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Am folgenden Tage empfängt Antonius die Königin. Er hat einen greulichen Kater. Sein schwerer Kopf raucht von Fusel, Schmerz und Schuldbewußtsein. Die Ausflüge der »Bande« – Mimen, Schauspielerinnen, Kruppzeug, Tanzmädels, Zuhälter, Dirnen stellen die Mitglieder – sind keine sanfte Angelegenheit. Es geht etwas orgiastisch her. Man opfert Bacchus und Venus über Gebühr und Können. Selbst die unbändige Kraft Marc Antons torkelt gebrochen und verwüstet in das Haus des Pompejus heim.
Hier kracht das Donnerwetter auf ihn nieder. Fulvias Suada ist nie lieblich und kosend. Ihre Gardinenpredigten vollends wirken nicht als Balsam auf ein alkoholvergiftetes Haupt und Gemüt. Zermartert und zerschmettert erträgt er die gerechte Strafe.
Dann sitzt er dösig vor Kopfweh in der Bibliothek und empfängt die Kunden. Es ist ein schwarzer Tag für den gepeinigten Mann, ein Tag voll Sehnsucht nach einem Bett und Ruhe und einem weichen Kissen für den Schädel, in dem jede geringste Bewegung ein Heer von Folterknechten an ihr boshaftes Handwerk treibt. Jedes Haar beherbergt einen Spezialisten der Tortur.
Es ist keine günstige Stunde für eine Frau, die einen Mann für sich und ihre Reize gewinnen will.
Griesgrämig grüßt er Kleopatra. Deutet kläglich auf einen Stuhl. Dieser verdammte Schmerz im Nacken!
Sie läßt sich nicht einschüchtern von dieser kärglichen Wiedersehensfreude. Übertrieben lebhaft und liebenswürdig ruft sie:
»Wir kennen uns doch, Marc Anton! Von Alexandrien her.«
Er sieht sie verständnislos an aus seinen großen schwarzen Bernhardiner-Augen. Und denkt an das unterschlagene Testament.
»Weißt du nicht mehr? Damals, als du als junger Reiteroberst unter Gabinius meinen Vater nach Alexandrien zurückführtest!«
Er weiß noch. Doch er hat sich damals um die fünfzehnjährige Prinzessin in dem Königsschloß am Meere wenig gekümmert. Er hat nie für unerfahrene Anfängerinnen geschwärmt. Alexandrien war voll von fachkundigen willfährigen Weibern.
»Ganz Alexandrien war damals toll verliebt in den schneidigen Kavallerieoberst.« Sie lächelt ein Lächeln, das seinen geschundenen Nerven wohltut. Es klingt wie das Rieseln eines kühlen Baches.
Durch den Nebel in seinem Hirn hindurch schlägt ihre plumpe Schmeichelei. Auch er lächelt, eitel und erinnerungslüstern. Doch dieses Lächeln schmerzt in jeder Haarwurzel. Er will zur Sache kommen, diese peinliche Affäre ein für allemal hinter sich bringen.
»Womit kann ich dir dienen?« fragt er geschäftsmäßig.
»Du bist Cäsars bester Freund gewesen.« Sie wirft nach ihm ihr Netz aus.
»Hm«, brummt er abwartend.
»Du bist sein Nachfolger, führst die Staatsgeschäfte fort in seinem Geiste.«
Wieder: »Hm.« Es scheint ihm fraglich, ob alles, was jetzt geschieht, im Sinne des Meisters ist.
»Ich will dir seinen Sohn anvertrauen.«
»Mir?« Er deutet mit dem Zeigefinger auf seine breite Brust.
»Ja, ihn und sein Recht.«
»Welches Recht?« Er spielt den Unschuldigen, Ahnungslosen, spielt schlecht, trotz seines intimen Verkehrs mit den Mimen Roms.
