig berührt hätte, wären ihre Blicke weniger belebt und nicht mit so unsagbarer Zärtlichkeit zwei etwa fünfjährigen Knaben gefolgt, die im vollsten Jubel um ein Taxusgesträuch jagten.
Plötzlich hielten die Knaben in ihrem Laufen inne, und der Jüngere, ein rosiger Blondkopf, holte ein Stück Bilderbogen aus der Tasche, das er kurz vorher von seiner Mutter bekommen hatte. Triumphirend wies er dem Bruder die beiden blauen Husaren. Dieser sah sie aufmerksam an, dann rannte er spornstreichs der Laube zu, indem er schon von Weitem in ziemlich bestimmtem Tone rief:
»Wenn Du Fritz solch' schönes Bild schenkst, muß ich auch eins haben!«
Frau Osner's Züge veränderten sich ein wenig und setzten eine halbe Amtsmiene auf.
»Zander,« fragte sie dann eindringlich, »Du mußt dasselbe wie Fritz haben?«
»Ich bitte, liebe Mama,« rief der kleine Mann noch in voller Ueberzeugung, daß es allein auf diese Worte abgesehen wäre, und jetzt auch seine Husaren bereits aus irgend einer Tasche Mamas hervorlugten. Sehr genau behielt er jede Bewegung der Mutter im Auge, um seinen Schatz sofort mit Beschlag zu belegen. Diese sagte aber ernst:
»Ich habe jetzt kein Bild; auch ist es gar nicht hübsch, dem Bruder Nichts allein zu gönnen.«
Es zuckte nun einen Augenblick lang sehr verdächtig um Freund Alexander's Mund, als wären Thränen in allernächster Nähe; dann kehrte er sich ab und trollte mit Fritz dem Hause zu, wahrscheinlich, um dort in aller Stille ein Tauschgeschäftchen abzuwickeln. – Gleich darauf öffnete sich die Gartenpforte und Frau Martha sah eine Dame eintreten, deren Gesicht sich seltsam farblos von ihrem Traueranzug abhob. Sie ging derselben entgegen und erkannte nach wenigen Schritten ihre frühere Bürgermeisterin Allenstedt.
Etwas hochmüthig, wohl unbewußt, erwiederte Ulla Martha's ehrerbietige Verbeugung und begann rasch:
»Kann ich Sie jetzt, ohne zu stören, sprechen, oder ist Ihnen eine andere Stunde angenehmer? Sie sind beschäftigt?«
Dabei wies Ulla auf die Wäsche.
»Ich habe erst heute in der Frühe gewaschen, gnädige Frau,« antwortete Martha, »die Wäsche trocknet jetzt.«
»So lassen Sie uns in die Laube gehen, ich werde Sie nicht lange aufhalten.«
Nachdem sich Beide gesetzt hatten, fuhr Ulla mit gepreßter Stimme fort:
»Ich komme als Bittende, Frau Osner.«
»Zu mir?« rief Martha mit einem Ausdruck von Freude, der schon Alles gewährte, »seien Sie überzeugt, daß ich von Herzen gern thun werde, was in meinen Kräften steht! Es handelt sich um eine Bestellung –«
»Nein,« unterbrach Ulla.
Dann verstummte sie, indem sie rasch überlegte, ob jetzt nicht volle Offenheit das Richtigste wäre. Die Frau war falsch beurtheilt worden.
Da sagte Martha, welche dem Zögern Ulla's eine sehr begreifliche Scheu unterlegte, in zutraulichster Weise:
»Sie kennen mich nicht, gnädige Frau, ich stehe auch nicht hoch genug, Ihre Vertraute sein zu dürfen, aber ich spreche Osner gerade heute wieder, und kann Ihnen also fest zusichern, daß jede Botschaft an Ihren Herrn Gemahl gleich ausgerichtet wird.«
»Allenstedt ist hier?« fragte Ulla athemlos.
»Das wissen Sie nicht?«
»Halb unverständlich, nach Fassung ringend, antwortete Ulla:
»Ich bin von ihm geschieden.«
»Geschieden?« wiederholte Martha; »also darum hat er nie von Ihnen gesprochen?«
Diese einfachen Worte klangen Ulla vorwurfsvoll, ihr war es, als bedürfe sie einer Entschuldigung; so erwiederte sie denn:
»Meine Verwandten drangen auf Scheidung und ich – ich willigte ein, da auch mir eine völlige Trennung – für uns Beide – am besten erschien.«
»Darüber wage ich nichts zu sagen,« versetzte Martha ernst, »und bitte nur um Verzeihung, daß ich Sie an solch' Herzeleid erinnert. Es geschah wirklich unwissentlich. – Womit kann ich also dienen?«
»Ich kam nur mit der Bitte, zu Niemanden über meine Lage zu sprechen; ich lebe hier bei Verwandten, die mich liebevoll aufgenommen haben, denen aber ein Bekanntwerden meines Unglücks die peinlichsten Verlegenheiten bereiten könnte. Es ist mir gestattet, wieder meinen Mädchennamen zu führen, und ich gelte für eine Frau von Gyvenheim, deren Mann – verstorben.«
Das letzte Wort auszusprechen, war Ulla unsäglich schwer geworden, und ihre Blicke hafteten am Boden.
»Ich danke recht sehr für Ihr Vertrauen,« sagte Martha herzlich. »Es wird mir leicht gemacht, Ihren Wunsch zu erfüllen; denn eigentlich sehe ich mit Ausnahme der Herrschaften, die bei mir waschen lassen, nur die Kinder und meinen Mann. Außerdem ist in starken acht Tagen die Strafzeit Osner's um, wir wollen gleich nach Amerika aufbrechen, dann sind Sie selbst die kleine Sorge los, mich hier zu wissen.«
»Nach Amerika wollen Sie?«
»Ja,« versetzte Martha eifrig, »Herr Allen –« sie stockte, dann fügte sie aber rasch hinzu: »Sie müssen schon nicht böse sein, wenn ich immer wieder auf Herrn Allenstedt komme, aber seit er sich mit Osner vertragen, der ihm des Schwurgerichts wegen doch ein wenig gram war, steht er uns mit seinem Rath so freundlich bei, wir gehen nämlich zusammen fort, – daß er mir, so zu sagen, von Osners unzertrennlich geworden; soll ich von uns sprechen, kann ich ihn nicht auslassen.«
»Auch er geht nach Amerika?« fragte Ulla in einem Tone, von dem man nicht wußte, war er Leid oder Freude.
»O, von ihm rührt der ganze Plan her! Er kann ja Englisch, hat auch einen Vetter in Boston, so wollen wir denn getrost, auf Gottes Hülfe bauend, dort unser Heil versuchen. Arbeiten können wir und – Arbeitshand find't überall Verwand – pflegte mein Großvater zu sagen. Der Entschluß ist uns Allen nicht leicht geworden, auch Herr Allenstedt geht ungern hin, das liebe Brod hätte sich hier nur allzu schwer verdienen lassen; man fragt ja nie, weßhalb Jemand in's Zuchthaus gekommen ist, – daß er Zuchthäusler war, schreckt schon die Meisten von jedem Beistand ab. Geht es uns aber in Boston gut, so habe ich meine stillen Gedanken: dann helfe ich den Eltern, nehme ihnen zwei von den Geschwistern ab, und kann wohl außerdem ab und zu ein paar Pfundnoten entbehren.«
»Ich will von Herzen hoffen, daß sich dieser Wunsch bald erfüllt, doch bis dahin wird noch Manches überwunden werden müssen.«
»Vieles, Vieles, gnädige Frau, aber das Schwerste ist ja überwunden – dieses letzte Jahr! Noch ein solch' Jahr würde ich kaum überstehen, das fühle ich im Kopf und im Gemüthe; recht, recht lang ist es geworden, trotz Arbeit und Gebet. Erst jetzt will die Zuversicht über mich kommen, daß es weiter gehen soll, daß ich noch bei meinen Kindern bleiben darf. Eine Zeitlang wuchs mir die ungewohnte, schwere Arbeit fast über den Kopf, ich meinte zu erliegen. Doch es ging ja nicht anders. Osner wollte zwar, daß ich von unserem kleinen Kapital leben sollte, aber womit dann die Ueberfahrt bestreiten und dort die erste Zeit? Ich mühte mich also redlich, that mein Bestes, und so haben meine Damen denn gestern ordentlich geklagt, daß ich die Wäsche zum letzten Mal holte. – Die Arbeit allein hätte mich auch nicht so herunterbekommen, aber der Osner machte mir anfangs viele Kränkung; er war gar zu unglücklich und ich glaube, verzeih' mir Gott den sündigen Gedanken! hätte ich ihn nicht immer an seine armen Kinder gemahnt, – er hätte sich ein Leids angethan.«
»Nun Alles vorüber, darf es Ihnen zum Troste gereichen; diese Kämpfe haben ihn sicherlich von seinem Jähzorn geheilt.«
»Das hoffe ich zu Gott,« erwiederte Martha langsam. »Gesagt und zugeschworen hat er mir's wohl an die hundert Male; ich darf ihn jetzt nur ansehen, wenn er zufällig lauter spricht, so ist es gleich, als fiele etwas auf seine Stimme, daß sie milder klänge. Sie glauben es nicht, wie schlimm es um ihn stand, wie gebrochen der Mann war; noch heute kann ihn ein Schluchzen überfallen, daß es mir das Herz umkehrt. Schon nach seiner Gefängnißstrafe gingen fünf Jahre vorüber, wo Nichts vorkam, ich denke, der Herr schenkt uns fortan bessere Tage.«
»O, das verdienen Sie!«
Beide schwiegen einen Augenblick, dann fragte Ulla:
»Sollte Ihr Mann nicht nach Köln kommen?«
»Ja, er war dahin bestimmt, ebenso wie Herr Allenstedt; sie wurden auch nur hierher abgegeben, weil die kölner Strafanstalt zu überfüllt war.«
»Dürfen Sie Ihren Mann sprechen, wann Sie wollen?«
»Das nicht; aber ich habe die Erlaubniß erhalten, mit ihm jeden Sonntag eine Stunde im Besuchszimmer zusammen sein zu dürfen. Er und Herr Allenstedt können oft mit einander plaudern, weil Beide im Bureau beschäftigt sind; auch ist man jetzt in den letzten Wochen mit ihnen nicht mehr so streng wie anfangs.«
»Allenstedt haben Sie nie gesehen?« fragte Ulla leise.
