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So kündigte Philipp den Niederlanden seine Regierung an, und dies waren ihre Beschwerden, als er im Begriff stund, sie zu verlassen. Lange schon sehnte er sich aus einem Lande, wo er ein Fremdling war, wo so Vieles seine Neigungen beleidigte, sein despotischer Geist an den Gesetzen der Freiheit so ungestüme Erinnerer fand. Der Friede mit Frankreich erlaubte ihm endlich diese Entfernung; die Rüstungen Solimans zogen ihn nach dem Süden, und auch Spanien fing an, seinen Herrn zu vermissen. Die Wahl eines obersten Statthalters für die Niederlande war die Hauptangelegenheit, die ihn jetzt noch beschäftigte. Herzog Emanuel Philibert von Savoyen hatte seit der Abdankung der Königin Maria von Ungarn diese Stelle bekleidet, welche aber, so lange der König in den Niederlanden selbst anwesend war, mehr Ehre als wirklichen Einfluß gab. Seine Abwesenheit machte sie zu dem wichtigsten Amt in der Monarchie und dem glänzendsten Ziele, wornach der Ehrgeiz eines Bürgers nur streben konnte. Jetzt stand sie durch die Entfernung des Herzogs erledigt, den der Friede von Chateau-Cambresis wieder in den Besitz seiner Lande gesetzt hatte. Die beinahe unumschränkte Gewalt, welche dem Oberstatthalter verliehen werden mußte, die Fähigkeiten und Kenntnisse, die ein so ausgedehnter und delikater Posten erforderte, vorzüglich aber die gewagten Anschläge der Regierung auf die Freiheit des Landes, deren Ausführung von ihm abhängen sollte, mußten nothwendig diese Wahl erschweren. Das Gesetz, welches jeden Ausländer von Bedienungen entfernt, macht bei dem Oberstatthalter eine Ausnahme. Da er nicht aus allen siebenzehn Provinzen zugleich gebürtig sein kann, so ist es ihm erlaubt, keiner von allen anzugehören, denn die Eifersucht eines Brabanters würde einem Flamänder, der eine halbe Meile von seiner Grenze zu Hause wäre, kein größeres Recht dazu einräumen, als dem Sicilianer, der eine andere Erde und einen andern Himmel hat. Hier aber schien der Vortheil der Krone selbst einen niederländischen Bürger zu begünstigen. Ein geborner Brabanter, zum Beispiel, dessen Vaterland sich mit uneingeschränkterem Vertrauen ihm überlieferte, konnte, wenn er ein Verräther war, den tödtlichen Streich schon zur Hälfte gethan haben, ehe ein Ausländer das Mißtrauen überwand, das über seine geringfügigsten Handlungen wachte. Hatte die Regierung in einer Provinz ihre Absichten durchgesetzt, so war die Widersetzung der übrigen eine Kühnheit, die sie auf das strengste zu ahnden berechtigt war. In dem gemeinschaftlichen Ganzen, welches die Provinzen jetzt ausmachten, waren ihre individuellen Verfassungen gleichsam untergegangen; der Gehorsam einer einzigen war ein Gesetz für jede, und das Vorrecht, welches eine nicht zu bewahren wußte, war für alle andern verloren.
Unter den niederländischen Großen, die auf die Oberstatthalterschaft Anspruch machen konnten, waren die Erwartungen und Wünsche der Nation zwischen dem Grafen von Egmont und dem Prinzen von Oranien getheilt, welche durch gleich edle Abkunft dazu berufen, durch gleiche Verdienste dazu berechtigt und durch gleiche Liebe des Volks zu diesem Posten willkommen waren. Beide hatte ein glänzender Rang zunächst an den Thron gestellt, und wenn das Auge des Monarchen zuerst unter den Würdigsten suchte so mußte es nothwendig auf einen von diesen Beiden fallen. Da wir in der Folge dieser Geschichte beide Namen oft werden nennen müssen, so kann die Aufmerksamkeit des Lesers nicht frühe genug auf sie gezogen werden.
