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X.

Längst hat Marc Anton die Nachricht von ihrem Nahen und der mythologischen Aufmachung ihres Kommens erhalten. Er hat sich mitten auf den Marktplatz der Stadt gesetzt, feierlich, als Herr Asiens, als Vertreter der Macht Roms im Orient. Da sitzt er erwartungsvoll mit seinem Stabe. Ganz allein mit seinen Offizieren sitzt er da. Alles Volk ist zum Hafen enteilt.

Ausgestorben ist der Markt, ausgefegt von dem Alltagstrubel sind die Gassen. Alles, was gehen, laufen, dahinstürzen kann, steht auf den Kais und starrt hinaus auf die goldene Galeasse.

Antonius sitzt auf elfenbeinernem Sessel inmitten seines Stabes mit feierlich gemessner Amtsmiene. Sie wird ihm sauer genug. Er hat keinen Sinn für Feierlichkeit. Doch er ist Richter hier, der die Sünderin und Büßerin erwartet. Er weiß noch nicht recht, wie und womit er sie strafen wird. Sie hat seinen Feind Cassius, den Mörder Cäsars, – ein Luder! – ihres Geliebten Cäsars, unterstützt. Hm. Er hat mit sich zu Rate gehen wollen. Ist noch nicht dazu gekommen. Gab zu viel anderes zu tun. Ein gefährliches Pflaster, dieser Orient. Diese Weiber! Diese Weine! Er wird schon etwas finden, wenn sie erst demütig und verängstigt vor ihm steht.

Das beste wird sein, er setzt sie einfach ab, erklärt Ägypten zur römischen Provinz, plündert ihren Schatz, von dem die Märchen künden, sackt ihn ein, macht sie als Gefangene zu seiner Sklavin und Maitresse. Ist ja ein entzückender kleiner Balg. Wie sie ihn damals massiert hat!

Er lacht lauf auf. Lucilius, sein Stabschef, beleidigt und verärgert über das lange Warten auf öder Flur, fragt in schroffer Respektlosigkeit: »Was wieherst du, Marcus? Mir ist gar nicht zum Lachen zumute. Eine Frechheit von diesem Weibstück! Hat offenbar keine große Eile, sich vor dir niederzuwerfen.«

»Sie wird schon kommen«, sänftigt der General gutmütig.

»Ich habe Würfel da«, verrät der Legat Quintus Ovinius.

»Bravo«, brüllt Antonius. »Vertreiben wir uns die Zeit, bis Frau Venus auftritt.«

Ein flottes Spielchen auf den togabedeckten Knien des Statthalters von Rom beginnt. Kleine Vermögen werden gewonnen und verloren. Die Schatten der Amtsgebäude um den Marktplatz werden länger und blau. Verbleichen dann ganz. Es dämmert. Die Nacht fällt rasch in diesen östlichen Landen. Die Spieler können die Augen der Würfel nicht mehr unterscheiden. Der Zwang bringt sie in die Wirklichkeit zurück.

Antonius blickt auf. Eine Horde Ordonnanzen steht militärisch wartend. Sie haben nicht gewagt, die Zerstreuung der Herren Offiziere zu stören.

Jetzt treten sie vor, erstatten Meldung. Die Schiffe haben festgemacht inmitten des Hafenbeckens, Düfte streichen herüber zum Kai, an Bord spielt eine ägyptische Kapelle – kein Nachen löst sich von den Schiffen – das Volk jubelt der Königin – der Venus ekstatisch zu.

»Jubelt ihr zu?« wiederholt Antonius perplex und stiert die Herren des Stabes an. Sie ist doch eine Büßerin! Was heißt da: zujubeln!

»Unverschämtheit«, murrt Lucilius.

»Eine durchtriebene Orientalin«, nickt Ovinius leichtfertig.

»Wo steckt denn der Dämlack Dellius?« braust Antonius auf. Er hat das dunkle Gefühl, daß die Sache beginnt, blamabel zu werden.

Die Ordonnanzen wissen es nicht. Wie sollen sie auch wissen, daß Kleopatra ihn an Bord festhält? Liebenswürdig unterhält ihn der schlaue Eunuch Mardion, verweigert ihm aber unter nichtigen Vorwänden das Boot zur Fahrt zum Kai. Der Römer schnaubt vergebens Wut und Rache.

Hilflos, zornig und unschlüssig blickt Antonius von einem zum andern. »Kinder, was macht man mit diesem tollen Weibsbild?« fragt er ratlos.

»Schleif sie her. Sofort!« rät der Stabschef Lucilius.

Die andern stimmen eifrig bei.

»Hm.« Antonius reibt sich schabend das gewaltige Kinn. »Ausgezeichnet. Fahr du hinüber, Lucilius. Du bist ein Weiberfeind und der Energischste von uns. Befiehl ihr kategorisch, sofort vor mir zu erscheinen. Nimm zehn Mann mit. Wenn sie Faxen macht, brauch Gewalt.«

Lucilius klirrt in seiner Rüstung über den leeren, widerhallenden Markt.

Eine halbe Stunde verrinnt, ehe er wiederkehrt. Allein. Verlegen lächelnd, einen seltsamen feuchten Schimmer in den schwarzen Augen.

»Na?« schmettert Antonius ihm über den Marktplatz entgegen. »Wo hast du sie?«

Lucilius antwortet erst, als er vor dem Triumvirn steht. »Das ist ja ein ganz wunderbares Geschöpf!« bricht er hingerissen aus. Der kalte, energische Lucilius hingerissen! »Das ist ja wahrhaftig Venus in voller Leibhaftigkeit. Also, Marcus, mach mit mir, was du willst. Konnte den Befehl nicht ausführen. Die Frau hat einen Charm! Die kann man nicht einfach verhaften. Ich nicht. So etwas Süßes, Kluges, Anmutiges – –«

Ein schallendes Gelächter läßt ihn aufstarren und verstummen. Die Offiziere biegen sich in Heiterkeit. Lucilius verliebt! Auf Anhieb bis über beide Ohren verschossen! Zum Totlachen. Antonius führt den Chor der Ausgelassenen.

»Hast du ja fein gemacht, du, der Energischste von uns! Der Weiberfeind.« Er ist aufgesprungen und haut ihm die Tatze auf die Schulterplatte des Panzers, daß der starke Mann schief einknickt. »Wunder mich nur, daß du überhaupt zurückgekehrt bist.«

Lucilius reißt sich zusammen. Der Schlag hat ihm weh getan. Er liebt diese plumpen Vertraulichkeiten des Generals nicht. Stramm dienstlich meldet er: »Die Königin lädt dich ein, Imperator, als ihr Gast an Bord ihres Schiffes zu kommen.«

Erneute ausberstende Lustigkeit.

»Sie lädt mich ein – sie, die ich vor mich befohlen habe.«

»Zu Befehl.« Lucilius ist plötzlich sehr militärisch.

Die Herren blicken sich verdutzt belustigt an.

Da zitiert der Witzbold des Stabes, Plancus:

»Denn wenn der Frühling keusch sein holdes Antlitz entschleiert,
Künden zuerst aufjubelnd im Chor die gefiederten Sänger
Venus, dein Nahn, und ihr Herz durchblüht dein berückender Zauber.
Froh durchtummelt das Wild die grünende Au, in die Wellen
Stürzt es sich kühn. So folgt im Bann deiner zwingenden Schönheit
Jedes Geschöpf dir, wohin du es strahlend rufst und gebietest.«

Jeder lacht, selbst Lucilius vergißt seinen Ärger. Jeder kennt die berühmten Verse des Titus Lukrez.

Dann ruft Antonius jungenhaft fröhlich: »Also, Kinder, machen wir es wie das liebe Vieh. Stürzen wir uns kühn in die Wellen. Folgen wir dem mächtigen Geheiß unserer Venus!«

Aufgepeitscht, in wildem Tumulte geht es zum Hafen. Sie laufen wie ungestüme Knaben zu einer lockenden Schau, diese Herren der Welt. Nur Lucilius schreitet gemessen hinterdrein. Er hat seine Würde wiedergefunden.

Als sie zum Kai gelangen, herrscht schon die frühe, jähe Nacht des Orients über Land und Strom. Ein dunkler, sternenklarer Samthimmel spannt sich über das Wasser. Einzelne Lichter steigen draußen auf und nieder, die Steuer- und Backbordlaternen der ankernden Schiffe. Sonst ist alles blauschwarz.

Doch da – urplötzlich – flammt aus dem See ein Wunder der Helle. Das Märchenschiff verwandelt sich in eine Springflut des Lichts. Die Masten, die Rahen, die Reeling, die Aufbauten zeichnen sich nach in züngelnden Linien. Stehen als brennende Umrisse gegen die finstere Nacht. An unsichtbaren Fäden, in Kränzen, in Girlanden, in verschlungenen Ketten, Arabesken, Gewinden, geheimnisvollen mystischen Zeichen glüht und glost und glimmt und funkelt es. Die leise gewellten Wogen des Sees spiegeln tausendfach in zitternden Kringeln diesen Sprühregen wider. Der goldene Rumpf des Schiffes ist eine Lohe, die aus dem dunklen Wasser geistert. Auf dem obersten Deck schwelt ein magisches, blaues, undeutbares Leuchten. Baldachin und Lager und Aphrodite, Amoretten, Charmion, Eiras, Nymphen und Venusgefolge phosphoreszieren durchsichtig und zur Unwirklichkeit entrückt.