Jetzt dringt sie gradewegs auf ihr Ziel los. »Cäsar hat oft mit mir von seinem Testament gesprochen. Cäsarion ist sein Universalerbe.«
Er gähnt. Er möchte es unterdrücken. Doch es ist unwiderstehlich. Steigt empor aus dem verdorbenen Magen. Das Mundaufreißen zersprengt ihm den Schädel. Gräßlich! Dabei muß er sich zusammennehmen. Diese Stunde entscheidet alles, seine Zukunft, seine Karriere. Und er kann kaum aus den Augen sehen! War doch ein bißchen zu arg heute nacht. Man ist kein Jüngling mehr mit Vierzig. Die Unverwüstlichkeit – ach ja, er muß antworten. Vorsichtig!
»So – so?« tut er harmlos. »Ein Testament?
Merkwürdig. Im Tempel der Vestalinnen ist keins hinterlegt, das Cäsarion –«
»Das ist sehr möglich«, unterbricht sie. »Er wollte es vorläufig nicht öffentlich deponieren. Wollte warten – bis er König war.«
»Freilich, freilich«, nickt er ins ungewisse Leere.
»Aber unter seinen Papieren –«
»Ist nichts«, fällt er allzu rasch ein. »Ich habe alle seine Papiere gesichtet. Ein Testament war nicht darunter.« Seine Augen irren an ihr vorüber.
»Wie – kein Testament?!«
»Doch, doch. Eins natürlich. Eine Abschrift. Das Original ist bei den Vestalinnen hinterlegt. Morgen wird es feierlich eröffnet.«
»Was enthält es?« fordert sie und sucht ihre Erregung zu meistern. Sie ahnt die Arglist, die man mit ihr und ihrem Sohne treibt.
»Von Cäsarion steht nichts darin.«
»Sondern?«
»Ein gewisser Octavian ist Alleinerbe.«
»Wer ist das? Ich habe nie von ihm gehört.«
»Ich, offen gesagt, auch nicht. Ich war einfach paff. Ein Großneffe Cäsars. Ein neunzehnjähriger unbekannter Mensch. Sein Vater ist ein kleiner Winkelbankier in Velletri. Sein Großvater stand daselbst in dem feinen Rufe eines Wucherers.«
»Und den hat Cäsar zu seinem Universalerben – ?« Ihr bleibt der Atem weg.
»Jawohl. Er hat ihn auch adoptiert. Er erhält Cäsars Namen und alles.«
Sie schweigt. Ein neuer heftiger Schlag auf ihr vielgeprüftes Haupt. Sie sieht nicht klar durch diesen Wust, der auf sie eindringt. Nur eins weiß sie, rein gefühlsmäßig, daß man mit ihr ein diabolisches Spiel treibt. Daß der zerzauste Fleischhaufen dort sie hintergeht. Dieser grobschlächtige Gauner dort kennt nicht die feine Kunst der Verstellung. Er arbeitet mit unzulänglichen Mitteln.
Er schweigt und trommelt mit seinen muskulösen Fingern auf die Tischplatte. Jeder Wirbel dringt ihr störend ins Hirn. Sie muß denken, rasch, entscheidend alles überlegen. Es geht um Leben und das Weltreich. Um ihre und Cäsarions Zukunft. Sie muß schnell alles überdenken. Sie läßt sich nicht tölpelhaft betrügen, um Cäsars Erbe von diesem verkaterten Boxer dort begaunern. Sie ahnt die Wahrheit. Ahnt und errät sie hellseherisch. Er will lieber mit dem jungen, unerfahrenen Menschen zu tun haben als mit ihr. Sie fürchtet er. Dieser Niemand Octavian ist ihm ein bequemerer, ungefährlicherer Gegner. Das Testament bei den Vestalinnen ist alt, verjährt. Das neue, das es aufhebt, hat der Hüne dort vernichtet oder hält es verborgen. Er will Cäsars Macht und Reichtum und Erbe an sich bringen. Diese Nichtigkeit Octavian wird ihm dabei nicht im Wege stehen. Sie weiß alles, als wäre sie bei diesem Banditenstreiche Zeuge gewesen. So plump, glaubt man, sie abtun zu können!
