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Ihn mußt ich lieben, weil mit ihm mein Leben
Zum Leben ward, wie ich es nie gekannt.
Goethe
Karlsbad im Rücken, ging die Reise schnell vorwärts. Bald waren die beiden schroff und zackig emporstrebenden Felsen erreicht, die, einander gegenüberstehend, von dieser Seite die Grenze der zu Schloß Aarheim gehörenden Ländereien bezeichnen, und den einem Riesentor ähnlichen Eingang zu dem schauerlichen Felsentale bilden, in welchem der Eisenhammer liegt.
Im ärmlichen Gepränge, so gut sie es vermochten mit ihren dürftigen Festkleidern geschmückt, harrten dort die Einwohner des Tals, um die Gutsherrschaft vor allen andern zuerst in ihrem Eigentum zu begrüßen. Die Kinder streuten Blumen, die Alten riefen ein Lebehoch, und Gabrielens überwallendes Herz erlaubte ihr kaum, im Wagen zu bleiben, während Moritz mit echt spanischer Grandezza dasaß und sich allen möglichen Zwang antat, um sich nicht an seiner Würde durch zu freundlichen Dank etwas zu vergeben, zu dem seine angeborene Gutmütigkeit ihn dennoch trieb. Denn wunderlich genug war es ihm plötzlich in den Sinn gekommen, sich hier das stolze Betragen seines Vorfahren, des alten Barons Aarheim, zum Muster zu nehmen. Gabriele hingegen rief viele der Landleute, welche sie erkannte, bei Namen, erkundigte sich nach ihrem Ergehen, liebkoste die Kinder und schickte endlich alle beschenkt und glücklich in ihre armen schwarzgeräucherten Hütten zurück. Dann eilte sie fort aus dem frohen dankbaren Gedränge, um in dem Hause des Försters Ernestos ehemalige Wohnung aufzusuchen. Ida und Bella begleiteten sie; ihrer gutartigen Neugier war alles interessant, Moritz folgte ihnen etwas langsamer mit Hippoliten.
Im Gedränge des Lebens, unter ewigen Zerstreuungen hatte Moritz sich der Gewohnheit hingegeben, Gabrielen die Seine zu nennen, ohne weiter daran zu denken, wie sie es ward; hier aber rief ihm alles Szenen zurück, bei deren erneuertem Andenken sein Blut noch erstarrte. Das Knarren der elenden hölzernen Treppe des armseligen Hauses erinnerte ihn auf das lebhafteste, wie er am Morgen seines schauerlichen Vermählungstages Erneston hier aufsuchte, um von ihm Rat und Trost zu erflehen. Ohnerachtet eines gewissen innern Grauens kam ihm doch jene stolze Freude an, die der armselige Tor am lebhaftesten empfindet, der ein merkwürdiges oder gar gefahrvolles Ereignis erzählen kann, in welchem ihm eine Hauptrolle ward. Eben wandte er sich an Hippolit mit einem recht wichtigen Gesicht und allerlei geheimnisreichen Redensarten, die deutlich den Wunsch, befragt zu werden, verrieten, als Ida oben im Hause an das offene Fenster trat und die Herren antrieb, eilends hinauf zu kommen, weil oben viel Schönes zu sehen sei.
Hippolits Aufmerksamkeit beim Eintritt in Ernestos kleines Stübchen zogen zuerst die weißen Wände an, auf denen dieser mit kunstreicher Hand allerlei Skizzen von Felsen, Baumgruppen und Gesträuch höchst geistreich mit der Kohle entworfen hatte. Die Fräulein beschäftigten sich indessen mit einer großen Mappe voll Zeichnungen, welche, wahrscheinlich aus Vergessenheit, in der Schublade des Tisches zurückgelassen worden war, und Gabriele, das schöne Haupt gedankenvoll auf die Hand gestützt, schaute hinaus auf die dunkeln Felsenspitzen rings umher.
»Mein Gott! Welche Ähnlichkeit!« rief plötzlich Ida überlaut. Moritz und Hippolit näherten sich, die Zeichnung, welche ihr diesen Ausruf abgelockt hatte, zu betrachten, und ihre Äußerungen, die eher Tadel als Lob anzudeuten schienen, machten auch Gabrielen darauf aufmerksam. Sie trat zu den übrigen an den Tisch, doch kaum hatte sie einen Blick auf das Blatt geworfen, so bebte sie mit einem Schrei des Entsetzens zurück. Sie sah sich selbst. Unverkennbar ähnlich war sie hier als Virginia dargestellt, über deren schuldlosem Herzen der Vater eben den Dolch gezückt hielt. Icilius eilte aus der Ferne herbei, näher ein alter Römer im sichtbaren Bestreben, den Streich abzuwenden; unten standen die Worte: Libertade e morte ultimo pegno d'amor. Die Zeichnung war sehr ausgeführt, fast ganz vollendet; Virginius trug unverkennbar die Züge des verstorbenen Freiherrn von Aarheim, der zur Hilfe , herbeieilende Alte glich Erneston selbst, Icilius war sehr in der Ferne gehalten, doch glaubte Gabriele in ihm eine Ähnlichkeit mit Ottokar zu entdecken.
