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Vor dem Hause Marc Antons ist Hochbetrieb.
Eigentlich ist es nicht das Haus des Marcus Antonius. Es gehört den Erben des großen Pompejus, den sie in Ägypten hinterrücks ermordet haben, der Bruder der Kleopatra und seine Eunuchen. Er hat den feigen Mord mit dem Leben gebüßt.
Antonius hat den Palast durch allerlei dunkle Machinationen mit allen seinen unschätzbaren Reichtümern und Kunstwerken an sich gebracht. Ohne ein As dafür zu zahlen. Wohl hat Cäsar sich eingemischt. Doch wichtigere Staatssorgen, die Vorbereitung des Perserkriegs, die Weltmonarchie bedrängten, bewogen ihn, beide Augen über diesen argen Skandal zuzudrücken. Antonius ist schließlich sein treuester und tapferster, strategisch und taktisch fähigster Armeechef. Bei Pharsalus hat er mit Glück den linken Flügel geführt.
Fern dem Hause des Pompejus muß Kleopatra schon den Wagen verlassen. Es ist kein Durchkommen für die Pferde. Die Straße ist von Militär besetzt. Die Soldaten sperren die Gasse nicht ab, sie lassen jeden durch, und viele, viele wollen zum Hause des Antonius passieren. Sie flankieren nur die Seiten, alles narbenzersägte Wachtmeister und Unteroffiziere aus Cäsars Heeren, Haudegen aus den Kämpfen in Gallien, Britannien, Germanien, Spanien, Afrika. Eine Leibwache aus Feldwebeln hat Antonius um sich geschart, dreitausend Eisenfresser, die für ihn durchs Feuer gehen und ihn zum unbestrittenen Herrn von Rom erheben, vor dem Senat und Beamtenschaft zittern. Das Volk wie das Heer liebt ihn abgöttisch.
Ein Strom von Menschen flutet ein und aus am Eingang des Hauses. Dazwischen Soldaten, überall Soldaten. Ein Doppelposten mit Schild und Speer vor dem Tore.
Kleopatra dringt mit dem Zuge ein, Charmion hält sich dicht und schützend neben ihr. Die Halle ist zur Wachtstube geworden. Drei andere Säle dienen als Warteräume für die Horde der Würdenjäger, Ämtermarder, Gnadenerschacherer, die einstürmt auf den neuen Gebieter der Stadt.
Die frechste Schiebung in dieser an Skandalen nicht bescheidenen Metropole ist im Schwange. Ein Monsterausverkauf wegen Todesfalles ist im Gange. Reiche, Provinzen, Städte, Ämter, Steuern, Zölle, Ländereien, Rechte werden an den Meistbietenden losgeschlagen.
Kleopatras Energie schafft sich Zutritt zu dem innersten Wartezimmer. Läßt sich von keinem der kleineren Handlanger abfertigen. Antonius persönlich will sie sprechen. Man muß stehen, dichtgedrängt, Stühle haben keinen Platz. Lärm und Gewoge erfüllt den Saal. Jeder der Wilderer ist mit seinen Ratgebern, Anwälten, seinem Klüngel erschienen, bespricht noch einmal, erörtert die Forderung, überschlägt den Preis, den er dem Gewaltigen bieten will. Und dennoch übertönt dann und wann eine schmetternde, bombastische Stimme, die aus dem nächsten Zimmer dringt, das brausende Gewirr der Vorhalle.
Kleopatra ist nicht gesonnen zu antichambrieren. Das Schicksal hat sie geschlagen, nicht entthront. Auch hier in Rom, auch nach Cäsars Tode, auch hier an der Börse Marc Antons ist sie die Königin von Ägypten. Sie entsendet Charmion zu dem Türsteher, der neben der Wachtmeisterschildwache den Zugang zu des Hausherrn Gemach hütet. Die Griechin radebrecht mit ihm Latein. Er versteht, blickt suchend auf, sein neugieriges Auge schweift über die dunkel umhüllte, kleine unscheinbare Gestalt der Fürstin hin, dann verschwindet er zweifelnd in das Zimmer des Gebieters.
