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Kleopatra ist in gehobenster Stimmung. Sie hat über die eingebildeten, aufgeblasenen Herren von Rom triumphiert. Als schändlich Unterlegene sind sie abgezogen. Sie nimmt diesen Sieg über Rom als gute Vorbedeutung für die nahe Zukunft. Bald wird sie diesen hochnäsigen Herren der Welt zeigen, wer die Herrin der Erde ist.
Antonius sackt nach diesem kurzen, jähen Aufflackern seiner Energie und seines Intellekts wieder schlaff und tragisch in sich zusammen. Es ist, als sei seine bange Vorahnung Wahrheit geworden, als habe er durch den Abzug der Freunde den Zusammenhang mit der alten Mutterkraft Roms verloren. Er lebt wieder dumpf dahin unter dem zermürbenden Einfluß der Königin.
Sie holt jetzt zu einem neuen Streiche aus. Die Vorgänge im Kriegsrat haben sie gewarnt. Von Canidius Crassus hat sie erfahren, daß Antonius ihrer Vertreibung aus dem Lager beigestimmt hatte, daß er grade noch im letzten Augenblicke diesen Verrat hatte verhindern können.
Canidius hat mit dieser Wahrheit nicht hinter dem Berge gehalten. Warum seine treuen Dienste verkleinern ?!
Sie ist gewarnt. Immer schon hat sie gewußt, wie leicht ihr lieber Antonius zu beeinflussen ist. Nie hat sie ihm die Ehe mit Octavia vergessen, diese Ehe nach dem Winter der Freuden und der Gemeinschaft in Alexandrien!
Mit Recht traut sie ihm nicht mehr. Wer bürgt ihr dafür, daß es nicht noch vor Ausbruch der Feindseligkeiten geheimen Boten Octavians oder Octavias gelingt, den Wankelmütigen abermals umzustimmen? Ihn zu rühren, zu erweichen, zu bewegen, die Waffen nieder zu legen, den Bürgerkrieg zu vermeiden. Schon einmal ist es Octavia gelungen, die beiden Männer zu versöhnen. Antonius ist alles zuzutrauen.
Sie ist nicht gesonnen, ihr Weltkönigstum abhängig zu machen von der Schwäche oder Widerstandskraft des Mannes, für den sie, nach diesem letzten Verrat und dieser treulosen Preisgabe, nichts mehr empfindet, nichts als bitterste Verachtung. Es muß zum unheilbaren Bruche kommen zwischen ihm und Octavian. Zur letzten haßgesättigten Unversöhnlichkeit. Sie muß, da sie nun einmal – leider – denkt sie und beißt sich auf die Unterlippe, daß das Blut hervorspritzt – auf ihn und seine Legionen angewiesen ist – sie muß Octavia aus seinem Leben ausmerzen. Gegen ihre Giftmischer ist die Römerin geschützt und gefeit. Aber gegen ihren, Kleopatras, Einfluß auf ihren Gatten ist sie unbeschirmt.
Es gelingt ihren Bitten, ihren Liebkosungen nach langem Widerstreben Marc Antons. Gelingt ihr erst, als sie Todkrankheit heuchelt und er ihr auf den Rat der bestochenen Ärzte jede Aufregung fernhalten muß. Doch es gelingt ihr, ihn zu bewegen, den Scheidebrief an Octavia zu senden und sie aus seinem Hause in Rom auszuweisen.
Damit ist der Abgrund zwischen ihm und Octavian unüberbrückbar geworden. Deucht sie. Deucht sie auf Tage. Dann überfallen sie neue Zweifel und Ängste. Zuviel, zu Großes, zu lang Ersehntes steht für sie auf dem Spiele. Ihr Lebenswerk hat sie auf dem Menschen aufgebaut, zu dem sie das letzte Vertrauen verloren hat. Tag und Nacht grübelt sie. Und bange Sorgen verscheuchen ihren Schlummer.
Den lästigen Canidius Crassus hat sie rasch und hochmütig abgefertigt. Er war ihr gleichgültig, ein Werkzeug der Minute. Als er seinen Lohn einkassieren will, läßt sie ihm von ihrem Eunuchen einen Beutel mit 250 Goldtalenten überreichen. Es ist ein klägliches Erwachen aus kurzem Traume. Er ist empört ob dieser Bezahlung in bar. Doch dann denkt er an seine Gläubiger in Rom, verbeißt seinen Stolz und seine Schlappe und steckt die runde Million ein. Bleibt im Lager und hofft, wie alle Abenteurer, auf eine günstigere Stunde.