»Nein, doch öfters von ihm gehört. Osner meinte, er hätte sich sehr verändert, wäre alt und grau geworden; aber darüber dürfen Sie nicht erschrecken, gnädige Frau, den Männern scheint dergleichen immer mehr als es wirklich der Fall ist.«
»Und warum sollte das nicht der Fall sein? Er ist ja kein verhärteter Verbrecher, seine entsetzliche Strafe muß Spuren hinterlassen haben. Blicken Sie doch mich an, sehe ich noch einer Frau von zwanzig Jahren ähnlich? Erst zwanzig Jahre bin ich alt!«
Ein unendlich bitterer Zug lag um Ulla's Mund.
Sie erhob sich. Auch Martha stand auf und versuchte, die eben wieder in vollem Laufe heranstürmenden Knaben zu beschwichtigen, doch nur der jüngere schmiegte sich an die Mutter, Zander legte die Hand über die Augen, sah darunter neugierig auf die fremde Dame und rief:
»Alles sehe ich an, die Tante und den Baum und die Blumen, aber nicht die Mama; garstige Mama, hat mir kein Bild gegeben!«
Der Kleine sprach mit so komischer Betonung, daß selbst Ulla lächeln mußte und, seine Wangen streichelnd, sagte:
»Soll die Tante ein Bildchen mitbringen?«
Zander nickte, indem sich über sein ganzes Gesicht ein Strahlen von Freude ergoß; jedoch Frau Osner erwiederte:
»Thun Sie es nicht, gnädige Frau; Sie haben eben mit angehört, was das schon für ein kleiner Strick geworden ist! Ja, ja, es wird recht nöthig, daß der Papa von seiner Reise zurückkehrt!«
Sie drohte Zander – aber nicht zu streng – und befahl den Knaben, ihre Bälle zu holen, um nebenan auf der Wiese zu spielen.
Beide sprangen dem Hause zu, während Martha fortfuhr:
»Osner hatte zwar oft großes Verlangen, die Kinder zu sehen, wir hielten es aber doch Beide für besser, wenn ihnen jedes Gedenken an solche Anstalt erspart bliebe. Für sie ist der Vater nach Amerika gereist und kommt uns holen, wenn das neue Haus fertig sein wird.«
»Wie Sie überall das Richtige finden!«
Ulla verstummte wieder; auch Martha ging schweigend an ihrer Seite den weißen Weg entlang und streifte nur dann und wann mit den Fingern über Blätter hin.
Jenseits der Gartenpforte angelangt, sagte Ulla:
»Sprechen Sie auch zu Ihrem Manne nicht von mir! Es wäre mir lieber – er hörte erst später, daß ich in Trier gewesen bin.«
Martha fühlte augenblicklich, auf wen sich das Er bezog, und drückte zum Zeichen des Verständnisses leise die dargebotene Hand.
»Ich sehe Sie noch; Sie haben mir zu viel Antheil eingeflößt, als daß ich Sie ohne meine herzlichsten Wünsche ziehen lassen könnte!«
Nach diesem Versprechen, das Ulla in tiefer Bewegung gegeben, wandte sie sich hastig der Allee zu, welche nach der Olewig führt.
Sie schritt rasch vorwärts; aus den Anlagen hörte sie Vogelgezwitscher herüberschallen, dann laute Menschenstimmen, sie sah auch einen Posten vor einem weißen Eckhause schildern und erwiederte sogar Comtesse Anna's Gruß zum Balkon hinauf, – trotzdem konnte sie sich des Gedankens nicht erwehren, daß sie träumte. Erst als die Ruinen der römischen Bäder mit ihren klaffenden Bogenöffnungen aus dem Grün auftauchten, gewann plötzlich ein bestimmtes Wollen in ihr die Oberhand. Durch eine der Oeffnungen sah man ja den Dom, nahebei mußte das Zuchthaus liegen, traten etwa auch dessen Giebel hervor? Doch ihr Suchen und Spähen war vergeblich; Domthürme und Dächer, weiter vornan die Basilika, nahmen die ganze Breite des Bogens ein. Der einmal angeregte Wunsch, die Mauern sehen zu wollen, deren Gefangener Allenstedt war, ließ aber nicht von ihr; mit nervöser Reizbarkeit bestand ihr Herz auf seinem Verlangen, und sie beschloß endlich, den nächsten Weg nach Hause einzuschlagen, dicht am Zuchthause hin.
Bald war das Mußthor erreicht, schon bog sie in die Nebengasse nach dem Dome ab, da wurden ihre Schritte auf einmal langsamer, und nach kurzem Zögern jäh umkehrend, eilte sie wieder zum Thore hinaus. Die fürchterliche Idee hatte sich ihr aufgedrängt, in der engen Straße Allenstedt begegnen zu können, mit einem Kruge in der Hand, einen Soldaten hinter sich, wie sie es so oft bei Zuchthäuslern gesehen: wäre das zu überleben gewesen?
Ihre Gedanken wogten durch einander; viel Schmerzliches, Vergangenes und Zukünftiges drängte sich heran, aber Einem hing sie immer wieder und wieder nach, Namen fand sie dafür nicht, – und doch war es da und durchströmte sie tief und wahr – ein Gefühl, als ob Unendliches besser werden, Unendliches von ihr fallen wollte, ein Gefühl, als könnte es auch für sie noch einmal Frühling werden.
Quell an Quell.
Langsam, unsäglich langsam war die Woche für Ulla vergangen; beinahe endlos war ihr jeder Tag erschienen und endlos die traurigen Nächte, in denen nur zuweilen ein unruhiger Schlummer ihre Augen geschlossen. Doch, was hatte sie auch in sich durchgerungen! und immer nur allein mit ihrem Herzen und Gewissen, da sie, aus Furcht vor neuen Anklagen Mary's, es nicht einmal gewagt, Allenstedt's Anwesenheit in Trier – zu berühren.
Heute, am letzten Tage dieser schweren Woche, schien endlich Friede über Ulla gekommen zu sein; ja augenblicklich, wo sie nach ihrer Gewohnheit in dem grünen Sessel saß, der noch aus der Eltern Hausrath stammte, und in den schon ihr Mütterchen immer hineingeflüchtet war, wenn Etwas still zu feiern oder zu verschmerzen gewesen, augenblicklich hatte sich über ihre Züge jener Schimmer von Verklärung gebreitet, den ein Menschenantlitz nur gewinnen kann, wenn das Herz – ergeben – ein großes Opfer auf sich nahm.
Da wurde der Regierungsrath von Neufeld gemeldet.
Müde erhob sich Ulla.
Schon im Hereintreten fragte derselbe: »Schwärmen Sie auch nicht für Damencafés? Das wäre ja richtige, ehrliche Sympathie zwischen uns!«
»Ich nehme allerdings selten eine Einladung zum Kaffee an,« erwiederte Ulla, indem sich Beide setzten, »doch heute war ich nicht eingeladen worden. Da mein Schwager morgen zurückkehrt, hat sich Mary nach einer früheren Verabredung noch einmal bei Frau von Myrlenbach angesagt. Ich begleitete sie nicht, weil ich einen andern Besuch vorhabe.«
»Jetzt?
»Bewahre, gegen Abend.«
»Eigentlich war meine Absicht, die Damen für das letzte Symphoniekonzert in Mettlach's Garten zu interessiren. Die Leute spielen so brav, es gibt heute neben guten sonstigen Dingen: die ›Nacht‹ aus David's ›Wüste‹, die ›Freischütz-Ouverture‹, aber Sie kommen doch wohl nicht?«
»Danke herzlich! Mary wird es bedauern, sie kam schon neulich ganz begeistert nach Hause. Auch ich glaube gern, daß solche Konzerte ihr sehr Reizvolles haben, verliert sich aber nicht jede feinere Nüance?«
»Es ist kein Konzertsaal! Doch was verhallt, ersetzt die stimmungsvolle Umgebung doppelt. Denken Sie sich einen kleinen, heimlichen, matt beleuchteten Garten mit alten Bäumen, unter denen an einem unserer lauen Herbstabende – frohe Menschen bei einem Glase Moselwein und köstlichen Forellen sitzen. Trotz allgemein guter Laune tritt, sobald sancta musica anhebt, Stille ein, aber jene zitternde Stille, die immer athmet, uns nie ängstigen kann. Nahe oder fern finden Sie dann wohl noch ein Gesicht, ein schönes oder liebliches, die ja in Trier so zahllos sind wie Mairöschen. Auf dem lassen Sie Ihre Blicke ruhen und da, meine ich, dürften schon Augenblicke kommen, wo sich das Herz aus der Brust zu verlieren scheint und, in einen Wohllaut gelöst – weit forttreibt! Lächeln Sie nur über den alten Schwärmer! Selbst wenn nicht Alle das so auffassen, an etwas Gutes oder Schönes erinnert sich jeder Zuhörer, freilich mag sich dieses Schöne in gar verschiedenen Gestalten offenbaren!«
»Ich hätte gelacht, Herr von Neufeld?«
»Wenn auch nicht mit dem Munde, so gewiß innerlich, leugnen Sie nicht; ich bin das wirklich gewöhnt! Doch nun brauchen Sie mich nicht so grausam ernst anzusehen, ich weiß es, Sie könnten mir nicht wehe thun. Sie sind anders wie die Andern; ich glaube sogar, halb und halb gehören Sie zu meiner Gemeinde?«
»Zu Ihrer Gemeinde?«
»Ja, zu den Menschen, die auch allen Uebrigen zu empfinden gönnen, was sie als wirklich groß und gut empfunden; die, immer voller Mitleid, zu helfen und zu bessern streben, wo sich Irrthum oder Bosheit breit macht, denen der Andern Meinung, selbst ihr Haß – nichts bedeutet, wenn das Herz seine reinen Wege gehen will.«
Ulla hatte vor sich hingesehen, bei Neufeld's letzten Worten blickte sie rasch auf und sagte:
»Aber wenn man nun diese Andern lieb hätte und ihnen Dank schuldete, großen Dank? Wenn Sie wüßten, daß Sie mit der Hingabe an Herzensrechte Denen bitter wehe thäten, die Sie gern mit aller Dankbarkeit der Welt überschütteten, würden Sie auch da unbeirrt dem Rufe Ihres Herzens folgen?«
Mit Wärme erwiederte Neufeld:
»Wollen Sie darüber offen, ganz offen meine Ansicht hören? Wenn sie Ihnen auch kaum Anderes sagen wird, als was Sie sich heute selbst gestehen, Ihnen thut vielleicht der Zuspruch eines älteren Mannes wohl! Sie können mir volles Vertrauen schenken?«
»Herr von Neufeld,« antwortete Ulla verlegen, »ich möchte nichts – gerade persönlich aufgefaßt wissen, behandeln wir die Frage objektiv.«
»Dann sind wir auf Gemeinplätze angewiesen!« versetzte Neufeld schroff, augenblicklich aber seinen warmen Ton wiederfindend, fuhr er fort: Meine liebe Frau von Gyvenheim, ich fühle schmerzlich mit Ihnen, ich kann nur mit Erschütterung daran denken, was Sie gelitten haben und noch leiden. Ihnen fehlt ein rechter Beistand, der außerhalb Ihres Kreises lebt, dem Ihr Glück, nicht das eigene Ich voransteht. Darf ich versuchen, Ihnen ein solcher Beistand zu sein, bis mich ein Besserer ablöst? Wenn Sie wollen, sendet mich das Schicksal, ich kenne – Ihre Verhältnisse.«
Ulla wurde nicht blasser, ihr Blick blieb nur am Boden haften und die gefalteten Hände zitterten leicht.