»Welch eine Darstellung! Wie konnte Ernesto sie ersinnen!« rief Gabriele fast zürnend aus und wendete den Blick mit Grausen von dem Bilde ab; bald aber faßte sie es wieder und betrachtete es mit immer größerer Teilnahme. Obgleich sie mit der eigentlichen Veranlassung desselben unbekannt geblieben war, so erkannte sie darin doch eine Allegorie auf ihr Leben, die sie schmerzlich berühren mußte. Eine stille Träne stieg ihr ins Auge, als sie Ottokars nur undeutlich, wie aus einem Nebel hervortretende Gestalt erblickte. Dann betrachtete sie Ernestos Bild, und die in seinen Zügen ausgedrückte schmerzliche Angst erinnerte sie auf das lebhafteste an seine, ihr von jeher bewiesene Liebe und Treue. Es fiel ihr ein, daß er wohl nie daran gedacht habe, der Zufall könne ihr die Zeichnung entgegenführen, und sie ward ihr jetzt zur wortlosen Klage des fernen Freundes. Immer tiefer sah sie sich hinein und kaum vermochte sie es, den Blick wieder davon abzuwenden.
»Die Ähnlichkeit der Gesichter ist unverkennbar, aber eine weit größere innere Ähnlichkeit liegt zum Grunde, von der Gabriele nichts ahnet«, flüsterte Moritz Hippoliten ziemlich hörbar zu. Gabriele vernahm die Bemerkung, die sie aus Moritzens Munde zu hören nie erwartet hätte. Unwillkürlich suchte ihn ihr Blick, er stand dicht vor ihr und sah sie mit einem so eignen zweideutigen Ausdruck an, daß sie darüber erschrak. Mit zitternden Händen packte sie die Zeichnung nebst allen übrigen schnell in die Mappe, die sie mit nach Schloß Aarheim nehmen wollte, um sie dort dem Eigentümer sicherer aufzubewahren; dann eilte sie, das Haus und sobald als möglich auch das Tal zu verlassen.
Durch die Zeichnung sowohl als durch Moritzens rätselhafte Äußerungen auf das höchste gespannt, konnte Hippolit den Augenblick kaum erwarten, wo er mit Herrn von Aarheim im Wagen allein sein würde, um diesen mit Fragen und Nachforschungen zu bestürmen. Doch Moritzens ungemeine Redseligkeit ließ es nicht dazu kommen. Über allen Ausdruck vergnügt, die Hände ineinander reibend, begann er, sobald er sich bequem zurechtgesetzt hatte, von sich zu erzählen. Er redete von sich und immer von sich und war selig in diesem Bewußtsein, ohne im mindesten auf den Eindruck zu achten, welchen seine Worte auf seinen Zuhörer machten.
Hippolit ward in diesem Gespräch von allem unterrichtet, was er längst zu erfahren so sehnlich gewünscht hatte; von Gabrielens früherm Geschick und durch welche sonderbare Verknüpfung der Zufälligkeiten sie eben die Gemahlin der lächerlichsten und lästigsten aller Karikaturen geworden war. Von Grausen und unaussprechlichem Mitleid im Innersten der Seele erschüttert, hörte er die seltsame Erzählung an. Es ward ihm nicht ganz klar, welche Mittel der furchtbare Wahnsinnige angewandt haben mochte, um Gabrielen in Moritzens Arme zu treiben, denn Gabrielens Gemahl hatte nie die nähern Umstände von dem letzten, alles entscheidenden Gespräch zwischen Vater und Tochter erfahren dürfen. Hippolit fühlte aber mit fester Überzeugung, daß ein unausweichbares Geschick hier gewaltet habe, über welches nachzudenken er schaudernd vermied, um seiner Sinne mächtig zu bleiben. Plötzlich ergriff ihn der Gedanke, daß Moritz in seiner jetzigen offenherzigen Laune auch Gabrielen hier, an Ort und Stelle, zur Vertrauten dessen machen könne, was ihr ewig verborgen bleiben mußte. Er fühlte im eigenen Herzen mit unaussprechlicher Angst, daß sie diesen Moment vielleicht nicht überleben werde, und begann nun all seinen Einfluß zu erschöpfen, um ihren Gemahl zum Geloben ewigen, unverbrüchlichen Schweigens über diesen Gegenstand zu bewegen. Er ging sogar so weit, ihm nicht undeutlich zu verstehen zu geben, wie man doch so ganz eigentlich nicht wissen könne, auf welche Weise der alte Baron im Geisterreiche, dem er doch lebend schon halb angehört habe, eine Indiskretion über diesen Punkt aufnehmen dürfe.
