Friedrich Schiller
Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande
Friedrich Schiller

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Von den Ueberlebenden sahen sich viele durch ein wunderähnliches Schicksal gerettet. Einen Offizier, mit Namen Tucci, hob der Windwirbel wie eine Feder in die Luft, hielt ihn eine Zeitlang schwebend in der Höhe, ließ ihn dann gemach in den Strom herabsinken, wo er sich durch Schwimmen rettete. Einen andern ergriff die Gewalt des Schusses auf dem flandrischen Ufer und setzte ihn auf dem brabantischen ab, wo er mit einer leichten Quetschung an der Schulter wieder aufstand, und es war ihm, wie er nachher aussagte, auf dieser schnellen Luftreise nicht anders zu Muthe, als ob er aus einer Kanone geschossen würde. Der Herzog von Parma selbst war dem Tode nie so nahe gewesen als in diesem Augenblick, denn nur der Unterschied einer halben Minute entschied über sein Leben. Kaum hatte er den Fuß in das Fort St. Maria gesetzt, so hob es ihn auf, wie ein Sturmwind, und ein Balken, der ihn am Haupt und an der Schulter traf, riß ihn sinnlos zur Erde. Eine Zeitlang glaubte man ihn auch wirklich todt, weil sich Viele erinnerten, ihn wenige Minuten vor dem tödtlichen Schlage noch auf der Brücke gesehen zu haben. Endlich fand man ihn, die Hand an dem Degen, zwischen seinen Begleitern, Cajetan und Guasto, sich aufrichtend; eine Zeitung, die dem ganzen Heere das Leben wieder gab. Aber umsonst würde man versuchen, seinen Gemüthszustand zu beschreiben, als er nun die Verwüstung übersah, die ein einziger Augenblick in dem Werk so vieler Monate angerichtet hatte. Zerrissen war die Brücke, auf der seine ganze Hoffnung beruhte, aufgerieben ein großer Theil seines Heeres, ein anderer verstümmelt und für viele Tage unbrauchbar gemacht; mehrere seiner besten Offiziere getödtet, und als ob es zu diesem öffentlichen Unglück noch nicht genug wäre, so mußte er noch die schmerzliche Nachricht hören, daß der Markgraf von Rysburg, den er unter allen seinen Officieren vorzüglich werth hielt, nirgends auszufinden sei. Und doch stand das Allerschlimmste noch bevor, denn jeden Augenblick mußte man von Antwerpen und Lillo aus die feindlichen Flotten erwarten, welche bei dieser schrecklichen Verfassung des Heers durchaus keinen Widerstand würden gefunden haben. Die Brücke war auseinander gesprengt, und nichts hinderte die seeländischen Schiffe, mit vollen Segeln hindurchzuziehen; dabei war die Verwirrung der Truppen in diesen ersten Augenblicken so groß und allgemein, daß es unmöglich gewesen wäre, Befehle auszutheilen und zu befolgen, da viele Corps ihre Befehlshaber, viele Befehlshaber ihre Corps vermißten und selbst der Posten, wo man gestanden, in dem allgemeinen Ruin kaum mehr zu erkennen war. Dazu kam, daß alle Schanzen am Ufer im Wasser standen, daß mehrere Kanonen versenkt, daß die Lunten feucht, daß die Pulvervorräthe vom Wasser zu Grunde gerichtet waren. Welch ein Moment für die Feinde, wenn sie es verstanden hätten, ihn zu benutzen!Strada 577 sq.  Meteren 497.  Thuan. III. 47.  Allg. Geschichte der vereinigten Niederl. III. 497.

Kaum wird man es dem Geschichtschreiber glauben, daß dieser über alle Erwartung gelungene Erfolg bloß darum für Antwerpen verloren ging, weil – man nichts davon wußte. Zwar schickte St. Aldegonde, sobald man den Knall des Vulkans in der Stadt vernommen hatte, mehrere Galeeren gegen die Brücke aus, mit dem Befehl, Feuerkugeln und brennende Pfeile steigen zu lassen, sobald sie glücklich hindurchpassiert sein würden, und dann mit dieser Nachricht geradenwegs nach Lillo weiter zu segeln, um die seeländische Hilfsflotte unverzüglich in Bewegung zu bringen. Zugleich wurde der Admiral von Antwerpen beordert, auf jenes gegebene Zeichen sogleich mit den Schiffen aufzubrechen und in der ersten Verwirrung den Feind anzugreifen. Aber obgleich den auf Kundschaft ausgesandten Schiffern eine ansehnliche Belohnung versprochen worden, so wagten sie sich doch nicht in die Nähe des Feindes, sondern kehrten unverrichteter Sache zurück, mit der Botschaft, daß die Schiffbrücke unversehrt und das Feuerschiff ohne Wirkung geblieben sei. Auch noch am folgenden Tage wurden keine bessern Anstalten gemacht, den wahren Zustand der Brücke in Erfahrung zu bringen; und da man die Flotte bei Lillo, des günstigsten Windes ungeachtet, gar keine Bewegung machen sah, so bestärkte man sich in der Vermuthung, daß die Brander nichts ausgerichtet hätten. Niemand fiel es ein, daß eben diese Unthätigkeit der Bundsgenossen, welche die Antwerper irre führte, auch die Seeländer bei Lillo zurückhalten könnte, wie es sich auch in der That verhielt. Einer so ungeheuren Inconsequenz konnte sich nur eine Regierung schuldig machen, die ohne alles Ansehen und alle Selbständigkeit Rath bei der Menge holt, über welche sie herrschen sollte. Je unthätiger man sich indessen gegen den Feind verhielt, desto heftiger ließ man seine Wuth gegen Gianibelli aus, den der rasende Pöbel in Stücken reißen wollte. Zwei Tage schwebte dieser Künstler in der augenscheinlichsten Lebensgefahr, bis endlich am dritten Morgen ein Bote von Lillo, der unter der Brücke hindurch geschwommen, von der wirklichen Zerstörung der Brücke, zugleich aber auch von der völligen Wiederherstellung derselben bestimmten Bericht abstattete.Meteren 496.