Das Hauptquartier wird nach Samos verlegt, der Insel, die man vom Festlande aus sehen kann. Noch werden auf den Werften Kriegsschiffe gebaut, noch gehen die Rüstungen fort, noch rücken täglich neue Hilfstruppen ein. Das Lagerleben wird einförmig. Es gilt, die Fürsten Asiens und Afrikas bei guter Laune zu erhalten.
Die Insel wird zum Tummelplatz ausgelassenster Belustigung. Aus Theos und Lebedos, aus Athen, aus Kleinasien, von überall her sind Schauspieler, Artisten, Tänzerinnen, Sänger, Gaukler, Possenreißer, Halbweltdamen nach Samos befohlen. Theater, Zirkus, Ballett wechseln mit Banketten, Gelagen, geilen Ausschweifungen. Jeder der Fürsten sucht den andern an Aufwand und Üppigkeit auszustechen.
In guter Laune führt Kleopatra bei allen Festen den Vorsitz, scheinbar der Lustbarkeit mit allen sprühenden, heiteren Sinnen hingegeben. Keiner der Gäste ahnt, daß hinter ihrer schönen, klugen, sorglosen Stirn der umwälzendste neue Gedanke ihres an weittragenden Einfällen überreichen Lebens schwelt.
Sie ist übermüdet. Doch keiner sieht es ihr an. Charmion und Eiras müssen mit Schminken, Farben, Künsten nachhelfen, wie nie zuvor. Frisch und jugendlich thront sie unter den lärmenden Zechern. Keiner weiß, daß sie seit Sonnenaufgang die schwierigste Organisationsarbeit geleistet hat. Alles liegt auf ihren zarten, willensstarken Schultern. Sie leitet die Rüstung und Vorbereitung dieses gigantischen Krieges mit zäher Energie und Umsicht. Antonius unterzeichnet, was sie ihm vorlegt. Sie leistet die gesamte geistige Arbeit dieses Kampfes, den sie um die Krone Roms führt.
Stumpf, geistesabwesend sitzt Antonius neben ihr beim Schmause, bei den lasziven Vorführungen.
Die Welt lauscht verdutzt zu der Insel hinüber. Während im Orient und Okzident mit aller Verbissenheit gerüstet wird, während der Erdball von dem unterirdischen Grollen des kommenden furchtbaren Zusammenpralls zwischen Ost und West erzittert und die Menschheit sich vor dem nahenden Sturme angstvoll zusammenduckt, hallt Samos wider von sanftem Flötenklang und Saitenspiel, von Taumel und Orgie, vom Lallen der Trunkenen und dem brünstigen Schrei verbuhlter Liebespaare.
In beklommenem Staunen blickt die Welt auf dieses unverständliche paradoxe Schauspiel.
Dann wird aus Übermut und Leichtsinn blutiger Ernst. Die Armee setzt über nach Griechenland. Auch Octavian rückt nach Brindisi und Tarent. Früher hätte Antonius den Enkel des Wucherers von Velletri ob seiner Stümperei im Kriegshandwerke bombastisch verhöhnt und verspottet. Jetzt ist er selbst zur Prahlerei und Verachtung zu bedrückt und erschlafft.
Sehr rasch reißt der Gegner das Gesetz des Handelns an sich. Mit seiner fliegenden Schwadron, den »Windhunden der See«, unternimmt Octavians Freund Marcus Vipsanius Agrippa, der geniale Admiral, einen Vorstoß gegen Methone. Tut, als suche er einen Landungsplatz für die Hauptarmee, als wolle er ihren Übergang von Italien nach Griechenland decken.
Antonius und Kleopatra fallen auf diese Kriegslist herein. In Eilmärschen rückt Antonius nach Süden gegen den fingierten Feind. Unterdessen setzt Octavian in aller Ruhe und Sicherheit von Brindisi und Tarent, den Sammelplätzen des Heeres, nach Korfu und von dort auf das hellenische Festland über und marschiert durch Epirus auf den Golf von Ambrazia zu, in dem die feindliche Flotte liegt.
Zu spät erkennt Antonius das Scheinmanöver. Hastet zurück, seine Flotte zu schützen. Beide Gegner treffen zur gleichen Zeit an dem Meerbusen ein, Octavian vom Norden, Antonius vom Süden. Hier liegen sich die Heere, fast gleich an Zahl, gegenüber. Die Flotte Agrippas eilt herbei, schließt die Schiffe der Verbündeten im Golfe ein.
So kommt es zu der Schlacht, die von der Geschichte nach der Stadt Aktium an der Südküste der Bucht genannt wird.