Dieser Bewegungsgrund wirkte mehr als alle übrigen, Moritz erbleichte und blickte sehr bedenklich zu den grauen alten Türmen und zackigen Mauern hinauf, welche, wie aus dem Felsen, der sie trug, hervorgewachsen, bei einer Biegung des Weges jetzt zum ersten Mal sichtbar wurden.
Auch auf Hippoliten machte der Anblick des alten Gebäudes einen tiefen Eindruck, das ihm, wie von einer unersteiglichen Höhe, entgegenstarrte. Und als er nun vollends Gabrielens Wagen vor sich in der alle Gegenstände verwirrenden Dämmerung auf dem steilen Wege sich hinaufwinden und dann zum düstern Außentor hineinfahren sah, da ward ihm, als versänke sie in ein offnes Grab.
In der hochgewölbten Eintrittshalle, beleuchtet vom schwankenden Schimmer vieler Fackeln, hatten sich die verlebten Gestalten der einst hier im Dienst von Gabrielens Vater ergrauten alten Diener zum Empfange versammelt. In ihren nach der Farbe des Wappens auf das strengste gewählten, altmodischen Galalivreen standen sie ehrfurchtsvoll in eine Reihe geordnet; Frau Dalling an ihrer Spitze. Auch das Haar dieser war weiß geworden und ihre Gestalt hatte sich gebeugt.
Gabriele schwang sich, sowie sie ihrer gewahr ward, ganz allein aus dem Wagen, beinahe ehe er noch hielt, warf sich der geliebten mütterlichen Frau in die Arme und begrüßte sie mit tausend sonst gewohnten kindlichen Schmeichelnamen. Dann wandte sie sich an die alten Diener mit den allerfreundlichsten Worten; sie reichte ihnen die Hände und alle drängten sich, zum Teil kniend, um sie her und küßten unter verworrenen freudigen Ausrufungen, bald ihren Shawl, bald den Saum ihres Kleides.
Moritz trat mit dem erhabensten Anstande, den er aufzubringen wußte, herein, aber die freudige Gruppe ward seiner nicht gewahr. Hippolit schauderte zurück, da er Gabrielen von alle den greisen bleichen Gestalten umgeben sah, die kaum noch dem Leben anzugehören schienen; er glaubte die geliebte Gestalt schon im Gebiete der Unterirdischen zu erblicken, während Ida und Bella in einiger Beklommenheit seinen Arm ergriffen, als würde es ihnen so besser gelingen, das Grausen zu bekämpfen, welches der erste Eintritt in das alte wunderlich-dunkle Schloß in ihnen erregte.
Unter Gabrielens sorgfältiger Leitung ward indessen gar bald alles zu jedermanns Zufriedenheit geordnet. Die Fräulein kamen unter den Schutz der Frau Dalling und vergaßen dort alles Grauen, obgleich das Schloß Ubaldo und andere Reminiszenzen aus ihren Romanen ihnen oft genug in den Sinn kamen. Gabriele bezog wieder die einfachen Zimmer, welche sie von jeher im Schlosse bewohnt hatte. Gute Geister, von denen einst ihre harmlose Kindheit beschützt worden, umwehten sie auch jetzt dort und hauchten in seligen Träumen ihr Ruhe und Hoffnung in die jetzt nicht weniger als damals schuldlose Brust.
Auch Hippolit war mit seiner Wohnung zufrieden, denn aus einer Fensterecke derselben konnte er zu Gabrielen hinübersehen und abends zuweilen ihren Schatten belauschen, wenn dieser an den heruntergelassenen Vorhängen vorüberstreifte.
Nur Moritz befand sich in einer trübseligen Lage. Er hatte es seiner Würde angemessen erachtet, die alten Prunkgemächer zu beziehen, welche von seinem Vorfahren zuletzt bewohnt worden waren, und nun ergriff ihn jedesmal eine unüberwindliche Gespensterfurcht, wenn er, besonders nachts, sich dort allein fand. Überall vernahm er ein geisterartiges Rauschen und Rascheln, von den Ruinen der Brandstätte tönten wunderliche Klänge zu ihm herüber, und ein paarmal glaubte er sogar, im hellen Dämmerlichte der Sommernacht den alten Baron auf seinem gewohnten Platz im Lehnstuhl am Fenster, den Ruinen gegenüber, zu erblicken.
Wie alle, die mit sich nicht im klaren sind, war auch Moritz ein wunderliches Gemisch von Freigeisterei, Vernünftelei und ganz gemeinem Aberglauben. Vergeblich strebte er diesen wegzuspötteln und wegzuräsonieren, immer und ehe er sich dessen versah, übte derselbe seine Gewalt über ihn aus, aber um aller Güter der Welt willen hätte er dieses nicht eingestanden. Deshalb konnte er sich auch nicht entschließen, die ihm so furchtbaren Zimmer mit andern zu vertauschen, obgleich er beinahe in keiner Nacht eines ruhigen Schlafs sich in ihnen erfreute.