Die schwarze Masse am Kai brüllt auf. Halb ist es Entsetzen, abergläubische Panik, halb aufgeputschte gierige Wonne des Schauens. Sie glauben nicht an leibhaftige Gegenwart der Götter, diese aufgeklärten Großstädter, sie wissen, es ist fauler Zauber, schöner Zauber – aber, man kann doch nicht wissen. Am Ende ist es doch Venus in Person. Man hat so manches von der Ägypterin gehört. Den alten Cäsar hat sie behext. Vielleicht steht sie doch durch rätselhafte Bande im Bunde mit der Schaumgeborenen. Eine atemlose Stille folgt dem ersten jähen Aufschrei furchtverzückten Aberglaubens und Staunens. Angstdurchbebte Andacht, sehenstolle Neugier starrt schweigend hinüber zu dem ägyptischen Feuerwerk.

Antonius und sein Stab erreichen im kritischen Augenblick den Kai. Vor ihren Augen spritzt und knistert das Flammenmirakel aus der dunklen Flut. Vielleicht Zufall. Vielleicht gibt ein unsichtbares Lichtsignal vom Lande die Erklärung. Die Herren stehen und starren wie die Menge, die so betäubt ist, daß sie den römischen Eroberern nicht ehrerbietig weicht. Liktoren müssen ihnen den Weg bahnen.

»Heiliger Donner!« stößt Antonius zwischen den Zähnen hervor, »großartig, wirklich ganz großartig!« Er wendet sich in kindlichem Stolze zu den Herren, als falle auch auf ihn ein verklärender Schimmer aus dem Glanze dieser imponierenden Schaustellung.

»Die Frau versteht den Rummel! Was? Die hätte Theaterdirektor in Rom werden müssen.«

Damit springt er die Stufen hinab in die Staatsbarkasse, die an der Kaitreppe leise auf und nieder scharrt. Am Fallreep empfängt sie mit orientalischer Grandezza der Hausminister Potheinus. Geleitet den Statthalter der römischen Provinzen des Ostens mit seinem Gefolge aufs Deck. Überrascht blinzelnd gegen den Lichtschwall bleiben alle stehen, bewundern den Venusstaat aus nächster Nähe.

»Großartig«, wiederholt Antonius und reckt anerkennend die Gladiatorenbrust, »wirklich famos, mein Lieber.« Potheinus verneigt sich anmutig.

»Nun wollen wir mal Frau Venus begrüßen.«

Er bedeutet den Herren zurückzubleiben und schreitet mit Potheinus der blauen Göttergrotte zu. Die Offiziere schmunzeln, liebäugeln mit den Nereiden, Nymphen, Grazien. Die sind nicht menschenscheu und spröde. Aus dem Lächeln aus der Ferne wird irdische Annäherung.

Antonius steht vom blauen Licht umflossen – woher strahlt es bloß? denkt er flüchtig – an dem weißen Lager Kleopatras. Er grüßt sie mit erhobener Rechten. Sie neigt den Kopf und blickt mit einem verwirrenden Lächeln von unten her zu ihm auf. Sie weiß, wie beglückend diese geheimnisvolle, sorgfältig erprobte, abgetönte und abgestimmte Beleuchtung ihren brünetten Teint hebt.

»Sei gegrüßt, Marcus Antonius«, singt die göttliche Stimme auf lateinisch. Die nackten Amorettenbübchen tragen einen rosenumgürteten Sessel herbei. Die Musik wird leiser, einlullender, verführerischer und leidenschaftlicher. Die Düfte strömen stärker, umnebelnder, betäubender. Die Vorstellung beginnt, diese Vorstellung, die Leben, Zukunft, Weltenschicksale entscheiden soll.

Antonius setzt sich, stark bezwungen und beeinflußt von dem Zauber, so sehr er sich auch einbildet, über diesem »Klimbim« zu stehen. Und plötzlich sind lautlos gleitend Charmion und Eiras vom Kopfende des Lagers, sind Kupido und Putten verschwunden. Sie sind allein in der bengalischen Beleuchtung. Vom Ufer hallen Heilrufe herüber. Der Bann hat sich gelöst. Der neue Dionysos und Aphrodite bieten der berauschten Menge ein hinreißendes, lichtumflossenes Schauspiel.

»Du hast mich rufen lassen«, lächelt Kleopatra und dehnt kokett die Glieder. Die chinesische, in Alexandrien entfadete Seide ist wie Flor. Kühn und herausfordernd packt sie den Stier bei den Hörnern.

Er ist verwirrt von ihrer Schönheit. Ganz anders hat er sie in der Erinnerung. Ein blasses, abgehärmtes Weib. Da vor ihm liegt verräterisch verhüllt die aufreizendste Frau, die je seine Begierde gestachelt hat. Welche verblüffende Wandlung! Keine Ahnung hat er von dieser Kleopatra gehabt. Und diese königliche Pracht! Immer hat er in seiner Phantasie die schwarzverhängte kleine Bittstellerin aus Rom gesehen.

Sie wiederholt, noch girrender: »Du hast mich rufen lassen.«

Ihre Stimme reißt ihn aus seinen leiblichen und seelischen Betrachtungen.

»Ah, richtig. Natürlich.« Er wird amtlich, so schwer es ihm auch in diesem befangenen Augenblicke fällt. Er sieht fort, hinaus in die Dunkelheit der Nacht.

Das chinesische Seidenkleid ist tückisch. Man ahnt den Körper mehr als man ihn eigentlich sieht. Ein faszinierendes Weib. Unsinn. Er muß ihr den Standpunkt klar machen. Aber saftig!

»Ich bin sehr unzufrieden mit deiner Aufführung«, poltert er los. Die Wucht dieses Ausbruches verrät seine Schwäche.

Sie macht eine kleine gleitende Geste mit der Kinderhand über das Deck hin. Ihre Armbänder klingeln melodisch. Auch sie sind abgetönt. »Gefällt dir mein Schiff nicht?« fragt sie scheinheilig verwundert.

»Ich rede nicht von diesem Schiff. Das ist – fabelhaft ist das.« Seine Augen weichen ihren grünen Nixenlichtern aus. »Ich rede von den Schiffen, mit denen du Cassius unterstützt hast.«

»Ich?!« Sie schüttelt sanft den schwarzen Kopf, um den das blaue Licht wie ein Heiligenschein glüht. »O, Antonius, du tust einer hilflosen kleinen Frau bitter Unrecht.«

»Du leugnest! Klipp und klare Tatsachen!«

»Auch Tatsachen sagen nicht immer die Wahrheit.« Sie schmiegt sich leidend zurück in die weichen Kissen und klagt: »Ich weiß, der Schein ist gegen mich. Ich begreife deinen schmerzlichen Zorn sehr gut. Aber ich war darüber genau so erzürnt – ach, tausendmal zorniger war ich, als du überhaupt sein kannst.«

»Ich verstehe dich nicht«, grollt er unmutig. »Laß die Faxen. Die verfangen bei mir nicht.«

Sie lächelt gekränkt. »Faxen! Deine Worte sind nicht sehr zartfühlend, Antonius. In Rom damals warst du viel netter. Was machen deine Kopfschmerzen?«

»Kopfschmerzen?«

»Weißt du nicht mehr?«

Er hebt die Stirn. Das große schöne Gesicht zerknittert sich im Nachsinnen. Plötzlich wird es von einer jäh auflachenden Heiterkeit durchleuchtet. »Richtig!« Er schlägt sich heftig auf den Schenkel. »Massiert hast du mich damals.«

»Als Fulvia hereinkam«, hilft sie schelmisch nach.

Er lacht breit und behaglich. Blickt sich schalkhaft um.

»Hier kann sie jedenfalls nicht plötzlich einbrechen.«

Sie kichert glockenhell in sein dröhnendes Gelächter. Der Mann gefällt ihr heute weit besser als dazumal. Heut ist er nicht verkatert und nicht verquollen. Ein schöner Bursche ist er heute. Ein Mann. Eine Persönlichkeit. Die Toga gibt ihm eine gewisse Würde, bändigt aber nicht diese ungeheure Lebensintensität, die in ihm gärt, verhüllt aber nicht die Pracht der gigantischen Glieder. Ein Fluidum von Sinnlichkeit und urwüchsiger Naturkraft strömt von ihm aus. Das Weib in ihr wittert diese strotzende, überschäumende Männlichkeit.

Mutig führt sie zu seinem Zorn zurück. Sie will diesen törichten Fehler forträumen zwischen sich und ihm, ihn ausrotten ein für allemal.