Diese schleunige Ausbesserung der Brücke war ein wahres Wunderwerk des Herzogs von Parma. Kaum hatte sich dieser von dem Schlage erholt, der alle seine Entwürfe darnieder zu stürzen schien, so wußte er mit einer bewundernswürdigen Gegenwart des Geistes allen schlimmen Folgen desselben zuvorzukommen. Das Ausbleiben der feindlichen Flotte in diesem entscheidenden Augenblick belebte aufs neue seine Hoffnung. Noch schien der schlimme Zustand seiner Brücke den Feinden ein Geheimniß zu sein, und war es gleich nicht möglich, das Werk vieler Monate in wenigen Stunden wieder herzustellen so war schon Vieles gewonnen, wenn mau auch nur den Schein davon zu erhalten wußte. Alles mußte daher Hand ans Werk legen, die Trümmer wegzuschaffen, die umgestürzten Balken wieder aufzurichten, die zerbrochenen zu ersetzen, die Lücken mit Schiffen auszufüllen. Der Herzog selbst entzog sich der Arbeit nicht, und seinem Beispiel folgten alle Offiziere. Der gemeine Mann, durch diese Popularität angefeuert, that sein Aeußerstes; die ganze Nacht durch wurde die Arbeit fortgesetzt unter dem beständigen Lärm der Trompeten und Trommeln, welche längs der ganzen Brücke verteilt waren, um das Geräusch der Werkleute zu übertönen. Mit Anbruch des Tages waren von der Verwüstung der Nacht wenige Spuren mehr zu sehen, und obgleich die Brücke nur dem Schein nach wieder hergestellt war, so täuschte doch dieser Anblick die Kundschafter, und der Angriff unterblieb. Mittlerweile gewann der Herzog Frist, die Ausbesserung gründlich zu machen, ja, sogar in der Struktur der Brücke einige wesentliche Veränderungen anzubringen. Um sie vor künftigen Unfällen ähnlicher Art zu verwahren, wurde ein Theil der Schiffbrücke beweglich gemacht, so daß derselbe im Nothfall weggenommen und den Brandern der Durchzug geöffnet werden konnte. Den Verlust, welchen er an Mannschaft erlitten, ersetzte der Herzog durch Garnisonen aus den benachbarten Plätzen und durch ein deutsches Regiment, das ihm gerade zu rechter Zeit aus Geldern zugeführt wurde. Er besetzte die Stellen der gebliebenen Offiziere, wobei der spanische Fähndrich, der ihm das Leben gerettet, nicht vergessen wurde.Strada 581 sq.

Die Antwerper, nachdem sie den glücklichen Erfolg ihres Minenschiffes in Erfahrung gebracht, huldigten nun dem Erfinder desselben eben so leidenschaftlich, als sie ihn kurz vorher gemißhandelt hatten, und forderten sein Genie zu neuen Versuchen auf. Gianibelli erhielt nun wirklich eine Anzahl von Playten, wie er sie anfangs, aber vergeblich, verlangt hatte, und diese rüstete er auf eine solche Art aus, daß sie mit unwiderstehlicher Gewalt an die Brücke schlugen und solche auch wirklich zum zweitenmal auseinander sprengten. Diesmal aber war der Wind der seeländischen Flotte entgegen, daß sie nicht auslaufen konnte, und so erhielt der Herzog zum zweiten Mal die nöthige Frist, den Schaden auszubessern. Der Archimed von Antwerpen ließ sich durch alle diese Fehlschläge keineswegs irre machen. Er rüstete aufs neue zwei große Fahrzeuge aus, welche mit eisernen Haken und ähnlichen Instrumenten bewaffnet waren, um die Brücke mit Gewalt zu durchrennen. Aber wie es nunmehr dazu kam, solche auslaufen zu lassen, fand sich Niemand, der sie besteigen wollte. Der Künstler mußte also darauf denken, seinen Maschinen von selbst eine solche Richtung zu geben, daß sie auch ohne Steuermann die Mitte des Wassers hielten und nicht, wie die vorigen, von dem Winde dem Ufer zugetrieben würden. Einer von seinen Arbeitern, ein Deutscher, verfiel hier auf eine sonderbare Erfindung, wenn man sie anders dem StradaDec. II. L. VI. 586. nacherzählen darf. Er brachte ein Segel unter dem Schiffe an, welches eben so von dem Wasser, wie die gewöhnlichen Segel von dem Winde, angeschwellt werden und auf diese Art das Schiff mit der ganzen Gewalt des Stroms forttreiben könnte. Der Erfolg lehrte auch, daß er richtig gerechnet hatte, denn dieses Schiff mit verkehrten Segeln folgte nicht nur in strenger Richtung der eigentlichen Mitte des Stroms, sondern rannte auch mit solcher Heftigkeit gegen die Brücke, daß es dem Feinde nicht Zeit ließ, diese zu eröffnen, und sie wirklich auseinander sprengte. Aber alle diese Erfolge halfen der Stadt zu nichts, weil sie auf Gerathewohl unternommen und durch keine hinlängliche Macht unterstützt wurden. Von einem neuen Minenschiff, welches Gianibelli nach Art des ersten, das so gut operiert hatte, zubereitete und mit viertausend Pfund Schießpulver anfüllte, wurde gar kein Gebrauch gemacht, weil es den Antwerpern nunmehr einfiel, auf einem andern Wege ihre Rettung zu suchen.Meteren 497.