Es ist die frühere Bibliothek des pompejanischen Palais. Rings um die Wände reihen sich bis zur hohen Decke die Borde mit den Bücherrollen. Doch keine ihrer Binden hat der jetzige Besitzer gelöst. Er ist kein Bücherwurm. Bei Gott nicht!
Er steht rückwärts mit den Oberschenkeln gegen den Schreibtisch gelehnt und spricht lebhaft mit schweifenden Handbewegungen auf die Gesandten des Königs Dejotarus von Galatien ein. Er überragt die Herren wie Gulliver die Liliputaner. Es ist, als sprenge dieser herkulische Mensch mit seiner Größe, Wucht und ungebärdigen Kraft das riesige Zimmer. Er ist kein Elegant, wie Cäsar war, in dessen Kleidung jede Falte, jede Falbel sorgfältig gelegt, gebügelt und geschniegelt war. Er ist ein Urmensch in der bloßen Tunika, die zerknittert und verwuschelt die gewaltige Brust und den Gladiatorenleib umhängt. Beine und Arme sind nackt. Prachtvoll ist das Spiel der Muskeln.
»Also, Leute«, dröhnt seine Trompetenstimme durch den Raum, »entschließt euch. Es warten noch einige andere draußen, wie ihr vielleicht bemerkt habt. Die wollen auch mal drankommen. Fünf Millionen Sesterzen. Diese Bagatelle ist das Königreich Kleinarmenien doch wohl wert. Was?«
Er lacht unbegründet, polternd und genußfroh, lacht vor lauter ungebändigter Kraft und Lust am Leben.
Die Herren tuscheln. Der Türsteher schleicht auf Zehenspitzen zu seinem Herrn, flüstert mit ihm. Antonius fährt leicht zusammen. Das schöne, offene Gesicht dieses naiven, kindlichen, humorvollen Schiebers verdüstert sich. In die strahlende Stirn unter dem sanft gelockten dichten Haar gräbt sich eine Sorgenfalte bis hinab zu der kühnen Adlernase.
Er legt den gebogenen Zeigefinger seiner rechten Pranke verlegen grübelnd an den lachfrohen großen Mund.
Hm – Kleopatra? Er hat gewußt, daß sie kommen wird. Hat er gewußt. Mußte ja kommen. Wollte sich immer auf die Begegnung mit dieser Wildkatze vorbereiten. Hat es verschwitzt über all dem vielen Kram, der an ihn herandrängt, total verschwitzt, wie er leichtsinnig alles Unangenehme verschwitzt und von sich schiebt. Nun ist sie da! Nun steht sie draußen. Verdammt. Sie wird natürlich nach dem Testament fragen, das er hat verschwinden lassen. Eigenhändig verbrannt und die Asche fürsorglich in den rieselnden Bach im Garten geworfen. Er kratzt sich verdrießlich die braunen Locken. Peinliche Sache. Na, jedenfalls soll sie warten, bis die Reihe an sie kommt. Lange warten. Ein bißchen ducken, klein werden lassen. Kann nicht schaden. Kuschen soll sie.
»Sag' ihr, ich habe zu tun. Sie muß warten.«
Der Türsteher harrt. Für ihn ist es eine Königin. Und wie manchem kernigen Republikaner scheint ihm das etwas Höheres, Niederzwingendes, das man nicht warten lassen darf.
»Eine Königin kann doch nicht unter all dem Pack da draußen –« bedenkt er mit der Vertraulichkeit, die jeder Angestellte sich gegen diesen burschikos gutmütigen Riesen erlaubt und erlauben darf. Doch Antonius tritt ihm mit dem Titanenfuß in den Hintern.