Neufeld legte eine Hand auf die ihren:
»Sie werden erfahren wollen, wie das möglich war! Vor drei Wochen etwa bedurfte die aachener Regierung, in deren Bezirk ja die Bürgermeisterei Wohlsdorf liegt, einer Abschrift aus Allenstedt's Prozeßakten; ich wurde beordert, hier bei der zuständigen Behörde den Auszug zu machen, und fand neben Ihrer Deckung der fehlenden Gelder – Ihre Scheidungsklage, von Callenfels' Hand geschrieben. Sie brauchen mir also nicht zu sagen, wer damals Ihr Berather gewesen ist; klug war der rasche Schritt, aber –«
»Sprechen Sie aus – ich bitte darum; jetzt kann ich Alles hören.«
»Aber großmüthig,« vollendete Neufeld, »selbstsuchtslos – die Worte stehen wohl kaum in dem sonst so reichen Wortschatz Ihres Schwagers!«
Weicher fuhr er dann fort:
»Und hat – Sie diese Trennung glücklich gemacht? wenn Sie bei Ihrem tiefsten Sinn nachfragten, und ich dann um Wahrheit bäte? Aber ich bedarf ja Ihrer Antwort nicht! Lag doch immer, wo ich Sie auch gesehen, ein so schmerzhafter Ernst über ihrem Wesen, diese verzweiflungsvolle Traurigkeit, die mit jedem Athemzuge nach Erlösung ringt und sie doch nicht findet. Sie ließ mich so innig für Sie fühlen und räthseln, räthseln, bis mir jener Zufall Lösung brachte! Schon über den dunkeln Blättern gelobte ich mir, in welcher Weise es auch immer wäre, mich Ihnen zur Seite zu stellen. Und daß Sie heute durch Ihre bangen Fragen das gleichsam selbst gefordert, möge Bürgschaft unserer guten Sache sein, unseres Sieges über Herzlosigkeit und Vorurtheil.«
Es leuchtete in Ulla's sonst so verschleierten Augen auf und sie sagte erregt:
»Noch vor Kurzem hätten Sie mich durch solche Worte geängstigt, ohne mir doch helfen zu können. Sonst ließ ich immer Andere für mich handeln, ich habe Nichts, gar Nichts von einer Heroine –«
»Sie täuschen sich über die eigene Kraft!« unterbrach sie Neufeld. »Haben Sie nicht schon einmal Kabalen aller Art widerstanden, – als es die Wahl Ihres Gatten betraf?«
»O, ich glaube, wenn meine Pflegeeltern ernste Schritte dagegen gethan hätten, ich wäre niemals Allenstedt's Gattin geworden. Der gute Onkel sprach aber nur für einen Andern, der mir gleichgültig blieb, die Tante war eine Jugendfreundin von Allenstedt's Mutter, wollte also auch nicht hart sein, so behielt denn mein Eigensinn, der durch all' den leisen Widerspruch geweckt worden, die Oberhand. Gegenüber Festigkeit oder gar Strenge wäre meine schüchterne Liebe – damals unterlegen; heute jedoch nach diesem Jahr voll Leid und Kampf, in der Qual der letzten Tage glaube ich erstarkt zu sein, und werde versuchen, meine Pflicht auf mich zu nehmen! Und daß ich Sie dabei an meiner Seite weiß, ist mir Trost und Beistand.«
»Liebe theuerste Frau, seien Sie überzeugt, was Sie verlangen, welche Art von Hülfe Ihnen wichtig, Sie dürfen Alles von mir fordern.«
Ulla drückte seine Hand, entgegnete aber:
»Noch bedarf ich nichts; jetzt genügt mir ganz das wohlthuende Gefühl, in Ihnen einen Freund zu wissen, der zu mir stehen will, wenn es nicht weiter gehen sollte! Vorher sagte ich Ihnen, – – wie sehr Sie mich noch wenige Tage früher durch Ihre Andeutungen, Ihre Forderungen erschreckt hätten: – ich will, ich muß dem Freunde anvertrauen, warum das heute nicht mehr möglich gewesen! – Ich habe eine Frau kennen gelernt, deren Mann – auch Zuchthäusler ist; nur eine einfache Bürgersfrau, die aber um den Gatten gelitten wie ich, für welche dieselben trennenden Gesetzesparagraphen galten, die ihre Kinder ernähren kann, wie für mich gesorgt ist, – und doch hat sie in fragloser Treue an ihrem Schwur festgehalten, an demselben Schwur, den ich geschworen und – gebrochen. Ich will Sie nicht ermüden, Ihnen nicht all' die Gefühle schildern, welche diese Frau wieder in mir wach gerufen, Gefühle, die ich längst überwunden wähnte, und die nun nicht Tag, nicht Nacht mehr von mir ließen. Aber wie tief erniedrigt ich mich Der gegenüber achten mußte, die mich so über alles Maß hinaus an Edelsinn und Großmuth übertreffen durfte, – begreifen Sie! Und würden Sie das Wesen dieser Frau kennen, die ich aus Furcht vor ihrem bloßen Blick um Nichts fragen möchte, ob sie nie an Scheidung gedacht, – Sie würden es mir nachfühlen, daß sich aus meinem Gewissen – und aus langen elenden Nächten, die mich immer nach Amerika brachten und mir Allenstedt nur in Knechtsgestalt oder sterbend in Elend und Verzweiflung zeigten, – daß sich da endlich ein Etwas emporringen mußte, ein zwingendes Etwas, dieser Frau nachzustreben, sei es zum Segen, sei es zum –! Ich werde Georg fragen, bitten will ich, bitten, ob er mich noch einmal an sein Herz nehmen kann.«
Ulla hatte ohne jede Betonung gesprochen und war mit den Augen nur der Bewegung ihrer Finger gefolgt, die über die Tischdecke hinstrichen; sie rührte Neufeld unbeschreiblich, mit Thränen im Auge rief er:
»Könnten Sie daran zweifeln?«
»Allenstedt,« erwiederte Ulla mit schmerzlicher Bitterkeit, »ist ein gerader schlichter Mann, ohne viel schwärmerische Regungen; was ihm Recht erscheint, gilt für ihn unwiderruflich; ich weiß nicht, ob er Alles vergeben kann.«
»Und dabei sein Verbrechen! Unbegreiflich, ganz unbegreiflich!«
»Ja,« sagte Ulla nun so still hin, »er dürfte wohl mild zu mir sein; er hatte mich nur allzu sehr an Ehrenhaftigkeit gewöhnt, seine That traf mich fassungslos. Wenn ich an den Abend denke, an dem ich wieder in Wohlsdorf einfuhr! Es war nach meiner ersten längeren Trennung von ihm; wir Schwestern hatten, nachdem wir in Ems Brunnen getrunken, unser Erbtheil erhoben, und Mary begleitete mich, um einige Tage bei uns zu bleiben. Wir hatten Extrapost genommen, der Postillon blies so schmetternd, die Leute sahen auf uns, ich nickte ihnen zu, doch Alle dankten wie verlegen; damals achtete ich dessen aber nicht, ich blickte nur nach dem Ende der Straße, nach unserem Hause, ob Georg noch immer nicht herausträte! – Und da urplötzlich – dieser Schmerz in der Brust, der mich noch heute bei jeder Aufregung überfällt, als wir beim Näherkommen selbst die Laden des Hauses geschlossen sahen, und nur unsere alte Magd dastand, die erst nichts heraus bringen konnte, immer nur die Hände rang! – Damals habe ich schon Alles abgebüßt, was ich an Georg verbrechen sollte! Würden Sie das auch fühlen, wenn Sie an seiner Statt wären?«
»Nur der herzloseste Mann könnte es nicht fühlen!«
»Herzlos,« versetzte Ulla, »ist Georg nicht! An seinem Herzen lasse ich noch heute keinen Makel haften, an dieses treue Herz habe ich ja mein Hoffen gestellt! Wenn er aber seine Liebe niedergekämpft hätte, wenn sie erloschen wäre! ich habe Niemanden, der mit mir bitten kann; lebte unser Töchterchen –«
»Meine liebste Frau,« unterbrach sie Neufeld ernst, »Sie haben sich so an Leiden gewöhnt, daß Sie nun sich selbst Leiden schaffen. Könnte Ihr Gatte schuldlos dulden, theilte ich vielleicht Ihre Sorge, aber er, der an Ihnen so schwer gesündigt, wie ein Mann nur sündigen kann – ich fasse Ihr Zweifeln nicht. – Peinigenderes, glaube ich, steht Ihnen bei Callenfels und Ihrer Schwester bevor; es wird eine wehe Stunde sein, in der Sie sich von ihnen lösen müssen; für den Augenblick, fürchte ich, wird man Sie nicht verstehen und nur mit Groll Ihrer Pflicht folgen lassen! Darf ich mit Callenfels –«
»Nein, nein,« fiel Ulla ein. »Die Gewißheit, daß hier irgend Jemand seiner Bekannten, und wären es selbst Sie, von meiner Lage Kenntniß hätte, würde ihn geradezu unglücklich machen. – Ueberdieß – es ist mir, als müßte ich Georg's Liebe verdienen; und wie wäre das möglich, ohne selbst Opfer zu bringen! – War es zum Guten, was Callenfels für mich gethan? Vielleicht sagten auch Sie Härteres wie unbedingt nothwendig, und es würde noch trauriger als ich fürchte. Männer begegnen Männern anders, als das mir gegenüber denkbar! Callenfels war immer Kavalier! Nein, lassen Sie mir vorerst meinen Willen; Sie wissen ja trotzdem, daß ich mich Ihnen von Herzen verpflichtet fühle!«
»Also der Alte muß wirklich müßig bleiben?« fragte Neufeld seufzend.