Abgeschreckt durch so viele mißlungene Versuche, die Schifffahrt auf dem Strome mit Gewalt wieder frei zu machen, dachte man endlich darauf, den Strom ganz und gar zu entbehren. Man erinnerte sich an das Beispiel der Stadt Leyden, welche, zehn Jahre vorher von den Spaniern belagert, in einer zur rechten Zeit bewirkten Ueberschwemmung der Felder ihre Rettung gefunden hatte, und dieses Beispiel beschloß man nachzuahmen. Zwischen Lillo und Stabroek, im Lande Bergen, streckt sich eine große etwas abhängige Ebene bis nach Antwerpen hin, welche nur durch zahlreiche Dämme und Gegendämme gegen die eindringenden Wasser der Osterschelde geschützt wird. Es kostete weiter nichts, als diese Dämme zu schleifen, so war die ganze Ebene Meer und konnte mit flachen Schiffen bis fast unter die Mauern von Antwerpen befahren werden. Glückte dieser Versuch, so mochte der Herzog von Parma immerhin die Schelde vermittelst seiner Schiffbrücke hüten; man hatte sich einen neuen Strom aus dem Stegreif geschaffen, der im Nothfall die nämlichen Dienste leistete. Eben dies war es auch, was der Prinz von Oranien gleich beim Anfange der Belagerung angerathen und St. Aldegonde ernstlich zu befördern gesucht hatte, aber ohne Erfolg, weil einige Bürger nicht zu bewegen gewesen waren, ihr Feld aufzuopfern. Zu diesem letzten Rettungsmittel kam man in der jetzigen Bedrängniß zurück, aber die Umstände hatten sich unterdessen gar sehr geändert.

Jene Ebene nämlich durchschneidet ein breiter und hoher Damm, der von dem anliegenden Schlosse Cowenstein den Namen führt und sich von dem Dorfe Stabroek in Bergen, drei Meilen lang, bis an die Schelde erstreckt, mit deren großem Damm er sich unweit Ordam vereinigt. Ueber diesen Damm hinweg konnten auch bei noch so hoher Fluth keine Schiffe fahren, und vergebens leitete man das Meer in die Felder, so lange ein solcher Damm im Wege stand, der die seeländischen Fahrzeuge hinderte, in die Ebene vor Antwerpen herabzusteigen. Das Schicksal der Stadt beruhte also darauf, daß dieser Cowensteinische Damm geschleift oder durchstochen wurde; aber eben weil der Herzog von Parma dieses voraussah, so hatte er gleich bei Eröffnung der Blocade von demselben Besitz genommen und keine Anstalten gespart, ihn bis aufs Aeußerste zu behaupten. Bei dem Dorfe Stabroek stand der Graf von Mansfeld mit dem größern Theil der Armee gelagert und unterhielt durch eben diesen Cowensteinischen Damm die Communication mit der Brücke, dem Hauptquartier und den spanischen Magazinen zu Calloo. So bildete die Armee von Stabroek in Brabant bis nach Bevern in Flandern eine zusammenhängende Linie, welche von der Schelde zwar durchschnitten, aber nicht unterbrochen wurde und ohne eine blutige Schlacht nicht zerrissen werden konnte. Auf dem Damm selbst waren in gehöriger Entfernung von einander fünf verschiedene Batterieen errichtet, und die tapfersten Offiziere der Armee führten darüber das Kommando. Ja, weil der Herzog von Parma nicht zweifeln konnte, daß nunmehr die ganze Wuth des Kriegs sich hieher ziehen würde, so überließ er dem Grafen von Mansfeld die Bewachung der Brücke und entschloß sich, in eigener Person diesen wichtigen Posten zu vertheidigen. Jetzt also erblickte man einen ganz neuen Krieg und auf einem ganz andern Schauplatz.Strada 582.  Thuan. III. 48.

