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2.

Im dritten Jahre der Ehe geschah es nun aber, daß Lise ihrem Manne einen dritten Sohn schenkte. Sie gebar das Kind an einem Mittwoch, kurz vor dem Sommersonnwendtag.

Wie jeden Morgen war sie gegen sechs Uhr aufgewacht. Sie hatte noch ein Weilchen gelegen, noch einmal, wie's ihre Gewohnheit war, die Wirtschaftsangelegenheiten des Tages überdacht und ihren Zustand geprüft. Sie hatte dabei bedacht, daß sie aller Wahrscheinlichkeit nach heute niederkommen würde; da sie sich vorläufig aber den Umständen nach durchaus wohl fühlte, war sie aufgestanden und hatte sich in die Küche begeben. Beim Aufstehen hatte sie noch einen halben Blick zu ihrem Manne hinübergeschickt, der breitbrüstig und rotbäckig in gesundem Schlafe dalag, und nachdem sie noch mal nach dem zweijährigen Detlevchen und dem einjährigen Karlchen gesehen, leise das Schlafzimmer verlassen.

Blinzelnd betrat sie das sie mit grellem Sonnenglanze empfangende Wohnzimmer.

Sie bemerkte sofort, daß das eine Fenster gestern abend nicht geöffnet worden war und trat, doch halb und halb um noch ein wenig zu verweilen, hinzu und machte es auf.

Die frische Morgenluft einatmend sah sie zum strahlendblauen Himmel hinauf und hinab in den alten Hausgarten, aus dem der Duft der Rosen heraufkam.

Diese schöne Morgenstille tat ihr gut. Es war ihr immer der liebste Augenblick des Tages, am frühen Morgen so in die noch stille Wohnung einzutreten. So war ihr auch heute gut und heiter zu Mute.

Die Empfindsamkeit ihres Zustandes ließ sie dann, wie sie noch einen Augenblick beim Fenster verweilte, an das Kind denken.

Es war das dritte, das sie erwartete, und so war dies Gedenken nur ein ruhigeres, zumal vorauszusehen, daß es wieder eine leichte Entbindung werden würde. Aber sie dachte: »Wenn es heute kommt, dann hat es einen so schönen Tag zum Geburtstag. – Gerade mitten im Jahr. – Und ein Mittwoch. – Der Mittwoch ist ja mein Glückstag.«

Sonst aber dachte sie weiter nichts. Sorgen hatte sie nicht, es fehlte ihr an nichts, sie war gesund, das Kind würde ja sicher auch wohl und gesund sein. Sie stand in der Familie zwar so gut wie allein, aber das machte ihr weiter nichts, sie war sogar ganz zufrieden damit; denn im übrigen behandelte sie doch eigentlich niemand schlecht. Mit der Schwiegermutter zwar hatte sie keinen besonders guten Stand, aber schließlich kam die doch nur selten hier hinter ins Gartenhaus.

Aber da bekam sie einen heftigen Schluckenanfall. Sie geriet in einige Besorgnis und überlegte; doch dann entschloß sie sich in die Küche zu gehen, damit das Mädchen wenigstens noch die Anweisungen für den Tag bekäme.

Nachdem sie in der Küche aber trotzdem noch allerlei gearbeitet und in Ordnung gebracht und dann mit Karl gefrühstückt, hatte sie sich im Wohnzimmer daran gemacht, für jeden Fall alles herzurichten und bereit zu legen, und dabei war sie von den Wehen überrascht worden.

Sie hatte sich zu Bett gelegt, und man hatte Frau Sanders, die Hebamme, geholt.

Jetzt war es zwischen zwölf und ein Uhr mittags.

An einem der drei Fenster, mit dem Rücken gegen die Schlafzimmertür, doch aufmerksam halb zu ihr hingewandt, saß die alte Frau Kommerzienrat, etwas nervös und zerstreut mit einer Häkelarbeit beschäftigt, deren Knäuel in einem zierlich geflochtenen, auf dem Fensterbrett stehenden japanischen Körbchen lag.

Sie war eine kleine, zierliche, noch schwarzhaarige Dame von 58 Jahren mit einem bräunlich bleichen Gesicht von sensiblem aber resolutem Ausdruck, der von kleinen, schwarzen, zugleich lebhaften und melancholischen Augen über einer großen, aber feingeformten Nase beherrscht wurde. Sie trug ein kaffeebraunes Seidenkleid mit einer kleinen Schleppe. Ihre Hände waren klein, bleich, noch fest. An der Rechten blitzte unter den Bewegungen der Häkelarbeit distinguiert ein schlichter, aber kostbarer Diamantring.

