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XX.

Etwas Ungeheueres, nie Gewesenes ist dieser Triumph. Nie zuvor hat einer anderen Stadt als Rom die Ehre und das Recht zugestanden, Triumphe über unterworfene Völkerschaften zu feiern. Rom ist die Herrin der Erde, ihm allein ist alles Untertan.

Antonius – und vor allem Kleopatra – wissen, daß sie mit dieser vermessenen Siegesfeier in Alexandrien Rom tödlich beleidigen, daß sie die Stadt am Tiber damit entthronen, ihr den Rang und die Würde der Metropole der Erde rauben. Ihre Tat bedeutet Absetzung Roms, die Erklärung Alexandriens zur Hauptstadt der Welt. Ihre Tat bedeutet Krieg.

Das Gepränge, das die kühnen Revolutionäre zur Schau stellen, ist der welthistorischen Bedeutung des Geschehens ebenbürtig.

Es ist ein sonniger, klarer, warmer Tag. Von der See weht die erfrischende alexandrinische Brise. Den Zug eröffnen römische Legionen. Dann folgt Antonius im purpurnen Triumphatorenmantel, auf goldenem Wagen von vier arabischen Schimmelhengsten gezogen. Ihre bebenden, feuchten Nüstern sind blutigrot. Dicht vor seiner Karosse schreiten gebeugt unter Ketten und Schmach der Armenierkönig Artavasdes, sein Weib, seine Söhne. Dann naht die lange Prozession der Gefangenen. Hinter ihnen klirren die Wagen mit den geraubten Kostbarkeiten, den goldenen Götterbildern der entweihten Tempel, allem Reichtum des ausgeplünderten Landes. Wieder römische Infanterie, ägyptische Truppen, östliche Kontingente.

Das leicht empfängliche Mischvolk Alexandriens staunt und tobt und feiert. Nie hat es dergleichen in seinen Gassen geschaut. Durch die breite Prachtstraße der Stadt ergießt sich der Zug. Geschrei, Winken, Rufe, Stolz umbrandet ihn. Jeder Grieche, jeder Ägypter, jedes Halbblut fühlt, jeder erkennt die Ehrung und Erhöhung seiner Vaterstadt. Immer haben sie Rom beneidet und verachtet. Was ist das ungesunde, alte, rückständige, winklige Rom gegen ihre gesunde, vorwärtsstürmende moderne Stadt! Nun hat Alexandrien, weithin sichtbar, den ersten Platz erobert unter allen Städten der Erde.

Am Grabmal des Gründers, am Sema Alexander des Großen, schreitet der Zug vorüber, an den weißen Kolonnaden des Gymnasiums, die zu summenden Bienenkörben voll brodelnden, staunenden Menschenschwärmen geworden sind, an den ragenden Säulenhallen des Museums hin zum Serapeum.

Hier harrt Kleopatra des Triumphators von ihren Gnaden. Der Hof, die Geistlichkeit, der Adel ihres Reiches umsteht sie prunkend und würdevoll. Auf silberbeschlagener Plattform erhebt sich ein Thron aus eitlem Golde. Starr sitzt sie in der buntschillernden heiligen Tracht der Isis. Sinnverwirrend farbenreich ist das Gewand, weil der Göttin Macht und Hoheit alles umfaßt. Licht ist sie und Finsternis, Tag und Nacht, Feuer und Wasser, Leben und Tod, der Anfang und der Untergang. Alles Wirken und Sein der Göttin ist in ihrem kostbaren Kleide symbolisiert.

Am Serapeum hält der Zug. Antonius verläßt den Wagen. Und wie er bei einem Triumphe in Rom im Tempel Jupiters an der Via Sacra das Dankopfer dargebracht hätte, bringt er hier dem Obersten der Götter, Serapis, das Weihgeschenk dar.

Zu dem goldenen Throne der Königin führt Antonius jetzt die gefangene Königsfamilie. Kleopatra gebührt in seinem Herzen der Triumph, sie will er vor aller Welt ehren und verherrlichen. Zu ihren Füßen will er alle Pracht und allen Glanz dieses großen Tages niederlegen. Vor ihr soll der gefangene König, der Verräter, sein Weib, seine Söhne sich in den Staub neigen, vor ihr sollen sie auf die Knie fallen, ihr reuevoll huldigen.

Doch das Festprogramm wird zerfetzt von dem Mute dieser Königsmenschen. Artavasdes, ein großer Dichter seiner Zeit und Sprache, verweigert den sklavischen Gruß. Auch seinem Weibe, seinen Söhnen vermag keine Drohung die stolzen Nacken zu beugen.