Am Tage ging es nicht viel besser, denn da marterte ihn der Anblick der seinen Fenstern gegenüberliegenden Brandstelle. Die Lust, etwas ganz Unerhörtes, nie Gesehenes hier aus der Asche entstehen zu lassen, regte sich um so unwiderstehlicher, je enger ihm in dieser Hinsicht die Hände gebunden waren. Sogenannte Nachbarn, von der Neugier meilenweit zu ihm geführt, machten ihm durch ihre Aufforderungen und Vorschläge zum Bauen die Entsagung noch schwerer; denn er mochte nicht gestehen, was ihn eigentlich zurückhielt. Unzähligemal nahm er den Bauriß, der einst des alten Barons Zorn so heftig erregt, zur Hand, betrachtete ihn mit sehnsuchtsvollen Blicken und legte ihn mit ängstlichem Frösteln wieder hin. Endlich kam es so weit, daß er sogar Gabrielen fast nie ohne eine geheime widerwärtige Regung anblicken mochte, denn alles erinnerte ihn daran, daß er ohne sie hier als unumschränkter Gebieter nach Belieben würde schalten und walten, einreißen und bauen dürfen. Gleich allen erklärten Günstlingen des Glücks war es ihm unmöglich, nicht gerade das einzige, was ihm versagt war, für das Allerwünschenswerteste zu achten. Dieses ärgerliche Empfinden verleitete ihn nicht selten zu Ungleichheiten im Betragen und ungeduldigen Ausfällen, wie er sich früher deren nie gegen seine Gemahlin erlaubt hatte. Gabriele wußte indessen diesem allen mit so edler Gelassenheit zu begegnen, ohne sich ihrer Würde im mindesten dabei zu vergeben, daß Moritz gewöhnlich im nächsten Moment über seine eigne Unart erschrak und sich sichtbar schämte, doch ohne es anerkennen zu wollen.
Niemand beschreibt den wilden Schmerz Hippolits bei solchen Anlässen. Seit er als Hausgenosse Gabrielen in ihren häuslichen Verhältnissen genauer beobachten konnte, stieg sein Gefühl für sie bis zur Anbetung; er hätte sein Leben hinbluten mögen, um ihr einen frohen Augenblick zu erkaufen. Keins der unzähligen Opfer, welche sie ihrer Pflicht täglich brachte, entging seinem Scharfblick. Und wenn sie dann mit ihrem schuldlosen Lächeln in milder Heiterkeit vor ihm stand, mit Leichtigkeit und Sorgfalt nur auf das Vergnügen ihrer nächsten Umgebungen bedacht schien, so hätte er vor ihr in den Staub sinken mögen wie vor einer himmlischen Erscheinung.
»Nein! Sie ist nicht von dieser Welt!« rief er oft in die schweigende Nacht, wenn er mit sich allein den eben verlebten Tag überdachte, »sie gehört nicht zu uns. Sie ist ein Engel, der, uns zum Vorbild, einige Zeit unter uns wandeln muß; weder Wonne noch Schmerzen, wie wir sie empfinden, können das Gemüt dieser Heiligen berühren!«
Ängstlicher als je zuvor bewachte er den Sturm in seiner Brust, kein Wort, kein Blick durfte ihn verraten. Nur wenn er ganz unbeachtet sich glaubte, wagte er es zuweilen, ihr Kleid zu berühren, eine Blume aufzunehmen, welche sie achtlos liegen ließ oder an den Platz sich hinzuwerfen, den sie eben verlassen hatte. Wenn sie auf Spaziergängen ihren Shawl ihm anvertraute oder wenn er vollends ihren Gesang mit seiner Flöte begleitete und ihr Hauch an seiner Wange streifte, dann erbebte er in Seligkeit, aber er schwieg und wagte nicht, die Augen zu erheben, damit sie nicht an ihm zu Verrätern würden.
So vergingen einige Wochen. Am Ende derselben sah Gabriele sich mit ihren beiden jungen Gesellschafterinnen und Hippoliten fast immer allein, denn Moritz, der noch nie eine der unzähligen Torheiten seines Lebens so schmerzlich bereut hatte als den Entschluß, nach Schloß Aarheim zu gehen, schämte sich doch, durch seine Abreise vor der dazu bestimmten Zeit, dieses einzugestehen. Er wählte lieber einen Mittelweg, der seiner Schwäche besser zusagte. Er war nie zu Hause, machte Besuche zehn Meilen in die Runde, suchte die in der Umgegend wohnenden Mineralogen auf und unternahm mit ihnen kleine Reisen; denn für dieses Lieblingsfach seines Wissens blieb seine Vorliebe beständig sich gleich. Hippolit begleitete ihn selten, seine Unwissenheit im mineralogischen Fache diente ihm meistens zur Entschuldigung, und da Moritz die gewohnte Erheiterung in seiner Gesellschaft jetzt weder suchte noch fand, so erlaubte er ihm recht gern, zum Schutz und Zeitvertreib der Damen zu Hause zu bleiben. Er tat sich noch dabei auf seinen Scharfblick etwas zugute, der ihm eine entstehende Leidenschaft Hippolits zu der schönen Ida entdecken ließ. In besonders aufgeweckten Momenten ermangelte er auch nicht, seinen jungen Freund mit dieser Vermutung zu necken und dessen aus andern Gründen sehr verlegenes Leugnen bestärkte ihn in dem Glauben daran, statt ihm denselben zu rauben.