»Los. Wird's bald! Sag's ihr. Sie wird noch viel Warten lernen.«
Der Tritt hat den Freigelassenen bis zur Tür befördert. Er reibt sich den getroffenen Körperteil und schert sich hinaus. Achselzuckend und bedauernd – och, hat der ihn getreten! – gibt er Charmion Bescheid. Kleopatra preßt zornig die Lippen zusammen, als sie ihr berichtet. Sie empfindet die Demütigung, die dieser Knecht Cäsars ihr antut. Doch ihre Klugheit weiß, hier kann sie nicht auftrumpfen. Sie muß die Gefällige spielen, sie muß diesen Mann mit List und Verführung gewinnen, ihn mit dem Rechte des Sohnes Cäsars überrumpeln. Sie geht in eine Ecke, steht, wartet. Bleicher noch als ehedem vor beherrschter Wut über den Schimpf, den sie erleidet. Cäsars Ende hat ihr hier in Rom jede Macht genommen.
In der Bibliothek geht der Schacher weiter. Vier Millionen bieten die Abgesandten des Dejotarus. Schon will Antonius zuschlagen. Seine Gedanken sind nicht ganz bei der Sache. Die Geschichte mit Cäsars Testament und die Anwesenheit Kleopatras da draußen in der Vorhalle gehen ihm doch etwas auf die robusten Nerven.
Da platzt die Tür zu einem Nebenzimmer auf, herein fegt eine hohe dürre Frau. Sie ist das unerfreuliche Gegenstück zu ihrem Manne, diesem unrömischsten Römer seiner Zeit. Was bei ihm kraftstrotzende Üppigkeit, gestraffte Fülle, lebendigste Harmonie der Gigantenglieder ist, ist bei ihr saftlose Trockenheit, Knochen und Eckigkeit. Sie ist nicht eigentlich häßlich. Doch in ihrem regelmäßigen rassigen Römerinnengesicht ist eine sterile Härte und Starre. Nur die Augen sind von einer bösen, stechenden Lebhaftigkeit. Sie ist zwei Jahre jünger als Antonius, achtunddreißig, wirkt aber zehn Jahre älter als dieser Recke in seiner vollblütigen Jungenhaftigkeit.
Die fremden Herren begrüßen sie. Antonius stellt salopp vor: »Fulvia, meine Frau.« Sie nickt kaum. Übersieht die Unterhändler hochmütig. Sucht etwas auf dem Schreibtisch, findet es, nimmt es mit einem flinken Raffgriff an sich. Ein Papier. Dabei flüstert sie Antonius selbstbewußt zu: »Du, ich habe eben die Steuereinnahmen der Provinz Kleinasien für anderthalb Millionen Sesterzen veräußert.«
»Bravo«, lobt er untertänig. Er ist völlig verblaßt in ihrer Nähe. Sein großartiges Gehabe ist verflogen.
Sie hat drüben ihr Büro. Ist viel tüchtiger als Handelsfrau denn ihr großmächtiger Gatte. Sie ist auch die Triebfeder dieses ungeheuren Auktionsmechanismus, der die Welt meistbietend verscherbelt.
»Was wollen denn die?« fragt sie, deutet geringschätzig mit dem spitzen Kinn auf die Fremden und nimmt sich nicht die Mühe, ihre schrille Stimme zu senken. Er klärt sie in höriger Beflissenheit auf.
»Was?« entrüstet sie sich und schiebt ihn geistig und körperlich beiseite, in den Hintergrund. »Vier Millionen für Kleinarmenien! Ihr seid wohl nicht bei Troste! Hier ist keine Trödelbude. Zehn Millionen, meine Lieben. Nicht ein As weniger. Und gefälligst in bar. Kasse auf den Tisch gegen Aushändigung der Urkunde mit Julius Cäsars eigenhändiger Unterschrift.«
»Cäsars?« staunt der Sprecher der Gruppe.
Sie wendet sich schroff an Antonius. »Hast du ihnen das denn nicht gesagt?«
»Ich war noch nicht so weit«, entschuldigt er schulbubenhaft das Versehen.
Sie schüttelt stumm den Kopf. Ihre bläulichen Lippen – sie hat einen Herzklappenfehler – sind in zürnendem Unbegreifen fest zusammengepreßt.