Wilhelm der Erste, Prinz von Oranien, stammte aus dem deutschen Fürstenhause Nassau, welches schon acht Jahrhunderte geblüht, mit dem österreichischen eine Zeit lang um den Vorzug gerungen und dem deutschen Reich einen Kaiser gegeben hatte. Außer verschiedenen reichen Ländereien in den Niederlanden, die ihn zu einem Bürger dieses Staats und einem gebornen Vasallen Spaniens machten, besaß er in Frankreich noch das unabhängige Fürstentum Oranien. Wilhelm ward im Jahr 1533 zu Dillenburg, in der Grafschaft Nassau, von einer Gräfin Stollberg geboren. Sein Vater, der Graf von Nassau, desselben Namens, hatte die protestantische Religion angenommen, worin er auch seinen Sohn erziehen ließ; Karl der Fünfte aber, der dem Knaben schon frühzeitig wohl wollte, nahm ihn sehr jung an seinen Hof und ließ ihn in der römischen aufwachsen. Dieser Monarch, der in dem Kinde den künftigen großen Mann schon erkannte, behielt ihn neun Jahre um seine Person, würdigte ihn seines eignen Unterrichts in Regierungsgeschäften und ehrte ihn durch ein Vertrauen, welches über seine Jahre ging. Ihm allein war es erlaubt, um den Kaiser zu bleiben, wenn er fremden Gesandten Audienz gab – ein Beweis, daß er als Knabe schon angefangen haben mußte, den ruhmvollen Beinamen des Verschwiegenen zu verdienen. Der Kaiser erröthete sogar nicht, einmal öffentlich zu gestehen, daß dieser junge Mensch ihm öfters Anschläge gebe, die seiner eignen Klugheit würden entgangen sein. Welche Erwartungen konnte man nicht von dem Geist eines Mannes hegen, der in einer solchen Schule gebildet war!
Wilhelm war dreiundzwanzig Jahre alt, als Karl die Regierung niederlegte, und hatte schon zwei öffentliche Beweise der höchsten Achtung von ihm erhalten. Ihm übertrug er, mit Ausschließung aller Großen seines Hofs, das ehrenvolle Amt, seinem Bruder Ferdinand die Kaiserkrone zu überbringen. Als der Herzog von Savoyen, der die kaiserliche Armee in den Niederlanden kommandierte, von seinen eigenen Landesangelegenheiten nach Italien abgerufen ward, vertraute der Kaiser ihm den Oberbefehl über diese Truppen an, gegen die Vorstellungen seines ganzen Kriegsraths, dem es allzu gewagt schien, den erfahrnen französischen Feldherrn einen Jüngling entgegen zu setzen. Abwesend und von Niemand empfohlen, zog ihn der Monarch der lorbeervollen Schaar seiner Helden vor, und der Ausgang ließ ihn seine Wahl nicht bereuen.