Ab und zu unterbrach sie sich und wandte lauschend ihre Aufmerksamkeit zur Schlafstubentür hin oder sah unter einem kleinen Seufzer melancholisch gedankenvoll durch das weitoffene Fenster zum blauen Himmel hinauf, in dem ein Schwarm weißer Tauben seine Kreise zog.

Eine sommerliche Wärme drang herein mit lichter Sonnenflut und dem schweren Ruch der vielen Rosen und bunten Gartenblumen.

Im Hintergrunde des alten Gartens sah man zwischen Bäumen, Büschen, Blumen und hochgestengelten Rosensträuchern durch das nach der Straße hinausblickende Vorderhaus, ein stattliches graues, altes Patrizierhaus, das von den alten Kommerzienrats bewohnt wurde, während die jungen Leute hier am anderen Ende ein kleineres Gebäude innehatten, dessen Vorderfront zum Strom hinüberblickte.

Es herrschte eine tiefe, lauschend gespannte Mittagsstille. Das Summen der Bienen unten im Garten vertiefte sie noch mehr und gab ihr etwas Feierliches. Würdig und behaglich tackte der kräftige Metallton der Standuhr in sie hinein und »gemahnte ernst an das unaufhaltsame Weiterrücken der Zeit und an die heilige Gegenwart, ach, aller Vergänglichkeit zugleich und der großen Ewigkeit«, wie die alte Dame in ihrem melancholischen und zugleich etwas nervösen Nachdenken dachte.

Sonst aber stand zu dieser Stunde auf dem großen vlämischen Tisch in der Mitte des Zimmers in einer alten Delfter Vase ein herrlicher Rosenstrauß und eine bunt glasierte große Tonschüssel gehäuft voll der prächtigsten Knackkirschen. Die Schüssel mit den Kirschen hatte Lise noch mit aus der Küche hereingebracht. Sie waren frisch gepflückt und für den Nachtisch bestimmt. Nun waren sie stehen geblieben, wo Lise sie gerade, von den Wehen überrascht, aus der Hand gesetzt hatte.

Auf dem rosalachsfarbenen, mit Goldarabesken verzierten Ofensims aber standen beieinander seltsam und exotisch vier große Tigermuscheln, dunkelscheckig, wie mit schwärzlich gewordenem, geronnenem alten Blut übersprenkelt; ferner ein schwarzbrauner Drache, eine chinesische Bronze, grotesk, mit einem wilden Wirrwarr von geschlängelten dunklen Flammenzungen, und außer einem zierlich geschnitzten Schiff ein Pappschächtelchen mit einem kränklich bleichrosa marmorierten Papier und in arabeskenartigen Figuren geordneten niedlichen Muschelchen beklebt.

Ein paarmal hatte vom Strom her das dumpfgrelle Heulen einer Dampfersirene jäh und schreckhaft, seltsam, die tiefe, warme, sonnig in sich hinein wartende Stille zerrissen. Ab und zu ließ sich drinnen im Schlafzimmer das Plätschern von Wasser und die Stimme von Frau Sanders vernehmen. Das gehalten gepreßte Gestöhn der Gebärenden aber machte kaum eine besondere Unruhe. Selbst nicht, wenn es gelegentlich mal mit einem Schrei hervorbrach. Und es nötigte der alten Dame sogar ein kleines belustigtes Lächeln ab, wenn sie hörte, wie Lise Frau Sanders Anordnungen gab oder ganz und gar eine Unterhaltung mit ihr führte.

Mutter Lise war ja ein »Dragoner«. Alles in allem waren die Wehen wieder leicht. Es schien eine ungewöhnlich kurze und prachtvolle Entbindung werden zu wollen.

Gegen ein Uhr kamen Karl und der Kommerzienrat.