Zorn, Wut, Demütigung treibt ihr das heftige Blut in die Stirn. Sie will ausbrechen. Doch ihre Klugheit und politische Einsicht ist stärker, ihr Wille behält die Oberhand über ihr heißes Blut.
Wie soll sie ihren Verdacht, der fast Gewißheit ist, beweisen? Ruhe – Kaltblütigkeit! Gewalt, Kühnheit kann nichts erreichen, nichts gewinnen. Nur alles verderben. Das erkennt und durchschaut sie sofort. Der Bursche da vor ihr ist nicht dumm. Nur ein miserabler Intrigant. Aber zäh. Der gibt nicht her, was er einmal gewonnen hat. Ihre Menschenkenntnis liest ihn wie einen aufgerollten Papyros. Ablisten kann man ihm die Beute vielleicht. Ihn übertölpeln. Gute Miene machen zu diesem verruchten Spiele. Ihn einlullen, gewinnen, diesen Riesen mit den rotgeränderten Augen. Ihn einwiegen, ihm klar machen, daß sie keine Gefahr für ihn bedeutet. Daß sie alles aufs Wort glaubt. Ihn dann unversehens hinterrücks überfallen. Vor allem sein Vertrauen gewinnen, ihn mürbe machen, ihn umgarnen, wie eine Spinne die Fliege fängt, und sein Geheimnis aus ihm heraussaugen. Ihn verführen, erotisch umstricken, so widerlich er heute ist mit seinem gedunsenen Gesicht und den verglasten Augen.
»Ich begreife es nicht«, beginnt sie ihr arglistiges Spiel. »Kein Testament zu Cäsarions Gunsten?«
»Keins«, erhärtet er.
»Wo er so oft davon gesprochen hat. Aber so sind die Männer. Immer verschieben sie das Wichtigste.« Sie seufzt und schlägt die unwiderstehlichen Augen groß zu Antonius auf. Ach, sie weiß, wie elend sie aussieht. Die Trümmer eines Kaiserreiches sind auf ihre Schönheit niedergeprasselt und haben sie verschüttet und begraben. Sie weiß es, und ihr fehlt der rechte Elan und das Selbstvertrauen. Sie ist nicht in Form. Gar nicht. Aber für diesen Kriegsmann langt es wohl noch. Mit Geist und seelischer Feinheit kann man ihm nicht beikommen. Dieser Nachfolger Cäsars ist kein Cäsar. Mit grob brutalen Mitteln muß man ihm zuleibe gehen. Sich zu ihm hinabstimmen.
Sie setzt sich so, daß er sie ganz sehen kann. Zieht das Kleid durch eine scheinbar ungewollte Bewegung empor. Ach, die ältesten abgebrauchtesten Tricks muß sie anwenden, sie, die eine Königin des Raffinements ist! Sie zeigt die zarten Fesseln, die gradlinigen Beine – hoch hinauf – bis über die Knie. Macht ihm Augen. Feuert grüne Leuchtraketen auf ihn ab. Und plaudert dabei anmutig fort.
»Es ist sehr schmerzlich für seinen einzigen Sohn. Aber doch nicht so schlimm.«
Er horcht auf. Die alkoholischen Wolken in seinem Gehirn heben sich. Nicht so schlimm?
»Ich freue mich«, sagt er erleichtert, »daß du es so vernünftig nimmst.« Er hat es sich weit schwerer vorgestellt.
Sie zuckt kokett die Schultern. »Ich habe früh gelernt, mich in das Unvermeidliche zu schicken. Und dann« – sie blitzt ihn eindeutig an – »ich weiß, Cäsars Freund und Nachfolger wird Cäsars Sohn nicht vergessen.«
»Ich bin nicht Cäsars Nachfolger«, weist er ihre Künste mißmutig zurück, »das ist Octavian.«
Sie lächelt verschwörerisch. »Du wirst mit diesem jungen Manne aus der Provinz sehr bald fertig werden. Du bist der Herr in Rom und wirst es bleiben. Denn dir allein gebührt die Herrschaft.«
Sie trägt dick auf. Fühlt, dieser Klotz da verträgt und bedarf einen derben Keil.