Die vorzügliche Gunst, in welcher dieser Prinz bei dem Vater gestanden hatte, wäre allein schon ein wichtiger Grund gewesen, ihn von dem Vertrauen seines Sohnes auszuschließen. Philipp, scheint es, hatte es sich zum Gesetz gemacht, den spanischen Adel an dem niederländischen wegen des Vorzugs zu rächen, wodurch Karl der Fünfte diesen letztern stets unterschieden hatte. Aber wichtiger waren die geheimen Beweggründe, die ihn von dem Prinzen entfernten. Wilhelm von Oranien gehörte zu den hagern und blassen Menschen, wie Cäsar sie nennt, die des Nachts nicht schlafen und zu viel denken, vor denen das furchtloseste aller Gemüther gewankt hat. Die stille Ruhe eines immer gleichen Gesichts verbarg eine geschäftige feurige Seele, die auch die Hülle, hinter welcher sie schuf, nicht bewegte und der List und der Liebe gleich unbetretbar war, – einen vielfachen, fruchtbaren, nie ermüdenden Geist, weich und bildsam genug, augenblicklich in alle Formen zu schmelzen, – bewährt genug, in keiner sich selbst zu verlieren, – stark genug, jeden Glückswechsel zu ertragen. Menschen zu durchschauen und Herzen zu gewinnen, war kein größerer Meister, als Wilhelm; nicht daß er, nach der Weise des Hofs, seine Lippen eine Knechtschaft bekennen ließ, die das stolze Herz Lügen strafte, sondern weil er mit den Merkmalen seiner Gunst und Verehrung weder karg noch verschwenderisch war und durch eine kluge Wirtschaft mit demjenigen, wodurch man Menschen verbindet, seinen wirklichen Vorrath an diesen Mitteln vermehrte. So langsam sein Geist gebar, so vollendet waren seine Früchte; so spät sein Entschluß reifte, so standhaft und unerschütterlich ward er vollstreckt. Den Plan, dem er einmal als dem ersten gehuldigt hatte, konnte kein Widerstand ermüden, keine Zufälle zerstören, denn alle hatten, noch ehe sie wirklich eintraten, vor seiner Seele gestanden. So sehr sein Gemüth über Schrecken und Freude erhaben war, so unterworfen war es der Furcht; aber seine Furcht war früher da, als die Gefahr, und er war ruhig im Tumult, weil er in der Ruhe gezittert hatte. Wilhelm zerstreute sein Gold mit Verschwendung, aber er geizte mit Sekunden. Die Stunde der Tafel war seine einzige Feierstunde, aber diese gehörte seinem Herzen auch ganz, seiner Familie und der Freundschaft; ein bescheidener Abzug, den er dem Vaterland machte. Hier verklärte sich seine Stirn beim Wein, den ihm fröhlicher Muth und Enthaltsamkeit würzten, und die ernste Sorge durfte hier die Jovialität seines Geists nicht umwölken. Sein Hauswesen war prächtig; der Glanz einer zahlreichen Dienerschaft, die Menge und das Ansehen Derer, die seine Person umgaben, machten seinen Wohnsitz einem souveränen Fürstenhofe gleich. Eine glänzende Gastfreiheit, das große Zaubermittel der Demagogen, war die Göttin seines Palastes. Fremde Prinzen und Gesandten fanden hier eine Aufnahme und Bewirthung, die alles übertraf, was das üppige Belgien ihnen anbieten konnte. Eine demüthige Unterwürfigkeit gegen die Regierung kaufte den Tadel und Verdacht wieder ab, den dieser Aufwand auf seine Absichten werfen konnte. Aber diese Verschwendungen unterhielten den Glanz seines Namens bei dem Volk, dem nichts mehr schmeichelt, als die Schätze des Vaterlands vor Fremdlingen ausgestellt zu sehen, und der hohe Gipfel des Glücks, worauf er gesehen wurde, erhöhte den Werth der Leutseligkeit, zu der er herabstieg. Niemand war wohl mehr zum Führer einer Verschwörung geboren, als Wilhelm der Verschwiegene. Ein durchdringender fester Blick in die vergangene Zeit, die Gegenwart und die Zukunft, schnelle Besitznehmung der Gelegenheit, eine Obergewalt über alle Geister, ungeheure Entwürfe, die nur dem weit entlegenen Betrachter Gestalt und Ebenmaß zeigen, kühne Berechnungen, die an der langen Kette der Zukunft hinunterspinnen, standen unter der Aufsicht einer erleuchteten und freieren Tugend, die mit festem Tritt auch auf der Grenze noch wandelt.
