Friedrich Schiller
Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande
Friedrich Schiller

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Unterdessen ergab sich Gent, und diese unerwartet schnelle Eroberung riß den Herzog auf einmal aus seiner Verlegenheit. Er fand in dieser Stadt alles Nöthige bereit, um seine Schiffbrücke zu vollenden, und die Schwierigkeit war bloß, es sicher herbeizuschaffen. Dazu eröffneten ihm die Feinde selbst den natürlichsten Weg. Durch Eröffnung der Dämme bei Saftingen war ein großer Theil von dem Land Waes bis zu dem Flecken Borcht unter Wasser gesetzt worden, so daß es gar nicht schwer hielt, die Felder mit flachen Fahrzeugen zu befahren. Der Herzog ließ also seine Schiffe von Gent auslaufen und beorderte sie, nachdem sie Dendermonde und Rupelmonde passiert, den linken Damm der Schelde zu durchstechen, Antwerpen zur Rechten liegen zu lassen und gegen Borcht zu in das überschwemmte Feld hinein zu segeln. Zur Versicherung dieser Fahrt wurde bei dem Flecken Borcht eine Bastei errichtet, welche die Feinde im Zaum halten könnte. Alles gelang nach Wunsch, obgleich nicht ohne einen lebhaften Kampf mit der feindlichen Flottille, welche vorausgeschickt worden war, diesen Zug zu stören. Nachdem man noch einige Dämme unterwegs durchstochen, erreichte man die spanischen Quartiere bei Calloo und lief glücklich wieder in die Schelde. Das Frohlocken der Armee war um so größer, nachdem man erst die große Gefahr vernommen, der die Schiffe nur eben entgangen waren. Denn kaum hatten sie sich der feindlichen Schiffe entlediget, so war schon eine Verstärkung der letztern von Antwerpen unterwegs, welche der tapfere Vertheidiger von Lillo, Odet von Teligny, anführte. Als dieser die Arbeit gethan und die Feinde entwischt sah, so bemächtigte er sich des Dammes, an dem jene durchgebrochen waren, und warf eine Bastei an der Stelle auf, um den Gentischen Schiffen, die etwa noch nachkommen möchten, den Paß zu verlegen.Meteren 481.  Strada 564.

Dadurch gerieth der Herzog von Parma aufs neue ins Gedränge. Noch hatte er bei weitem nicht Schiffe genug, weder für seine Brücke, noch zur Verteidigung derselben, und der Weg, auf welchem die vorigen herbeigeschafft worden, war durch das Fort des Teligny gesperrt. Indem er nun die Gegend in der Absicht recognoscierte, einen neuen Weg für seine Flotten ausfindig zu machen, stellte sich ihm ein Gedanke dar, der nicht bloß seine gegenwärtige Verlegenheit endigte, sondern der ganzen Unternehmung auf einmal einen lebhaften Schwung gab. Nicht weit von dem Dorfe Stecken im Lande Waes, von welchem Orte man noch etwa fünftausend Schritte bis zum Anfang der Ueberschwemmungen hatte, fließt die Moer, ein kleines Wasser, vorbei, das bei Gent in die Schelde fällt. Von diesem Flusse nun ließ er einen Kanal bis an die Gegend führen, wo die Ueberschwemmung den Anfang nahm, und weil die Wasser nicht überall hoch genug standen, so wurde der Kanal zwischen Bevern und Verrebroek bis nach Calloo fortgeführt, wo die Schelde ihn aufnahm. Fünfhundert Schanzgräber arbeiteten ohne Unterlaß an diesem Werke, und um die Verdrossenheit der Soldaten zu ermuntern, legte der Herzog selbst mit Hand an. Er erneuerte auf diese Art das Beispiel zweier berühmten Römer, Drusus und Corbulo, welche durch ähnliche Werke den Rhein mit der Südersee und die Maas mit dem Rhein verbanden.

Dieser Kanal, den die Armee seinem Urheber zu Ehren den Kanal von Parma nannte, erstreckte sich vierzehntausend Schritte lang und hatte eine verhältnißmäßige Tiefe und Breite, um sehr beträchtliche Schiffe zu tragen. Er verschaffte den Schiffen aus Gent nicht nur einen sichern, sondern auch einen merklich kürzern Weg zu den spanischen Quartieren, weil sie nun nicht mehr nöthig hatten, den weitläufigen Krümmungen der Schelde zu folgen, sondern bei Gent unmittelbar in die Moer traten und von da aus bei Stecken durch den Kanal und durch das überschwemmte Land bis nach Calloo gelangten. Da in der Stadt Gent die Erzeugnisse von ganz Flandern zusammenflossen, so setzte dieser Kanal das spanische Lager mit der ganzen Provinz in Zusammenhang. Von allen Orten und Enden strömte der Ueberfluß herbei, daß man im ganzen Laufe der Belagerung keinen Mangel mehr kannte. Aber der wichtigste Vortheil, den der Herzog aus diesem Werke zog, war ein hinreichender Vorrath an flachen Schiffen, wodurch er in den Stand gesetzt wurde, den Bau seiner Brücke zu vollenden.Strada 565.