»Nur weil er das Seine schon gethan!« erwiederte Ulla weich. »Kopfschütteln gilt nicht. Ihre Begeisterung für alles Rechte, Ihr volles Zustimmen hat mich in meinem Wollen wunderbar erstarken lassen, erst jetzt steht mein Ziel klar und sicher vor mir.«
»Sie sagen mir da ganz freundliche Worte, doch welchen Anspruch habe ich eigentlich darauf?« Neufeld zuckte die Achseln. »Ich bin eifersüchtig auf Ihre treue Fee, die viel, viel mehr gethan hat und, wie es scheint, ohne viel Redens! Ja, das Schicksal bleibt schon ein seltsam Ding, immer muß es seine eigenen Wege kommen! Und dabei thut es noch aus Schadensfreude, als bemerkte es unsere Anstrengungen nicht! Freilich hat es wohl gewußt, was nöthig, als es durch jene Frau an Ihrem Herzen rühren ließ. Ich wollte nur erst trösten, vielleicht mahnen, – nun mußte Ihr Herz gleich an's Heilen denken.«
Neufeld stand auf, auch Ulla erhob sich und blieb an den Tisch gelehnt stehen; er trat dicht an sie heran, indem er mit bewegter Stimme fortfuhr:
»Ich verlasse Sie tief beruhigt; auch mir ist damit der Friede wiedergegeben, weil ich immer mitleiden muß, wo ich leiden sehe! Und sollten Sie doch noch irgend eines Beistandes bedürfen, wählen Sie dazu keinen Andern als mich, Keiner – kann es ehrlicher mit Ihnen meinen!«
»Ich danke Ihnen innig,« sagte Ulla, »doch vorerst muß ich mir allein Beistand bleiben! Mein Herz liegt ja offen vor Ihnen, und Sie wissen, was mich dazu treibt. – Wie es aber auch enden wird, Sie sollen Alles erfahren, selbst das Traurigste, wenn Allenstedt mein Opfer verwerfen könnte!«
Neufeld drückte Ulla's Hand und sah tief in ihre Augen; nur seine Blicke sprachen noch einmal, doch zuversichtlicher als alle Worte der Welt von seinem Hoffen auf glückliche Lösung, – dann wandte er sich ab.
Die Thür hatte sich längst hinter ihm geschlossen, Ulla stand noch immer regungslos an dem Tische. Endlich athmete sie rascher auf, wie in neuem Leben flog es über ihre Gestalt und nun öffnete sie hastig Schränke und Schiebladen, aus denen sich nach und nach allerlei Kinderspielzeuge, auch Bilderbogen mit ganzen Armeen von Soldaten, auf einem Fensterbrett zusammenfanden.
Mit zwei größeren Päckchen beladen ging Ulla bald den stillen Gartenweg – am Redemptoristen-Kloster vorüber – dem Moselthore zu. Aus den Gärten wehte hier und da ein Duft von Reseda auf, der Abendhimmel schimmerte in so heiterem, blaßgoldenem Gewölk, das Herz wollte ihr schier rebellisch werden und nach dem Weh der letzten Tage wieder einmal ganz in Wohlgefühl aufgehen. Selbst die Gedanken ließen sich nicht festhalten; es schien, als müßten auch sie nach so viel Mühen ihre Feierstunde haben.
Und so hatte Ulla kaum beschlossen, der Osner gegenüber von Allem, was in ihr vorgegangen, zu schweigen, bis sie mit Mary und Callenfels darüber gesprochen, als das Ziel erreicht war, und sie, von den spielenden Knaben augenblicklich entdeckt, schon an der Gartenpforte mit Jubelgeschrei begrüßt wurde.
Natürlich stürzte der Kleinere in seiner riesenhaften Anstrengung, mit Lander zu gleicher Zeit bei der Tante anzukommen, lang hin, raffte sich aber sofort wieder empor, ohne im Hinblick auf ein gewisses weißes Päckchen die Zeit mit Weinen zu verschwenden. Den empfangenen Schatz fest an die Brust gedrückt, stürmte er dann, leider mit Vergessen selbst des geringsten Dankeswortes, dem Bruder nach – in's Haus hinein.
Gleich darauf trat Martha heraus und erwiederte auf Ulla's freundliche Begrüßung:
»Gnädige Frau, das ist zu viel Güte, an so reiche Gaben sind meine Kinder nicht gewöhnt.«
»Lassen Sie mir die Freude!« bat Ulla. – »Ich komme heute nur auf einen Augenblick, da ich meiner Schwester versprochen habe, sie von einer Bekannten abzuholen. Wie ist es Ihnen seither ergangen? Hat sich Nichts geändert! Also in der nächsten Woche ist Ihres Mannes Strafzeit um?«
Martha nickte und antwortete lächelnd:
»Endlich! endlich! Es ging ja Alles gut; ich habe heut meine letzte Wäsche abgegeben, morgen besuche ich Osner noch, und Dienstag darf ich die Männer abholen. O ganz großartig, ich werde eine Droschke nehmen, die bleibt am Dome halten, dahin bringen sie ihre Bündel Sachen und dann geht es hierher. Frau Krüger, meine Hauswirthin, die oben wohnt, ist gestern zu Verwandten nach Wittingen gefahren und hat mir erlaubt, ihre Fremdenstübchen, die beiden Fenster links auf einem Flur mit uns, für Herrn Allenstedt herzurichten; nur auf den einen Tag, der noch hier geblieben wird.«
»Also schon Dienstag!« sagte Ulla wie im Selbstgespräch, dann fragte sie rasch:
»Um welche Zeit werden Sie die Männer abholen?«
»Sobald es dunkelt.«
»Und vorher bleiben Sie zu Hause?«
»Ja, da will ich Kränze flechten! Ein bischen Blumen und Grün gehören einmal zum Willkommen. Besonders unser Gärtnerherz hängt daran – und mein armer Schelm hat seine Blumen lang entbehren müssen. Frau Krüger gab mir freie Hand, zu schneiden, was ich noch fände, und Sie sehen, da gibt es überall Blumen in Fülle.«
Die Frauen standen vor den gelben Rosenbäumen. Martha pflückte einige halb aufgebrochene Blüten und hielt sie mit einem Ausdruck von Dankbarkeit und ehrerbietiger Scheu vor sich hin, daß es wie tiefe Rührung über Ulla kam: die Ehrerbietung dieser Frau that so unendlich wohl!
»Auf Wiedersehen! Vielleicht – helfe ich Ihre Kränze flechten!« damit nahm Ulla die Rosen und öffnete die Gartenpforte.
Erst ein wenig betroffen, dann plötzlich in einem Ahnen, einem Ahnen, das ihr jähe Thränen in die Augen treibt, blickte Martha der hohen, dunkeln Gestalt nach, die rasch unter Nußbaumlaub verschwindet.
Geschieden.
» Weißt Du, was uns mitgetheilt werden soll?« fragte der Hauptmann von Callenfels seine Gattin, indem er sich bequem in einen Armstuhl niederließ und einige obere Knöpfe der Uniform öffnete.
»Nein,« erwiederte Mary, ohne sich im Auslesen von Ameiseneiern stören zu lassen.
Als sie die genügende Anzahl voller Eierchen gefunden, und dieselben den Goldfischen als Mittagsmahl auf die zitternde Wasserfläche des Aquariums gestreut hatte, begann der Hauptmann von Neuem:
»Eigentlich hätte sich Ulla auch eine andere Zeit für ihre Konfidenzen wählen können! Wie hübsch ließe sich jetzt eine Stunde schlummern; ich habe mich in Kreuznach vollständig an den Mittagsschlaf gewöhnt.«
Mary hatte sich in eine Sophaecke gesetzt und entgegnete, während sie ihre Fingerspitzen mit dem Taschentuche rieb:
»Dazu wirst Du wohl noch Zeit finden! Was sollte es sein? wieder irgend ein Vorschlag vom Onkel oder dergleichen.«
»Das glaube ich nicht, sie war bei Tische so merkwürdig erregt und kommt mir überhaupt verändert vor, ernstlich leidend.«
»Ach, Du täuschest Dich,« versetzte Mary, ein halbes Gähnen unterdrückend, »Nerven, nichts als Nerven.«
In diesem Augenblicke klopfte es leicht; Callenfels sprang auf, öffnete die Thür und reichte Ulla den Arm, um sie nach dem Sopha zu führen. Launig sagte er dabei:
»Sie haben diese Unterredung so feierlich begehrt, daß die Präliminarien mit allem Ceremoniell vollzogen werden müssen. So – nun sitzen Sie, mir wird dieser Sessel neben meiner holden bessern Hälfte gestattet, Mary, lehne Dich aber nicht so unglaublich lässig zurück, – der Staatsrath kann beginnen!«
Ueber Ulla's Wangen flog helle Röthe, ihre Blicke irrten durch das Zimmer; dieser Eingang hatte Alles verwischt, womit sie beginnen wollte.