»Glaubst du im Ernste«, sie sieht ihm demütig in die großen Hundeaugen, »ich würde einen der Mörder Cäsars – ich! – unterstützen?!«

Er springt nicht so schnell nach. Sein Geist ist klobiger, schwerfälliger. Er braucht Zeit, bis er sich zurückfindet und brummt: »Aber du hast es doch getan!«

»Nicht ich, Marcus Antonius. Ich bin übertölpelt worden. Serapion, der Kommandant meiner Garnison in Cypern, hat auf eigene Faust gehandelt. Ohne meinen Befehl.«

»Ach, sieh mal an!« grunzt er argwöhnisch und sieht sie scharf an. Er kennt die Schliche dieser Verführerin. Und sieht ihrer Glieder Herrlichkeit. Gott, ist das Weib schön! Diese Augen, dieser üppige Mund – muß der küssen können! Er fetzt die Augen von ihr los und höhnt: »Also ganz unschuldig sind wir? Schau! Schau!«

Sie überhört seinen Spott. »Er hat seine Eigenmächtigkeit gebüßt. Auf der Fahrt hierher bin ich in Cypern gelandet. Serapion ist tot.«

Antonius führt die Augen zu ihr zurück. »Ist das wahr?« Er traut ihr nicht, nicht über den Weg.

Sie richtet sich stolz auf. »Ich pflege nicht zu lügen«, verweist sie kurz.

Nun, sie nimmt es im allgemeinen nicht so haarscharf mit der Wahrheit. Doch diesmal lügt sie nicht. Den Vollstrecker ihres Befehls hat sie als Sündenbock geopfert. Was gilt ihr ein Menschenleben! Was gilt in diesen chaotischen Zeiten ein Menschenleben! Was gilt ihr ein Garnisonskommandeur, wenn es um den großen Ehrgeiz und das eine große Ziel ihres Daseins geht! Sie hat Serapion ohne Erklärung gefangen nehmen und niederstechen lassen.

»Serapion ist wirklich tot?« zweifelt er noch.

»Genügt dir das?« Ihre Augen funkeln elektrisch. Funkeln dem Hünen ins Herz.

»Es genügt durchaus«, sagt er erstickt.

Sie legt sich befriedigt zurück, liegt weich und gelöst, eine unwiderstehliche Aufforderung und Lockung. Er rückt unruhig auf dem Sessel. Möchte sich auf sie stürzen. Er ist nicht gewohnt, zu fackeln, sich zu beherrschen. Dieses verdammte blaue Licht. Und all die Menschen dort drüben am Lande. Er blickt sich prüfend um.

»Gefällt dir mein Schiff?« flötet sie.

»Ausgezeichnet. Wirklich raffiniert. Ganz märchenhaft«, lobt er unbeseelt mit heiserer Stimme. Was soll ihm jetzt der störende Firlefanz. Er will das Weib da vor sich.

Sie fühlt es, durchschaut ihn. Nein, so leicht nicht! Zappeln soll er noch.

Sie dehnt noch einmal die glitzernde Gestalt, biegt den Leib empor auf Fersen und Schultern, daß ihm rot vor Augen wird vor Gier, und schnellt empor. Steht vor ihm, transparent im Lichte gegen den dunklen Himmel. Er greift nach ihr. Sie entschlüpft.

»Venus bittet Dionysos zum Mahle.« Sie verbeugt sich halb scherzhaft, halb ehrfürchtig, wirft den Kopf zurück, streicht die schwarzen seidenen Haare aus der Stirn mit den Intelligenzbuckeln.

Im Nu sind sie von Amoretten umzingelt, werden geführt auf einem Pfade von Blumen, den die nackten Knäbchen ihnen streuen. Die verborgene Musik wird zum Marsche. Aus allen Winkeln des Verdecks tauchen die Offiziere mit erhitzten Gesichtern hervor. Jeder hat eine der Grazien, Nymphen, Nixen, Hofdamen – edle Griechinnen, Ägypterinnen aus fürstlichem Geblüte, als Tischgenossin erkoren und erbeutet.

Sie wandeln über den Blumensteg hinab zum Festsaale, dem Hauptraume des schwimmenden Palastes. Die Marschmusik des unsichtbaren Orchesters draußen wird von einer verdeckten Kapelle innen übernommen. Ein betäubender narkotischer Duft schwelt ihnen entgegen. An der Tür des Saales prallt Antonius zurück. Bleibt festgerammt stehen. Staunt in den Raum, stumm, übermannt.

Der Fußboden ist von Onyx. Doch man sieht ihn nicht. Er ist in ein Parkett roter Rosen verwandelt, die auf eine geheimnisvolle Art aufrecht befestigt stehen, daß man über die offenen Blüten dahinschreitet. Purpurn sind auch die Lager, verschwimmen mit dem Boden. Hell weiß leuchten die Tische.

Antonius mustert stumm. Sie läßt ihm Zeit. Sie will ihm ihren Reichtum drastisch zu Gemüt und vor Augen führen. Sieh dir nur alles an, mein Junge. Die goldgewirkte Decke – sie ist hoch – nicht wie ein Schiffsraum, ragt hinein in einen der gewölbten Aufbauten – stützen Säulen von Achat. Die Wände sind mit blassem Elfenbein getäfelt, das in der sanften indirekten Beleuchtung mild den Raum widerspiegelt. Die Türen und die Wandfelder sind umrahmt von indischem Schildpatt, das Smaragdinkrustationen als künstlerische Ornamente zieren.

Ein Heer von Dienern in allen Farben und Nuancen der Menschheit, vom Blond des Germanen bis zum satten Schwarz des Äthiopiers, alles auserlesen schöne Jünglinge mit anmutbeschwingten Ephebengestalten, steht bereit.

Noch staunt und starrt und schätzt der Bravo Antonius. Sein wägender Blick ruht auf den Tischen.

»Du«, stammelt der Mann aus kleinen, ärmlichen Verhältnissen, der er, trotz seiner erstaunlichen Glückskarriere, immer geblieben ist, – »dieser Saal – der ist ja mehr wert als manche große Insel!«

»Denken wir, es wäre die Insel Cythera, die Heimat der Venus«, scherzt Kleopatra und führt den Gast über die atmenden Häupter der Rosen zu dem Ehrenlager. Sie legt sich rechts auf die seidene Purpurdecke und lädt mit einer graziösen Geste Antonius an ihre Seite.

Er staunt ganz wenig. Es ist das erstemal, daß er eine Frau beim Essen liegen sieht – zu Beginn des Mahles. Doch er ist kein Pedant und Sittenfex. Er nicht. Aufgeräumt wirft er sich neben sie, daß das Ebenholzgestell des Sofas kracht.

Die Herren des Gefolges reihen sich hinter ihnen. Ihre Erwählten sitzen sittig zu ihrer Rechten.

Knaben bieten Blumenkränze in bunten Körben. Kleopatra wählt einen Kranz aus fettig grünglänzenden Orchideen. Die exotische Farbe steht ihrem Haar und ihrer Hautfarbe. Die schwüle Blume soll die Stimmung heizen. Antonius will aufs Geratewohl in den Korb tatzen. Da wählt sie rasch für ihn langstielige, goldschimmernde Opuntien, zupft an ihnen und setzt ihm das Gewinde auf die braunen, üppigen Locken.

»Wie eine Krone«, flüstert sie bedeutungsvoll.

Er greift eine Schale vom Tisch und betrachtet kritisch eitel sein Bild in ihrem strahlenden Boden. Setzt den Kranz schief auf ein Ohr und lacht übermütig. Sie beißt die Zähne zusammen. Er hat die Anspielung nicht verstanden. Er strebt nicht nach der Krone. Macht will er besitzen, um schlemmerhaft zu leben, Reichtümer zu erraffen. Kein Herr der Erde schlummert in ihm. Kein titanisches Wollen. Kein Alexandergeist. Sie betrachtet ihn prüfend von der Seite, während er dem Mundschenk den edelsteingeschmückten Pokal hinhält.

Ein Schlauch ist er, denkt sie verächtlich, ein gemeiner Schlauch bis zum Rande gefüllt mit roher Genußsucht, lärmender Berserkerkraft, die sich keuchend auf die niedrigen Freuden des Lebens stürzt. Ich werde ihm anderen Inhalt einflößen. Ich werde in diesen Schlauch den großen Königsgedanken gießen, den Ehrgeiz, den unstillbaren Wunsch, Herr der Welt zu werden. Ich werde –

Er weckt sie aus ihrem Sinnen. Stößt sie burschikos mit dem Ellbogen an. »Du, das ist ein Weinchen!« Er schmeckt ihn kennerhaft auf der verwöhnten Gourmézunge. »Alle Wetter. Und in dem Gefäß. Das ist ja allein ein Vermögen wert.«

»Meine Vorgänger auf dem Thron, die Pharaonen und die Ptolemäer, waren weitschauende Sammler«, lächelt sie.