Ein Mensch, wie dieser, konnte seinem ganzen Zeitalter undurchdringlich bleiben, aber nicht dem größten Kenner der Gemüther, nicht dem mißtrauischsten Geiste seines Jahrhunderts. Philipp der Zweite schaute schnell und tief in einen Charakter, der, unter den gutartigen, seinem eignen am ähnlichsten war. Hätte er ihn nicht so vollkommen durchschaut, so wäre es unerklärbar, wie er einem Menschen sein Vertrauen nicht geschenkt haben sollte, in welchem sich beinahe alle Eigenschaften vereinigten, die er am höchsten schätzte und am besten würdigen konnte. Aber Wilhelm hatte noch einen andern Berührungspunkt mit Philipp dem Zweiten, welcher wichtiger war. Er hatte seine Staatskunst bei demselben Meister gelernt und war, wie zu fürchten stand, ein fähigerer Schüler gewesen. Nicht weil er den Fürsten des Macchiavell zu seinem Studium gemacht, sondern weil er den lebendigen Unterricht eines Monarchen genossen hatte, der jenen in Ausübung brachte, war er mit den gefährlichen Künsten bekannt worden, durch welche Throne fallen und steigen. Philipp hatte hier mit einem Gegner zu thun, der auf seine Staatskunst gerüstet war, und dem bei einer guten Sache auch die Hilfsmittel der schlimmen zu Gebote standen. Und eben dieser letztere Umstand erklärt uns, warum er unter allen gleichzeitigen Sterblichen diesen am unversöhnlichsten haßte und so unnatürlich fürchtete.
Den Argwohn, welchen man bereits gegen den Prinzen gefaßt hatte, vermehrte die zweideutige Meinung von seiner Religion. Wilhelm glaubte an den Papst, so lange der Kaiser, sein Wohlthäter, lebte; aber man fürchtete mit Grund, daß ihn die Vorliebe, die seinem jungen Herzen für die verbesserte Lehre gegeben worden, nie ganz verlassen habe. Welche Kirche er auch in gewissen Perioden seines Lebens mag vorgezogen haben, so hätte sich jede damit beruhigen können, daß ihn keine einzige ganz gehabt hat. Wir sehen ihn in spätern Jahren beinahe mit ebenso wenigem Bedenken zum Calvinismus übergehen, als er in früher Kindheit die lutherische Religion für die römische verließ. Gegen die spanische Tyrannei vertheidigte er mehr die Menschenrechte der Protestanten, als ihre Meinungen; nicht ihr Glaube, ihre Leiden hatten ihn zu ihrem Bruder gemacht.Strada Dec. I. L. I. p. 24 und L. III. p. 55 sq. Grot. Annal. L. I. p. 7. Reidan. L. III. 59. Meurs. Guil. Auriac. L. I. p. 2. sq. Burg. 65. 66.
Diese allgemeinen Gründe des Mißtrauens schienen durch eine Entdeckung gerechtfertigt zu werden, welche der Zufall über seine wahren Gesinnungen darbot. Wilhelm war als Geisel des Friedens von Chateau-Cambresis, an dessen Stiftung er mitgearbeitet hatte, in Frankreich zurückgeblieben und hatte durch die Unvorsichtigkeit Heinrichs des Zweiten, der mit einem Vertrauten des Königs von Spanien zu sprechen glaubte, einen heimlichen Anschlag erfahren, den der französische Hof mit dem spanischen gegen die Protestanten beider Reiche entwarf. Diese wichtige Entdeckung eilte der Prinz seinen Freunden in Brüssel, die sie so nahe anging, mitzutheilen, und die Briefe, die er darüber wechselte, fielen unglücklicherweise dem König von Spanien in die Hände.Strada Dec. I. L. III. p. 56. Thuan. I. 1010. Reid. L. I. p. 2. Philipp wurde von diesem entscheidenden Aufschluß über Wilhelms Gesinnungen weniger überrascht, als über die Zerstörung seines Anschlags entrüstet; aber die spanischen Großen, die dem Prinzen jenen Augenblick noch nicht vergessen hatten, wo der größte der Kaiser im letzten Akte seines Lebens auf seinen Schultern ruhete, versäumten diese günstige Gelegenheit nicht, den Verräther eines Staatsgeheimnisses endlich ganz in der guten Meinung ihres Königs zu stürzen.