»Gut, wie immer«, gab die Frau Kommerzienrat lächelnd und ohne sich in ihrer Arbeit zu unterbrechen, auf die leise Nachfrage der Männer Bescheid. »Sie kommandiert Frau Sanders und erzählt sich was mit ihr. Ich denke, es kann jeden Augenblick so weit sein.«

Karl hatte sich leise zur Schlafzimmertür hinbegeben und lauschte. Doch offenbar mehr, weil er nicht recht wußte, was er weiter mit sich anfangen sollte, als aus einem besonderen Interesse oder gar aus Besorgnis.

Der Kommerzienrat seinerseits hatte seine kleine, gedrungene, weißhaarige Person seiner Gattin gegenüber niedergelassen und saß da, den Blick mit einem halb behaglichen, halb respektvollen Lächeln auf ihre emsig häkelnden, festen, kleinen, weißen Hände mit dem zierlich blitzenden Diamantring gerichtet.

»Dat is in drei Jahren de dritt'«, unterbrach seine Baßstimme mit einem belustigten, seine joviale Kraft unterdrückenden Lachen plötzlich die Stille. »Ob dat woll we'er n' Jong wird?«

»Ja, Lise ist eine fruchtbare Mutter«, antwortete die alte Dame ein wenig humorvoll, vielleicht aber auch ironisch pointiert, ohne ihre Aufmerksamkeit von der Arbeit abzuwenden.

Karl hatte sich unter diesem kurzen Gespräch von dem Schlafzimmer abgewandt und im Anschluß an Mutters letzte Worte einen Blick zu ihr hingeschickt; dann aber schlenderte er, die Hände in den Jackettaschen, zum Tisch hinüber. Dort stand er und starrte mit einem phlegmatisch nachdenklichen Ausdruck auf die Kirschen nieder. Schließlich zog er langsam die eine Hand aus der Tasche und nahm, halb unbewußt, eine Kirsche. Langsam steckte er sie in den Mund, trat an eines der Fenster heran, spie den Kern hinaus und starrte dann in den Garten hinab.

Wieder tackte nur die Uhr in die Stille hinein.

Bis es mit einemmal drin im Schlafzimmer lebendig zu werden anfing. Man sah zur Tür hin. Eifrig und mit muntrer Lebhaftigkeit wurde Frau Sanders' Stimme laut.

Im selben Augenblick vernahm man im Vorzimmer Schritte und eine wohllautende, lachende Tenorstimme.

»Anton!« sagte der Kommerzienrat und ließ ein vergnügtes Lachen hören.

Er dachte daran, daß der Ankommende, sein ältester Sohn, an Lise seinen Narren gefressen hatte und mit ihr als der einzige in der Familie, sogar Karl nicht ausgenommen, auf vertrauterem Verkehrsfuße stand. Darum kam er denn jetzt auch um Mittag spornstreichs aus seinem Drogeriekontor am Markt, um zu sehen, was Lise der Familie mal wieder Gutes bescherte. Außerdem war er Junggeselle, ein großer Kindernarr und überhaupt in mehr als einer Hinsicht aus der Körberschen Art geschlagen.

Der Vater der Frau Kommerzienrat, der alte Herr Landrat von Harbing, war ein langgewachsener, hagerer Herr gewesen. Auch Anton war, ganz außer dem mehr kurzen und stämmigen Körberschen Schlag, hochgewachsen und hager. Zwar hatte er die blauen Augen und das blonde Haar der Körbers, doch waren es große Augen, denen bei allem Humor, den sie verrieten, ein gewisser Ausdruck von romantischer Gesinnung eignete, und das weiche Haar lag in schön geschweiften, seidig glänzenden Wellen; auch hatte er die lange, aristokratisch feine Nase der Mutter geerbt.

Der Kommerzienrat hielt seinen Sohn Anton für ein wenig wunderlich – er nannte ihn »den Poeten« –, und er schrieb das dem Umstand zu, daß Anton als Besitzer eines Drogenengrosgeschäftes so viel mit Chemikalien zu tun hatte, was ja den Drogisten und Apothekern allen einen Stich ins Wunderliche gibt. Doch ließ er sich von seiner herzhaften, munteren und witzigen Gesprächigkeit gern aufheitern.

Anton Körber trat ein, den leichten, breitkrempigen Strohhut in der Hand, einen langschößigen, offenen, aschgrauen Gehrock und bequeme, aschgraue Beinkleider an, vorn, aus dem weiten, umgeklappten Hemdkragen vor, nachlässig die langen Enden einer blauen, weißgetüpfelten Künstlerkrawatte.