»Ich weiß, ich weiß.« Er legt sich bequem zurecht. »Dein Kronschatz soll ja was ganz Unerhörtes sein.«

»Du kannst ihn selbst taxieren, wenn du nach Alexandrien kommst«, lockt sie.

»Ich – nach Alexandrien?!« Er liegt auf den linken Arm aufgestützt, ihr halb zugewendet. Jetzt dreht er sich ihr voll zu. »Ich komm doch nicht nach Alexandrien. Wo denkst du hin! Ich inspiziere nur die Provinzen hier, dann muß ich nach Rom zurück.«

»Du willst meinen Besuch nicht erwidern?«

Sie tut gekränkt und rückt näher an ihn heran. Plump und ohne Zimperlichkeit muß man diesen Athleten betölpeln. Er fühlt ihre Schenkel durch den dünnen Stoff, als wären sie nackt. Er ist kein Spielverderber. Auch er rückt näher.

»Nicht böse sein, kleine Königin. Pflicht ist Pflicht.«

Diener stören sie auf. Wuchtig läßt Antonius sich vorlegen. Speise und Trank ist des Raumes würdig.

»Ausgezeichnet«, lobt er und schlürft zwischen Zunge und Gaumen probend die Austern aus Tarent. »Ihr wißt in Ägypten zu leben.«

»O ja. Greif nur tüchtig zu.«

»Darauf kannst du dich verlassen. Geht doch nichts über einen guten Happen und seltenen Tropfen. Ich bin kein Menschen- und Lebensfeind wie der olle Timon.«

»Timon?« Sie ruht leicht auf dem rechten Ellbogen, die Finger unter das Haar an der Schläfe gewühlt, das sie unbewußt emporhebt. Die edle Stirn ist entblößt. Er sieht nicht den Adel dieser Stirn, er sieht nur ihre flammende Schönheit. Angeregt ruft er:

»Du kennst den alten Narren Timon von Athen nicht?«

»Nein«, gesteht sie. »Ist das sehr ungebildet?«

Er lacht kindlich verschmitzt, dieses naive zutrauliche Knabenlachen, das immer wieder mit ihm versöhnt. »Glaubst du, ich hab' was von dem komischen Kauz gewußt, ehe ich nach Athen kam? Nicht die Bohne.« Er greift mit beiden Händen zu und spricht mit vollem Munde fort: »Mußte dort viel mit Philosophen und solchen gelehrten Krausköpfen verkehren. Gehört dort zum guten Ton. Zum Sterben langweilig, kann ich dir sagen. Und dabei mußte ich immer tun, als verstände ich alle diese verworrenen Sprüche. Das Einfachste wird in ihrem Munde konfuser Mischmasch. Ich hab' einfach ein schlaues Gesicht geschnitten, nachdenklich mit dem Kopf gewackelt, die Augenbrauen wichtig hochgezogen und mich ausgeschwiegen. Und die alten Bärte glaubten, ich sei ganz ihrer hochweisen Meinung.«

Er lacht gassenbubenhaft unbekümmert. Sein Lachen ist ansteckend. Zwanglos lacht sie mit.

»Du ißt ja gar nicht«, mahnt er.

»Ich esse nie sehr viel. Und was war das mit Timon?« leitet sie zurück.

»Richtig. Ja, ich mußte mir da ein Stück von Aristophanes ansehen. Sehr mäßig, wirklich. Da haben wir in Rom ganz andere Schauspiele mit Tänzern und Weibern und so. Aber da trat dieser alte Timon auf. Als Figur natürlich nur. Der ist lange tot. Der interessierte mich wegen seiner Verrücktheit.«

Er greift zu. Der Diener reicht Tunfisch aus Chalzedon.

»Erzähle«, drängt sie mit gut gespielter Teilnahme. Sie will ihn auflockern, in bewegte Erzählerstimmung bringen, ehe sie ihn mit ihrem Plane überfällt. Will aber schon heute, gleich, von der ersten Stunde an beginnen, ihn zu berennen, zu erobern, ihn zu ihrem blind gefügigen Werkzeug zu machen, ihn auf ihre Weltmonarchie-Idee vorzubereiten, sein banales Hirn zu düngen, die Saat auszusäen. Ihr Ungestüm lechzt, treibt, trotz aller warnenden bösen Erfahrungen, die ihr geworden sind.

»Erzähl«, spornt sie und rückt, wie im Eifer des Lauschens, enger an ihn heran.

An den anderen Tischen geht es laut und lustig zu. Die Luft ist schwer vom Geruche der Speisen, dem Aroma der uralten Weine, dem Hauch der Rosen und Kränze.

»Ja, dieser sonderbare Kunde lebte zur Zeit des Peloponnesischen Krieges und war der ärgste Menschenfeind, der je gelebt hat. Mied jeden Umgang mit seinen Mitbürgern, verfolgte sie mit saftigen Bosheiten. Einmal – nein, sag' du mal zu mir: ›Lieber Timon, wie schön und trefflich ist unser Gastmahl.‹ Und ich werde dir antworten, was er dem Apemantas oder wie der Bursche hieß, geantwortet hat, als er notgedrungen bei einem Feste mit ihm speiste.«

Verwundert gehorcht sie dem großen Kinde. »Lieber Timon, wie schön und trefflich ist unser Gastmahl.«

Da prustet er los: »Ja, wenn du nur nicht dabei wärst!« lacht, daß er sich verschluckt und nach Atem ringt. »Klopf mir auf den Rücken«, ächzt er und dreht ihr seinen breiten Rumpf zu. »Tüchtig!« Sie tut es.

»Angenehmer Zeitgenosse, was?« frohlockt er, als er wieder, blaurot im Gesicht, zu Atem kommt.

Sie nickt belustigt, ob über Timons grobe Aufrichtigkeit oder die Naivität ihres Gastes, bleibt unentschieden.

Von dem ersten Erfolge angestachelt, erzählt er weiter. »Einmal bestieg er in einer Volksversammlung die Rednertribüne. Alles staunt. Timon will zum Volke sprechen? Der Menschenfeind tritt öffentlich auf! Er sagt: ›In meinem Hof steht ein Feigenbaum, ihr Bürger von Athen.‹«

Antonius schauspielert, ahmt Timons knarrende Stimme trefflich nach. Er kennt Theaterwirkung. »An ihm haben sich schon viele Bürger Athens erhängt. Ich gedenke diesen Hof zu bebauen. Und wollte es nur vorher öffentlich bekanntmachen. Damit alle, die Lust haben, sich daran aufzuknöpfen, es beizeiten tun, ehe der Baum umgehauen wird.«

Er hält in fettiger Hand den triefenden Flügelknochen des phrygischen Feldhuhns empor, das eben serviert wird, und harrt mit lustigen Augen ihres Beifalls. Herzlich lacht Kleopatra. Sie hat Sinn für eine witzige Anekdote.

»Bravo!« ruft sie.

»Ulkiger Knabe, was?« triumphiert er. »Na, und da Gegensätze sich bekanntlich anziehen, hat dieser Menschenfreund mir großartig gefallen. Prosit!«

Er hebt den Pokal. Sie greift zu ihrem Becher. »Auf daß wir nie werden wie Timon«, schmunzelt er.

»Die Gefahr liegt dir nicht nahe«, lächelt sie.

»Kaum.« Er wischt sich selbstsicher und ahnungslos mit dem Handrücken den Mund.

Das Mahl geht weiter. Sie sieht voller Staunen die Mengen, die in seiner Kehle verschwinden. Becher auf Becher gießt er hinab.

Lärmender wird es hinter ihnen im Saale. Mit lauten Ohorufen werden die Riesenschüsseln mit den ganzen, unsichtbar zerlegten Pfauen, dem Mittelstück jedes Gelages, begrüßt.

Da schlägt Kleopatra ihre erste Parade. »Was macht der Enkel des Wucherers von Velletri?« fragt sie nebenbei und spielt mit einer Orchidee, die aus ihrem Kranze gefallen ist.

Antonius merkt nichts, stutzt nicht. Er ist in gehobener, behaglicher Laune. Er schwelgt bei diesem leckeren Schmause an der Seite dieser köstlichen Frau, die eine so heitere Lauscherin seines Schwatzes ist.

»Ach der!« Er tut Octavian mit einer großartigen, sorglosen Geste ab.

»Er ist doch nicht ganz so harmlos«, schürt Kleopatra weiter, »wie du damals in Rom glaubtest.«

Antonius räkelt sich, im Genusse gestört, auf dem Lager.

»Ein elender Tropf«, knurrt er. »Ein feiger Schleicher.«

»Er schleicht aber zur Macht hinauf«, bedeutet sie.