Das Volk murrt, Antonius tobt berserkerhaft, das alte Ungestüm braust noch einmal in ihm empor bei dieser öffentlichen Beleidigung seiner geliebten kleinen Königin.

Kleopatra rettet die fatale Lage. Sie lächelt. Laut sagt sie: »Führt sie hinweg. Die Königin ehrt diesen Königsstolz.«

Das Volk jubelt ihr gerührt zu. Den Gefangenen wird heute kein Haar gekrümmt. Heute! Erst später rächt Kleopatra die Kränkung durch geheimen Meuchelmord, Artavasdes wird vom Henker erwürgt.

Doch heute herrscht nur Jubel. Ganz Alexandrien wird öffentlich gespeist. Die Stadt ist eine riesige Galatafel. Am Abend rufen Herolde hoch zu Roß zum Höhepunkt des Festes. Zu der weiten Spiel- und Turnrasenfläche des Gymnasiums strömt die neugierig-heitere Menge. Ein Schauspiel bietet sich ihnen hier, wie es noch kein Volk der Erde gesehen hat.

Auch hier ist eine silberne Estrade aufgeschlagen. Auf ihr stehen sechs goldene Throne, zwei große, vier kleinere, die auf sechs Könige harren. Sechs Könige werden sich dem Volke von Alexandrien zeigen.

Alles harrt voll Verwunderung und Spannung. Sechs Throne? Sechs Könige?!

Da erscheinen sie. Tusch! Jubelgeschrei wettert gegen die Mauern des Gymnasiums. Jetzt begreifen alle. Ja, sechs Könige! Voran schreiten unter den Klängen der Militärkapellen Kleopatra und Antonius. Sie trägt die Tracht der Pharaonen mit der hohen, blauen Mütze und der Uräusschlange. Antonius ist in römischer Galauniform. Hinter ihnen folgen die vier Kinder der Königin. Drei von ihnen stammen aus Marc Antons Blut.

Das Volk wird taumelig vor Freude, brüllt jauchzend seiner Königsfamilie zu.

Cäsarion, jetzt ein schöner, schlanker Knabe, verblüffendes Ebenbild seines großen Vaters Julius Cäsar, trägt den römischen goldenen Panzer. Alexander- Helios, der Knirps, schreitet kindlich stolz daher in medischer Kleidung, der hohen Tiara, dem Kopfputz der alten persischen Könige, und der Kitaris. Neben ihm trippelt die kleine Zwillingsschwester Kleopatra-Selene. Sie führt Ptolemäus, das jüngste Kind der Königin und ihres Geliebten, an der Hand. Das Knäblein kann kaum gehen, stolpert auf seinen versuchenden unsicheren Beinchen dahin. Dieses Würmchen stolziert einher in einer winzigen Chlamys, dem Mantel der Mazedonier, und dem Kausias, dem Schmuck der indischen Herrscher, um den eine Krone gewunden ist. Ein phantastischer Maskenzug, der aber voll wohlverstandener Symbolik ist und sehr tiefer Bedeutung.

Die sechs Könige setzen sich auf die Throne. Der Sturm der Begeisterung verebbt. Die Militärmusik bricht ab. Antonius erhebt sich. Ein Abglanz der Schönheit und Kraft von ehedem verklärt ihn heute. Die Frauen brechen in helle spontane Laute der Bewunderung aus. Kleopatra lächelt kaum merklich, zynisch und wissend und verächtlich. Sie weiß, was hinter dieser Prachtfassade steckt. Eine Puppe, ihre Puppe.

Endlich kann der Imperator sprechen. Seine Kommandostimme schallt laut über den Platz und die Menschen hin:

»Volk von Alexandrien! Ich erkläre hiermit eure geliebte Königin zur ›Königin der Könige‹.« Jauchzen. »Ich bestätige ferner hiermit feierlich die Schenkungen, die ich eurer Königin gemacht habe und erkläre sie zur Königin von Ägypten, Cypern, Afrika und Kölesyrien.« Endloser Jubel.

Dann wendet Antonius sich gegen Cäsarion.

»Volk von Alexandrien, hier seht ihr den einzigen und echten Sohn des göttlichen Gajus Julius Cäsar.« Ein Orkan tobt zu den goldenen Thronen empor, daß der kleine Ptolemäus vor Angst zu weinen beginnt. Ein Blick aus den zündenden Augen der Mutter erstickt die Tränen.

