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Mutter Lise, wie sie in Anerkennung ihrer »sonst wirklich guten Eigenschaften« von ihrer Schwiegermutter, der alten Frau Kommerzienrat Körber, genannt wurde, war eine »Mesalliance«. (Damals bedienten sich alte Damen, die ihre Jugend im Biedermeier gelebt hatten, bei solchen Gelegenheiten noch dieses Fremdwortes.)
Die Frau Kommerzienrat entstammte einer adligen Familie, die freilich schon lange auf das Gehalt angewiesen war, das ihre männlichen Mitglieder aus Beamtenstellen zogen; außerdem waren viel Geschwister dagewesen. So hatte sie seinerzeit den Antrag des schwerreichen Großkaufmannes Anton Körber angenommen, der später Kommerzienrat geworden war.
In solch einen Lebenskreis war Lise hineinversetzt worden; aus dem Hannöverschen gebürtig, Tochter schlichter Handwerkersleute.
Aber sie war eine – wenn auch dem Urteil ihrer Schwiegermutter nach »zu unverleugbar bäuerische« – Schönheit.
Karl Körber, der dritte Sohn der Frau Kommerzienrat, hatte sie in Hannover kennengelernt, wo sie als Köchin gedient und er das Polytechnikum besucht hatte. Sie hatten miteinander angebändelt, Lise war nur zu vernarrt in ihn gewesen, es hatte Geschichten gegeben.
Als das Verhältnis ein Semester gedauert, war Karl, nach Beendigung seines Studiums, heimgereist, um sich mit Hilfe seines Vaters selbständig zu machen. Seine Absicht stand nichts weniger als darauf, Life zu heiraten, doch war ihm der Abschied von ihr auch wieder nicht ganz leicht geworden, denn er hatte sich an sie gewöhnt und entbehrte sie nur ungern, zumal sie sich auch sonst gut miteinander verstanden und er sie ihres gescheiten und soliden Wesens halber, das gut zu seinem eigenen paßte, achtete.
Auch Life hätte wohl, so wenig wie er sentimental beanlagt, aus der Trennung kein allzu großes Wesen gemacht, aber da hatte sie sich bald nach seiner Abreise schwanger gefühlt. Als anständiges Mädchen war sie aus Angst vor ihren altväterlich ehrbaren Eltern in Sorge geraten und hatte Karl sofort geschrieben. Darauf hatte sie eine unbestimmt beruhigende Antwort erhalten, dann war die Korrespondenz wieder eingeschlafen.
Als ihr Zustand sich dann aber immer ernstlicher gestaltete, hatte sie Karls Versprechungen schließlich doch mißtraut und sich resolut einfach zu ihm aufgemacht. An drittem Ort waren sie zusammengetroffen, Life hatte nicht nachgegeben, Karl geschickt an seiner schwachen Seite zu packen gewußt, die Sache war ihm, der sich ungern aus seinem Behagen bringen ließ, zu schwierig geworden, er hatte ihr sein bindendes Jawort gegeben.
Die Körbers waren ein eigenständiger, eigenwilliger Schlag, sie taten und ließen, was ihnen gefiel, und so hatte Karl von seinem Vater, der sowieso in der Stadt für ein halbes Original galt, weiter keine besonderen Schwierigkeiten erfahren; besonders da in der Hauptsache nach den Körberschen Begriffen sonst alles in Ordnung war. Freilich stand der alte Kommerzienrat bis zu einem gewissen Grade aber unter dem unbedingten Einfluß seiner Gattin, der er als einer Dame von adliger Herkunft auf seine Art mit behutsamer Delikatesse begegnete. Mutters Einwilligung zu dieser Heirat zu gewinnen, war aber kaum zu hoffen gewesen.
Karl hatte denn auch einen recht schweren Stand gehabt, zumal solche heiklen Auseinandersetzungen seinem phlegmatischen Wesen nicht lagen. Schließlich war ihm aber doch der Umstand, daß er Lise sein Jawort gegeben, ausschlaggebend gewesen, und so hatte sein »Dickkopf«, vielleicht sogar ein wenig seine Jähzornader, den Widerstand der alten Dame gebrochen, und er und Lise hatten in aller Stille Hochzeit gemacht.