»Dusel hat er, weiter nichts«, murrt er erbost. »Alles, was er anfaßt, mißlingt. Er fällt von einem Mißerfolg in den andern –«

»Fällt dabei aber, scheint mir, immer die Treppe hinauf.«

Er streckt heftig den feuchten Zeigefinger gegen sie aus. »Stimmt! Stimmt aufs Haar. Im Kampf gegen den Sohn des Pompejus tat er etwas, was noch kein römischer Heerführer je getan hat. In den Gewässern bei Scilla versaute er durch seine albernen Befehle die Lage, verlor völlig den Kopf und floh mitten im Kampfe ans Land. Ließ Flotte Flotte sein. Hast du so etwas schon gehört?!«

»Unglaublich.«

»Und das Ergebnis? Er gewann die Schlacht. Denn sein Unteradmiral Cornificius, froh, seine Quatschbefehle los zu sein, sammelte die Flotte und schlug Pompejus Sextus. Der Erfolg aber fiel auf den Deserteur.«

Sie schweigt. Im Feuer seines geheimen Hasses erzählt er fort. »Und bei Taormina, als er wieder dem Sextus Pompejus gegenüberstand. Genau dieselbe Geschichte. Er stolpert blind in eine Falle, verliert wieder, wie immer, den Kopf, das Heer ist verloren – da kommt die Nacht – rettet ihn –, wieder macht er sich persönlich davon – Agrippa haut die verlassene Armee mit der Flotte heraus. Octavian spielt sich als der Sieger auf.«

Sie schweigt noch immer.

»Nun, und jetzt bei Philippi! Um ein Haar wäre die Sache durch seine Feigheit schief gegangen. Ich hatte ihm schon, durch die früheren Erfahrungen belehrt, einen Posten gegeben, wo er nichts verderben konnte. Und doch hat er mir beinahe die Schlacht geschmissen. Greift gegen meinen Befehl an, verpfuscht mir meinen Plan, wird in die Pfanne gehauen, flieht natürlich als erster. Mit Not und Mühe kann ich seine Feigheit wettmachen.«

Er tut erbittert einen langen Zug aus dem Goldpokal.

»Und dennoch hast du mit ihm die Herrschaft über das römische Reich geteilt!« sagt sie mit leisem Vorwurf.

Er zuckt verdrossen die mächtigen Schultern. »Glaubst du, ich habe gern mit ihm geteilt! War nicht zu umgehen. Er hatte mitgesiegt. Stand auf meiner, des Siegers Seite. Der Ruhm und Erfolg strahlte auf ihn über. Und dann! Er ist eine Macht, mit der ich rechnen muß. Der Name Cäsar, den er erschlichen hat, wirkt Wunder.«

Da springt sie zu wie eine Pantherkatze.

»Erschlichen?« Sie lächelt eisig. »Man hätte das zweite Testament Cäsars nicht vernichten sollen.«

Er zuckt auf, starrt sie überrumpelt an – rückt von ihr ab.

»Wer hat ein Testament vernichtet?« trotzt er patzig.

Sie beharrt nicht. Noch ist es zu früh zur Abrechnung. Nur drohen will sie, durchblicken lassen, daß sie alles weiß. Ihn ihre Macht fühlen lassen. Sofort lenkt sie geschmeidig ein.

»Du weißt, ich habe immer geglaubt, Cäsar habe ein zweites Testament errichtet. Von diesem Glauben komme ich nicht los. Wer es vernichtet hat, weiß ich nicht. Du natürlich nicht. Schon die Vermutung wäre eine Beleidigung für dich. Wie könnte ein genialer Staatsmann wie du die bodenlose Dummheit begehen, einen Octavian als Verbündeten einzutauschen gegen meinen Sohn Cäsarion und mich.«

Er ißt hastig. Sein hübsches Gesicht umwölkt blutüberströmte Verlegenheit. Er sucht sie hinter überstürztem Schlingen zu verbergen. Das Erscheinen der ersten Tanzmädchen rettet ihn aus der fatalen Lage.

Zu einer heiteren flotten Weise flattern zwölf dunkelhäutige junge Ägypterinnen herein, nackt bis auf einen schmalen, buntgestickten Lendenschurz. Ein Viereck vor dem Lager der Königin ist von den Rosen befreit worden. Gelbgrün glänzt der Onyx des Bodens hervor. Es ist ein fröhlicher Tanz fröhlicher Leiber. Das Tamburin rasselt, die Kastagnetten knattern nervig. Die Tänzerinnen biegen die gelenken Körper in den Hüften zurück, daß sie mit den Händen den Boden berühren. Schnellen zurück, gleiten, wiegen sich zu einer einschmeichelnden, lustig-marschbeseelten Musik. Bewegung und Töne schweben leicht, beflügelt, unbeschwert, mild erotisch. Lassen in den römischen Gästen ein Ahnen aufflattern von dem lebensinbrünstigen, unbekümmert heiteren Volke des Niltales.

Antonius fühlt instinktiv in diesem lustbeschwingten, daseinsträchtigen, körperfrohen Taumel der Glieder das Verwandte. Die Wellen der freudigen, sorgenscheuchenden Melodie haben seinen Unmut davongetragen. Er rückt wieder nahe an Kleopatra heran.

»Kleine Königin«, schnurrt er wohlig, »hübsch war das! Fremdartig. Aber durchprickelt einem angenehm Herz und Seele. War das ägyptisch?«

»Uraltes Ägypten. Jahrtausendalte Harmonien und Rhythmen und Bewegungen. Solche Tänzerinnen – genau so – sieht man auf den ältesten Bildern in den Tempeln und Grabkammern der Pharaonen.«

Er sinnt und beteuert wichtig: »Siehst du, Kleopatra, das verstehe ich. Das spricht zu mir.«

»Weil du ein Lebensbejaher bist wie die Ägypter.«

»Ich denke, die sind so düster. Ihre Tempel, Pyramiden, Mumien?«

»Ihr Totenkult ist ernst, ihr Leben ist heiter. Es ist ein fröhliches, genießerisches Volk. Leichtherzig, festlich, freudevoll. Ein Volk nach deinem Herzen, Marc Anton.« Sie lächelt ihn fast zärtlich an. »Du wirst es kennenlernen und lieben, wenn du nach Ägypten kommst.«

»Aber ich komme doch nicht«, lacht er aus breiter Brust. »Ich muß zurück nach Rom. Dem Octavian auf die Finger sehen.«

»Wie sieht er eigentlich aus?« fragt sie aus einer plötzlich abschweifenden Neugier heraus.

»Wie er aussieht?« Antonius lacht gallig auf. »Keine reine Freude, kleine Königin. Er sieht aus, wie sein gemeiner, grausamer, hinterlistiger Charakter ist. Ganz hübsche Züge – ja –, die hat er wohl. Aber die Haut voller Pickel. Und Zähne, das einem übel wird. Nein, viel Staat kann man mit ihm nicht machen. Eine kurze Gestalt, bißchen schmierig, badet nie. Hübsche Augen, alles was recht ist. Das ja. Und verpimpelt! Im Winter trägt er vier Tuniken übereinander unter einer dicken Toga und wollene Bauchbinden und Schenkelwärmer und Strümpfe und was weiß ich alles. Ein peinlicher Herr. Und bezeichnend für seinen bösen Sinn: er haßt die Sonne. Sogar im Winter trägt er im Hause und im Freien stets einen breitkrempigen Sonnenhut.«

Sie lächelt seltsam. Sekundenlang hat sie erwogen, ob Octavian nicht vielleicht doch der aussichtsvollere Wagenlenker im Rennen um das Weltreich ist. Jetzt scheint ihr der lebensstrotzende, gesunde, saubere Mann da neben ihr wie eine Erlösung.

»Brrr«, macht sie und schüttelt sich.

Er ahmt ihr nach. »Hast recht. Zum Schütteln. Ein Schmierfink innerlich und äußerlich.«

»Warum zertrittst du ihn nicht?« Ganz ruhig fragt sie es. Doch in ihren Augen brennt ihr hypnotischer Willen.

Er sieht sie groß an. Die breiten Flächen seines Gesichts sind schon leicht vom Wein gerötet. Er lacht kurz und bitter auf. »Weil mir die Macht dazu fehlt, kleine Königin.«

»Schaff sie dir!«

Sie flüstert es nachlässig, im Plaudertone. Und doch ist es, als stoße sie die aufhetzenden Worte wie spitze Dolche in den Hünenkörper da neben sich.

Er fühlt plötzlich das Stilett der Verführung. Richtet sich geraffter empor. »Wie?!« fragt er, als habe er sich verhört.

Sie hat ihn getroffen. Wie ein verwundeter Stier wird er jetzt drauflospreschen, dorthin, wohin sie ihn zu verleiten wünscht. Wie ein geschickter Bandillero treibt sie mit ihm ihr aufreizendes Spiel. Weicht ihm federnd aus.

»Nicht jetzt. Ein andermal. Heute wollen wir fröhlich sein.« Sie hebt ihm den Pokal entgegen. Hat die linke Hand flach auf die Purpurdecke gestützt, den Körper zu ihm hingeneigt, der Mund ist verführerisch halb geöffnet, lockt dicht vor seinen Augen.

Sein Gehirn ist kein springender Tänzer. Hüpft nicht elastisch von einem Gedanken zum andern. Damit rechnet sie.

»Nein, nein. Sag' es jetzt. Du weißt etwas, Du redest nicht ins Blaue hinein. Du nicht.«

»Vielleicht nicht«, kokettiert sie und streift seine Schulter mit ihrer Brust.