Mary und Callenfels sahen auf sie, erwarteten eine Anrede – das fühlte Ulla; ein paar Augenblicke vergingen trotzdem noch, dann sagte sie rasch, wie von unsichtbarer Macht getrieben, das Schwerste zuerst auszusprechen:
»Ich will Allenstedt wiedersehen.«
»Ulla!« rief Mary, indem sie sich aus ihrer Ecke erhob, »welche überspannte Idee! Nach Cöln wolltest Du reisen, und wohin weiter? Ich wage meinen Gedanken nicht zu folgen.«
»Allenstedt ist hier,« erwiederte diese.
»In Trier?« fragte Mary.
»Ja,« sagte Ulla, »er wurde wegen Ueberfüllung der kölner Anstalt hierher abgegeben.«
»Ist also noch nicht auf freiem Fuß!« warf Callenfels ein.
»Heute Abend läuft seine Strafzeit ab!« versetzte Ulla kurz. Der leichte Ton von Befriedigung, der im Ausruf Ihres Schwagers hervorgetreten, hatte sie verletzt.
»Nun schweigst Du wieder?« begann Mary nach einer Pause. »Foltere uns nicht länger, wozu dieses brockenweise Hervorquälen? Oskar und ich werden uns bemühen, Dich ruhig anzuhören; sage offen, was Du vorhast, natürlich nur was wir unbedingt wissen müssen, wenn Du irgend Etwas von uns fordern willst.«
»Ich will Nichts fordern,« erwiederte Ulla, »zu bitten komme ich, wie nur ein Mensch bitten kann, der ganz fühlt, was ihr Beide an ihm gethan. Vergebt, daß ich euch mit Undank zu lohnen scheine, es ging aber so nicht weiter! Ich habe still gelitten – das ganze Jahr; immer glaubte ich innere Stimmen zu hören, die von einem Unrecht wußten – zuletzt, zuletzt begriff ich, was sie wollten: Mary, Callenfels – ich muß zu meinem Gatten.«
»So verurtheilen Sie heute,« fragte Callenfels gespannt, »was die Familie vor einem Jahre als das allein Mögliche, allein Richtige für Sie erkannte, und dann mit Ihrer Einwilligung durchgeführt hat? Es war voreilig von uns, Sie bei dem Zusammenbruch Ihrer Verhältnisse zu schützen? Wir haben Sie mit der Scheidung übel berathen, also faux-pas über faux-pas?«
»O jetzt keinen Spott!« flehte Ulla. »Was geschehen, mußte geschehen; der Wehlaut hier innen konnte dem Gewicht Ihrer Gründe, all' der Weltklugheit nicht gewachsen sein, ich vernahm ihn selbst wohl kaum. Doch heute weiß ich, es gibt etwas Höheres als Klugheit und Ehre vor den Andern, nur danach strebe ich: es ist der sehnsüchtige Zug meines Herzens, seine Pflicht auf sich zu nehmen, ob sie zu Boden drücken wird oder über die Erde fortheben! Kann Allenstedt vergeben, laßt mich wieder sein Weib werden.«
»Meine einzige Ulla,« beschwor Mary, »hast Du wirklich bedacht, was aufgegeben werden muß, welches Elend Du theilen willst? Ich denke nicht an uns, an Deine Familie, ich fühle ja, daß Du ihn noch immer liebst, seine Liebe mag Dir hundertfacher Ersatz für die unsere sein; aber bist Du stark genug, auf immer zu einer Klasse der Gesellschaft hinabzusteigen, wohin unsere Hand nicht mehr reicht? In des Onkels oder hier in meinem Hause würde bei einer Entdeckung Deiner Verhältnisse unser Name für Deine Schuldlosigkeit bürgen, Du könntest nur Mitleid finden – an der Seite Allenstedt's bist Du die Gattin des gewesenen Zuchthäuslers; Niemand weiß, ob Du schuldlos, so gilt – schuldig, dieses entsetzliche Schuldig, was Dich gleich einer wirklichen Verurtheilung uns Allen entreißt, auf lebenslang entreißt.«
»Nicht solche Bilder,« entgegnete Ulla, den Kopf schüttelnd, »sie gehören zu den unwahrscheinlichsten, ich möchte sagen, unmöglichen. Wir wollen ja nichts von den Menschen, natürlich gehen wir in's Ausland, ich hoffe Georg für die Schweiz bestimmen zu können; fragt man dort, wenn wir zurückgezogen leben und unsern Verpflichtungen nachkommen, wer wir sind? Georg's Verbrechen kennen außerdem so Wenige, die Reisen unternehmen; wer beachtete in der Kriegszeit diese Vorgänge, ich glaube, die meisten seiner Bekannten wissen kaum davon, und eben so wenig unsere entferntere Verwandtschaft, da nur die nächste eingeweiht wurde. Und sollte ein unglücklicher Zufall, der allerdings denkbar, sobald wir Umgang aufsuchten, unsere Vergangenheit an's Licht ziehen, so könnten wohl Verlegenheiten eintreten, das Schlimmste wäre aber immer nur ein Wechsel des Aufenthaltes! Georg hat seine Strafe abgebüßt, die fehlende Summe ist gedeckt worden, was sollte man noch von ihm wollen?«
»Ich muß Ihnen Recht geben,« versetzte Callenfels, »Mary's Liebe hat zu dunkel gemalt. Es liegt alle Wahrscheinlichkeit vor, daß sich Ihr Edelmuth, wie die Welt Ihr Handeln wohl bezeichnen würde, nicht allzu herben Erfahrungen aussetzt! Trotzdem wäre Ihre Umkehr meiner Ansicht nach, verzeihen Sie die Offenheit, weniger Edelmuth als eine Gutmüthigkeit, welche in Ihrer Lage hart an unverzeihliche Schwäche grenzt! Sie haben frei in Ihre Trennung gewilligt, ja, wenn ich mich recht entsinne, beeilten Sie die Scheidung, als Allenstedt selbst der Familie gegenüber jede Aufklärung seiner That verweigert hatte – und nun, wo Nichts anders geworden, wir sogar ein günstiges Ende hoffen dürfen, da uns eine Entdeckung von keiner Seite her auch nur gedroht hat, nun wollen Sie wieder Alles in Frage stellen? Sie erschienen wahrlich größer, ließen Sie Ihren Stolz auch fernerhin walten; ich will Ihnen zugeben, daß sich Ihr Gefühl nach einem sentimentalen Ergusse sehnen kann, sollte diese Wallung aber nicht vorübergehen – und was dann? Dergleichen rächt sich furchtbar. Es steht immer höher, sein Herz zum Opfer zu bringen und der Vernunft zu folgen! Sie sind wohlhabend, schenken Sie Allenstedt doch eine Summe, die ihm sein Fortkommen sichert, meinetwegen ohne daß er fortan die Hand zu regen braucht. Das wäre edel und er ist wohl der Mann geblieben, es anzuerkennen, also niemals wieder lästig zu fallen!«
»Sie könnten wirklich glauben,« fragte Ulla mit einem Anfluge von Verachtung, »Georg würde ein solches Geschenk annehmen?«
»Bei solchen Affären,« versetzte Callenfels leichthin, »bestimmt die Art und Weise des Anbietens viel, ich möchte behaupten Alles!«
»Denke an den armen Onkel, die Tante,« fiel Mary ein, »wie entsetzlich hart träfe sie dieser neue Schlag! Sie haben Dir einmal nachgegeben, sich aber kaum überzeugt, daran Recht gethan zu haben, und heute rufst Du ihnen dasselbe jammervolle Wort wie damals zu – ich muß!«
»Mein ganzes Herz liegt offen vor ihnen,« sagte Ulla bewegt, »am Sonntag habe ich an sie geschrieben; wie sie thun dürfen, mögen sie thun. Ich nehme Alles hin. Mit der nächsten Zukunft muß wohl abgeschlossen werden und mein Hoffen steht auf jene Zeit, wo ihr nach Jahren hört, daß sich Georg bewährte, daß ich glücklich bin, dann werdet ihr uns doch vergeben?«
»Wie der Onkel jetzt und künftig handeln wird,« erwiederte Callenfels, »kann für mich nicht maßgebend sein; er ist ein freier Mann, ich habe ein Amt und liebe dieses Amt. Mein Weg und der Mary's weist streng geradeaus; Sie gehen entweder mit uns, oder unsere Wege kreuzen sich niemals wieder. Scheint Ihnen diese Ansicht auch hart, mit ein wenig Ueberlegung läßt sie sich, wenn auch vielleicht nicht theilen, so doch natürlich finden. – Für das Unglück, einen solchen Schwager zu haben, kann ich nicht; sollte Jemand wagen, ihn mir vorzuwerfen, fordere ich den Verwegenen vor die Pistole – alles Recht steht auf meiner Seite; doch unterhalte ich oder meine Frau mit dem Hause dieses Schwagers Beziehungen, sanktionire ich ja gleichsam, was er verbrochen; wer brauchte meiner Pistole Rede zu stehen? Mit solchem Manne in Verbindung sein, heißt ihm ähneln; eine Kugel durch den Kopf – bliebe wohl gar für mich die letzte Zuflucht! – Nein – für einen Allenstedt meine Carrière, der ich mit Leib und Leben angehöre, jedem losen Zufall preiszugeben, das Verlangen dürfen Sie nicht stellen! Wie gesagt, ich gebe gerne zu, daß Sie in der Schweiz jahrelang, wahrscheinlich für immer unbehelligt leben können, aber ich würde dennoch nie gestatten, daß irgend welche Fäden von Ihnen zu uns herüberlaufen, nicht Brief, nicht Gruß! Meine Kinder sollen nicht dereinst klagen müssen, ihr eigener Vater hätte sie um den ehrlichen Namen betrogen! Und ich denke, Mary fühlt – wie ich!«
Diese wandte sich ihm zu, nickte schmerzlich und legte ihre Hand in die seine.
»Ehe Sie endgültig wählen, liebe Ulla,« fuhr Callenfels fort, »nur noch Eins; denn alles übrige Für und Wider eines Bleibens bei Ihrem Gatten haben wir erst im vorigen Jahre ausführlich genug behandelt, und was damals dagegen sprach, der Wunsch all' Ihrer Verwandten, Ihr eigenes Gefühl für äußere Ehre &c. scheint ja heute für Sie wirklich – nichts mehr zu bedeuten! Was ich vorbringen will, bleibt delikat, und ich hätte den Verdacht kaum gegen Sie ausgesprochen, besonders da er nicht juridisch erhärtet ist, wenn es mich nun nicht wie eine Pflicht drückte, Ihnen davon Kenntniß zu geben. Ich sprach meinen Bruder in Mainz, der einige Tage vorher dem Pfarrer von Wohlsdorf begegnet war; dieser hat nach Ihrem Ergehen gefragt und beiläufig erzählt, wie in Wohlsdorf das Gerücht verbreitet sei, Bürgermeister Allenstedt wäre den Abend vorher, ehe der Präsident eintraf, mit einer Dame nach dem Bahnhof gegangen.«
»Mit einer Dame?« fragte Ulla zweifelnd.