Unter diesen Anstalten war der Winter herbeigekommen, der, weil die Schelde mit Eis ging, in dem Bau der Brücke einen ziemlich langen Stillstand verursachte. Mit Unruhe hatte der Herzog dieser Jahreszeit entgegengesehen, die seinem angefangenen Werk höchst verderblich werden, den Feinden aber bei einem ernsthaften Angriff auf dasselbe desto günstiger sein konnte. Aber die Kunst seiner Baumeister entriß ihn der einen Gefahr, und die Inconsequenz der Feinde befreite ihn von der andern. Zwar geschah es mehrmals, daß mit eintretender Meeresfluth starke Eisschollen sich in den Staketen verfingen und mit heftiger Gewalt das Gebälke erschütterten, aber es stand, und der Anlauf des wilden Elements machte bloß seine Festigkeit sichtbar.

Unterdessen wurde in Antwerpen mit fruchtlosen Deliberationen eine kostbare Zeit verschwendet und über dem Kampf der Parteien das allgemeine Beste vernachlässigt. Die Regierung dieser Stadt war in allzu viele Hände vertheilt und der stürmischen Menge ein viel zu großer Antheil daran gegeben, als daß man mit Ruhe überlegen, mit Einsicht wählen und mit Festigkeit ausführen konnte. Außer dem eigentlichen Magistrat, in welchem der Bürgermeister bloß eine einzelne Stimme hatte, waren in der Stadt noch eine Menge Korporationen vorhanden, denen die äußere und innere Sicherheit, die Proviantierung, die Befestigung der Stadt, das Schiffswesen, der Commerz u. dgl. oblag, und welche bei keiner wichtigen Verhandlung übergangen sein wollten. Durch diese Menge von Sprechern, die, so oft es ihnen beliebte, in die Rathsversammlung stürmten und, was sie durch Gründe nicht vermochten, durch ihr Geschrei und ihre starke Anzahl durchzusetzen wußten, bekam das Volk einen gefährlichen Einfluß in die öffentlichen Berathschlagungen, und der natürliche Widerstreit so entgegengesetzter Interessen hielt die Ausführung jeder heilsamen Maßregel zurück. Ein so schwankendes und kraftloses Regiment konnte sich bei einem trotzigen Schiffsvolk und bei einer sich wichtig dünkenden Soldateska nicht in Achtung setzen; daher die Befehle des Staats auch nur schlechte Befolgung fanden und durch die Nachlässigkeit, wo nicht gar offenbare Meuterei der Truppen und des Schiffsvolks mehr als einmal der entscheidende Augenblick verloren ging.Meteren 484.  Thuan. II. 529.  Grot. 88.

Die wenige Uebereinstimmung in der Wahl der Mittel, durch welche man dem Feind widerstehen wollte, würde indessen bei weitem nicht so viel geschadet haben, wenn man nur in dem Zwecke selbst vollkommen einig gewesen wäre. Aber eben darüber waren die begüterten Bürger und der große Haufe in zwei entgegengesetzte Parteien getheilt, indem die erstern nicht ohne Ursachen von der Extremität alles fürchteten und daher sehr geneigt waren, mit dem Herzog von Parma in Unterhandlungen zu treten. Diese Gesinnungen verbargen sie nicht länger, als das Fort Liefkenshoek in feindliche Hände gefallen war und man nun im Ernste anfing, für die Schifffahrt auf der Schelde zu fürchten. Einige derselben zogen ganz und gar fort und überließen die Stadt, mit der sie das Gute genossen, aber das Schlimme nicht theilen mochten, ihrem Schicksal. Sechzig bis siebenzig der Zurückbleibenden aus dieser Klasse übergaben dem Rath eine Bittschrift, worin sie den Wunsch äußerten, daß man mit dem König traktieren möchte. Sobald aber das Volk davon Nachricht erhielt, so gerieth es in eine wüthende Bewegung, daß man es kaum durch Einsperrung der Supplikanten und eine denselben aufgelegte Geldstrafe besänftigen konnte. Es ruhte auch nicht eher, als bis ein Edikt zu Stande kam, welches auf jeden heimlichen oder öffentlichen Versuch zum Frieden die Todesstrafe setzte.Meteren 485.