»Nichts kann man dir allein überlassen!« zetert sie ungeniert. Dann zu den Abgesandten: »Ja, mit Cäsars Unterschrift. Er hat diese Verleihung geplant und vorbereitet.«
Die Herren starren betroffen. Sie hält ihren stutzenden Blick fest aus. Langsam begreifen sie den Schwindel. Ahnen das Richtige.
Ja, Antonius hat Cäsars Privatsekretär Faberius in seine gut belohnten Dienste genommen. Der Schreiber kann die Unterschrift seines hohen Herrn fabelhaft fälschen. Dieser dreiste Kuhhandel – der Ausverkauf des gesamten römischen Reiches – geht zu Cäsars Lasten und seiner Verantwortung. Wenn der zweite ohnmächtige Konsul, ein Tribun oder der Senat zu mucksen wagen sollten – sehr unwahrscheinlich, wenn aber dennoch –, die Beweise stehen parat. Cäsar hat alles verfügt vor seinem unerwarteten Ende.
Noch zögern die Gesandten des Dejotarus. Zehn Millionen Sesterzen! Ein Riesenvermögen.
»Na, wird's bald? Wir haben noch einiges andere zu tun«, mahnt Fulvia scharf.
»So viel haben wir gar nicht bei uns«, sucht der Sprecher auszuweichen.
»Es gibt Bankiers in Rom, die gegen Sicherheiten leihen«, belehrt sie kurz.
Sie beraten wieder.
»Herrschaften, wenn ihr erst noch Volksversammlungen abhalten müßt, kommt ein andermal wieder. Unsere Zeit ist sehr kostbar. Aber ob Kleinarmenien dann noch zu haben ist, erscheint mir zweifelhaft. Es sind noch einige andere Reflektanten in Rom.«
Die Legaten sehen sich unschlüssig an.
»Also dann nicht!« schließt Fulvia die Verhandlung. Geht zur Tür, öffnet sie, ruft hinaus. »Die Nächsten.«
Da kommt Leben und Entscheidung in die Unschlüssigkeit der Galater. »Einen Augenblick«, fleht der Sprecher. Sie schließt die Tür gegen den heftigen Ansturm von draußen.
»Wollt ihr zehn Millionen zahlen?« Ein drohendes Ultimatum.
»Ja«, jammert der Sprecher.
Sie geht zur Tür ihres Zimmers, ruft den Schreiber Faberius, ein ausgedorrtes Männchen, dessen Alter den Riesenbetrug fast unglaubhaft macht. Sie diktiert die Belehnung. Kennt jede Formel, Floskel, juristische Finesse. Antonius lehnt gegen eins der Bücherregale an der Wand. Seine Breite scheint eingeschrumpft, seine Kraft ausgeblasen. Nur Fulvias Wille beherrscht die Bibliothek.
Es stellt sich heraus, daß die Herren doch eine Anweisung von zehn Millionen Sesterzen auf einen römischen Großbankier ausstellen können. Ein Vertrauter begleitet sie hin. Gegen Zahlung erhalten sie die Urkunde.
»Verblüffend«, sprudelt Antonius, als sie das Zimmer verlassen haben, »gradezu verblüffend, wie du das deichselst.«
»Und du mit deiner Schlappheit verdirbst alles! Etwas energischer, mein Lieber!«
Er küßt sie devot. Sie zieht sich in ihr Zimmer zurück. Der Andrang ist groß. Erfordert beider Kräfte.
Er geht nachdenklich zur Tür. Ob er Kleopatra nicht lieber Fulvia überlassen soll? Es sieht etwas unmännlich aus. Freilich. Nun, vorläufig ist sie noch lange nicht an der Reihe. Er schiebt die Sorge von sich. Will die Tür öffnen, den nächsten Klienten einlassen. Da öffnet sie sich ganz wenig, ein verdutzend hübscher junger Mann, eingehüllt in die weiten Falten der Toga, schiebt sich durch den Türspalt herein.