Sie hat den tödlichsten Haß und das geheimste und wildeste Verlangen in seinem Gemüte aufgereizt. Es blutet. Es schwärt. »Du bist klug –« er bleibt stiernackig auf der Fährte, auf der sie ihn angesetzt hat. »Wer einen Julius Cäsar vier Jahre fesseln konnte – diesen ewigen Wanderer der Liebe – –«

»Morgen«, vertröstet sie.

»Sag' mir nur eins«, bettelt er, »hast du einen bestimmten Plan, Octavian – zu – vernichten?«

Sie rückt ganz eng an ihn heran. »Hast du schon einmal darüber nachgedacht, was Weltherrschaft bedeutet?« Ihr Atem ist sengend, heiß weht sie ihm die Worte ins Gehör.

Er dreht unruhig den Kopf auf dem stämmigen runden Hals. »Nein – wieso?« fragt er irritiert. Er will doch etwas über diesen feigen Schächer Octavian hören und sie – –

Ihre Augen sehen an ihm vorbei, durch ihn hindurch, sinnend in die Ferne. Ein feuchter Stern glüht in den geweiteten Pupillen. »Denke dir, Herr der Welt zu sein. Gebieter aller Länder dieser Erde. Wie ein Gott über alle Menschen zu walten. Sie zu begnaden mit allem Guten, Schönen, wenn du willst – sie zu vernichten, zu ängstigen, zu schlagen mit allem Bösen, wenn es dich gelüstet.«

»Ja – ja«, schaltet er gequält ein. Worauf will sie nun wieder hinaus? Doch ein schwierigeres Weib als er dachte!

»Jede Kreatur hängt an deinen Lippen, die Leben und Tod bedeuten. Durch einen Wink deiner Hand werden Segen und Unheil. Hier – dort – hinter den Bergen – jenseits des Meeres schaut alles Lebende auf dich. Du bist der eine, einzige, allmächtige Wille – überall – über Tausende von Meilen hin – über alle Lande. Alles lebt und atmet und freut sich und leidet durch dich – nur durch dich. Ein Rausch – Gott sein über alle Menschen und alle Lande. Etwas, das einen emporhebt – letztes höchstes Menschentum – weil fast schon Gottheit.«

Ihre Sehnsucht hat sie fortgerissen. Ihr Gesicht ist unirdisch, schwebt losgelöst von ihrem Körper im Raume wie eine von einer geheimnisvollen heiligen Flamme durchglühte Ampel. Er sieht nur ihre Schönheit, ihren Mund, seine Bewegung, hört nur die betörende Melodie ihrer Stimme, versteht kaum den Sinn ihrer Worte.

»Alle Großen dieser Erde haben diesen Traum geträumt. Cyrus, Nebukadnezar, Alexander, Cäsar. Sie alle wollten die wirkende, schaffende Seele dieser Welt sein. Willst du es nicht?«

Er räuspert sich. »Hm – na ja – ich weiß nicht –«, stolpert er dahin.

Sie will ihn mitreißen. Sie sucht faßlich, leichtverständlich zu sprechen. »In deiner Hand liegt die Menschheit gebettet. In deiner Hand ruht jedes Geschick, das größte und das geringste. Bist du gut, kannst du jedem das Leben hier auf der Erde erhöhen, Glück wirken in jedem Palaste, jeder Hütte. Bist du schlecht, bebt der Mächtigste und Erbärmlichste vor deinem Wimperzucken. Das höchste und letzte Gefühl, das ein Mensch empfinden kann, das Göttlichste ist in dir, dem Herrn der Erde. Über alles Irdische bist du hoch hinausgewachsen – – bist kaum noch Mensch –, jedes Stückchen dieser Erdoberfläche, jede Welle des Meeres gehört dir –«

»Ja – ja«, schiebt er vag ein.

Da stürzt sie aus ihrem seherhaften Überschwang in die Wirklichkeit nieder. Blickt sich um in dem trunkenen Lärm des Saales, sieht ihn an, streicht nach ihrer Gewohnheit mit einer müden Bewegung die Haare an den Schläfen ihres plötzlich abgespannten, erloschenen Gesichtes zurück, lächelt angestrengt und fragt: »Hast du das verstanden?«

Er will zur Höhe ihres Gedankenfluges folgen.

»Ich fühle ganz genau, was du meinst«, nickt er eifrig. Und glaubt es.

»Willst du solch ein Gottmensch werden?« fragt sie erschöpft, mit letzter Beschwörung.

Da lacht er ungebärdig los, daß das Lager zittert. »Ich – Herr der Welt! Du hast mehr Humor als ich dachte!«

»Lach nicht!« schreit sie ihm in ernüchterter Wut ins Gesicht.

Sein Lachen bricht jäh ab. Ein verdutzter gescholtener Junge blinzelt sie scheu an. »Ich – ich wollte dich nicht kränken. Nur –«

Sie macht eine majestätische, wegwerfende Geste mit der rechten Hand. Zürnt sich ob ihrer Unbeherrschtheit. Er ist kein Cäsar, dieser simple Mann, der da großartig neben ihr liegt. »Ich werde dir helfen, Herr der Erde zu werden«, raunt sie geschmeidig einlenkend dicht an seinem Ohr, in dem die Haarbüschel wie Unkraut wuchern.

»Du?!« Er tippt, zwischen Scherz und Ernst, zwischen Zweifel und Glauben, mit dem Zeigefinger auf ihre Brust.

»Cäsar wollte es mit mir im Bunde«, spielt sie ihren kühnsten Trumpf aus.

Er bebt zurück. »Und ist dabei in den Tod getaumelt.« Er zieht sich furchtsam abergläubisch von dieser Todbringerin zurück.

Sie hat diese erste einschüchternde Wirkung, dieses Zurückscheuen vorausgesehen. Eindringlich fährt sie fort: »Die Zeit war damals noch nicht reif. Jetzt liegt alles anders.« Sie spricht wieder im Plaudertone, daß die andern nicht merken, welche weltumstürzenden Dinge hier verhandelt werden. Ihre blutig geschminkten Lippen lächeln, nur in den Augen funkelt der schicksalsdunkle Ernst dieser Stunde und der verzehrende Ehrgeiz ihres Lebens.

»Der Gedanke der Monarchie ist heute in Rom nicht mehr absurd, wie damals. Cäsar hat die Idee des Königtums in die Massen gesät.«

»Das stimmt«, sinnt er nachdenklich. Er rückt wieder näher an diese berückende, gefährliche Frau. Das Fluidum, das von diesem kleinen katzenhaften Körper ausstrahlt, betäubt unwiderstehlich den widerstrebenden Willen. Marcs Bein berührt ihren Schenkel. Er ist eiskalt vor innerem Aufruhr.

»Friert dich?« fragt er besorgt.

Sie schüttelt abwehrend den Kopf. »Auch Cäsar wollte das Weltreich gründen.«

»Wieso Weltreich?« Er reibt verstört die niedrige Stirn mit dem Rücken des rechten Zeigefingers.

»Alles war bis ins Letzte vorbereitet, ausgedacht. Mein Reich sollte im Osten der Stützpunkt werden. Es liegt zentral. Ist Knotenpunkt der Straßen von Ost nach West, von West nach Ost. Alexandrien sollte die Hauptstadt des Reiches der Erde sein.«

»Alexandrien? Und Rom?!«

»Rom hat ausgespielt. Bleib' ruhig liegen. Bezwing' dich. Erreg' nicht die Neugier der andern.

Hör' zu Ende. Ich sollte allen Reichtum Ägyptens – – du weißt, es ist eins der reichsten Länder der Erde, der Staatsschatz unermeßlich. Die Einkünfte an Steuern allein betragen im Jahre über 12500 Talente. 58+937+500 Rm. Die Zölle sind enorm. Es ist der Landweg vom Westen nach Indien, China. Ägypten ist das natürliche Zentrum der Herrschaft über die Welt. Das Reich, von dem ich spreche, wäre größer als das Alexanders. Es würde sich erstrecken von Spanien, Gallien bis nach Indien. Alle Macht, aller Reichtum der Erde gehört dir, wenn du willst.«

Antonius wischt mit der Hand, die bisher nur räubern und das Schwert führen konnte, über das vom Essen und Trunk erhitzte feuchte Gesicht. Sein Gehirn ist noch ganz klar. Das weiß er. Das bißchen Wein tut ihm nichts. Doch es scheint ihm, als torkele er in schwerem Rausche. »Wieso mir? Woher mir?« flüstert er, in der Erregung ist seine Zunge weingelähmt. Er fühlt dunkel, daß es um Geheimes, Geheimstes, Revolutionärstes geht.