Dem Herzog von Parma, der in Antwerpen nicht weniger, als in den übrigen Städten Brabants und Flanderns, geheime Verständnisse unterhielt und durch seine Kundschafter gut bedient wurde, entging keine dieser Bewegungen, und er versäumte nicht, Vortheil davon zu ziehen. Obgleich er in seinen Anstalten weit genug vorwärts gerückt war, um die Stadt zu beängstigen, so waren doch noch sehr viele Schritte zu thun, um sich wirklich von derselben Meister zu machen, und ein einziger unglücklicher Augenblick konnte das Werk vieler Monate vernichten. Ohne also in seinen kriegerischen Vorkehrungen etwas nachzulassen, machte er noch einen ernstlichen Versuch, ob er sich der Stadt nicht durch Güte bemächtigen könnte. Er erließ zu dem Ende im November dieses Jahrs an den großen Rath von Antwerpen ein Schreiben, worin alle Kunstgriffe aufgeboten waren, die Bürger entweder zur Uebergabe der Stadt zu vermögen, oder doch die Trennung unter denselben zu vermehren. Er betrachtete sie in diesem Brief als Verführte und wälzte die ganze Schuld ihres Abfalls und ihrer bisherigen Widersetzlichkeit auf den ränkevollen Geist des Prinzen von Oranien, von welchem die Strafgerechtigkeit des Himmels sie seit kurzem befreiet habe. Jetzt, meinte er, stehe es in ihrer Macht, aus ihrer langen Verblendung zu erwachen und zu einem König, der zur Versöhnung geneigt sei, zurückzukehren. Dazu, fuhr er fort, biete er sich selbst mit Freuden als Mittler an, da er nie aufgehört habe, ein Land zu lieben, worin er geboren sei und den fröhlichsten Theil seiner Jugend zugebracht habe. Er munterte sie daher auf, ihm Bevollmächtigte zu senden, mit denen er über den Frieden traktieren könne, ließ sie die billigsten Bedingungen hoffen, wenn sie sich bei Zeiten unterwürfen, aber auch die härtesten fürchten, wenn sie es aufs Aeußerste kommen ließen.

Dieses Schreiben, in welchem man mit Vergnügen die Sprache nicht wiederfindet, welche ein Herzog von Alba zehen Jahre vorher in ähnlichen Fällen zu führen pflegte, beantwortete die Stadt in einem anständigen und bescheidenen Tone, und indem sie dem persönlichen Charakter des Herzogs volle Gerechtigkeit widerfahren ließ und seiner wohlwollenden Gesinnungen gegen sie mit Dankbarkeit erwähnte, beklagte sie die Härte der Zeitumstände, welche ihm nicht erlaubten, seinem Charakter und seiner Neigung gemäß gegen sie zu verfahren. In seine Hände, erklärte sie, würde sie mit Freuden ihr Schicksal legen, wenn er unumschränkter Herr seiner Handlungen wäre, und nicht einem fremden Willen dienen müßte, den seine eigene Billigkeit unmöglich gut heißen könne. Nur zu bekannt sei der unveränderliche Rathschluß des Königs von Spanien und das Gelübde, das derselbe dem Papst gethan habe; von dieser Seite sei alle ihre Hoffnung verloren. Sie vertheidigte dabei mit edler Wärme das Gedächtniß des Prinzen von Oranien, ihres Wohlthäters und Retters, indem sie die wahren Ursachen aufzählte, welche diesen traurigen Krieg herbeigeführt und die Provinzen von der spanischen Krone abtrünnig gemacht hätten. Zugleich verhehlte sie nicht, daß sie eben jetzt Hoffnung habe, an dem Könige von Frankreich einen neuen und einen gütigern Herrn zu finden und auch schon dieser Ursache wegen keinen Vergleich mit dem spanischen Monarchen eingehen könne, ohne sich des strafbarsten Leichtsinns und der Undankbarkeit schuldig zu machen.Thuan. II. 530. 531.  Meteren 485. 486.

Die vereinigten Provinzen nämlich, durch eine Reihe von Unglücksfällen kleinmüthig gemacht, hatten endlich den Entschluß gefaßt, unter die Oberhoheit Frankreichs zu treten und durch Aufopferung ihrer Unabhängigkeit ihre Existenz und ihre alten Privilegien zu retten. Mit diesem Auftrage war vor nicht langer Zeit eine Gesandtschaft nach Paris abgegangen, und die Aussicht auf diesen mächtigen Beistand war es vorzüglich, was den Muth der Antwerper stärkte. Heinrich der Dritte, König von Frankreich, war für seine Person auch nicht ungeneigt, dieses Anerbieten sich zu Nutze zu machen; aber die Unruhen, welche ihm die Intriguen der Spanier in seinem eigenen Königreich zu erregen wußten, nöthigten ihn wider seinen Willen. davon abzustehen. Die Niederländer wandten sich nunmehr mit ihrem Gesuch an die Königin Elisabeth von England, die ihnen auch wirklich, aber nur zu spät für Antwerpens Rettung, einen thätigen Beistand leistete. Während daß man in dieser Stadt den Erfolg dieser Unterhandlungen abwartete und nach einer fremden Hilfe in die Ferne blickte, hatte man die natürlichsten und nächsten Mittel zu seiner Rettung versäumt und den ganzen Winter verloren, den der Feind desto besser zu benutzen verstand.Meteren 488 u. folg.  A. G. d. v. N. III. 476–491.  Grot. 89.