Verstört starrt Antonius auf den Jüngling. »Cytheris«, entstammelt es seinem betroffenen Munde, »bist du – wahnsinnig!«
Da hat der junge Mann die Perrücke vom Kopf gerissen, fliegt auf ihn zu, sein schlanker Körper hüpft an dem Riesen in die Höhe, seine Arme umschlingen seinen gewaltigen Nacken, er zieht sich an dieser ragenden Menschensäule empor, hängt an ihr und küßt stürmisch hinein in die breiten Flächen des Gesichts, in die Augen, die Haare.
Antonius sträubt sich. »Cytheris – du bist wahnsinnig – meine Frau kann jeden Moment –«
Sie hört nicht, sie weidet das weite Feld seines Gesichtes mit Küssen ab.
Er schüttelt sie von sich. Eine leise Bewegung seiner Gladiatorenmuskeln genügt. Sie fällt zur Erde, rafft sich gelenkig auf, steht vor ihm schlank und rosig und übermütig.
»Wie kannst du hierher – ?«
»Der Türhüter hat mich sofort eingelassen. Er kennt mich doch!«
»Laß die Witze, Fulvia ist nebenan.«
»Wenn sie hereinkommt«, lacht die Schauspielerin leichtfertig und zieht das vortreffliche Toupet wieder über ihr reiches weiches Haar – »dann bin ich eben ein junger Römer, der ein einträgliches Amt in irgendeiner Provinz ergattern will. Was hast du Passendes für einen strebsamen Jüngling in deinem wohl assortierten Lager, o großer Marcus Antonius ?«
Sie zieht ihr Gesicht in possenhaft ernste Falten.
Er muß lachen, wider Willen. Doch seine Angst ist groß.
»Du mußt gehen, Kind. Sofort!«
»Ich denke gar nicht dran.« Sie setzt sich behaglich in einen Sessel. »Endlich habe ich mir ein Herz gefaßt und bin in die Höhle des Löwen eingedrungen. Seit acht Tagen habe ich dich nicht gesehen.«
»Ich habe viel zu tun.«
»Weiß ich. Bist entschuldigt. Ganz Rom spricht von deinem großen Fischzug. Bist ein Gewaltiger geworden. Übrigens habe ich dich inzwischen doch mal gesehen. Bei Cäsars Begräbnis. Du, fabelhaft, einfach fabelhaft!« Sie springt auf und kommt zu ihm. »Ich hab' an mich halten müssen, dich nicht auf offenem Forum zu umarmen. Herrlich, du! Wie du die blutige zerstochene Toga Cäsars dem Volk entgegengeschleudert hast! Ein genialer Theatercoup. Deine Rede war ja nicht besonders.«
»So?!«
»Nein. Ein bißchen trivial. Aber das ist ja deine Art.«
»So?!« knurrt er wieder.
»Macht nichts. In allem, was du tust, ist doch immer was, das die Menge hinreißt. Etwas unbewußt Großartiges, das begeistert. Das ist ja dein Genie. Also das mit der blutigen Toga! Das war unübertrefflich. Beweist dein Kulissenblut. Hast damit ja auch das ganze Volk an dich gerissen.«
Er ist versöhnt. Er lächelt eitel und stolz.
»Deine Anerkennung freut mich, Schatz. Aber nun mußt du wirklich gehen.« Er blickt ängstlich zur Tür. »Ich hab' auch wirklich enorm zu tun.«
Sie setzt sich keck auf die Kante des Schreibtisches. »Du, ist das alles wahr?«
»Was?«
»Was sie erzählen. Du hättest aus Cäsars Staatsschatz deine Schulden bezahlt.«
»Stimmt«, lacht er sorglos und zufrieden.
»Vierzig Millionen Sesterzen, sagen sie.«
»Ungefähr.«
»Mensch, ich sag' ja, du bist phantastisch!«
»Verrat' gleich, wieviel du brauchst.«
»Was willst du gutwillig bluten?«
Er zieht die Lade aus dem Tisch. Greift in einen Goldhaufen. Sie hilft emsig, nimmt, nimmt mit beiden Händen, schüttelt den klingenden Goldregen in die gegürtete Tunika.