Ruhig von innen und außen sah Gabriele den Herbst herannahen. Moritzens Gegenwart trat jetzt sehr selten störend ein und sie zählte wirklich Tage und Wochen, die ihr ein recht anmutiges Bild der früher an der Hand der Mutter verlebten glücklichen Jugend gewährten. Das Schloß war voll Reliquien jener Zeit. Zeichnungen, Bücher, Musikalien, was nur die geliebte Verklärte berührt hatte, ward von Gabrielen zusammengetragen, aufbewahrt, in ihrem Geiste benutzt. Musikalische Übungen, gemeinschaftliches Zeichnen, geistige Beschäftigungen aller Art, ließen in dem kleinen Kreise keine rauschendem Freuden vermissen.
Ida und Bella wurden gar nicht gewahr, in welcher fast gänzlichen Einsamkeit sie sich eigentlich befanden. Ihre Begriffe, ihr Wissen, ihre Ansichten von der Welt und dem Leben erweiterten sich mit jedem Tage, sie wußten nicht wie? Denn sie erhielten keinen eigentlichen Unterricht, der in der Stadt, im Hause ihrer Mutter sie oft bis zum Sterben langweilte. Auch Hippolit, obgleich er im eigentlichen geordneten Wissen sich über Gabrielen erheben durfte, fühlte dennoch, wie im Umgange mit ihr, alles, was er jemals gelernt hatte, ihm erst zur Wahrheit wurde, weil es in das wirkliche Leben verflochten ward, statt daß es sonst nur kalt und tot ihm eben zur Hand gewesen war wie etwa ein Lexikon, in welchem man aufsucht, was man für den Augenblick braucht.
Hätte Gabriele jemals ahnen können, wie schwer der junge Freund, an dessen geistigem Entwickeln sie so innig sich freute, für jede selig mit ihr verlebte Stunde, in der Einsamkeit unter den wütendsten Qualen glühender, hoffnungsloser Leidenschaft büßen mußte! Aber ihrem unbefangenen Sinn kam nie ein solcher Gedanke. Sein durchaus vorsichtiges Benehmen hatte längst jede Erinnerung an jenen unbewachten Augenblick in der Laube verlöscht, und wenn auch in seltnen Momenten ein Wort, ein Blick ihm entschlüpfte, der sie daran hätte erinnern können, so war Gabriele weder eitel noch argwöhnisch genug, dieses zu bemerken. Er ward ihr mit jedem Tag lieber, wie Frauen alles wird, was sie sorgsam pflegen und erziehen. Die sichtbare Veredlung seines Wesens, sein eigentliches Selbst war ihr Werk, das mußte sie mit freudigem Stolz sich gestehen und dabei pries sie dankbar die Gelegenheit, die ihr ward, ihm so zu vergelten.
Freilich vergingen Tage, in denen auch Hippolit der Gegenwart sich hingab wie ein Kind, ihm genügte dann, sie zu sehen, zu hören, von ihr angelächelt zu werden. Aber wenn nun Moritz nach einiger Abwesenheit nach Hause kam, wenn dieser es wagte, Gabrielen vertraulich zu begrüßen und nun plötzlich der Dämon der tollsten Eifersucht Hippoliten zuflüsterte: sie ist sein, auf immer! Dann stürmte er fort, hinaus in den Wald, in Klüfte, zwischen Felsen, wie ein gejagter Hirsch, der den Pfeil in der wunden Brust mit sich trägt. Oft irrte er in tiefer Nacht zwischen den Ruinen der Brandstelle, kletterte mit Lebensgefahr über die morschen Mauern und suchte die verschütteten Eingänge zu den Gewölben. Ganz verwilderten Sinnes wollte er schlechterdings die ihm oft beschriebene Riesengestalt des alten Barons dort erblicken.
»Steig herauf!« rief er in halbem Wahnsinn, »steig herauf aus deinem Steinhaufen, dem du die Tochter opfertest! Libertade e morte! Gib uns Leben und Freiheit im Tode! Zieh uns beide hinab! Was soll sie hier mit leerer, kalter Brust länger einsam umherwandeln? Dort wird sie lieben, dort drüben, auf ihren heimatlichen Sternen. Mich wird sie lieben, sie muß es, denn ich gehöre zu ihr. Mein ganzes Dasein ist ein Strahl, ein Abglanz ihrer Herrlichkeit, den sie ins Dasein rief, der ohne sie auf ewig verlosch!«
Moritz hörte ihn oft und verwachte dann eine Angstnacht, die ihn gewöhnlich bewog, mit Sonnenaufgang wieder von dannen zu ziehen.