Zwar hatte es der Bürgermeister von Antwerpen, St. Aldegonde, nicht an wiederholten Aufforderungen fehlen lassen, die seeländische Flotte zu einem Angriff auf die feindlichen Werke zu vermögen, während daß man von Antwerpen aus diese Expedition unterstützen würde. Die langen und öfters stürmischen Nächte konnten diese Versuche begünstigen, und wenn zugleich die Besatzung zu Lillo einen Ausfall wagte, so würde es dem Feinde kaum möglich gewesen sein, diesem dreifachen Anfall zu widerstehen. Aber unglücklicherweise waren zwischen dem Anführer jener Flotte, Wilhelm von Blois von Treslong, und der Admiralität von Seeland Irrungen entstanden, welche Ursache waren, daß die Ausrüstung der Flotte auf eine ganz unbegreifliche Weise verzögert wurde. Um solche zu beschleunigen, entschloß sich endlich Teligny, selbst nach Middelburg zu gehen, wo die Staaten von Seeland versammelt waren; aber weil der Feind alle Pässe besetzt hatte, so kostete ihn dieser Versuch seine Freiheit, und mit ihm verlor die Republik ihren tapfersten Verteidiger. Indessen fehlte es nicht an unternehmenden Schiffern, welche unter Vergünstigung der Nacht und mit eintretender Fluth, trotz des feindlichen Feuers, durch die damals noch offene Brücke sich schlugen, Proviant in die Stadt warfen und mit der Ebbe wieder zurückkehrten. Weil aber doch mehrere solcher Fahrzeuge dem Feind in die Hände fielen, so verordnete der Rath, daß inskünftige die Schiffe nie unter einer bestimmten Anzahl sich hinauswagen sollten, welches die Folge hatte, daß alles unterblieb, weil die erforderte Anzahl niemals voll werden wollte. Auch geschahen von Antwerpen aus einige nicht ganz unglückliche Versuche auf die Schiffe der Spanier; einige der letztern wurden erobert, andere versenkt, und es kam bloß darauf an, dergleichen Versuche im Großen fortzusetzen. Aber so eifrig auch St. Aldegonde dieses betrieb, so fand sich doch kein Schiffer, der ein Fahrzeug besteigen wollte.Strada 564.  Metern 484.  Reidan. Annal. 69.

Unter diesen Zögerungen verstrich der Winter, und kaum bemerkte man, daß das Eis sich verlor, so wurde von den Belagerern der Bau der Schiffbrücke nun mit allem Ernst vorgenommen. Zwischen beiden Staketen blieb noch ein Raum von mehr als sechshundert Schritten auszufüllen, welches auf folgende Art bewerkstelligt wurde. Man nahm zweiunddreißig Playten (platte Fahrzeuge), jede sechsundsechzig Fuß lang und zwanzig breit, und diese fügte man am Vorder- und Hintertheile mit starken Kabeltauen und eisernen Ketten an einander, doch so, daß sie noch gegen zwanzig Fuß von einander abstanden und dem Strom einen freien Durchzug verstatteten. Jede Playte hing auch außerdem an zwei Ankertauen, sowohl aufwärts als unterwärts des Stroms, welche aber, je nachdem das Wasser mit der Fluth stieg, oder mit der Ebbe sank, nachgelassen und angezogen werden konnten. Ueber die Schiffe hinweg wurden große Mastbäume gelegt, welche von einem zum andern reichten und mit Planken überdeckt, eine ordentliche Straße bildeten, auch wie die Staketen mit einem Geländer eingefaßt waren. Diese Schiffbrücke, davon beide Staketen nur eine Fortsetzung ausmachten, hatte, mit diesen zusammengenommen, eine Länge von zweitausend vierhundert Schritten. Dabei war diese furchtbare Maschine so künstlich organisiert und so reichlich mit Werkzeugen des Todes ausgerüstet, daß sie gleich einem lebendigen Wesen sich selbst vertheidigen, auf das Commandowort Flammen speien und auf alles, was ihr nahe kam, Verderben ausschütten konnte. Außer den beiden Forts, St. Maria und St. Philipp, welche die Brücke an beiden Ufern begrenzten, und außer den zwei hölzernen Basteien auf der Brücke selbst, welche mit Soldaten angefüllt und in allen vier Ecken mit Kanonen besetzt waren, enthielt jedes der zweiunddreißig Schiffe noch dreißig Bewaffnete nebst vier Matrosen zu seiner Bedeckung und zeigte dem Feind, er mochte nun von Seeland herauf oder von Antwerpen herunter schiffen, die Mündung einer Kanone. Man zählte in allem siebenundneunzig Kanonen, die sowohl über der Brücke als unter derselben vertheilt waren, und mehr als fünfzehnhundert Mann, die theils die Basteien, theils die Schiffe besetzten und, wenn es noth that, ein furchtbares Musketenfeuer auf den Feind unterhalten konnten.

Aber dadurch allein glaubte der Herzog sein Werk noch nicht gegen alle Zufälle sicher gestellt zu haben. Es war zu erwarten, daß der Feind nichts unversucht lassen würde, den mittlern und schwächsten Theil der Brücke durch die Gewalt seiner Maschinen zu sprengen; diesem vorzubeugen, warf er längs der Schiffbrücke und in einiger Entfernung von derselben noch eine besondere Schutzwehr auf, welche die Gewalt brechen sollte, die auf die Brücke selbst möchte ausgeübt werden. Dieses Werk bestand aus dreiunddreißig Barken von beträchtlicher Größe, welche in Einer Reihe quer über den Strom hingelagert und je drei und drei mit Mastbäumen an einander befestigt waren, so daß sie eilf verschiedene Gruppen bildeten. Jede derselben streckte, gleich einem Glied Pikenierer, in horizontaler Richtung vierzehn lange hölzerne Stangen aus, die dem herannahenden Feind eine eiserne Spitze entgegenkehrten. Diese Barken waren bloß mit Ballast angefüllt und hingen jede an einem doppelten, aber schlaffen Ankertau, um dem anschwellenden Strome nachgeben zu können, daher sie auch in beständiger Bewegung waren und davon die Namen Schwimmer bekamen. Die ganze Schiffbrücke und noch ein Theil der Staketen wurden von diesen Schwimmern gedeckt, welche sowohl oberhalb als unterhalb der Brücke angebracht waren. Zu allen diesen Vertheidigungsanstalten kam noch eine Anzahl von vierzig Kriegsschiffen, welche an beiden Ufern hielten und dem ganzen Werk zur Bedeckung dienten.Strada De. II. L. VI. 566. 567.  Meteren 482.  Thuan. III. L. LXXXIII. 45.  Allgemeine Geschichte der vereinigten Niederlande III. Bd. 497.