Die Niederländer hatten an mehreren Stellen, oberhalb und unterhalb Lillo, den Damm durchstochen, welcher dem brabantischen Ufer der Schelde folgt, und wo sich kurz zuvor grüne Fluren zeigten, da erschien jetzt ein neues Element, da sah man Fahrzeuge wimmeln und Mastbäume ragen. Eine seeländische Flotte, von dem Grafen Hohenlohe angeführt, schiffte in die überschwemmten Felder und machte wiederholte Bewegungen gegen den Cowensteinischen Damm, jedoch ohne ihn im Ernst anzugreifen; während daß eine andere in der Schelde sich zeigte und bald dieses, bald jenes Ufer mit einer Landung, bald die Schiffbrücke mit einem Sturme bedrohte. Mehrere Tage trieb man dieses Spiel mit dem Feinde, der, ungewiß, wo er den Angriff zu erwarten habe, durch anhaltende Wachsamkeit erschöpft und durch so oft getäuschte Furcht allmählich sicher werden sollte. Die Antwerper hatten dem Grafen Hohenlohe versprochen, den Angriff auf den Damm von der Stadt aus mit einer Flottille zu unterstützen; drei Feuerzeichen von dem Hauptthurm sollten die Losung sein, daß diese sich auf dem Wege befinde. Als nun in einer finstern Nacht die erwarteten Feuersäulen wirklich über Antwerpen aufstiegen, so ließ Graf Hohenlohe sogleich fünfhundert seiner Truppen zwischen zwei feindlichen Redouten den Damm erklettern, welche die spanischen Wachen theils schlafend überfielen, theils, wo sie sich zur Wehr setzten, niedermachten. In kurzem hatte man auf dem Damm festen Fuß gefaßt und war schon im Begriff, die übrige Mannschaft, zweitausend an der Zahl, nachzubringen, als die Spanier in den nächsten Redouten in Bewegung kamen und, von dem schmalen Terrain begünstigt, auf den dichtgedrängten Feind einen verzweifelten Angriff thaten. Und da nun zugleich das Geschütz anfing, von den nächsten Batterien auf die anrückende Flotte zu spielen, und die Landung der übrigen Truppen unmöglich machte, von der Stadt aus aber kein Beistand sich sehen ließ, so wurden die Seeländer nach einem kurzen Gefecht überwältigt und von dem schon eroberten Damm wieder heruntergestürzt. Die siegenden Spanier jagten ihnen mitten durch das Wasser bis zu den Schiffen nach, versenkten mehrere von diesen und zwangen die übrigen, mit einem großen Verlust sich zurückzuziehen. Graf Hohenlohe wälzte die Schuld dieser Niederlage aus die Einwohner von Antwerpen, die durch ein falsches Signal ihn betrogen hatten, und gewiß lag es nur an der schlechten Uebereinstimmung ihrer beiderseitigen Operationen, daß dieser Versuch kein besseres Ende nahm.Strada 583.  Meteren 498.

Endlich aber beschloß man, einen planmäßigen Angriff mit vereinigten Kräften auf den Feind zu thun und durch einen Hauptsturm sowohl auf den Damm als auf die Brücke die Belagerung zu endigen. Der sechzehnte Mai 1585 war zu Ausführung dieses Zuschlags bestimmt, und von beiden Theilen wurde das Aeußerste aufgewendet, diesen Tag entscheidend zu machen. Die Holländer und Seeländer brachten in Vereinigung mit den Antwerpern über zweihundert Schiffe zusammen, welche zu bemannen sie ihre Städte und Citadellen von Truppen entblößten, und mit dieser Macht wollten sie von zwei entgegengesetzten Seiten den Cowensteinischen Damm bestürmen. Zu gleicher Zeit sollte die Scheldbrücke durch neue Maschinen von Gianibellis Erfindung angegriffen und dadurch der Herzog von Parma verhindert werden, den Damm zu entsetzen.Strada 584.  Meteren 498.

Alexander, von der ihm drohenden Gefahr unterrichtet, sparte auf seiner Seite nichts, derselben nachdrücklich zu begegnen. Er hatte, gleich nach Eroberung des Dammes, an fünf verschiedenen Orten Redouten darauf erbauen lassen und das Kommando darüber den erfahrensten Officieren der Armee übergeben. Die erste derselben, welche die Kreuz-Schanze hieß, wurde an der Stelle errichtet, wo der Cowensteinische Damm in den großen Wall der Schelde sich einsenkt und mit diesem die Figur eines Kreuzes bildet; über diese wurde der Spanier Mondragon zum Befehlshaber gesetzt. Tausend Schritte von derselben wurde in der Nähe des Schlosses Cowenstein die St. Jakobs-Schanze aufgeführt und dem Kommando des Camillo von Monte übergeben. Auf diese folgte in gleicher Entfernung die St. Georgs-Schanze, und tausend Schritte von dieser die Pfahl-Schanze unter Gamboas Befehlen, welche von dem Pfahlwerk, auf dem sie ruhte, den Namen führte; am äußersten Ende des Dammes, unweit Stabroek, lag eine fünfte Bastei, worin der Graf von Mansfeld nebst einem Italiener, Capizucchi, den Befehl führte. Alle diese Forts ließ der Herzog jetzt mit frischer Artillerie und Mannschaft verstärken und noch überdies an beiden Seiten des Dammes und längs der ganzen Richtung desselben Pfähle einschlagen, sowohl um den Wall dadurch desto fester, als den Schanzgräbern, die ihn durchstechen würden, die Arbeit schwerer zu machen.Strada 582. 584.