»Leise«, warnt er und hat die Augen auf der Tür.
»Danke. Genügt vorläufig. Grandios, wie du das alles machst.«
»Jetzt sei aber lieb und geh.«
»Ausgeschlossen. Ich nehme dich mit.« Sie äugt liebeshungrig zu ihm auf. »Ich will meinen kleinen Riesenbären wieder mal tanzen lassen.«
»Vorläufig, Schatz –«
»Wir machen heut einen Ausflug in die Albanerberge. Das Frühlingswetter ist ja zum Tollwerden! Alle sind dabei. Die Kollegen Hippias und Sergius, eine Masse netter Mädel, kurz, unsere ganze Bande.«
»Ich kann nicht«, er schüttelt gequält den Kopf.
»Unfug! Du hast genug gescheffelt. Kannst dir einen Tag Erholung gönnen. Morgen sind wir zurück.«
»Unmöglich.«
»Wir schleichen hinten aus dem Hause.«
»Es geht nicht, es geht wirklich nicht.«
»Alles geht. Du mußt einfach.« Und ehe er es sich versieht, ist sie mit einem Hechtsprung von der Tischkante an seinen Hals geflogen. Zwischen schallenden Küssen und wildem Getrampel der hängenden Beine flüstert sie:
»Frühling in den Bergen, lustige Menschen. Eine Nacht – eine ganze Nacht mit mir – so lieb will ich sein – so süß –«
Er sucht sie wieder abzuschütteln. Doch sie hat fürsorglich die Hände fest an seinem Stiernacken verkettet. Es gelingt diesmal nicht so leicht. Die Furcht vor Fulvia lähmt ihn. Auch atmet er ihren Duft, ihre Frische, ihre Jugend. Rausch steigt ihm zu Kopf. Er wird schwankend, ist halb gewonnen. Sie preßt den Leib gegen seinen Körper. Raunt verliebtes, betörendes Zeug.
Da siegt sein Leichtsinn und seine Sinnlichkeit.
»Ich komm«, flüstert er. Und ist verwandelt. Ein Schuljunge auf einem lockenden ausgelassenen Streiche. Sie hopst zu Boden. Er packt ihr Handgelenk. Sie laufen leise zur hinteren Tür des Zimmers, sind im Garten, rennen wie ertappte Diebe. Ihre Toga flattert. Durch stille Seitengassen erreichen sie ihr Haus, das Stelldichein der Bande.
Als Fulvia mit gewichtiger Miene eintritt, ist der lockere Vogel längst ausgeflogen. Sie verzieht gallig den herben Mund mit den vertrockneten, aufgesprungenen Lippen. Diese Extratouren sind ihr nichts Neues. Hm, er kann sich auf einiges gefaßt machen, wenn er zurückkommt, elend und katzenjämmerlich.
Sie öffnet die Tür.
»Sag' den Leuten, die Antonius sprechen wollen, er ist beschäftigt. Kann heute niemand mehr empfangen. Die andern schick zu mir.«
Kleopatra muß sich auf Charmions Arm stützen, als sie erfährt, daß sie vergeblich hier draußen gewartet hat wie ein armseliger Bittsteller. Sie, die mächtige Herrscherin des einzigen Landes am Mittelmeere, das sich noch nicht gebeugt hat unter Roms vergewaltigender Faust, muß sich hier Schmach antun lassen wie ein schlotternder Bettler. Sie vergißt in diesem schimpflichen Augenblicke, daß ihr peitschender Ehrgeiz sie hierher geführt hat. Daß ihr Königreich ihrer Herrschsucht nicht genügt. Daß sie ihre Grenzen durchbrechen, daß sie Herrin der ganzen bewohnten Erde werden will. Daß dieser Weg zu der höchsten irdischen Höhe jetzt, da Cäsar tot ist, durch Tiefen der Erniedrigung und Demütigung geht. Sie bebt so heftig vor Zorn und Ungemach, daß sie zittert wie im Schüttelfrost.