Er lächelt wieder geschmeichelt. Sie hat seine schwache Seite feinfühlig aufgespürt. Und da sieht er ihre Beine zum ersten Male. Wird aufmerksam. Sapperlot, hat das Weib Knöchel! Und die Schenkel. Seine Augen bleiben an ihrer Blöße haften. Schämig verhüllt sie sich. Sie weiß, Entbehrung reizt.
Er hebt den Blick, läßt ihn über ihre schmale Gestalt zum Kopfe hinaufwandern. Gar nicht übel, die Kleine. Bißchen blaß und fahl. Dunkle Ringe unter den Hexenaugen. Kein Wunder. Hat allerhand durchgemacht in den letzten Tagen. Keine Kleinigkeit, den Geliebten, einen Julius Cäsar, zu verlieren! Aber! Donnerschlag – er ist Cäsars Nachfolger. Wenn er es auch noch vorsichtig leugnet. Er ist Cäsars Nachfolger. Warum nicht in allem? Warum nicht –? Eine Königin – eine Kleopatra, deren Schönheit Sprichwort ist von Alexandrien bis zu den Säulen des Herkules. – Potzwetter, etwas anderes als diese kleine – ganz fidele – hm, köstlich fidele Schauspielerin – heute nacht war sie ein verliebt rasender Kobold – aber – –
Hallo, da zeigt sie ja wieder diese marmorglatten Schenkel. Die will ihn doch! Eine waschechte Königin hat er noch nie besessen! Die reichste Fürstin dieser Erde. Ungeahnte Möglichkeiten. Und gar nicht so geistig, so helle, so gelehrt und schwierig, wie er immer geglaubt hat. Im Gegenteil, eine harmlose, sehnsüchtige, kleine, verlassene Frau.
Eine leise Ahnung, daß er vielleicht doch die größte Dummheit seines Lebens begangen hat, als er das Testament vernichtete, dämmert in seinem wüsten Schädel auf. Freilich, Fulvia – Fulvia hat dazu gedrängt. Er weiß plötzlich, daß sie es aus Eifersucht getan hat. Blöd ist er ihr auf den Leim gegangen, dem Weibe! Hat das natürliche Bindeglied zwischen sich und dieser Kleinen da vernichtet! Er greift zur Karaffe. Stürzt eiskaltes Wasser in die brennende Kehle.
»Durst?« lächelt Kleopatra teilnehmend.
»Mächtig.«
»Wohl eine kleine Orgie gefeiert?«
Da wird der große Gassenbube, der er ist – er stammt aus kleinen ärmlichen Verhältnissen –, in ihm wach. Er blinzelt ihr vertraulich zu.
»Wilde Sache«, prahlt er.
»Du müßtest dich hinlegen, du Armer«, barmt ihre Wunderstimme. »Kalte Umschläge auf den Kopf und tüchtig verwöhnen lassen.«
Er nickt voll Mitleid mit sich. »Müßte ich. Aber –« Er sieht zur Tür.
»Hast du niemand, der dich ein bißchen lieb bemuttert?«
Er schüttelt kläglich, über sein herbes Los gerührt, den mächtigen Kopf.
»Komm zu mir – in die Villa«, lockt sie mutig.
»Möchte schon«, gesteht er. Seine schönen Augen leuchten auf.
»Möchtest du?!« Ihr Gesicht ist weich und voll Zärtlichkeit.
Er nickt heftig wie ein Junge, dem man ein nie erhofftes Geschenk anbietet. »Weißt du, Kleopatra, du bist eigentlich ganz anders, als –«
»Als mein Ruf«, hilft sie gütig aus.
Wieder nickt er eifrig. »Sie sagen alle – ich darf doch offen mit dir sprechen? –«
»Aber natürlich«, lacht sie gefällig.