Früh Morgens, am sechzehnten Mai, setzte sich die feindliche Macht in Bewegung. Gleich mit Abbruch der Dämmerung kamen von Lillo aus durch das überschwemmte Land vier brennende Schiffe daher geschwommen, wodurch die spanischen Schildwachen auf dem Damm, welche sich jener furchtbaren Vulkane erinnerten, so sehr in Furcht gesetzt wurden, daß sie sich eilfertig nach den nächsten Schanzen zurückzogen. Gerade dies war es, was der Feind beabsichtigt hatte. In diesen Schiffen, welche bloß wie Brander aussahen, aber es nicht wirklich waren, lagen Soldaten versteckt, die nun plötzlich ans Land sprangen und den Damm an der nicht verteidigten Stelle, zwischen der St. Georgs- und der Pfahl-Schanze, glücklich erstiegen. Unmittelbar darauf zeigte sich die ganze seeländische Flotte mit zahlreichen Kriegsschiffen, Proviantschiffen und einer Menge kleinerer Fahrzeuge, welche mit großen Säcken Erde, Wolle, Faschinen, Schanzkörben und dergleichen beladen waren, um sogleich, wo es noth that, Brustwehren auswerfen zu können. Die Kriegsschiffe waren mit einer starken Artillerie und einer zahlreichen tapfern Mannschaft besetzt, und ein ganzes Heer von Schanzgräbern begleitete sie, um den Damm, sobald man im Besitz davon sein würde, zu durchgraben.Strada 587 sq.  Meteren 498.  Thuan. III. 48.

Kaum hatten die Seeländer auf der einen Seite angefangen, den Damm zu ersteigen, so rückte die Antwerpische Flotte von Osterweel herbei und bestürmte ihn von der andern. Eilfertig führte man zwischen den zwei nächsten feindlichen Redouten eine hohe Brustwehr auf, welche die Feinde von einander abschneiden und die Schanzgräber decken sollte. Diese, mehrere Hundert an der Zahl, fielen nun von beiden Seiten mit ihren Spaten den Damm an und wühlten in demselben mit solcher Emsigkeit, daß man Hoffnung hatte, beide Meere in kurzem mit einander verbunden zu sehen. Aber unterdessen hatten auch die Spanier Zeit gehabt, von den zwei nächsten Redouten herbeizueilen und einen mutigen Angriff zu thun, während daß das Geschütz von der Georgs-Schanze unausgesetzt auf die feindliche Flotte spielte. Eine schreckliche Schlacht entbrannte jetzt in der Gegend, wo man den Deich durchstach und die Brustwehr thürmte. Die Seeländer hatten um die Schanzgräber herum einen dichten Cordon gezogen, damit der Feind ihre Arbeit nicht stören sollte; und in diesem kriegerischen Lärm, mitten unter dem feindlichen Kugelregen, oft bis an die Brust im Wasser, zwischen Todten und Sterbenden, setzten die Schanzgräber ihre Arbeit fort unter dem beständigen Treiben der Kaufleute, welche mit Ungeduld darauf warteten, den Damm geöffnet und ihre Schiffe in Sicherheit zu sehen. Die Wichtigkeit des Erfolges, der gewissermaßen ganz von ihrem Spaten abhing, schien selbst diese gemeinen Taglöhner mit einem heroischen Muth zu beseelen. Einzig nur auf das Geschäft ihrer Hände gerichtet, sahen sie, hörten sie den Tod nicht, der sie rings umgab, und fielen gleich die vordersten Reihen, so drangen sogleich die hintersten herbei. Die eingeschlagenen Pfähle hielten sie sehr bei der Arbeit auf, noch mehr aber die Angriffe der Spanier, welche sich mit verzweifeltem Muth durch die feindlichen Haufen schlugen, die Schanzgräber in ihren Löchern durchbohrten und mit den todten Körpern die Breschen wieder ausfüllten, welche die Lebenden gegraben hatten. Endlich aber, als ihre meisten Officiere theils todt, theils verwundet waren, die Anzahl der Feinde unaufhörlich sich mehrte und immer frische Schanzgräber an die Stelle der gebliebenen traten, so entfiel diesen tapfern Truppen der Muth, und sie hielten für rathsam, sich nach ihren Schanzen zurückzuziehen. Jetzt also sahen sich die Seeländer und Antwerper von dem ganzen Theile des Dammes Meister, der von dem Fort St. Georg bis zu der Pfahl-Schanze sich erstreckt. Da es ihnen aber viel zu lang anstand, die völlige Durchbrechung des Dammes abzuwarten, so luden sie in der Geschwindigkeit ein seeländisches Lastschiff aus und brachten die Ladung desselben über den Damm herüber auf ein Antwerpisches, welches Graf Hohenlohe nun im Triumph nach Antwerpen brachte. Dieser Anblick erfüllte die geängstigte Stadt auf einmal mit den frohesten Hoffnungen, und als wäre der Sieg schon erfochten, überließ man sich einer tobenden Fröhlichkeit. Man läutete alle Glocken, man brannte alle Kanonen ab, und die außer sich gesetzten Einwohner rannten ungeduldig nach dem Osterweeler Thore, um die Proviantschiffe, welche unterwegs sein sollten, in Empfang zu nehmen.Strada 589.  Meteren 498.

