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»Meine geliebte Frau, meine Königin, Du wirst Dich wundern, wenn Du hörst, daß ich heute die Anker lichte und mit Heer und Flotte nach Westen steuere, statt nach Osten. Du wirst im ersten Entsetzen meinen, ich hätte unseren Weltkönigstraum, unsere Pläne, unsere erhabene gemeinsame Zukunft vergessen. O nein, Geliebte. Das hieße Verrat üben an all den Wundern, die Du mir offenbart hast.
Du selbst, meine kleine große Königin, bist ein wenig, ein ganz klein wenig schuld an dieser notwendigen Änderung unserer Absichten. Ich grolle Dir deswegen nicht, nicht einen Augenblick! Du hattest Furcht, die schlimmen Nachrichten aus Rom und Italien könnten mich Dir aus den Armen lösen. Sie hätten es getan. Ich danke Dir, daß Du mich ungetrübt die unnennbaren Wonnen dieser Monate hast auskosten lassen. Es war die freudevollste Zeit, die der Mann, die eindrucksvollste Zeit, die der Mensch in mir durchlebt hat. Für diese Monate allein hätte es sich für mich gelohnt, zu leben.
Doch als ich aus dem Zaubergarten Deiner Liebe heraustrat – merkst Du, geliebte kleine Königsfrau, wie Du und Dein reicher Geist in mir lebt, wie ich nur noch Deine Sprache spreche, wie nichts mehr in mir übriggeblieben ist von dem rohen, ungebildeten Possenreißer, Gassenhelden, der in Tarsus zu Dir auf Dein Venusschiff kam? Ja, als ich nach Syrien und Athen gelangte, erfuhr ich, was sich in diesem Winter und Frühling in Rom und Italien ereignet hatte. Von dem Tode Fulvias wirst Du gehört haben. Ich führe ihren Leichnam mit mir zur ehrenvollen Bestattung in der Heimat. Ich will über sie schweigen. Vergiß, was ich Dir von ihr erzählt habe. De mortuis nil nisi bene. Aber ich kann es nicht verwinden und nicht ertragen, diesen Wucherersprößling über die Meinen und mich triumphieren zu sehen.
Ich bin nicht klug und listenreich wie Du, erlauchtes politisches Genie. Das soll nicht den Schatten eines Vorwurfes enthalten. Im Gegenteil. Ich beuge mich Deiner unbestechlichen weitschauenden Klugheit, heute und immer. Aber ich muß offen sprechen, gradeheraus mit soldatischer Ehrlichkeit, ohne Rückhalt. Ich ertrage es nicht, mein Vaterland der Willkür dieses dreiundzwanzigjährigen Meuchelmörders zu überlassen. Meine Frau hat alle meine Anhänger, Freunde, meinen Bruder Lucius, alle, die an mich glaubten, alle Feinde Octavians, um sich geschart – mit einer – gestehen wir es der Toten zu – heldenhaften Energie. Sie hat selbst in Uniform in den Reihen gefochten und sich dabei die Todeskrankheit geholt. Meine Parteigänger unterlagen diesem Nichtskönner der Strategie, weil sie ohne kundige Führung kämpften. Der alte Dusel dieses ›Feldherrn‹ hat sich wieder einmal bewährt.
In Perugia, das er eroberte, hat dieser Metzger ein Blutgericht unter meinen Freunden und Verwandten gehalten. Dann metzelte er weiter. Im Volk heißt er nur noch der ›Henker‹. Du kennst seine kalte Grausamkeit nicht. Ich bringe es nicht über mich, alle diejenigen, die treu zu mir gehalten, für mich gekämpft und sich geopfert haben, feige im Stich zu lassen und sie der Rache dieses Wolfes preiszugeben. Ich muß zu ihrer Rettung nach Italien eilen. Alles andere muß warten. Meine Armee steht bereit, die Flotte liegt auf der Reede. Ich muß. Du klügste und gerechteste, edelste und ehrenhafteste aller Frauen wirst dieses Muß verstehen. Ich muß nach Italien, diesen Knaben strafen, ihn vernichten und meine Freunde retten.
Fürchte nicht, daß nun unsere ruhmvollen Zukunftspläne vereitelt oder vergessen sind. Sie sind nur auf kurze Wochen vertagt. Es wird mir mit meiner starken, schlagfertigen Armee ein Kinderspiel sein, diesen Pfuscher im Waffenhandwerk zu erledigen. Dann ziehe ich sofort nach Indien. Es liegt nicht in meiner Absicht, mich jetzt in Rom zum König zu erheben. Nicht ohne Dich an meiner Seite! Ich werde vertrauenswürdigen Freunden die Verwaltung Roms und des Westens übertragen. Und erst, wenn Indien erobert ist, ziehe ich mit Dir als Königin des Orients und des Okzidents im Triumph in Rom ein.
Wie geht es Dir und dem Glückspfande unserer Liebe in Deinem geliebten, kleinen, verwirrenden Körper? Dein Marcus.«