Nicht minder edlen Stammes, als Wilhelm, war Lamoral, Graf von Egmont und Prinz von Gavre, ein Abkömmling der Herzoge von Geldern, deren kriegerischer Muth die Waffen des Hauses Oesterreich ermüdet hatte. Sein Geschlecht glänzte in den Annalen des Landes; einer von seinen Vorfahren hatte schon unter Maximilian die Statthalterschaft über Holland verwaltet. Egmonts Vermählung mit der Herzogin Sabina von Bayern erhöhte noch den Glanz seiner Geburt und machte ihn durch wichtige Verbindungen mächtig. Karl der Fünfte hatte ihn im Jahr 1546 in Utrecht zum Ritter des goldenen Vließes geschlagen; die Kriege dieses Kaisers waren die Schule seines künftigen Ruhms, und die Schlachten bei St. Quentin und Gravelingen machten ihn zum Helden seines Jahrhunderts. Jede Wohlthat des Friedens, den handelnde Völker am dankbarsten fühlen, brachte das Gedächtniß der Siege zurück, durch die er beschleunigt worden, und der flämische Stolz machte sich, wie eine eitle Mutter, mit dem herrlichen Sohne des Landes groß, der ganz Europa mit seiner Bewunderung erfüllte. Neun Kinder, die unter den Augen seiner Mitbürger aufblühten, vervielfältigten und verengten die Bande zwischen ihm und dem Vaterland, und die allgemeine Zuneigung gegen ihn übte sich im Anschauen Derer, die ihm das Theuerste waren. Jede öffentliche Erscheinung Egmonts war ein Triumphzug; jedes Auge, das auf ihn geheftet war, erzählte sein Leben; in der Ruhmredigkeit seiner Kriegsgefährten lebten seine Thaten; ihren Kindern hatten ihn die Mütter bei ritterlichen Spielen gezeigt. Höflichkeit, edler Anstand und Leutseligkeit, die liebenswürdigen Tugenden der Ritterschaft, schmückten mit Grazie sein Verdienst. Auf einer freien Stirn erschien seine freie Seele; seine Offenherzigkeit verwaltete seine Geheimnisse nicht besser, als seine Wohltätigkeit seine Güter, und ein Gedanke gehörte allen, sobald er sein war. Sanft und menschlich war seine Religion, aber wenig geläutert, weil sie von seinem Herzen und nicht von seinem Verstande ihr Licht empfing. Egmont besaß mehr Gewissen, als Grundsätze; sein Kopf hatte sich sein Gesetzbuch nicht selbst gegeben, sondern nur eingelernt; darum konnte der bloße Name einer Handlung ihm die Handlung verbieten. Seine Menschen waren böse oder gut und hatten nicht Böses oder Gutes; in seiner Sittenlehre fand zwischen Laster und Tugend keine Vermittlung statt; darum entschied bei ihm oft eine einzige gute Seite für den Mann. Egmont vereinigte alle Vorzüge, die den Helden bilden; er war ein besserer Soldat, als Oranien, aber als Staatsmann tief unter ihm; dieser sah die Welt, wie sie wirklich war; Egmont in dem magischen Spiegel einer verschönernden Phantasie. Menschen, die das Glück mit einem Lohn überraschte, zu welchem sie keinen natürlichen Grund in ihren Handlungen finden, werden sehr leicht versucht, den notwendigen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung überhaupt zu verlernen und in die natürliche Folge der Dinge jene höhere Wunderkraft einschalten, der sie endlich tolldreist, wie Cäsar seinem Glücke, vertrauen. Von diesen Menschen war Egmont. Trunken von Verdiensten, welche die Dankbarkeit gegen ihn übertrieben hatte, taumelte er in diesem süßen Bewußtsein, wie in einer lieblichen Traumwelt, dahin. Er fürchtete nichts, weil er dem unsichern Pfande vertraute, das ihm das Schicksal in der allgemeinen Liebe gegeben, und glaubte an Gerechtigkeit, weil er glücklich war. Selbst die schrecklichste Erfahrung des spanischen Meineids konnte nachher diese Zuversicht nicht aus seiner Seele vertilgen, und auf dem Blutgerüste selbst war Hoffnung sein letztes Gefühl. Eine zärtliche Furcht für seine Familie hielt seinen patriotischen Muth an kleinern Pflichten gefangen. Weil er für Eigenthum und Leben zu zittern hatte, konnte er für die Republik nicht viel wagen. Wilhelm von Oranien brach mit dem Thron, weil die willkürliche Gewalt seinen Stolz empörte; Egmont war eitel, darum legte er einen Werth auf Monarchengnade. Jener war ein Bürger der Welt, Egmont ist nie mehr als ein Fläminger gewesen.Grotii Annal. L. I. p. 7. Strada L. I. 23 und L. III. 84.