Dieses bewundernswürdige Werk war im März des Jahres 1585, als dem siebenten Monat der Belagerung, fertig, und der Tag, an dem es vollendet wurde, war ein Jubelfest für die Truppen. Durch ein wildes Freudenschießen wurde der große Vorfall der belagerten Stadt verkündigt, und die Armee, als wollte sie sich ihres Triumphs recht sinnlich versichern, breitete sich längs dem ganzen Gerüste aus, um den stolzen Strom, dem man das Joch aufgelegt hatte, friedfertig und gehorsam unter sich hinwegfließen zu sehen. Alle ausgestandenen unendlichen Mühseligkeiten waren bei diesem Anblick vergessen, und keiner, dessen Hand nur irgend dabei geschäftig gewesen, war so verächtlich und so klein, daß er sich nicht einen Theil der Ehre zueignete, die dem großen Urheber lohnte. Nichts aber gleicht der Bestürzung, welche die Bürger von Antwerpen ergriff, als ihnen die Nachricht gebracht wurde, daß die Schelde nun wirklich geschlossen und alle Zufuhr aus Seeland abgeschnitten sei. Und zu Vermehrung ihres Schreckens mußten sie zu derselben Zeit noch den Verlust der Stadt Brüssel erfahren, welche endlich durch Hunger genöthigt worden, sich zu ergeben. Ein Versuch, den der Graf von Hohenlohe in eben diesen Tagen auf Herzogenbusch gewagt, um entweder diese Stadt wegzunehmen, oder doch dem Feind eine Diversion zu machen, war gleichfalls verunglückt, und so verlor das bedrängte Antwerpen zu gleicher Zeit alle Hoffnung einer Zufuhr von der See und zu Lande.Strada 567–571.  Meteren 492. 494.  Thuan. III. 44. 45.

Durch einige Flüchtlinge, welche sich durch die spanischen Vorposten hindurch in die Stadt geworfen, wurden diese unglücklichen Zeitungen darin ausgebreitet, und ein Kundschafter, den der Bürgermeister ausgeschickt hatte, um die feindlichen Werke zu recognosciren, vergrößerte durch seine Aussagen noch die allgemeine Bestürzung. Er war ertappt und vor den Herzog von Parma gebracht worden, welcher Befehl gab, ihn überall herumzuführen und besonders die Einrichtung der Brücke aufs genauste besichtigen zu lassen. Nachdem dies geschehen war und er wieder vor den Feldherrn gebracht wurde, schickte ihn dieser mit den Worten zurück: »Gehe,« rief er, »und hinterbringe Denen, die dich herschickten, was du gesehen hast. Melde ihnen aber dabei, daß es mein fester Entschluß sei, mich entweder unter den Trümmern dieser Brücke zu begraben, oder durch diese Brücke in eure Stadt einzuziehen.«Strada 568.

Aber die Gewißheit der Gefahr belebte nun auch auf einmal den Eifer der Verbundenen, und es lag nicht an ihren Anstalten, wenn die erste Hälfte jenes Gelübdes nicht in Erfüllung ging. Längst schon hatte der Herzog mit Unruhe den Bewegungen zugesehen, welche zum Entsatze der Stadt in Seeland gemacht wurden. Es war ihm nicht verborgen, daß er den gefährlichsten Schlag von dorther zu fürchten habe, und daß gegen die vereinigte Macht der seeländischen und antwerpischen Flotten, wenn sie zu gleicher Zeit und im rechten Moment auf ihn losdringen sollten, mit allen seinen Werken nicht viel würde auszurichten sein. Eine Zeit lang hatten ihm die Zögerungen des seeländischen Admirals, die er auf alle Art zu unterhalten bemüht war, Sicherheit verschafft; jetzt aber beschleunigte die dringende Noth auf einmal die Rüstung, und ohne länger auf den Admiral zu warten, schickten die Staaten zu Middelburg den Grafen Justin von Nassau mit so viel Schiffen, als sie aufbringen konnten, den Belagerten zu Hilfe. Diese Flotte legte sich vor das Fort Liefkenshoek, welches der Feind in Besitz hatte, und beschoß dasselbe, von einigen Schiffen aus dem gegenüberliegenden Fort Lillo unterstützt, mit so glücklichem Erfolge, daß die Wälle in kurzem zu Grunde gerichtet und mit stürmender Hand erstiegen wurden. Die darin zur Besatzung liegenden Wallonen zeigten die Festigkeit nicht, welche man von Soldaten des Herzogs von Parma erwartete; sie überließen dem Feinde schimpflich die Festung, der sich in kurzem der ganzen Insel Doel mit allen darauf liegenden Schanzen bemeisterte. Der Verlust dieser Plätze, die jedoch bald wieder gewonnen waren, ging dem Herzog von Parma so nahe, daß er die Befehlshaber vor das Kriegsgericht zog und den schuldigsten darunter enthaupten ließ. Indessen eröffnete diese wichtige Eroberung den Seeländern einen freien Paß bis zur Brücke, und nunmehr war der Zeitpunkt vorhanden, nach genommener Abrede mit den Antwerpern gegen jenes Werk einen entscheidenden Streich auszuführen. Man kam überein, daß, während man von Antwerpen aus durch schon bereitgehaltene Maschinen die Schiffbrücke sprengte, die seeländische Flotte mit einem hinlänglichen Vorrath von Proviant in der Nähe sein sollte, um sogleich durch die gemachte Oeffnung hindurch nach der Stadt zu segeln.Strada 573. 574.  Meteren 495.