Einst hatte Hippolit die halbe Nacht so in fast wahnsinniger Raserei vertobt. Es war weit nach Mitternacht. An allen Kräften erschöpft, sank er zwischen dem Gemäuer der Brandstelle hin; seine Wildheit löste sich plötzlich in unsägliche Weichheit auf; ihm war, als zerflösse sein Dasein in diesem stillen Weh; er mochte sich nicht regen, sondern überließ sich fast gedankenlos dem angenehmen Gefühl gänzlicher Ermattung, bis ihm die Sinne schwanden und der Schlaf ihn überschlich.
Die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne erweckten ihn wieder; der kühle Morgenhauch wehte beruhigend ihn an, er starrte auf seine wunderliche Ruhestätte hin und begriff nicht sogleich, was ihn hierher gebracht haben könne? Dann begann er, wie immer bei kühlerem Bewußtsein, sich seines leidenschaftlichen Unmuts recht herzlich zu schämen, nannte ihn unmännlich und versprach sich selbst, sich künftig Gabrielens würdiger zu betragen.
Noch nie hatte Hippolit sich zu so früher Tageszeit zwischen den Ruinen befunden. Er blickte um sich und ihn ergötzte das Spiel der fast noch horizontal fallenden Sonnenstrahlen, die hin und wieder, durch Lücken und Mauerspalten dringend, in einzelnen feurigen Lichtern durch das tiefste Dunkel auf den vom Rauch geschwärzten Mauern glänzten. Er stand in dem Teil des Flügels, der zur Zeit des Brandes, um das Hauptgebäude zu schützen, größtenteils eingerissen ward, dicht vor einem der gewölbten Eingänge, welche einst zu den Souterrains führten. Einige ziemlich erhaltene steinerne Stufen führten noch in die Tiefe des kellerartigen Gewölbes hinab, doch nur wenige Schritte weiterhin war alles verschüttet. Hippolit blickte in die Tiefe, wo ein bläulich glänzender Punkt seine Aufmerksamkeit erregte; es war als ob der Reflex eines einzelnen Sonnenstrahls dort von einer metallenen Fläche zurückgeworfen würde. Je länger er hinsah, je wunderlicher schien ihm das seltsame Blinken. Endlich bahnte er sich, nicht ohne Gefahr, den Weg zu dem Gegenstande seiner Neugier und stand bald vor einer, in den Fels, welcher dem Gebäude zur Grundlage gedient hatte, eingehauenen kleinen Vertiefung. Spuren einer eisernen Türe, die einst sie verschlossen haben mochte, waren noch sichtbar. Unter Überbleibseln zerbrochner Gläser, vermoderter Schriften und Pergamente, welche die Vertiefung anfüllten, glänzte noch immer der Schein hervor, und Hippolit zog endlich eine kleine Kapsel von weißem Metall aus dem Wuste. Schmutz und Staub verhinderten ihn, die darauf eingegrabenen Charaktere zu lesen, bis er, in seinem Zimmer angelangt, den sonderbaren Fund bequemer untersuchen konnte.
Das Metall, aus welchem die Kapsel bestand, erkannte er für Platina. Liberorum Salus stand darauf eingegraben. Von sonderbarem Schaudern ergriffen schob er sie weit von sich weg, aber die Neugier siegte, er ergriff sie wieder und ruhte nicht, bis es seinem Bestreben gelang, sie zu öffnen. Ein ganz kleines, hermetisch verschlossenes Fläschchen von Bergkristall funkelte ihm aus dem schwarzen Samt, mit dem die Kapsel gefüttert war, entgegen; es war mit wenigen ganz hellen Wassertropfen angefüllt. Sein Haar sträubte sich bei dem Anblick. Alles, was Moritz ihm auf dem Wege vom Eisenhammer nach dem Schlosse vertraut hatte, trat plötzlich in furchtbarer Lebendigkeit vor seine Seele. Ihm war zumute, als stände der beunruhigte Geist hinter ihm, den er im wilden Wahn so oft zur nächtlichen Stunde herbeirief, als beuge die Riesengestalt sich über ihm weg, um ihm hohnlachend ins Antlitz zu starren. Mit abgewandtem Blick schloß er die Kapsel wieder, vergrub sie tief im verborgensten Fach seines Schreibtisches unter Papiere und eilte dann hinaus, als folge das Verderben ihm auf dem Fuße.