»Wir müssen vorsichtiger sein«, raunt sie verschwörerisch, »als Cäsar und ich waren. Ich habe damals in jungem Ungestüm zur Tat gedrängt. Gebranntes Kind scheut das Feuer. Ich bin kein Kind mehr. Bin in diesen Jahren um Jahrzehnte gealtert und gereift innerlich. Cäsar wollte noch zögern, warten. Erst gegen die Parther ziehen. Diesen alten Erbfeind Roms unterjochen, den ferneren Osten erobern. Mit allen Schätzen Indiens beladen in Rom seinen Triumph feiern, in der Begeisterung und Ekstase dieses Triumphes sich die Königskrone aufs Haupt setzen. Das Heer nicht entlassen vor dem Triumphe. Dem alten Gesetze, das dies fordert, trotzen. Mit der siegreichen Asienarmee jeden Widerstand einschüchtern, wenn nötig, brechen –«

»Ich verstehe«, ächzt Antonius. Das Letzte, dieses Tatsächliche, geht ihm ein. Das umklammert sein Soldatenhirn sofort.

Sie legt die bebende Hand auf den nackten, haarigen Arm, der aus der Toga herausragt.

»Hör' zu Ende. Diesen Plan Cäsars mußt du erfüllen.« Sie ist jetzt nichts, als beschwörende Energie. Der kleine zarte Körper zittert unter der überlasteten Spannung des Willens. »Ich kenne Cäsars Kriegsplan zum Partherzug genau. Er hat oft über jede Einzelheit mit mir gesprochen. Die Einfallslinie, jede Etappe des Marsches kann ich dir verraten.«

Er atmet hörbar. Sie hat in ihm gezündet. Krieg ist sein Handwerk. Zorn gegen die frechen Parther lebt in jedem Römer, seit sie Crassus vernichtend geschlagen haben. Jetzt geht er mit.

Sie schmiedet das heiße Eisen.

»Du hast acht Legionen bei dir in Kleinasien.«

»Du weißt Bescheid«, nickt er, zu erregt, sich über ihre Kenntnis zu wundern.

»Ich tue nichts halb«, sagt sie ohne jede Überhebung, ganz sachlich. »Alles ist genau erwogen. Du mußt die Armee vermehren. Vierzehn Legionen mobil machen. Krieg gegen die Parther wird in Rom mehr als populär sein. Octavian wird vor Wut platzen. Angst bekommen. Soll er. Im Frühling brichst du auf. Nach diesem Siege über die Parther und Indien feierst du in Rom deinen Triumph, rufst dich zum König aus, Octavian wird nicht wagen zu mucksen. Wenn ja, desto besser. Dann vernichtest du ihn. Wenn er sich duckt, läßt du ihn heimlich ermorden. Ich stehe von Anfang an bei dir mit allem Reichtum, aller Macht und der Flotte meines Landes. Sie ist geschult und schlagfertig. Das Heer taugt nichts. Du siehst, ich spiele mit offenen Karten. Schon ehe du nach Rom zum Triumphe ziehst, wirst du Kaiser des Ostens. Nach dem Triumphe und deiner Ausrufung zum König von Rom vereinigst du unter deinem Zepter den Osten mit dem Westen zum Reiche der Welt.«

Sie loht. Er fühlt die Glut ihres Körpers. Die Kälte ist gewichen. Auf den dunklen zarten Härchen ihrer Oberlippe perlen winzige blinkende Tropfen.

Er windet sich auf dem Lager unter der Überfülle der auf ihn einstürzenden Pläne und Gedanken. Vieles packt ihn. Doch das Ganze ist zu gigantisch, es im Augenblicke zu meistern. Auch züngelt sein Argwohn empor gegen diese geheimnisvolle Frau.

»Und du? Was wird mit dir? Tust du das alles aus purer uneigennütziger Menschenliebe?« fragt sein Verdacht.

»Von mir sprechen wir ein andermal«, lächeln die verheißenden Lippen. Er fühlt ihren Körper. Er brennt ihn wie Feuer in die Seite. Er liegt ganz still. Das Gesicht auf das wuchtige Kinn gestützt, das auf dem Purpur ruht. Sein schweres Gehirn arbeitet. Die Augen starren leer geradeaus.

»Ein ungeheurer Plan«, röchelt es aus seinem Munde.

Sie antwortet nicht. Sie hat ihm ihre Seele eingehaucht. Jetzt muß sie ungestört in ihm wirken.

Ein griechischer Solotänzer, ein Liebling der Damen Alexandriens, zeigt seine Kunst. Antonius sieht nicht die spielerische Eleganz seiner drahtigen Glieder. Er sinnt mit weit aufgerissenen Augen. Nur einmal spricht er und verrät, wie tief der Stollen ihrer Idee der Weltrevolution schon in ihn hineingetrieben ist.

»Kleine Königin, da wird Fulvia aber staunen! Wenn sie plötzlich Königin von Rom wird!«

»Das glaube ich wohl«, lächeln ihre beherrschten Lippen. Seine Worte sind ein Sturz eisigen Wassers über ihr überhitztes Hirn. Noch viel Minierarbeit und Verführung liegt vor ihr.

Der Tänzer tritt unter johlendem trunkenen Beifall ab. Auch auf den anderen Lagern liegen nun die Frauen neben den Zechern. Antonius ist weit entrückt. Der Königsgedanke wuchert in den aufgepflügten Furchen seiner Phantasie. Da reißt Kleopatra ihn aus seiner Gedankenverlorenheit. Das Serum soll langsam wirken. Sie muß in seinem Blute strömen, sie und ihre Leidenschaft, ehe er festumrissene Pläne faßt. Weltherrschaft und sie müssen ein Rausch seiner Sinne sein. Sie lenkt ihn ab. Mit einem kleinen girrenden Lachen lockt sie ihn aus der Flut zurück, in die sie ihn geschleudert hat.

»Hast du schon einmal vernommen, Antonius, wie ich zuerst Cäsar traf?«

Er wendet den Kopf ihr zu, wendet ihn wieder ab, traumumfangen. Endlich sagt er zerstreut und aus weiter Ferne: »Was hast du gesagt?«

Sie wiederholt die Frage.

Er schüttelt ohne Teilnahme den Kopf.

Doch sie stürzt wirbelig in die Erzählung. Sie wird ihn schon einfangen. Sie kennt seine Lust am Abenteuer. Es ist ein humorvolles Abenteuer, das sie seiner knabenhaften Romantik auftischt.

»Nach dem Testament meines Vaters Ptolemäus – sie nannten ihn den Flötenspieler –«

Schon hat sie ihn im Garn. »Den kenn ich doch!« lacht er gekapert. »Ein Kasperle von einem König. Verzeih.«

Sie macht eine heiter gewährende Bewegung mit dem Kopfe. »Es war keine königliche Figur. Ich und mein Bruder Ptolemäus sollten ihm auf dem Throne folgen. So geschah es auch. Aber mein lieber Bruder verbündete sich mit meiner jüngeren Schwester Arsinoë, beide überfielen mich, die nichts Böses ahnte, und vertrieben mich. Da kam Cäsar auf der Verfolgung des Pompejus nach Alexandrien. Pompejus war inzwischen von meinem Bruder ermordet worden.«

Antonius nickt.

»Im Palast in Alexandrien nahm Cäsar Wohnung. Arsinoë war bei der ägyptischen Armee. Ptolemäus im Schloß bei Cäsar. Ich fürchtete, sie könnten ihn gegen mich beeinflussen. Wollte Cäsar selbst sprechen und mein Recht auf den Thron bei ihm verfechten. Aber wie zu ihm gelangen? Alexandrien war gegen mich aufgehetzt. Die Spießgesellen meines Bruders im Palaste meine Todfeinde. Da –« Sie lacht klingend auf.

»Was ist?« Antonius steht im Banne ihrer Worte.

»Als ich heute den Kydnos hinauffuhr, drängte sich mir der Vergleich mit meiner Fahrt zu Cäsar übermächtig auf. Der Unterschied kündet Schicksale. Heute, zu dir, komme ich auf diesem Prunkschiff als Venus. Damals – – – Ich war nach Pelusium geflohen. Mußte sehr vorsichtig sein. Wenn man mich sah und erkannte, bedeutete es sicheren Tod. Nie hätten sie mich zu dem mächtigen Römer vordringen lassen.«

»Haha«, lacht Antonius begreifend, »sie fürchteten, du könntest den braven Cäsar – – Verstehe – verstehe!«

»Damals war ich kaum Zwanzig. In einem kleinen Kahn, als Bäuerin verkleidet, fuhr ich von Pelusium über das Meer. Nur mit einem Vertrauten, dem Sizilianer Apollodorus. Sein Name und seine Treue lebt in mir als ewige Flamme der Dankbarkeit. Nun ist er schon lange tot.«

Nach einer kleinen Pause fährt sie fort:

»Das Meer war wild bewegt. Ich steuerte, Apollodorus bediente das Segel. Oft glaubten wir, alles sei vorbei. Hundertmal waren wir dicht am Kentern. Aber nachts – wir hatten es so berechnet, kamen wir unbemerkt in den Hafen von Alexandrien. Wer achtet auf ein nichtiges Fischerboot! Doch diese Sturmfahrt im offenen Kahn war der leichteste und ungefährlichste Teil des Unternehmens. Jetzt begann die Schwierigkeit. Wie sollte ich in den Palast gelangen, wo mich jeder kannte und in jeder Verkleidung erkannt hätte?«

»Herrlich spannend!« unterbricht er. »Du mußt sofort weiter erzählen. Merk dir, wo du stehengeblieben bist. Nur, damit ich's nicht vergesse: deine Schwester Arsinoë habe ich vor einigen Tagen in Ephesus gesehen.«

Ihr munter-episches Gesicht ist plötzlich eine finstere Gorgomaske. Kleopatra vergißt keine Schmach, kein Unrecht, das man ihr angetan hat – nach langen Jahren nicht.