Leise hatte er die Tür geöffnet, während draußen noch das muntere Lachen des Hausmädchens verklang, und stand nun auf den Fußspitzen, den Finger an den bartlosen, rotlippigen Mund gelegt, in der Türöffnung, halb im Ernst, halb im Spaß mit weitaufgerissenen Augen von einem zum anderen blickend und zum Schlafzimmer hinhorchend.

Der Kommerzienrat und Karl erwiderten aufgeräumt seinen Blick; als man aber weiter nichts sagte, drückte er behutsam die Tür hinter sich ins Schloß und trat zu den anderen hin, um sie zu begrüßen.

Die Uhr verkündete mit ihrem tiefen, schönen Metallton ein halb nach ein Uhr, als sich, und zwar zufällig genau mit dem Schlag, die Schlafzimmertür auftat und Frau Sanders erschien, das Neugeborene auf dem Arm, stolz, ein Lächeln um die von der Anstrengung der letzten Stunden noch festgeschlossenen Lippen, die Augen groß und mit einem Blick, der mit der Freude über eine besonders gut verlaufene Entbindung unwillkürlich eine feierliche Strenge vereinte, auf Karl gerichtet, der ihr am nächsten stand.

»Nanu, Herr Baumeister, da hebben wi ihm!« rief sie. »Un' dat is ein Er! Un' wat för'n Bengel!«

»Ach, halt!« rief in diesem Augenblick aber Anton. »Versäumen wir doch nicht, den bemerkenswerten Umstand festzuhalten, daß der Neugeborene genau mit dem Schlage der Uhr bei uns eingetreten ist! – Das ist was Besonderes! Er hat seine Ankunft markiert!«

Doch es war niemand, der auf seinen Ausruf achtete. Der Kommerzienrat und Karl besaßen keinen Sinn für Omina und hatten ihre Aufmerksamkeit überdies zu ausschließlich bei dem Kinde; die Frau Kommerzienrat aber, bei der der Ausruf allerdings am ersten hätte Beachtung finden können, schenkte diesem Neugeborenen weiter kein besonderes Interesse.

Als sie nun aber ihre Häkelarbeit, nicht eben eilig, beiseite getan und sich erhoben hatte, um sich zu den drei Mannsleuten, die Frau Sanders dicht umstanden, hinzubegeben, rief Anton plötzlich:

»Aber, Kinder! – Das... Ja, das ist ja... Aber das ist ja doch ein Harbing?«

Da horchte sie auf und trat nun auch ihrerseits schnell hinzu, und über den Neugeborenen gebeugt, rief sie mit freudiger Überraschung, zugleich Stolz und eine unwillkürliche kleine Rührung in der Stimme:

»Ah, wirklich! Anton hat recht! Ein Harbing! – Mein Gott, was für ein Naturspiel! Ein Harbing! Vollständig ein Harbing!«

»Aewer, Kinnings! Nee, dat is wohr?« rief jetzt auch der Kommerzienrat, in ein so herzlich kicherndes Lachen ausbrechend, daß er zu husten anfing und rot anlief. »Nee, kiek doch, Melanie! He hett dien Nees! – Nee, Dunnerslag, ein Harbing! Un' dat is wohr!«

Aber da ereignete sich etwas Besonderes.

Die alte Dame hatte mit einemmal jäh aufgehorcht und ihre Aufmerksamkeit gegen die Vorzimmertür hin gewandt. Fast in dem gleichen Augenblick aber hatte sie sich auch schon in Bewegung gesetzt und trippelte vorsichtig mit kleinen Schritten zur Tür hin. Dort angekommen, blieb sie einen Moment regungslos stehen, beide Hände leise auf der Klinke; dann aber drückte sie geschwind zu und riß mit einem heftigen Ruck die Tür auf, und schon hörte man ihre erschreckte und entrüstete Stimme:

»Na, aber wahrhaftig! Richtig! Nu' seh' doch einer! Die Naumannsche! – J, Sie – Person! Was tun Sie hier! Was haben Sie hier zu schaffen! – Wie? Wie kommen Sie hier ins Zimmer herein und an die Tür? Was?«

»Aewerst... Gnä' Fru... Eck hebb' doch man... Min Äten hebb' eck doch man ut de Koek hal't?« vernahm man eine attrapierte, kriecherisch verlegene Stimme.