Alles in Schloß Aarheim gewann eine andere Gestalt, sowie der Herbst näher herankam. Gabrielens Zeitordnung ward verstört, zwischen den alten Mauern wimmelte es von modernen geputzten Herren und Damen, lustige Tanzmusik wirbelte abends durch die hochgewölbten Säle und laute Freude hallte durch alle Gemächer. Die rückkehrenden Brunnengäste aus Böhmen stellten sich weit zahlreicher ein, als man es erwartet hatte, jeder Tag führte neue Besuche herbei, während die früher Angekommenen sich wieder entfernten. Auch ältere Bekannte Gabrielens aus der nächsten Stadt fanden sich ein. Es war ein Leben, ein Treiben, ein Lachen, eine Lustigkeit unter den Leuten, über die Hippolit zuweilen von Sinnen hätte kommen mögen, der er aber auch in andern Stunden sich wieder recht jugendlich-teilnehmend hingab.
Auch Moritz war mit der neuen Gestaltung der Dinge in seinem Schlosse wohl zufrieden. Wo es so geräuschvoll herging, meinte er, hätten die Geister wohl, wenigstens fürs erste, ihre Macht verloren, und so wagte er es, wieder mehr zu Hause zu sein, um seine Gäste zu empfangen und zu unterhalten.
Ein glänzendes Fest, welches auf einem, ein paar Meilen weit entfernten Gute gefeiert werden sollte, hatte am Vorabende desselben eine ungewöhnlich zahlreiche Gesellschaft auf Schloß Aarheim versammelt, die von dort aus in Begleitung der Bewohner desselben sich mit dem frühesten auf den Weg zum bestimmten Versammlungsorte machen wollte. Gräfin Eugenia, der Professor und der sogenannte Antonius, lauter alte Bekannte aus dem Hause der Gräfin Rosenberg, kamen spät abends noch ganz unerwartet an. Eugenia warf sich mit lauten freudigen Ausrufungen in Gabrielens Arme und beteuerte, seit sie der letztern Ankunft auf Schloß Aarheim erfahren, habe sie ihrem Gemahl keine ruhige Stunde gegönnt, bis sie ihn bewogen, sie zu ihr zu führen. Dann stellte sie den wie gewöhnlich verlegen lächelnden Antonius in dieser Qualität vor. Dieser fing mit vielem Anstand eine schöne Rede an, in der er aber unglücklicherweise sich so verwickelte, daß er zuletzt nicht mehr wußte, wie er daran war, und mitten in einem Paragraphen endete, ohne zu schließen. Gabriele achtete nicht sonderlich darauf und begrüßte indessen mit recht herzlicher Freundlichkeit den Professor, den sie schon im Hause ihrer Tante ausgezeichnet hatte. Moritz bemächtigte sich des Antonius als eines alten Bekannten, um ihm Gott weiß welche Raritäten zu zeigen. Einige der Anwesenden folgten ihnen, andere, unter diesen Eugenia, ordneten sich in einem geräumigen Pavillon von neuem um den geselligen Teetisch.
Gegen ihre Gewohnheit sah sich indessen Gabriele bald darauf genötigt, ihr wirtliches Amt an diesem Tische an Fräulein Ida abzutreten und die Gesellschaft auf eine kleine Weile zu verlassen. Die Zahl der Fremden im Schlosse war nämlich durch den neuen Zuwachs so groß geworden, daß die gute Frau Dalling, trotz der vielen Zimmer in dem weitläuftigen Gebäude, sich dennoch ohne den Rat ihrer Herrin nicht zu helfen wußte, um jedermann anständig und würdig für die Nacht unterzubringen. Mit leichtem Schritt eilte Gabriele, ihrem Rufe folgend, durch den hohen Lindengang, der vom Pavillon zum Schlosse führt und die Zurückgebliebenen blickten ihr mit heiterem Wohlgefallen nach. An der Türe des Pavillons stand Hippolit, die blitzenden Augen in sprachlosem Entzücken auf die schöne Gestalt geheftet, die, leicht wie eine Sylphide, vor ihm hinschwebte. Ihr weißes Gewand ward durch das Dunkel des hochgewölbten Bogenganges erhoben, die hie und da durch die Blätter dringenden Sonnenstrahlen bestreuten es mit einzelnen in Rosenglanz brennenden Sternen; die lichten, blonden Locken, goldig in Abendrot schimmernd, umgaben ihr Haupt mit der Glorie einer Heiligen. Zuweilen verschwand sie im tiefern Dunkel vor den sie verfolgenden Blicken und bald darauf glänzte sie wieder im vollen Sonnenschein wie eine Verklärte, bis sie sich endlich in der düstern Vorhalle des Schlosses völlig verlor.