»Du hast sie gesehen? Ich denke, sie lebt völlig weltabgeschieden im Dianatempel zu Ephesus?«

»Tut sie auch«, stimmt Antonius eifrig bei. »Aber sie kam zu mir. Ich hatte sie ja in Rom gesehen. Damals, als Cäsar sie in seinem Triumph über den ägyptischen Krieg in Ketten aufführte. Und da –«

»Was wollte sie von dir?« schneidet ihr Haß in seine Worte hinein.

»Nichts Besonderes. Mir huldigen.«

»Wie hat sie dir gefallen?«

»Gut – sehr gut. Sie ist nicht so schön wie du. Aber sehr hübsch und sehr angenehm.« Er fabelt arglos weiter.

Da schlägt ihre Stimme – diese herrliche Stimme klirrt gebrochen – erbarmungslos wie ein Richterschwert drein. »Willst du mir einen Gefallen tun, Marcus?«

Sie nennt ihn zum ersten Male bei seinem Vornamen. Die Vertraulichkeit entgeht ihm nicht.

»Jeden«, ruft er geschmeichelt.

»Gib den Befehl, Arsinoë zu töten!«

Er setzt sich straff auf. Die kühn gebogene Nase wellt sich an der Wurzel. »Deine Schwester zu töten?!« Staunen, nicht Entsetzen, ist in seiner Kehle. Ein Menschenleben bedeutet ihm nicht viel. Bei den Ächtungen, kürzlich in Rom, haben er und Octavian Tausende hinschlachten lassen, Unschuldige, die ihn ahnungslos einmal geärgert haben, Begüterte, deren Vermögen ihn als Erben lockten.

Doch Frauen schont man in Rom. Auch Cäsar hat Arsinoë geschont. Ptolemäus nicht.

Kleopatra nickt kurz und heftig. Sie ist keine sanfte Frau. Sie ist Eine ihres grausamen Geschlechtes. Blut trieft an den Königinnen der Ptolemäer. Kinder, Eltern, Geschwister haben sie aus politischen Gründen, aus Herrschgier, aus Eifersucht gemeuchelt. Die erste Arsinoë, die Tochter des Gründers der Dynastie, Berenike, die Gattin Ptolemäus des Dritten, und alle die Kleopatren, von denen sie die Siebente ist, sind vor keinem Verwandtenmorde zurückgebebt. Sie ist ein echtes Kind ihrer Zeit, das kein feindliches Leben schont und auch für das eigene keine Schonung erwartet. Sie weiß, daß Arsinoë sich im Tempel zu Ephesus Königin nennen läßt. Sie weiß, daß, wenn Arsinoë frei würde, wieder zur Macht gelangte, ihr eigenes Leben verbüßt ist. Lange schon will sie die heißblütige, ehrsüchtige Schwester vernichten. Ihr fehlte bisher die Macht. Ephesus liegt in römischer Provinz. Jetzt bietet sich die Gelegenheit. Und dringendste Notwendigkeit gebietet.

Noch traut sie Antonius, dem leicht Entflammten, nicht. Noch ist er nicht von Leidenschaft zu ihr umkettet. Sie kennt seine Liebschaften, seinen Leichtsinn. Arsinoë ist ihres kühnen Blutes. In ihrem klugen Hirn ist Raum für die gleichen ehrgeizigen Pläne. Sie kann aus Ephesus fliehen, sich Antonius nähern, ihn umstricken. Kleopatra ist zu umsichtig, zu überlegt, zu hellsichtig, ihr Lebenswerk durch eine Nachlässigkeit der Milde zu gefährden. Sicherheit ist die Parole. Die Feindin muß vertilgt werden, und wenn es die Schwester ist. Gerade, weil es die ebenbürtige Schwester ist.

Noch zaudert Antonius. Weiber tötet kein Römer ohne Bedenken.

»Du hast mir jeden Gefallen zugesagt«, lächelt Kleopatra. Lächelt, wie nie eine Frau diesem Manne zugelächelt hat, voller Verheißung, Entblößung, nackter Hingabe. Fulvia kann nicht lächeln, Cytheris und ihresgleichen sind zu ungebildet, zu sehr Dirne, so verhalten hingegeben zu lächeln. Das Blut siedet ihm zu Kopfe. Plötzlich spürt er den Wein, den er getrunken hat, in den Adern.

»Nun?« fordert sie, buhlt nur mit den Augen, hält den Leib fürsorglich spröde von ihm fern.

»Meinetwegen«, gibt er nach. Was liegt ihm im Grunde an dem Leben einer ägyptischen Prinzessin!

»Gib den Befehl. Gleich!« Sicherheit ist die Parole.

»Du hast es eilig«, spottet er und blickt sich um. An der Schildpattür des Saales steht ein römischer Posten, einer der zehn Mann, die Lucilius bei seiner ersten Fahrt an Bord mitgenommen und dort zurückgelassen hat. Er winkt ihn heran. Gibt ihm den Befehl. Der Feldwebel grüßt stramm militärisch. Kein Zug in seinem Ledergesicht zuckt. Blutbefehle sind etwas Alltägliches. Er geht.

Ein Leben ist zwischen Käse und Nachtisch verwirkt. Als bedanke sie sich für ein nichtiges Geschenk, sagt Kleopatra:

»Nett von dir, Marcus.« Ihr Gesicht ist wieder schön und anmutig. Flott nimmt sie nach dieser kleinen Unterbrechung ihre Erzählung auf.

»Das war die große Frage –«

»Was?«

»Wie ich zu Cäsar in den Palast eindringen konnte.«

»Ach, richtig!« Er findet sich zurecht, tut einen kräftigen Zug aus dem Pokale und legt sich in behagliche Lauschstellung.

»Ich kam auf eine Idee. Bin ja nicht groß –« Sie lacht.

Er mustert ihren Körper. »Nein, groß nicht – von Leibe nicht – aber hier!« Er stößt den Finger gegen ihre Stirn. »Und dein Körper –« er beugt sich dicht zu ihrer zierlichen Ohrmuschel – »klein ist er, aber ein Meer von Freuden verheißt er.«

Sie versengt ihn aufreizend aus lüsternen Augenschlitzen und fährt fort. »Apollodorus wickelte mich in einen Teppich, den wir im Boote mitgebracht hatten, nahm mich auf die Schulter und ging mit mir auf den Palast zu. Ihn kannte keiner. Ich hatte ihn erst in Pelusium in meinen Dienst genommen. Am Tore hielt man ihn an. Er sagt: ›Cäsar hat den Teppich‹ – er war sehr kostbar, natürlich, – ›in einem Basar gekauft und befohlen, ihn noch heute zu liefern. Ihm persönlich!‹ Die Wache läßt ihn durch. Apollodorus gelangt in Cäsars Gemach. Er arbeitet noch. Er hat ja immer bis spät in die Nacht hinein gearbeitet. Blickt erstaunt auf. Schon bin ich aus der Hülle.«

»Ausgezeichnet!« jubelt Antonius. Das gefällt ihm. Das ist Blut von seinem Blute. »Und dann?« drängt er vorwärts. Das Abenteuer steht im Zenith.

»Dann«, sagt sie langsam, »dann blieb ich die Nacht bei ihm.«

Er richtet sich überrascht auf. »Gleich die erste Nacht?!«

Sie versteht.

»Ja.«

»Hm«, macht er. Seine Augen umpacken sie. So eine Frau ist sie also. Wundervoll. Er haßt die langen Präliminarien.

»Ja«, wiederholt sie. »Wenn zwei sich finden und begehren, haben sie alle die Jahre und Stunden bis zu diesem begnadeten Finden unwiederbringlich verloren und verscherzt. Warum dann noch mehr kostbare Zeit vergeuden?«

Sein Gesicht ist töricht überrascht, allmählich wird es listig und breit.

»Es ist schwül hier«, sagt die Königin und erhebt sich.

Alle springen empor. »Laßt euch nicht stören«, ruft sie gnädig. »Wir gehen nur ein Weilchen an Deck, frische Luft atmen.«

Von dem Festsaale führt ein Kabinengang zu ihrem Schlafgemach. Antonius taumelt hinter ihr her, trunken vor Kraft und Verlangen und Stolz. Das hat er nicht erwartet, heute noch nicht. Er muß doch ein ganz verfluchter Kerl sein!


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