»Du seist eine hochfahrende Person, tückisch, kurz, eine ganz Gefährliche.«
»So?«
»Ja. So'n Unsinn. Reizend bist du.«
»Ich freue mich, daß ich dir gefalle.«
»Gefällst mir sogar ganz großartig. Au!« Er hat den Kopf hochgeworfen und alle Folterknechte entfesselt.
Da ist sie neben ihm. »Ich kenne das. Leide selbst oft an Kopfschmerzen. Da gibt es nur ein unfehlbares Mittel.«
Und ehe er recht weiß, was sie plant, steht sie hinter ihm und massiert ihm den wulstigen Nacken. Streicht mit ihren kleinen dünnen Fingern längs der Adern des Halswirbels.
»Ah – gut«, ächzt er, »das tut gut.«
»Weiß ich.«
Er schnurrt vor Wohlbehagen. »Du – wonnig ist das –, Hexenhändchen hast du!«
»Ja«, lacht sie, »wir Ägypter verstehen uns auf die Heilkunde.«
»Scheint mir auch«, kichert er und beugt kindlich gefügig den Kopf weiter nach vorn.
Sie streicht mit beiden Händen. Preßt beide Daumen gegen seinen nackten Hals und massiert mit den Zeige- und Mittelfingern über die dicken, geschwollenen Gefäße. Drängt das Blut aus dem Schädel. Und reißt alle Energie zusammen, zwingt sie in die reibenden Fingerspitzen, als wolle sie ihren Willen, ihre Wünsche aus ihrem Blute in ihn hineinströmen, in ihn hineinjagen und hineinreiben.
»Du – gut ist das!«
Da öffnet sich wieder diese vertrackte Tür zum Nebenzimmer. Immer muß Fulvia herumspionieren. »Der Orkus verschlinge sie!« flucht er erbittert.
Kleopatra ist nicht die Frau hastiger verräterischer Bewegungen in der Überraschung. Sie massiert weiter, scheinbar gelassen, so vernichtend ihr diese Störung ist. Zwei Minuten später hätte sie ihn geküßt und überwältigt. Der abgefeimte Plan ist zerschellt.
Fulvia macht runde, verdutzt starre Augen. Die Königin als Masseuse! Sie ist auf vieles bei ihrem Marcus gefaßt. Auf dieses Schauspiel nicht.
Er sucht sich hastig Kleopatras Händen zu entziehen. Die Lage ist sehr verdächtig. Vor kaum einer Stunde hat er ewige Besserung gelobt. Er springt auf. Eine Hölle lodert in seinem Schädel. Verlegen steht er da.
»Willst du mich der Dame nicht vorstellen?« mahnt Fulvia zwischen den Zähnen.
Er gehorcht. Kleopatra ist ganz Zuvorkommenheit, Unschuld und Harmlosigkeit, Fulvia Entrüstung, eisige Gemessenheit und Abwehr.
»Sind in deiner Heimat die Könige Masseure?« Sie kann die Bosheit nicht um eine Welt unterdrücken. Sie würde an jeder bissigen Bemerkung, die sie hinunterschluckt, ersticken. Und sie ist keine Selbstmörderin.
»O gewiß«, lächelt Kleopatra munter, »bei ihren kranken Freunden.«
»Wir sind hier nicht in – Afrika.«
»Darum müssen die armen kranken Römer auch so bitter leiden.«
Fulvia fixiert sie durchdringend. Sie ist es nicht gewöhnt, im Kampfe der Zungen zu unterliegen.
Da fällt Antonius von Kleopatra ab. Die Angst vor seiner Frau hat ihn in den Klauen.
»Es geht mir schon viel besser«, murrt er schuldbewußt. »Ja – also – ich kann nichts für dich tun.«
Kleopatra sucht die Verachtung aus ihrem Blick auszumerzen.
Hilflos fährt er fort: »Das hinterlegte Testament ist allein maßgebend.«
Fulvia ist sofort im Bilde. »Des göttlichen Cäsar Wille ist heilig«, sekundiert sie salbungsvoll.