Philipp der Zweite stand noch in der Schuld des Siegers bei St. Quentin, und die Oberstatthalterschaft der Niederlande schien die einzig würdige Belohnung so glänzender Verdienste zu sein. Geburt und Ansehen, die Stimme der Nation und persönliche Fähigkeiten sprachen so laut für Egmont als für Oranien, und wenn dieser übergangen wurde, so konnte jener allein ihn verdrängt haben.
Zwei Mitbewerber von so gleichem Verdienst hätten Philipp bei seiner Wahl verlegen machen können, wenn es ihm je in den Sinn gekommen wäre, sich für einen von Beiden zu bestimmen. Aber eben die Vorzüge, mit welchen sie ihr Recht darauf unterstützten, waren es, was sie ausschloß; und gerade durch diese feurigen Wünsche der Nation für ihre Erhebung hatten sie ihre Ansprüche auf diesen Posten unwiderruflich verwirkt. Philipp konnte in den Niederlanden keinen Statthalter brauchen, dem der gute Wille und die Kraft des Volks zu Gebote stand. Egmonts Abkunft von den geldrischen Herzogen machte ihn zu einem gebornen Feinde des spanischen Hauses, und die höchste Gewalt schien in den Händen eines Mannes gefährlich, dem es einfallen konnte, die Unterdrückung seines Ahnherrn an dem Sohne des Unterdrückers zu rächen. Die Hintansetzung ihrer Lieblinge konnte weder die Nation, noch sie selbst beleidigen, denn der König, hieß es, übergehe Beide, weil er keinen vorziehen möge.Strada Dec. I. L. I. 24. Grot. Annal. p. 12.
Die fehlgeschlagene Erwartung der Regentschaft benahm dem Prinzen von Oranien die Hoffnung noch nicht ganz, seinen Einfluß in den Niederlanden fester zu gründen. Unter den Uebrigen, welche zu diesem Amt in Vorschlag gebracht wurden, war auch Christina, Herzogin von Lothringen und Muhme des Königs, die sich als Mittlerin des Friedens von Chateau-Cambresis ein glänzendes Verdienst um die Krone erworben hatte. Wilhelm hatte Absichten auf ihre Tochter, die er durch eine thätige Verwendung für die Mutter zu befördern hoffte; aber er überlegte nicht, daß er eben dadurch ihre Sache verdarb. Die Herzogin Christina wurde verworfen, nicht sowohl, wie es hieß, weil die Abhängigkeit ihrer Länder von Frankreich sie dem spanischen Hofe verdächtig machte, als vielmehr deßwegen, weil sie dem niederländischen Volk und dem Prinzen von Oranien willkommen war.Burgund. L. I. 23 sq. Strada Dec. I. L. I. 24. 25.