»So behauptet wenigstens,« erklärte Callenfels, »ein dortiger Kaufmann. Derselbe hat in später Dämmerung am Fenster gestanden, als der Bürgermeister, den er bestimmt erkannt haben will, mit einer kleineren Person am Arme – vorübergeeilt ist. Deutlich hat er allerdings die Begleitung Allenstedt's nicht mehr zu erkennen vermocht, aber genau einen flatternden Frauenmantel unterschieden.«
Ulla hatte die Hand über die Augen gelegt und stützte sich auf eine Lehne des Sophas. Ihr Athem ging rascher. Nach einigen Augenblicken des Sinnens sagte sie:
»Es ist unmöglich!«
»Warum?« fragte Callenfels schneidend. »Wäre damit nicht das Dunkel aufgehellt, welches noch immer über den Gründen seiner That liegt? Ein Weib, an das ihn noch Verpflichtungen ketteten, hat die Zeit Ihrer Abwesenheit einfach benutzt, ihn daran zu mahnen. Wer kann wissen, ob diese Verpflichtungen nicht so bindend waren, daß er dieselben um jeden Preis einlösen mußte, ehe Sie kamen! Der Preis sind die dreitausend Thaler gewesen, die er der Kasse entwandte; er hoffte das ungestraft thun zu können, da Sie an einem der nächsten Tage mit Ihrem Erbe eintrafen! Und hätte sich nicht gerade damals der Wolkenbruch über den Nachbardörfern entladen, wo auch seine Amtsgelder zur Steuerung der augenblicklichen Noth beansprucht wurden, wäre seine That nie entdeckt worden. Den Tag darauf kehrten Sie ja zurück. Ihnen wurde irgend Etwas vorgeschwindelt, er füllte die Kasse mit Ihrem Gelde und blieb derselbe Ehrenmann wie bisher! Bei dieser Version fände auch sein unbegreifliches Verneinen jeden Motives vor Gericht, das seine Strafe hätte mildern müssen, die beste Aufklärung, ja selbst sein Schweigen meinem Bruder gegenüber, als ihn dieser in Ihrem Auftrage schließlich vor die Alternative stellte – genügende Erklärung seines Verbrechens – oder Scheidung. Wäre ein Schweigen ohne leiseste Einsprache, ohne irgend welche Bitte möglich gewesen, wenn sich Allenstedt nicht so schuldig gefühlt hätte, daß immer Alles verloren war, ob er sprach oder schwieg?«
»Meine arme Ulla,« fügte Mary hinzu, »Oskar hatte diesen Verdacht auch zu mir nicht ausgesprochen, ich bin also keineswegs voreingenommen, aber muß man seinen Folgerungen nicht beipflichten? Wird nun nicht das Ganze so natürlich, so einfach gelöst, daß schon diese Einfachheit gegen jede Täuschung spricht?«
»Ich gehe weiter!« fuhr Callenfels auf. »Vorher betonte ich zwar als unwahrscheinlich, daß Allenstedt nochmals so tief sinken könnte, wie wir es erlebt, doch verdächtig bleibt mir sein Charakter immerhin! – Und wenn er jenes Weib noch heute liebte, das Weib sich während Ihrer Abwesenheit in seiner Nähe aufgehalten hätte? Wenn er Sie nur Ihres Geldes wegen gewählt, sein Herz längst vergeben war? Ein Mann, der an dieses erbärmliche Metall seine Ehre verlieren kann, dürfte wenig Skrupel haben, einem Mädchen, und gehörte sie zu den edelsten ihres Geschlechtes, Liebe zu heucheln, um durch ihre Hand die seine mit Gold zu füllen.«
Ulla zuckte zusammen und preßte die Finger in die Augen, daß die Augen schmerzten.
Unerbittlich fuhr Callenfels fort:
»Können Sie mir auch nur Unwahrscheinlichkeit vorwerfen, wenn jener Kaufmann, was kaum zu bezweifeln, richtig gesehen? Verachtet man solch' Wesen, leiht man ihm nimmermehr den Arm! Meine Schlüsse klingen sehr hart, ich fühle das mit Ihnen, aber fühlen Sie auch mir nach, wie ich Ihnen helfen will, daß ich nur Dinge vorbringe, von denen ich überzeugt bin, dieselben gereichten uns Allen zum Segen, wenn wir ihr Mahnen beachten. – Glauben Sie doch, es bleibt nichts übrig, als sich wieder zum Stolz zu retten, zu dem Stolz der Edeln; heften Sie Ihre Blicke – nur auf diesen unbestechlichen Richter, der immer weiß, was Recht, was Unrecht, der Sie schon einmal in gute Wege geleitet! Oder könnten Sie wirklich mit Schmerz an dieses letzte Jahr zurückdenken? lebten Sie nicht in Glück und Frieden?«
»Nein,« schrie Ulla auf, »und tausendmal nein! Ich sagte es ja schon, heute weiß ich es, daß nicht Tag nicht Nacht in mir Ruhe gewesen, daß es seine stillen Augen waren, die fort und fort von meiner Untreue klagten! Und seit ich ihre Klage verstanden, seit ich zu meiner Pflicht zurückgekehrt bin, dieses beseligende Gefühl könnte einer Täuschung, solcher Schmach entsprossen sein? Alles – Alles Spuk? – Nein und wieder tausendmal nein! Ich weiß nichts zu widerlegen – doch es liegt anders! Und verachteten Sie heute auch mich, wie Sie gestern der thörichten Weiber spotteten, die – nur den einen Grund haben: es kann so nicht sein! was bedeutet das jetzt noch! – Ehe ich es nicht von Georg selbst höre, oder mir sein Schuldbewußtsein – die schreckliche Wahrheit verräth, kommt nicht Glauben daran, kein rechtes Fürchten in mein Herz! So grausam ist unser Gott der Liebe nicht!«
Sie erhob sich, und ihr demuthsvoller und doch unerschütterlicher Glaube strahlte in einer Weihe aus ihren Blicken, einer Weihe so echten Menschseins und zugleich unnahbarer Hoheit, daß sich Mary wie verschüchtert an sie schmiegte. Selbst Callenfels vermochte sich diesem Eindruck nicht ganz zu entziehen; er sah auf einmal, was ihm nie aufgefallen, daß Ulla größer wie seine Frau, und ihr reiches blondes Haar viel schöner war, als das dunklere Mary's.
Ulla strich leise über der Schwester Hand und sagte endlich:
»Es ist also gekommen, was ich nur in den dunkelsten Augenblicken gefürchtet habe, unsere Wege gehen auf immerdar auseinander. Euch kann ich nicht überzeugen, ihr mich nicht – Scheiden bringt uns Erlösung. – Ich spreche kein Wort des Dankes weiter; daß ich immer eurer großherzigen Liebe gedenken werde, über jedes Vergessen hinaus, das glaubst Du mir, Mary? – und auch Sie sollen es glauben!«
Callenfels blieb ohne eine Bewegung an seinem Sessel stehen.
Traurig wandte sich Ulla wieder Mary zu:
»Meine Koffer habe ich Vormittags gepackt, die Möbel läßt Du wohl nach Frankfurt an den Prediger Kelch abgehen; alle, auch die Kisten auf dem Speicher. Kelch wird mich so lange aufnehmen, bis die neue Einsegnung vollzogen ist; – und könnte ich Georg nicht mehr angehören, muß sich dort das Weitere finden. Hier dürfte ich doch in der ersten Zeit nicht bleiben, irgend ein Zufall – und – nein – es ist besser, daß ich gehe.«
Sie trat zögernd Callenfels einige Schritte näher.
Als dieser noch immer regungslos stehen blieb, sagte sie mit schmerzlichem Lächeln:
»Die Wände haben keine Augen, reichen Sie mir schon noch einmal die Hand – zum letzten Mal! Ich verspreche ja auch, – ich verspreche, mich Mary durch keine Sylbe zu nähern, bis – Sie den Schwur wieder von mir nehmen!«
Ulla's Stimme war seltsam tonlos geworden, in ihren Blicken lag jetzt nichts als Flehen, ein so wehmuthsvolles Flehen, daß Callenfels überwältigt ihre Hand ergriff, Küsse darauf preßte und mit den Worten: »Mögen Sie glücklich werden!« – das Zimmer verließ.
Auf immerdar.
Müde und erschöpft saß Ulla am Fenster eines Stübchens in dem kleinen Hotel, welches dem trierer Bahnhof gegenüberliegt. Sie hatte den Kopf in die Hand gestützt, und es war heimlich wie süßes Träumen über sie gekommen. Da fiel ihr Blick auf die Koffer, unbewußt wechselten ihre Gedanken die Bilder, – eben verlebte Augenblicke tauchten noch einmal auf. Und ein Gefühl inniger Befriedigung bemächtigte sich ihres Herzens; in diesen letzten Stunden, welche sie mit Mary allein geblieben war, hatte sie kein Ton an deren sonstige Herbheit erinnert, Liebe hatte nur mit Liebe gerungen, nach einem Kampfe Schritt um Schritt gleichsam – war ihr erst Freiheit des Handelns nicht zugestanden, aber gewährt worden.
Wie tief die Schwester an ihr hing, empfand Ulla erst in diesem Augenblicke ganz. Sie nahm sich auch vor, noch in der Nacht, sobald sie zurückkehrte, an den Onkel zu schreiben und an Neufeld, ihren treuen Neufeld, damit er und Mary bald über ihr Geschick beruhigt würden.