In der That war das Glück den Belagerten noch nie so günstig gewesen, als in diesem Augenblick. Die Feinde hatten sich muthlos und erschöpft in ihre Schanzen geworfen, und weit entfernt, den Siegern den eroberten Posten streitig machen zu können, sahen sie sich viel mehr selbst in ihren Zufluchtsörtern belagert. Einige Compagnien Schottländer, unter der Anführung ihres tapfern Obersten Balfour, griffen die St. Georgs-Schanze an, welche Camillo von Monte, der aus St. Jakob herbeieilte, nicht ohne großen Verlust an Mannschaft entsetzte. In einem viel schlimmern Zustande befand sich die Pfahlschanze, welche von den Schiffen aus heftig beschossen wurde und alle Augenblicke in Trümmern zu gehen drohte. Gamboa, der sie kommandierte, lag verwundet darin, und unglücklicherweise fehlte es an Artillerie, die feindlichen Schiffe in der Entfernung zu halten. Dazu kam noch, daß der Wall, den die Seeländer zwischen dieser und der Georgs-Schanze aufgethürmt hatten, allen Beistand von der Schelde her abschnitt. Hätte man also diese Entkräftung und Unthätigkeit der Feinde dazu benutzt, in Durchstechung des Dammes mit Eifer und Beharrlichkeit fortzufahren, so ist kein Zweifel, daß man sich einen Durchgang geöffnet und dadurch wahrscheinlich die ganze Belagerung geendigt haben würde. Aber auch hier zeigte sich der Mangel an Folge, welchen man den Antwerpern im ganzen Laufe dieser Begebenheit zur Last legen muß. Der Eifer, mit dem man die Arbeit angefangen, erkaltete in demselben Maß, als das Glück ihn begleitete. Bald fand man es viel zu langweilig und mühsam, den Deich zu durchgraben; man hielt für besser, die großen Lastschiffe in kleinere auszuladen, welche man sodann mit steigender Fluth nach der Stadt schaffen wollte. St. Aldegonde und Hohenlohe, anstatt durch ihre persönliche Gegenwart den Fleiß der Arbeiter anzufeuern, verließen gerade im entscheidenden Moment den Schauplatz der Handlung, um mit einem Getreideschiff nach der Stadt zu fahren und dort die Lobsprüche über ihre Weisheit und Tapferkeit in Empfang zu nehmen.Meteren 498.