»Ihm allein gebührt alle Macht Roms als Erbe seines erhabenen Vaters. Ich erkläre hier vor aller Welt feierlich, es hat ein Testament Cäsars bestanden, das ich selbst mit meinen eigenen Augen gesehen habe – ich beschwöre es vor den Göttern –, in dem Cäsarion zum Alleinerben Cäsars eingesetzt war.«

Eine Stille des Entsetzens. Dieses kluge, politisch geschulte Volk Alexandriens begreift, daß der schöne große Mann dort eine Kriegserklärung gegen Rom schmettert. Octavians einzige Rechtfertigung ist Cäsars Testament. Auf ihm ruht seine Stellung und seine Macht. Ohne dieses Testament ist er der Sohn eines kleinen zweifelhaften Provinzbankiers.

Dann gellt es aus hunderttausend Kehlen zum Himmel empor. Der Sohn ihrer großen kleinen Königin ist der Herr von Rom! Ist Gebieter des römischen Imperiums! Dieser Knabe Cäsarion, den sie alle kennen, der unter ihnen aufgewachsen ist, ist Herr der Erde!

Sie jubeln ihm zu, heil Cäsarion, heil Cäsar! Sie fragen nicht, was aus diesem Heilstestamente geworden ist. Kleopatra weiß es jetzt. Antonius hat es ihr hörig verraten.

Alexander-Helios ernennt er zum König von Armenien, Medien, dem Lande der Parther, das demnächst erobert werden würde. Ptolemäus wird König von Phönizien und Syrien.

Jede kühne Monarchenernennung wird von einer Orgie des Beifalls aufgefangen, prasselt in Sturzwellen der Zustimmung gegen die Mauern des Gymnasiums. Die beschenkten Kinder küssen die Eltern. Das Volk fällt auf die Knie vor dieser mächtigen Familie von Königen.

Das Reich des Ostens ist begründet. Alles, was je Ägypten, was je Alexander der Große beherrscht hat, gehört nun Kleopatra und ihrem Nachwuchs. Manches an diesem Reiche ist nur Ziel und Phantasie. Die Kinder sind zu Herrschern von Ländern erhoben, die noch nicht, noch lange nicht, unterworfen sind. Eins von ihnen hat soeben Antonius blutig heimgesandt. Was tut das ? Wer denkt daran? Der gewaltige Eindruck im Osten bleibt. Und Rom? Rom ist der Fehdehandschuh hingeworfen. Octavians Macht und Stellung ist in seiner Grundlage und Existenzberechtigung angegriffen und erschüttert vor aller Welt. Jetzt muß er sich zum Kampfe stellen oder abtreten.

Kleopatra will den Kampf. Will die Entscheidung. Cäsarion ist kein Land des Ostens zugesprochen worden. Er ist der Herr von Rom. Sie hat durch Marc Antons Mund den Anspruch ihres Sohnes auf Cäsars Reich vor den Ohren der Erde angemeldet. Endlich! Endlich! Worum man sie damals in Rom betrogen hat, das soll nun Recht werden durch Waffen und Gewalt. Die neue Lage erfordert neue Schritte. Der alte Plan ist tot durch die Niederlage im Lande der Parther. Es lebe der offene Krieg um das Recht Cäsars und ihres Sohnes!

Sie hofft auf Sieg. Ihre Flotte ist gerüstet, der römischen überlegen. Orientalische Herrscher, von der Schau geblendet, sind begeistert, hilfsfreudig bereit, für eine Standesgenossin, die Mächtigste unter ihnen, einzutreten gegen die alte Bedrückerin der Erde, gegen die Welteroberin Rom. Noch stehen in den Provinzen Griechenland, Kleinasien, die Antonius beherrscht, Legionen genug. Neue kann er ausheben. Und auf ihrer Seite kämpft das Recht, das Recht Cäsars und seines Sohnes.

Kleopatra drängt zum Entscheidungskampf. Sie begreift jetzt nicht mehr, daß sie ihn nicht von Anbeginn an Marc Antons Seite gewagt hat. Sie vergißt, daß er damals noch zu sehr Römer war, offen die Waffen für sie, die Fremde, die Ägypterin, gegen das Vaterland zu erheben. Vergißt, daß er erst völlig ihr Werkzeug werden mußte, ehe er als Werkzeug gegen Rom zu gebrauchen war.

Jetzt ist er soweit. Jetzt hat er ihr den alten Betrug bekannt, ihr gefällig zu sein, ihr eine vernichtende Waffe gegen Octavian in die Hand zu drücken. Sie verachtet ihn und verzeiht. Jetzt kann sie den letzten Kampf wagen um ihren Königstraum von Ost und West.


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