Frischer Lufthauch wehte von der Mosel her, lind um Haar und Wangen schmeichelnd; eine Uhr schlug rasch fünfmal an: Ulla sprang auf, drückte den Kopf an das Fensterkreuz und grüßte mit Augen und Hand und unverständlichen Worten nach den Nußbäumen hinüber, unter denen der Garten, das Häuschen lag, wohin sie jetzt ihr ganzes Herz zog. Dabei fühlte sie sich mit Entzücken frei; ihr Entschluß, das Callenfels'sche Haus sofort zu verlassen, war richtig gewesen, trotz Mary's Unwillen; dort hätten sie jetzt die Mauern erdrückt, Allenstedt's Gattin gehörte da nicht mehr hin!
Wie erregt sie diesen Gedanken nachhing! sie hatte es kaum bemerkt, daß sie sich zum Ausgehen angezogen und schon auf dem Wege nach den Nußbäumen war.
Bald erreichte sie die liebe Gartenpforte, um die bereits ein Kranz von Eichenlaub und Blumen geschlungen war. Auch um Hausthür und Fenster der Osner'schen Zimmer hing derselbe Schmuck, nur die Seite des Hauses, wo Allenstedt wohnen sollte, trug noch kein Zeichen des Willkomms.
Als sich die Pforte öffnete, trat Martha aus der Laube, auf deren Tische Laub und Blüten zum Winden neuer Kränze aufgehäuft waren; sie ging Ulla mit dem Ausdruck heller Freude entgegen und wäre ihr am liebsten um den Hals gefallen, wenn sie es nur gewagt hätte.
Auch Ulla mußte ähnlich fühlen; wenigstens behielt sie Martha's Hand in der ihren, und so schritten die Frauen der Laube zu, ohne zu sprechen, aber ein Etwas in den Zügen, was ihnen Alles verrieth. Beide hatten zu viel gelitten, um es nicht zu wissen, wie Augen dreinsehen, die leiden, wie Lippen lächeln, die lächeln müssen.
Und jetzt lag ja über Beider Antlitz jener strahlende Schimmer, der nur höchstem Herzensglück entstammt.
Dennoch sagte Ulla, als sie endlich das Schweigen brach: »Ich bin nur hergekommen, um Ihre Knaben zu beaufsichtigen, während Sie fort sind.«
»Nur deßhalb?« versetzte Martha. »O liebe gnädige Frau, das weiß ich viel besser; Sie brauchen mir auch gar nichts anzuvertrauen, wie darf mich das kümmern, was in Ihnen vorgegangen, aber daß es Gutes ist, daran möchte ich wohl meine Seligkeit wagen! Nehmen Sie meine Rede nicht ungnädig, recht wäre es auch nicht gewesen, wenn Sie Herrn Allenstedt hätten ziehen lassen, ohne ihm ein Wörtlein der Vergebung zu gönnen! Es ist für immer, und so weit fort.«
»Und Sie glauben,« fragte Ulla mit überfließendem Herzen, »ich könnte ihn nur sehen wollen, um ihm zu vergeben? dann sollte ich wieder zu meinen Verwandten zurückkehren?«
»Nein, nein,« erwiederte Martha eifrig, »es schickte sich doch aber für mich nicht, mehr herauszusagen, als was ich Ihnen so gerade abmerke? Lieber Gott, was ich hier drinnen von dem Allen halte und hoffe, ist so viel, so viel, daß ich oft komplet erschrocken bin, wie täglich immer noch Schöneres aus dem werden konnte, was sich meine Gedanken gleich am Sonnabend zurechtgelegt hatten. Es ist wohl keine Stunde seitdem vergangen, wo ich nicht an Eines von Ihnen denken mußte; Vorwürfe habe ich mir gemacht, ganz ordentliche, daß ich nicht genug an Osner, an unsere Freude dachte, aber es half nichts – ich sah immer nur Sie Beide! Unser Herr Allenstedt, was wird er nur sagen? Und Sie kommen wirklich mit – nach Amerika?«
»Nein!«
»Nicht?« fuhr Martha erschrocken auf.
»Als ich mir das überlegte, habe ich viel Besseres gefunden! Wenn Allenstedt nicht darauf besteht, nach Boston zu gehen, und Sie sagten ja neulich, daß er sich nur gleichsam gezwungen dafür entschieden hat, – was triebe uns noch dahin? So lange Sie Drei allein waren, als vielleicht Mittel fehlten, konnte dieser Plan recht gut sein; jetzt, nun uns reichliche Mittel zu Gebote stehen, wollen wir in der Heimat bleiben. Nicht etwa in Wohlsdorf, aber warum nicht in Süddeutschland oder in der Schweiz? Wir miethen dort ein ganzes Haus mit großem Garten, Sie bleiben bei uns, Ihr Mann übernimmt die Gartenpflege, und wollen Sie später wieder Etwas pachten oder im Eignen wirthschaften, so wird sich auch das finden! Lassen wir nur einige Zeit vorübergehen, und ich denke, diese böse erste Zeit – halten wir zusammen?«
»Meine einzige gnädige Frau,« rief Martha die Hände faltend, »also es kann noch schöner werden? Hier bleiben zu dürfen, hielt ich nicht mehr für möglich, das ging über jedes Denken hinaus! – Wie hart mir dieses Amerika angekommen ist, ich habe Ihnen wenig davon gesprochen, doch es war erst, als hätte sich das Grab vor mir aufgethan! Ich meine, selbst Osner stellte sich nur immer zufrieden an, um mich still zu machen, was ihm ja auch mit der Zeit gelungen ist. Es gab dabei aber Mancherlei, was weder ihm noch Herrn Allenstedt recht geheuer war. Das lasse ich mir nicht nehmen! – Wie könnten wir Ihnen danken! so Großes –«
»Ich bitte,« unterbrach sie Ulla, »wenn Sie mir von Herzen danken wollen, so sprechen Sie nie mehr ein Wort des Dankes aus! Sie ahnen es gar nicht, was ich Ihnen zu danken habe!«
»Nicht mir, Dem dort oben!« antwortete Martha mit schüchterner Abwehr; dann stand sie auf und fuhr rasch fort: »Aber unsere Kränze? Die Sonne ist im Untergehen, und sobald es dämmert, habe ich versprochen, da zu sein; wir dürfen heute doch nicht warten lassen!«
Die Frauen wanden nun Kränze; sie sprachen auch noch hin und wieder, aber nur in einzelnen Sätzen, ein längeres Gespräch kam nicht mehr in Gang.
Bald wurden die bunten lachenden Gewinde fertig; und als dieselben um die Fenster der Zimmer Allenstedt's geschlungen waren, sah das ganze Häuschen so schmuck und festlich drein, daß die Blicke der Frauen schon mit Wohlgefallen auf ihrem Werke ruhen durften.
Darüber war leise die Dämmerung herabgesunken aus Rosengewölk unter fernem Glockenläuten; bewegungslos hingen rings die Blätter der Büsche nieder, eine Weiche und Stille in der Luft, daß der Abend verirrt schien aus den Juninächten; nur die Nachtviolen blühten nicht.
Martha rief die Knaben, brachte ihnen Spielzeug in das Vorderzimmer und empfahl wiederholt Ruhe und Verträglichkeit. Beide versprachen Alles und hätten der Rückkehr ihres lieben Papas wegen viel mehr versprochen!
So trat denn Martha, von Ulla bis in die Allee hinaus begleitet, mit dem glücklichsten Lächeln auf den Lippen ihren Weg an.
Ulla schritt den Hauptgang des Gartens noch einigemal auf und nieder; in dem träumerischen Frieden ringsum, der so ganz ihrer innern Harmonie glich, wagten sich auch an sie keine Zweifel heran, dann ging sie in Allenstedt's Zimmer.
Die Dämmerung war tiefer geworden, ein kühler Hauch wehte ihr entgegen; sie schauerte zusammen, und ihre Augen glitten nur zögernd über die düstere Einrichtung des Zimmers. Die braunen Vorhänge und Möbelbezüge sahen nun fast schwarz aus, wohin sie blickte, der gestrichene Fußboden, die dunkelblaue Tapete – jedes hatte für sie den beängstigenden schwarzen Ton! Mit diesem Eindruck schwand auch jäh Friede und Hoffen. Von Augenblick zu Augenblick schien Drohenderes auf sie einzudringen, mit verdoppelter Gewalt bemächtigte sich ihrer Gedanken das – wie sie mit Schrecken fühlte nur beschwichtigte Fürchten. Wenn Allenstedt ihr Verlassen nicht vergeben konnte? oder Callenfels Recht behielt? Als ob dieser vor ihr stünde, so klar, und jetzt von höhnendem Grinsen begleitet, hörte sie wieder seine entsetzlichen Anklagen! –
Ihrer selbst kaum mächtig, sank sie in einen Sessel; kein Glauben wollte mehr Halt geben, dunkel – dunkel alle Zukunft!
Dann horchte sie wieder angestrengt; schon zweimal war es ihr gewesen, als rollte ein Wagen! Aber Nichts und immer Nichts! Die Zeit, in der sie Martha's Rückkehr erwarten durfte, schien längst vorüber, war irgend ein neues Unglück geschehen?
Hätten nicht aus der offenen Thüre die fröhlichen Kinderstimmen herübergeklungen, die Ulla, sobald sie lauter wurden, immer wieder aus dem verzweiflungsvollen Sinnen weckten, ihre Leiden wären in's Unerträgliche gestiegen.
Nun aber? sie erhob sich. – Es war keine Täuschung mehr, leicht und schnell, jetzt langsamer, rollten Räder – sie hielten. Gekommen mußte Jemand sein, ob auch Alle? Klopfenden Herzens blickte Ulla hinaus; die Gartenpforte, deren Kranz ließen Niemand unterscheiden. Doch da ging die Pforte auf, und ein Mann trat herein, ein Mann! – unter Millionen hätte sie ihn erkannt! Sie sah dann Osners neben ihm, sie hörte auch sprechen, die Knaben stürmten die Treppen hinab, nur seine Stimme, die sie einzig hören wollte, hörte sie nicht.
Und es fiel über sie gleich einer Erstarrung, regungslos blieb sie hinter den Vorhängen stehen. Allenstedt schritt über die Schwelle, eine Hand zog leise die Thür zu, er ging bis an das Schlafzimmer, kehrte dann um und warf sich in den Stuhl, in welchem sie vorher gesessen.