Während daß auf dem Damme von beiden Theilen mit der hartnäckigsten Hitze gefochten wurde, hatte man die Scheldbrücke von Antwerpen aus mit neuen Maschinen bestürmt, um die Aufmerksamkeit des Herzogs auf dieser Seite zu beschäftigen. Aber der Schall des Geschützes vom Damm her entdeckte demselben bald, was dort vorgehen mochte, und er eilte, sobald er die Brücke befreit sah, in eigener Person den Deich zu entsetzen. Von zweihundert spanischen Pikenierern begleitet, flog er an den Ort des Angriffs und erschien noch gerade zu rechter Zeit auf dem Kampfplatze, um die völlige Niederlage der Seinigen zu verhindern. Eiligst warf er einige Kanonen, die er mitgebracht hatte, in die zwei nächsten Redouten und ließ von da aus nachdrücklich auf die feindlichen Schiffe feuern. Er selbst stellte sich an die Spitze seiner Soldaten, und in der einen Hand den Degen, den Schild in der andern, führte er sie gegen den Feind. Das Gerücht seiner Ankunft, welches sich schnell von einem Ende des Dammes bis zum andern verbreitete, erfrischte den gesunkenen Muth seiner Truppen, und mit neuer Heftigkeit entzündete sich der Streit, den das Local des Schlachtfeldes noch mörderischer machte. Auf dem schmalen Rücken des Dammes, der an manchen Stellen nicht über neun Schritte breit war, fochten gegen fünftausend Streiter; auf einem so engen Raume drängte sich die Kraft beider Theile zusammen, beruhte der ganze Erfolg der Belagerung. Den Antwerpern galt es die letzte Vormauer ihrer Stadt, den Spaniern das ganze Glück ihres Unternehmens; beide Parteien fochten mit einem Muth, den nur Verzweiflung einflößen konnte. Von beiden äußersten Enden des Dammes wälzte sich der Kriegsstrom der Mitte zu, wo die Seeländer und Antwerper den Meister spielten und ihre ganze Stärke versammelt war. Von Stabroek her drangen die Italiener und Spanier heran, welche an diesem Tag ein edler Wettstreit der Tapferkeit erhitzte; von der Schelde her die Wallonen und Spanier, den Feldherrn an ihrer Spitze. Indem jene die Pfahl-Schanze zu befreien suchten, welche der Feind zu Wasser und zu Lande heftig bedrängte, drangen diese mit alles niederwerfendem Ungestüm auf die Brustwehr los, welche der Feind zwischen St. Georg und der Pfahl-Schanze aufgethürmt hatte. Hier stritt der Kern der niederländischen Mannschaft hinter einem wohlbefestigten Wall, und das Geschütz beider Flotten deckte diesen wichtigen Posten. Schon machte der Herzog Anstalt, mit seiner kleinen Schaar diesen furchtbaren Wall anzugreifen, als ihm Nachricht gebracht wurde, daß die Italiener und Spanier, unter Capizucchi und Aquila, mit stürmender Hand in die Pfahlschanze eingedrungen, davon Meister geworden und jetzt gleichfalls gegen die feindliche Brustwehr im Anzuge seien. Vor dieser letzten Verschanzung sammelte sich also nun die ganze Kraft beider Heere, und von beiden Seiten geschah das Aeußerste, sowohl diese Bastei zu erobern, als sie zu vertheidigen. Die Niederländer sprangen aus ihren Schiffen ans Land, um nicht bloß müßige Zuschauer dieses Kampfes zu bleiben. Alexander stürmte die Brustwehr von der einen Seite, Graf Mansfeld von der andern; fünf Angriffe geschahen, und fünfmal wurden sie zurückgeschlagen. Die Niederländer übertrafen in diesem entscheidenden Augenblick sich selbst; nie im ganzen Laufe des Krieges hatten sie mit dieser Standhaftigkeit gefochten. Besonders aber waren es die Schotten und Engländer, welche durch ihre tapfere Gegenwehr die Versuche des Feindes vereitelten. Weil da, wo die Schotten fochten, Niemand mehr angreifen wollte, so warf sich der Herzog selbst, einen Wurfspieß in der Hand, bis an die Brust ins Wasser, um den Seinigen den Weg zu zeigen. Endlich, nach einem langwierigen Gefechte, gelang es den Mansfeldischen, mit Hilfe ihrer Hellebarden und Piken, eine Bresche in die Brustwehr zu machen und, indem sich der Eine auf die Schultern des Andern schwang, die Höhe des Walls zu ersteigen. Barthelemy Toralva, ein spanischer Hauptmann, war der Erste, der sich oben sehen ließ, und fast zu gleicher Zeit mit demselben zeigte sich der Italiener Capizucchi auf dem Rande der Brustwehr; und so wurde denn, gleich rühmlich für beide Nationen, der Wettkampf der Tapferkeit entschieden. Es verdient bemerkt zu werden, wie der Herzog von Parma, den man zum Schiedsrichter dieses Wettstreits gemacht hatte, das zarte Ehrgefühl seiner Krieger zu behandeln pflegte. Den Italiener Capizucchi umarmte er vor den Augen der Truppen und gestand laut, daß er vorzüglich der Tapferkeit dieses Officiers die Eroberung der Brustwehr zu danken habe. Den spanischen Hauptmann Toralva, der stark verwundet war, ließ er in sein eignes Quartier zu Stabroek bringen, auf seinem eignen Bette verbinden und mit demselben Rocke bekleiden, den er selbst den Tag vor dem Treffen getragen hatte.Strada 593.

Nach Einnahme der Brustwehr blieb der Sieg nicht lange mehr zweifelhaft. Die holländischen und seeländischen Truppen, welche aus ihren Schiffen gesprungen waren, um mit dem Feind in der Nähe zu kämpfen, verloren auf einmal den Muth, als sie um sich blickten und die Schiffe, welche ihre letzte Zuflucht ausmachten, vom Ufer abstoßen sahen.