Denn ehe noch der Herzog von Parma mit seiner Brücke zu Stande war, arbeitete schon in den Mauern Antwerpens ein Ingenieur an ihrer Zerstörung. Friedrich Gianibelli hieß dieser Mann, den das Schicksal bestimmt hatte, der Archimed dieser Stadt zu werden und eine gleiche Geschicklichkeit mit gleich verlorenem Erfolg zu deren Verteidigung zu verschwenden. Er war aus Mantua gebürtig und hatte sich ehedem in Madrid gezeigt, um, wie Einige wollen, dem König Philipp seine Dienste in dem niederländischen Krieg anzubieten. Aber vom langen Warten ermüdet, verließ der beleidigte Künstler den Hof, des Vorsatzes, den Monarchen Spaniens auf eine empfindliche Art mit einem Verdienste bekannt zu machen, das er so wenig zu schätzen gewußt hatte. Er suchte die Dienste der Königin Elisabeth von England, der erklärten Feindin von Spanien, welche ihn, nachdem sie einige Proben von seiner Kunst gesehen, nach Antwerpen schickte. In dieser Stadt ließ er sich wohnhaft nieder und widmete derselben in der gegenwärtigen Extremität seine ganze Wissenschaft und den feurigsten Eifer.Meteren 495.  Strada 574.

Sobald dieser Künstler in Erfahrung gebracht hatte, daß es mit der Brücke ernstlich gemeint sei und das Werk der Vollendung sich nahe, so bat er sich von dem Magistrate drei große Schiffe von hundert und fünfzig bis fünfhundert Tonnen aus, in welchen er Minen anzulegen gedachte. Außer diesen verlangte er noch sechzig Playten, welche, mit Kabeln und Ketten aneinander gebunden und mit hervorragenden Haken versehen, mit eintretender Ebbe in Bewegung gesetzt werden und, um die Wirkung der Minenschiffe zu vollenden, in keilförmiger Richtung gegen die Brücke Sturm laufen sollten. Aber er hatte sich mit seinem Gesuch an Leute gewendet, die gänzlich unfähig waren, einen außerordentlichen Gedanken zu fassen, und selbst da, wo es die Rettung des Vaterlandes galt, ihren Krämersinn nicht zu verleugnen wußten. Man fand seinen Vorschlag allzu kostbar, und nur mit Mühe erhielt er endlich, daß ihm zwei kleinere Schiffe von siebenzig bis achtzig Tonnen, nebst einer Anzahl Playten bewilligt wurden.