Kleopatra begreift, daß ihre Chance für heute verronnen ist. Doch Fulvia raubt ihr jede Hoffnung auf ein Morgen.
»Hast du der Königin gesagt, Marcus, daß ihr Gefahr droht?«
Er blickt sie verständnislos an, verdirbt alles, der Tropf.
»Mir Gefahr?« lächelt Kleopatra krampfhaft.
»Ja – dir.«
Da begreift das verkaterte Gehirn. Eilfertig will er alles gut machen, was er gesündigt hat. »Ich kam noch nicht dazu, liebe Fulvia. Wir hatten noch anderes zu besprechen.«
»Das habe ich bemerkt.«
»Aber« – er stammelt – ist wieder zusammengeschrumpft, ein armer ausgeblasener Sklave seiner Frau – »ich wollte es ihr gerade sagen.«
»Das Volk grollt dir.« Fulvia hat wieder Wort und Führung. »Es sagt, du hast Cäsar in den Tod getrieben.«
Kleopatra weiß, das Weib hat recht. Sie leidet schwer unter dieser Selbstanklage. Doch kein anderer, diese Frau da nicht, hat ein Recht, in ihr Heiligstes und Persönlichstes hineinzugreifen.
»Ich?!« empört sie sich.
»Ja, du«, erhärtet Fulvia mit grimmiger Ruhe. »Du hast ihm den irren Gedanken an die Monarchie eingegeben. Das Volk wird Rache von dir fordern.«
Sie blickt Antonius an, Bestätigung heischend. Er nickt, will brav und fügsam sein.
»Du tust gut, so rasch als möglich abzureisen.« Fulvia faltet die Arme unter dem Busen.
Da schreit die Demütigung unbeherrscht aus Kleopatra heraus: »Man kann mich doch nicht aus Rom – man kann Cäsars –« Sie stockt. Doch Fulvia vollendet den Satz:
– – »Geliebte sehr wohl ausweisen. Sie ist vogelfrei. Jedenfalls lehnen wir – Marcus Antonius lehnt jede Verantwortung für dein und deines Kindes Leben ab.«
»Jede«, unterstreicht Antonius markig.
Ein feiger Waschlappen! wütet Kleopatra. Und weiß, alles ist verloren. Diese eifersüchtige Megäre da wird die Schergen auf sie und ihr Kind hetzen. Sie liest ihren und ihres Sohnes Tod in den unerbittlichen bösen, kalten Augen. Sie handelt sofort. Hier ist nichts mehr zu gewinnen. Der Mann ist ihrem Netze entschlüpft.
»Ich werde morgen reisen«, entscheidet sie und versucht doch noch, diesem Pantoffelhelden einen Blick hinzufeuern, ihn zu locken, dieses Weib zu hintergehen. Doch er weicht ihren Augen aus im Banne Fulvias.
»Lebewohl«, sagt Fulvia, »gute Reise«.
»Lebewohl«, echot er.
»Danke.« Sie geht.
Ihr Spiel in Rom ist aus.
Und dennoch wartet sie heute, wartet sie die ganze Nacht. Sie hat ihm doch ihren Willen, ihre Wünsche in das Blut gerieben. Vielleicht kommt er doch! Sie begreift es nicht, daß sie vergeblich um einen Mann geworben hat.
Der Morgen kommt, nicht Antonius.
Ganz früh meldet sich bei ihr die Eskorte, die ihr nach Brindisi sicheres Geleit geben soll. Fulvia hat sie geschickt.
Tief gebeugt innerlich – nach außen trägt sie den schönen Kopf majestätisch hoch wie immer – verläßt sie die Stadt, deren Königin sie geworden wäre, wenn nicht – wenn nicht – –
Sie weiß nicht, daß das Gift, das sie dem Manne ins Blut geträufelt hat, wirken wird, langsam, langsam. Daß sie doch als Siegerin geht. Daß dieses Weib, das sie heute aus Rom verjagt, büßen und sterben wird an ihr.