»Was? Ihr Essen? Aus der Küche? – Marsch! Marsch! Marsch!« – ja, die alte Dame rief jetzt sogar vor Angst und Abscheu »Husch! Husch! Husch!« und machte, in das Vorzimmer hinein verschwindend, mit beiden Armen lebhaft scheuchende Bewegungen. »Wie können Sie sich unterstehen, sich hier an die Tür herzustellen! – Sie, Sie ... J, Sie ... Marsch! Fort! Hinaus!«

»Eck hebb' doch man dat Mäten säukt, hebb' ehr doch man wat seggen willn«, vernahm man, entfernter, wieder die Stimme.

»J, den Kuckuck haben Sie! Auf der Stelle machen Sie, daß Sie 'nauskommen!«

Die Anwesenden, die verwundert ihre Aufmerksamkeit dem Vorgang zugewandt hatten, hörten, wie jetzt die äußere Tür des Vorzimmers mit einem lauten Krach zugeschlagen wurde. Frau Sanders aber, die irgendeinen bestimmten Sinn des Verhaltens der Frau Kommerzienrat sofort begriffen zu haben schien, hatte erschrocken die Hand wie schützend über das Gesichtchen des Neugeborenen gehalten, und sagte, unwillkürlich einen Schritt gegen das Schlafzimmer hin zurück tuend:

»De Naumannsch'! Dat oll Sliekdeert! Durch't Slätellock hett sie kiekt!«

Jetzt aber ließ sich auch drinnen ungeduldig die Stimme Lises vernehmen:

»Machen Sie doch, Frau Sanders! So'n Unsinn! Bringen Sie mir das Kind!«

Sie glaubte nicht an die Sache. Die Naumannsche war eine Aufwartefrau, die täglich im Hause verkehrte, und an die sie einen gewissen Anschluß genommen, indem sie sie für besondere Angelegenheiten benutzte und sich in der Küche von ihr die Stadtneuigkeiten und alle möglichen sonstigen wissenswerten Dinge berichten ließ, die ihr entweder Vergnügen machten, oder für die sie sich aus sonst einem Grunde interessierte.

Sie fand das Verhalten der Schwiegermutter bloß mal wieder lächerlich und exaltiert. Zwar glaubte sie selber daran, daß man einem Neugeborenen etwas durchs Schlüsselloch anhexen könnte, aber von der Naumannschen hielt sie so etwas für ausgeschlossen. Sie verstand sich mit ihr so gut: was für einen Grund hätte die Naumannsche haben sollen?

Als daher die alte Dame jetzt, noch immer bis zum äußersten echauffiert, wieder hereingerauscht kam, rief Lise noch einmal, vielleicht sogar etwas unterstrichen:

»Aber so bringen Sie mir doch das Kind, Frau Sanders!« Worauf Frau Sanders sich schnell wieder ins Schlafzimmer zurück begab.

»Ach, gut so!« rief die Frau Kommerzienrat, über Frau Sanders' Verhalten befriedigt. »Sie war ja übrigens schon wieder halb im Schlafzimmer.«

Sie war rot vor Aufregung und wedelte sich, noch immer erschreckt und zornig hin und her gehend, mit dem Taschentuch Kühlung zu.

»Nu Mutting, Mutting!« suchte Anton sie zu beruhigen, indem er zu ihr hintrat und sie sanft umfaßte. »Unsere Körberschen Reversseiten haben ja doch, denk' ich, eine ganz anständige Sauvegarde gebildet.« Um der Sache eine Wendung in Scherzhafte zu geben, lachte er.

»J ja ja, spottet nur! – So ein – Reptil!« rief sie aber doch offensichtlich beruhigter. »Spaßt nur! – Aber die Welt ist heute viel zu leichtfertig. – O mein Gott, das liebe, kleine Tierchen! – Aber die Person kommt mir aus dem Hause, dafür werd' ich sorgen!«

Es blieb ein Schweigen. Es war in den letzten Worten, die ihre Leidenschaftlichkeit noch immer nicht ganz hatten bezwingen können, für die Anwesenden eine gewisse Peinlichkeit gewesen, da sie wohl nicht ganz ohne Absicht drin an Lises Adresse gerichtet waren und damit den Männern die Unstimmigkeiten, die zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter zu herrschen pflegten, selbst bei einer solchen Gelegenheit in Erinnerung bringen mußten.


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