Mit diesen zwei Schiffen, davon er das eine das Glück, das andere die Hoffnung nannte, verfuhr er auf folgende Art. Er ließ auf dem Boden derselben einen hohlen Kasten von Quadersteinen mauern, der fünf Schuh breit, vierthalb hoch und vierzig lang war. Diesen Kasten füllte er mit sechzig Centnern des feinsten Schießpulvers von seiner eigenen Erfindung und bedeckte denselben mit großen Grab- und Mühlsteinen, so schwer das Fahrzeug sie tragen konnte. Darüber führte er noch ein Dach von ähnlichen Steinen auf, welches spitz zulief und sechs Schuh hoch über den Schiffsrand emporragte. Das Dach selbst wurde mit eisernen Ketten und Haken, mit metallenen und marmornen Kugeln, mit Nägeln, Messern und andern verderblichen Werkzeugen vollgestopft; auch der übrige Raum des Schiffs, den der Kasten nicht einnahm, wurde mit Steinen ausgefüllt und das Ganze mit Brettern überzogen. In dem Kasten selbst waren mehrere kleine Oeffnungen für die Lunten gelassen, welche die Mine anzünden sollten. Zum Ueberfluß war noch ein Uhrwerk darin angebracht, welches nach Ablauf der bestimmten Zeit Funken schlagen und, wenn auch die Lunten verunglückten, das Schiff in Brand stecken konnte. Um dem Feinde die Meinung beizubringen, als ob es mit diesen Maschinen bloß darauf abgesehen sei, die Brücke anzuzünden, wurde auf dem Gipfel derselben ein Feuerwerk von Schwefel und Pech unterhalten, welches eine ganze Stunde lang fortbrennen konnte. Ja, um die Aufmerksamkeit desselben noch mehr von dem eigentlichen Sitze der Gefahr abzulenken, rüstete er noch zweiunddreißig Schuyten (kleine platte Fahrzeuge) aus, auf denen bloß Feuerwerke brannten und welche keine andere Bestimmung hatten, als dem Feinde ein Gaukelwerk vorzumachen. Diese Brander sollten in vier verschiedenen Transporten, von einer halben Stunde zur andern, nach der Brücke hinunterlaufen und die Feinde zwei ganzer Stunden lang unaufhörlich in Athem erhalten, so daß sie endlich, vom Schießen erschöpft und durch vergebliches Warten ermüdet, in ihrer Aufmerksamkeit nachließen, wenn die rechten Vulkane kämen. Voran ließ er zum Ueberfluß noch einige Schiffe laufen, in welchen Pulver verborgen war, um das fließende Werk vor der Brücke zu sprengen und den Hauptschiffen Bahn zu machen. Zugleich hoffte er durch dieses Vorpostengefecht den Feinden zu thun zu geben, sie heranzulocken und der ganzen tödtenden Wirkung des Vulkans anszusetzen.Thuan. III. 46.  Strada 574. 575.  Meteren 596.

Die Nacht zwischen dem 4ten und 5ten April war zur Ausführung dieses großen Unternehmens bestimmt. Ein dunkles Gerücht davon hatte sich auch schon in dem spanischen Lager verbreitet, besonders da man von Antwerpen aus mehrere Taucher entdeckt hatte, welche die Ankertaue an den Schiffen hatten zerhauen wollen. Man war sich daher auf einen ernstlichen Angriff gefaßt; nur irrte man sich in der eigentlichen Beschaffenheit desselben und rechnete mehr darauf, mit Menschen als mit Elementen zu kämpfen. Der Herzog ließ zu diesem Ende die Wachen längs dem ganzen Ufer verdoppeln und zog den besten Theil seiner Truppen in die Nähe der Brücke, wo er selbst gegenwärtig war; um so näher der Gefahr, je sorgfältiger er derselben zu entfliehen suchte. Kaum war es dunkel geworden, so sah man von der Stadt her drei brennende Fahrzeuge daherschwimmen, dann noch drei andere, und gleich darauf eben so viele. Man ruft durch das spanische Lager ins Gewehr, und die ganze Länge der Brücke füllt sich mit Bewaffneten an. Indessen vermehrten sich die Feuerschiffe und zogen, theils paarweise, theils zu dreien, in einer gewissen Ordnung den Strom herab, weil sie am Anfang noch durch Schiffer gelenkt wurden. Der Admiral der antwerpischen Flotte, Jacob Jacobson, hatte es, man wußte nicht, ob aus Nachlässigkeit oder Vorsatz, darin versehen, daß er die vier Schiffhaufen allzu geschwind hintereinander ablaufen und ihnen auch die zwei großen Minenschiffe viel zu schnell folgen ließ, wodurch die ganze Ordnung gestört wurde.

Unterdessen rückte der Zug immer näher, und die Dunkelheit der Nacht erhöhte noch den außerordentlichen Anblick. So weit das Auge dem Strom folgen konnte, war alles Feuer, und die Brander warfen so starke Flammen aus, als ob sie selbst in Feuer aufgingen. Weithin leuchtete die Wasserfläche; die Dämme und Basteien längs dem Ufer, die Fahnen, Waffen und Rüstungen der Soldaten, welche sowohl hier als auf der Brücke in Parade standen, glänzten im Widerschein. Mit einem gemischten Gefühl von Grauen und Vergnügen betrachtete der Soldat das seltsame Schauspiel, das eher einer Fête als einem feindlichen Apparate glich, aber gerade wegen dieses sonderbaren Contrastes der äußern Erscheinung mit der innern Bestimmung die Gemüther mit einem wunderbaren Schauer erfüllte. Als diese brennende Flotte der Brücke bis auf zweitausend Schritte nahe gekommen, zündeten ihre Führer die Lunten an, trieben die zwei Minenschiffe in die eigentliche Mitte des Stroms und überließen die übrigen dem Spiele der Wellen, indem sie selbst sich auf schon bereit gehaltenen Kähnen hurtig davon machten.Strada 576.