Das Alles fühlte Ulla mehr, als sie es mit den starren Augen sah, ihr Athem stockte, kein Laut trat auf die Lippen.
Von drübenher schallte es jubelnd hell: »Lieber, einziger Papa!«
Der stille Mann mußte das auch gehört haben, denn plötzlich rief er mit tiefem Seufzen: »Und ich!«
Das Ich zitterte so traurig durch das Zimmer; wie ein sehnender Ruf nach ihrer Liebe drückte es Ulla, sie wankte vorwärts und sank schluchzend neben Allenstedt nieder.
Dieser sprang auf, zog sie empor, dem Fenster zu; als ob er nicht fassen könne, wer es sei, so irren seine Blicke um ihre Gestalt. Doch kein Zweifel mehr, es war – Ulla! Da stand auf einmal, bevor er dem ersten Drängen seines Gefühls folgen und sie in die Arme schließen konnte, Etwas zwischen ihm und ihr, Etwas, was ihn frösteln machte, – er trat einen Schritt zurück.
All' das Weh, all' die jammervollen Stunden, die sein Bestes fortgezehrt, hingen an der Hand, die eben auf seiner Brust gelegen; ein Federstrich von ihr hatte ihn ungehört aufgegeben, ungehört nach einem Jahre reichsten Glückes! In ihm bäumte sich Alles dagegen auf, diese stolze grausame Hand zu berühren; Ulla's Thränen, ihr Zusammenbrechen konnte Ueberwältigung des Augenblicks gewesen sein, – vielleicht war sie nur gekommen einen neuen Schlag zu führen!
Und heiser flüsterte er mehr, als er sprach:
»Was soll ich noch weiter thun? Es ist sehr gütig von Ihnen, sich heute selbst herbemüht und keinen Unterhändler beauftragt zu haben! Bringen Sie Vorschläge der Familie, oder eigene?«
»Georg,« sagte Ulla dumpf, »sei nicht härter, als Du sein mußt! Nenne mich – wie sonst!«
Allenstedt verbeugte sich. »Ich glaubte Alles gethan zu haben,« begann er dann von Neuem, »was Du fordern durftest, und weiß eigentlich nicht, was noch drohen kann? Allerdings die dreitausend Thaler, welche Du erstattet hast!«
Ulla, wollte sprechen, er fügte aber rasch hinzu:
»Leider muß ich bitten, mit der Rückzahlung zu warten. Was ich besitze, ist nothwendig zum Beginnen irgend eines Geschäftes. Doch ich hafte für die Summe und will nicht eher Ruhe finden, bis Du zu dem Deinigen gekommen bist, – wenn darüber auch Jahre vergehen sollten! Vielleicht, obwohl ich aufgehört habe, dergleichen zu erwarten, gibt es ja auch glückliche Zufälle, und die Frau, der ich die Summe borgte, kann ihre Verpflichtungen früher einlösen.«
»Die Frau?« wiederholte Ulla unwillkürlich.
»Die Mutter von Leo Callenfels!« versetzte Allenstedt. Er schwieg einen Augenblick, dann fuhr er ruhiger fort: »Du hast auch heute noch ein Recht, von Deinem einstigen Gatten die Erklärung – – jener Schurkerei zu fordern; Du solltest sie schon damals erhalten, als ich um eine letzte Unterredung bat. Meine Bitte wurde abgeschlagen, und einem Andern durfte ich keine Aufklärung geben, um Leo nicht zu kompromittiren! Ich wollte es auch nicht, da mein Bekenntniß mich vor Niemanden entschuldigen kann, – am wenigsten vor einem Herzen, das danach strebte, frei zu werden, das mich nie geliebt hat! Auch jetzt erwarte ich von dem Bekennen nichts; ich habe ein Jahr lang Zeit gehabt, mich daran zu gewöhnen, – kein Lebensglück –«
Er sah auf und verstummte; Ulla's gebrochene Haltung forderte in so rührender Weise Schonung, daß er im Augenblick für seinen Gedanken nicht Worte fand, die ihm mild genug erschienen. Ja es war ihm fast, als ginge von ihren flehend erhobenen Händen ein Zauber aus, der seinen Groll in Wehmuth löste.
»Leo's Mutter,« begann er endlich wieder, indem er den Kopf aufwarf und in die Dämmerung hinausblickte, »kam den Tag vorher, ehe Du zurückkehren wolltest, nach Wohlsdorf. Als sie Dich abwesend fand, und ich ihr auch nicht bestimmt sagen konnte, ob Du noch in Coblenz oder schon auf der Rückreise, bejammerte sie diesen Zufall mit einer so schmerzlichen Heftigkeit, daß ich darauf drang, sich mir anzuvertrauen. – Es handelte sich um Wechselschulden Leo's, die am nächsten Tage verfielen und deren neue Verlängerung seine Gläubiger abgeschlagen; die Verwandten hatten nicht helfen können oder wollen, Du warst ihre letzte Zuflucht. Der Sohn wußte wohl von diesem Schritte nichts! – Ich hatte Leo schon einmal solch' Herzeleid angethan, ihm und seiner Mutter, als Du mich ihm vorzogst. Jetzt stand dieses arme, fast erblindete Weib vor mir, die Züge von Seelenangst verzerrt, und als sie mein Schwanken fühlte, kein anderes Wort mehr auf den Lippen, als Betteln um Erbarmen und Rettung; – eben von der Regierung angekommenes, noch nicht vereinnahmtes Geld lag vor mir, Du solltest am nächsten Tage mit Deinem Erbe eintreffen, bis dahin konnte die Vereinnahme hinausgeschoben werden, – so gab ich das Geld, – ohne zu sagen, woher es gekommen war. – Ich stellte nur die Bedingung, es Dir mittheilen zu dürfen! – Damals erwartete ich – Deine Vergebung.«
Er wandte sich Ulla zu. Diese starrte aber, die Hände auf die Brust gedrückt, fassungslos vor sich hin. Allzu beseligend stürmte das Gefühl auf sie ein, daß sie Recht behalten, nicht Oskar Callenfels, – daß es anders lag, ganz anders! Und mit der Erinnerung an ihren Schwager durchzuckte es sie, nur dem Blitzstrahl gleich, doch diese Augenblicke mit fast frohlockendem Triumphe, – was der hochmüthige Mann wohl fühlen müßte, wenn er seinen eigenen Namen in ihr Unglück verflochten fände, wenn er je einmal hören sollte, daß Georg nur, um eines Callenfels Ehre zu retten, – die eigene geopfert!
Allenstedt hatte sich schon wieder von ihr gewandt, als er fortfuhr:
»Kaum allein, kaum von dem Anblick dieser Jammergestalt und ihrem bethörenden Gewinsel erlöst, sah ich untrüglich klar; was mir wie Großmuth erschienen, schrumpfte zu weibischer Schwäche zusammen. Baarer Wahnsinn spukte aus solcher Hingabe an jeden Zufall! Mein vergangenes Leben, das mich den Fehlern Anderer gegenüber hatte streng sein lassen, weil es sich selbst als Vorbild und Möglichkeit des Gerechtseins aufwerfen durfte, dieses Leben brach mir in Stücken vor die Füße, jedes Stück – eine große Lüge! Es war elende Gewißheit, doch nur Mensch zu sein – wie alle Andern!« –
Allenstedt strich mit der Hand über die Stirn, dann sagte er in ungeduldigem Ton, als wollte er zu Ende kommen:
»Sobald am nächsten Mittag das Telegramm eintraf, welches Deine Rückkehr um einen Tag hinausschob, beschloß ich, Dir nach Cöln entgegenzufahren. Doch es war zu spät! Wenige Augenblicke darauf fuhr der Wagen mit dem Präsidenten und den Andern vor; sie kamen aus Stoberau, ich hörte etwas von einem Wolkenbruch, von sofortiger Hülfe – dann forderte der Präsident das eingegangene Geld! – Alles Uebrige kennst Du. Ich hätte lügen dürfen, das Geld war noch nicht vereinnahmt, mir also gestohlen worden; man hätte mich kaum zu Gefängniß verurtheilt. Damit ich aber noch weiter leben könnte, mußte die härteste Strafe getragen werden, das fühlte ich, sobald das Wort – Geld – gefallen war! Wenn ich Dir nun noch den Dank der Callenfels ausspreche, den sie mir unzähligemal für Dich aufgetragen, weil sie selbst nicht mehr schreibt und ich über die Sache nichts diktirt wissen wollte, – sind wir – wohl miteinander fertig? Oder hat Deine Familie noch Wünsche? Ich gehe vorerst nach Amerika und könnte auch bei meiner Rückkehr – Niemand lästig werden, – das wenigstens müßt ihr wissen!«
»Ich habe keine andere Familie mehr – als Dich,« erwiederte Ulla leise, »wenn Du meine Reue verwirfst, ich Dir nichts mehr sein darf, – so stehe ich allein wie Du! Sie wiesen mich von sich, als ich nicht von Dir lassen konnte!«
»Du liebst mich noch?« rief Allenstedt mit erschütterndem Ausdruck, »Du liebst mich, willst bei dem Zuchthäusler bleiben?«
»Für alle Zeit – Georg!«
»O mein Herzensweib, nun begreife ich Alles; ich habe nur geträumt, Du hättest mich verlassen, – Trug war um mich! – Du hast mich nie verurtheilt! Du hast es immer geglaubt, daß mich nur wahnsinnige Verblendung von Dir reißen konnte! Die Andern, die Andern haben Dich gequält, bis Dein Herz gebrochen war und nicht wußte, was es that! Ulla, meine Ulla, wäre noch etwas zu vergeben, ob von Dir, ob von mir – es sei vergeben!« – und er preßte sie an sich und bedeckte mit glühenden Küssen ihr Haar – und Mund und Stirn.
Minuten schwanden in fassungslosem Thun; es lag auf ihnen, als sollten sie vergehen – in seliger Qual.
Aber neue Minuten kamen, immer neue und – leise wich ihre leidenschaftliche Zärtlichkeit – seligem Frieden. Allenstedt hatte einen Arm um Ulla geschlungen, ihr Haupt ruhte an seiner Brust.
Endlich sprachen sie auch wieder: doch – nicht mehr von Vergangenheit und Leid, nur von Zukunft – nur von Glück.