Denn die Fluth fing an, sich zu verlaufen, und die Führer der Flotte, aus Furcht, mit ihren schweren Fahrzeugen auf dem Strande zu bleiben und bei einem unglücklichen Ausgange des Treffens dem Feind zur Beute zu werden, zogen sich von dem Damme zurück und suchten das hohe Meer zu gewinnen. Kaum bemerkte dies Alexander, so zeigte er seinen Truppen die fliehenden Schiffe und munterte sie auf, mit einem Feinde zu enden, der sich selbst aufgegeben habe. Die holländischen Hilfstruppen waren die ersten, welche wankten, und bald folgten die Seeländer ihrem Beispiel. Sie warfen sich eiligst den Damm herab, um durch Waten oder Schwimmen die Schiffe zu erreichen; aber weil ihre Flucht viel zu ungestüm geschah, so hinderten sie einander selbst und stürzten haufenweise unter dem Schwert des nachsetzenden Siegers. Selbst an den Schiffen fanden Viele noch ihr Grab, weil Jeder dem Andern zuvorzukommen suchte, und mehrere Fahrzeuge unter der Last Derer, die sich hineinwarfen, untersanken. Die Antwerper, die für ihre Freiheit, ihren Herd, ihren Glauben kämpften, waren auch die Letzten, die sich zurückzogen, aber eben dieser Umstand verschlimmerte ihr Geschick. Manche ihrer Schiffe wurden von der Ebbe übereilt und saßen fest auf dem Strande, so daß sie von den feindlichen Kanonen erreicht und mit sammt ihrer Mannschaft zu Grunde gerichtet wurden. Den andern Fahrzeugen, welche vorausgelaufen waren, suchten die flüchtigen Haufen durch Schwimmen nachzukommen; aber die Wuth und Verwegenheit der Spanier ging so weit, daß sie, das Schwert zwischen den Zähnen, den Fliehenden nachschwammen und manche noch mitten aus den Schiffen herausholten. Der Sieg der königlichen Truppen war vollständig, aber blutig; denn von den Spaniern waren gegen achthundert, von den Niederländern (die Ertrunkenen nicht gerechnet) etliche Tausend auf dem Platz geblieben, und auf beiden Seiten wurden viele von dem vornehmsten Adel vermißt. Mehr als dreißig Schiffe fielen mit einer großen Ladung von Proviant, die für Antwerpen bestimmt gewesen war, mit hundert und fünfzig Kanonen und anderm Kriegsgeräthe in die Hände des Siegers. Der Damm, dessen Besitz so theuer behauptet wurde, war an dreizehn verschiedenen Orten durchstochen, und die Leichname Derer, welche ihn in diesen Zustand versetzt hatten, wurden jetzt dazu gebraucht, jene Oeffnungen wieder zuzustopfen. Den folgenden Tag fiel den Königlichen noch ein Fahrzeug von ungeheurer Größe und seltsamer Bauart in die Hände, welches eine schwimmende Festung vorstellte und gegen den Cowensteinischen Damm hatte gebraucht werden sollen. Die Antwerper hatten es mit unsäglichem Aufwande zu der nämlichen Zeit erbaut, wo man den Ingenieur Gianibelli, der großen Kosten wegen, mit seinen heilsamen Vorschlägen abwies, und diesem lächerlichen Monstrum den stolzen Namen » Ende des Kriegs« beigelegt, den es nachher mit der weit passendern Benennung » Verlornes Geld« vertauschte. Als man dieses Schiff in See brachte, fand sich's, wie jeder Vernünftige vorhergesagt hatte, daß es seiner unbehilflichen Größe wegen schlechterdings nicht zu lenken sei und kaum von der höchsten Fluth konnte aufgehoben werden. Mit großer Mühe schleppte es sich bis nach Ordam fort, wo es, von der Fluth verlassen, am Strande sitzen blieb und den Feinden zur Beute wurde.Thuan. III. 49.  Meteren 485.  Strada 597 sq.

Die Unternehmung auf den Cowensteinischen Damm war der letzte Versuch, den man zu Antwerpens Rettung wagte. Von dieser Zeit an sank den Belagerten der Muth, und der Magistrat der Stadt bemühte sich vergebens, das gemeine Volk, welches den Druck der Gegenwart empfand, mit entfernten Hoffnungen zu vertrösten. Bis jetzt hatte man das Brod noch in einem leidlichen Preise erhalten, obgleich die Beschaffenheit immer schlechter wurde; nach und nach aber schwand der Getreidevorrath so sehr, daß eine Hungersnoth nahe bevorstand. Doch hoffte man die Stadt wenigstens noch so lange hinzuhalten, bis man das Getreide zwischen der Stadt und den äußersten Schanzen, welches in vollen Halmen stand, würde einernten können; aber ehe es dazu kam, hatte der Feind auch die letzten Werke vor der Stadt eingenommen und die ganze Ernte sich selbst zugeeignet. Endlich fiel auch noch die benachbarte und bundsverwandte Stadt Mecheln in des Feindes Gewalt, und mit ihr verschwand die letzte Hoffnung, Zufuhr aus Brabant zu erhalten. Da man also keine Möglichkeit mehr sah, den Proviant zu vermehren, so blieb nichts anders übrig, als die Verzehrer zu vermindern. Alles unnütze Volk, alle Fremden, ja selbst die Weiber und Kinder sollten aus der Stadt hinweggeschafft werden; aber dieser Vorschlag stritt allzusehr mit der Menschlichkeit, als daß er hätte durchgehen sollen. Ein anderer Vorschlag, die katholischen Einwohner zu verjagen, erbitterte diese so sehr, daß es beinahe zu einem Aufruhr gekommen wäre. Und so sah sich denn St. Aldegonde genöthigt, der stürmischen Ungeduld des Volks nachzugeben und am siebenzehnten August 1585 mit dem Herzog von Parma wegen Uebergabe der Stadt zu traktieren.Meteren 500.  Strada 600 sq.  Thuan. III. 50.  Allg. Geschichte der verein. Niederl. III. 499.


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