»Aus Kindern werden Leute, das habe ich lange schon gewußt«, rief jetzt Gräfin Eugenia, »und doch«, fuhr sie fort, »würde es mir nie einfallen, die kleine, blasse, zimperliche, etwas alberne Gabriele der Gräfin Rosenberg in dieser schönen, eleganten Frau von Aarheim wiederzuerkennen, wenn nicht die unwidersprechlichsten Beweise mich überzeugten, daß sie es wirklich ist. Wie die Frau sich ausgebildet hat, so etwas ist mir noch in meinem Leben nicht vorgekommen, es grenzt an Wunder. Erinnern Sie sich noch, lieber Professor! Wie sie vor sieben oder acht Jahren zitternd und knixend und halbweinend dazu, bei der Gräfin Rosenberg erschien? Sie fiel gerade in die famose Tableauxgeschichte hinein, die Sie unmöglich können vergessen haben.«
»Ja, wohl erinnere ich mich dessen genau«, erwiderte der Professor, »auch kann ich noch immer nicht ohne Bewunderung des Muts gedenken, mit dem das sonst so übermäßig blöde Kind sich erdreistete, das ihm Heilige gegen alle Angriffe standhaft zu verteidigen; ich meine die Trauer um die jüngst verstorbene Mutter.«
»Der lange schwarze Schlepp, die Pleureusen, die häßliche Schneppe und der Schleier, mit dem sie aussah wie eine Nachteule, das war ja eben der Gipfel aller Abgeschmacktheit«, antwortete lachend Eugenia.
»Alle zivilisierten Völker legen um ihre verstorbenen Verwandten Trauer an«, sprach der Professor, »und sogar unter den Wilden finden sich Spuren dieses Gebrauches, der denn doch wohl eines tiefern Ursprungs sein mag, als bloß der Mode. Doch davon ist hier nicht die Rede, Gabriele soll in der Sache selbst unrecht gehabt haben, ihr Wollen war dennoch rein. Ich behaupte nur, daß so, wie sie damals stand, ihre Weigerung, das eigene Gefühl des Schicklichen dem Willen der Tante zum Opfer zu bringen, eine Heldentat war, deren Wert aber vielleicht nur der ganz zu übersehen vermag, der einst wie sie, ängstlich beklommen und allein, in die ihm fremde Welt geworfen ward.«
Die Neugier der Gesellschaft war rege geworden, und Eugenia mußte erzählen, was sie selbst nur vom Hörensagen kannte, denn sie war bei Gabrielens Ankunft im Zimmer der Tante nicht mehr gegenwärtig gewesen, wohl aber der Professor, der als strenger Zensor über die Erzählerin wachte und jede Übertreibung oder Unwahrheit ohne Gnade rügte und berichtigte. Hippolit hörte beiden mit der gespanntesten Aufmerksamkeit zu.
»Nun wohl, Sie mögen recht haben«, schloß endlich Eugenia, des Streitens müde, »Sie mögen recht haben, und Gabriele äußerte schon damals Spuren jener Festigkeit, überhaupt jenes vernünftigen Überlegens, das sie später bewies, als sie drei Monate, nachdem sie aus Schmerz über die Trennung von einem gewissen Herrn hatte sterben wollen, sich plötzlich eines andern bedachte, der Auszehrung, in die sie zu verfallen drohte, und überhaupt der ganzen traurigen Liebesgeschichte den Abschied gab und kurz und gut diesen etwas possierlichen Herrn Vetter heiratete, der sie bei alledem zur reichsten Frau im Lande machte und auch sonst, wie ich höre, sich ziemlich lenken läßt.«
»Gräfin! Gräfin!« unterbrach sie unwillig der Professor.
»Stille, stille, lieber Freund!« erwiderte Eugenia und drückte ihre Hand auf seine Lippen, »ich weiß, was ich weiß, und behaupte nichts, als was ich mit Beweisen belegen kann. Ich war mit dem Rosenbergischen Hause zu genau liiert, als daß mir diese Geschichte hätte verborgen bleiben können.«
Gabrielens Rückkehr zur Gesellschaft zwang Eugenien mitten im Strome ihrer Rede zu verstummen. Alles brach auf, um die letzten Stunden des milden Herbstabends noch im Freien zu genießen. Doch mochte das, was Eugenia noch etwa zu erzählen haben konnte, nicht für alle verlorengehen, denn einige der im Pavillon gegenwärtig gewesenen Damen bemächtigten sich ihrer mit ungemeinem Eifer, um ihr noch bei Mondenschein die Schönheiten des altväterischen Schloßgartens zu zeigen.
Auf Hippoliten hatte niemand geachtet; außer sich vor Zorn über die Erzählerin, deren unverkennbare Bosheit seine ganze Verachtung erregte, unfähig ihr zu glauben, und doch von ihr tief in der Seele verwundet, war er auf seinem Platze stehengeblieben, bis der Professor, der letzte, welcher den Pavillon verließ, an ihm vorüberging. Mit einem freudigen Auffahren ergriff er diesen am Arm und zog ihn mit sich fort ins Schloß hinein. Ein Blick in Hippolits bittendes Auge, und einzelne abgebrochene Worte bewogen den freundlichen Mann, sich ihm unbedingt hinzugeben, und, freilich etwas verwundert über sein seltsames Benehmen, ihm zu folgen, wohin er ihn führen möchte.