Jetzt verwirrte sich der Zug, und die führerlosen Schiffe langten einzeln und zerstreut bei den schwimmenden Werken an, wo sie entweder hängenblieben, oder seitwärts an das Ufer prallten. Die vordern Pulverschiffe, welche bestimmt gewesen waren, das schwimmende Werk zu entzünden, warf die Gewalt eines Sturmwindes, der sich in diesem Augenblick erhob, an das flandrische Ufer; selbst der eine von den beiden Brandern, welcher das Glück hieß, gerieth unterwegs auf den Grund, ehe er noch die Brücke erreichte, und tödtete, indem er zersprang, etliche spanische Soldaten, die in einer nahgelegenen Schanze arbeiteten. Wenig fehlte, daß der andere und größere Brander, die Hoffnung genannt, nicht ein ähnliches Schicksal gehabt hätte. Der Strom warf ihn an das schwimmende Werk auf der flandrischen Seite, wo er hängen blieb; und hätte er in diesem Augenblick sich entzündet, so war der beste Theil seiner Wirkung verloren. Von den Flammen getäuscht, welche diese Maschine, gleich den übrigen Fahrzeugen, von sich warf, hielt man sie bloß für einen gewöhnlichen Brander, der die Schiffbrücke anzuzünden bestimmt sei. Und wie man nun gar eins der Feuerschiffe nach dem andern ohne alle weitere Wirkung erlöschen sah, so verlor sich endlich die Furcht, und man fing an, über die Anstalten des Feindes zu spotten, die sich so prahlerisch angekündigt hatten und nun ein so lächerliches Ende nahmen. Einige der Verwegensten warfen sich sogar in den Strom, um den Brander in der Nähe zu besehen und ihn auszulöschen, als derselbe vermittelst seiner Schwere sich durchriß, das schwimmende Werk, das ihn aufgehalten, zersprengte und mit einer Gewalt, welche alles fürchten ließ, auf die Schiffbrücke losdrang. Auf einmal kommt alles in Bewegung, und der Herzog ruft den Matrosen zu, die Maschine mit Stangen aufzuhalten und die Flammen zu löschen, ehe sie das Gebälk ergriffen.

Er befand sich in diesem bedenklichen Augenblick an dem äußersten Ende des linken Gerüstes, wo dasselbe eine Bastei im Wasser formierte und in die Schiffbrücke überging. Ihm zur Seite standen der Markgraf von Rysburg, General der Reiterei und Gouverneur der Provinz Artois, der sonst den Staaten gedient hatte, aber aus einem Verteidiger der Republik ihr schlimmster Feind geworden war; der Freiherr von Billy, Gouverneur von Friesland und Chef der deutschen Regimenter; die Generale Cajetan und Guasto, nebst mehrern der vornehmsten Officiere; alle ihrer besondern Gefahr vergessend und bloß mit Abwendung des allgemeinen Unglücks beschäftigt. Da nahte sich dem Herzog von Parma ein spanischer Fähndrich und beschwor ihn, sich von einem Orte hinwegzubegeben, wo seinem Leben augenscheinlich Gefahr drohe. Er wiederholte diese Bitte noch dringender, als der Herzog nicht darauf merken wollte, und flehte ihn zuletzt fußfällig, in diesem einzigen Stücke von seinem Diener Rath anzunehmen. Indem er dies sagte, hatte den Herzog am Rock ergriffen, als wollte er ihn mit Gewalt von der Stelle ziehen, und dieser, mehr von der Kühnheit dieses Mannes überrascht als durch seine Gründe überredet, zog sich endlich von Cajetan und Guasto begleitet, nach dem Ufer zurück. Kaum hatte er Zeit gehabt, das Fort St. Maria am äußersten Ende der Brücke zu erreichen, so geschah hinter ihm ein Knall, nicht anders, als börste die Erde und stürze das Gewölbe des Himmels ein. Wie todt fiel der Herzog nieder, die ganze Armee mit ihm, und es dauerte mehrere Minuten, bis man wieder zur Besinnung erwachte.

Aber welch ein Anblick, als man jetzt wieder zu sich selber kam! Von dem Schlage des entzündeten Vulkans war die Schelde bis in ihre untersten Tiefen gespalten und mit mauerhoher Fluth über den Damm, der sie umgab, hinausgetrieben worden, so daß alle Festungswerke am Ufer mehrere Schuh hoch im Wasser standen. Drei Meilen im Umkreis schütterte die Erde. Beinahe das ganze linke Gerüste, an welchem das Brandschiff sich angehängt hatte, war nebst einem Theil der Schiffbrücke auseinander gesprengt, zerschmettert und mit allem, was sich darauf befand, mit allen Mastbäumen, Kanonen und Menschen in die Luft geführt worden. Selbst die ungeheuren Steinmassen, welche die Mine bedeckten, hatte die Gewalt des Vulkans in die benachbarten Felder geschleudert, so daß man nachher mehrere davon, tausend Schritte weit von der Brücke, aus dem Boden herausgrub. Sechs Schiffe waren verbrannt, mehrere in Stücken gegangen. Aber schrecklicher als alles dies war die Niederlage, welche das mörderische Werkzeug unter den Menschen anrichtete. Fünfhundert, nach andern Berichten sogar achthundert Menschen wurden das Opfer seiner Wuth, diejenigen nicht einmal gerechnet, welche mit verstümmelten oder sonst beschädigten Gliedern davon kamen; und die entgegengesetzteren Todesarten vereinigten sich in diesem entsetzlichen Augenblick. Einige wurden durch den Blitz des Vulkans, Andere durch das kochende Gewässer des Stroms verbrannt, noch Andere erstickte der giftige Schwefeldampf; Jene wurden in den Fluthen, Diese unter dem Hagel der geschleuderten Steine begraben, Viele von den Messern und Haken zerfleischt, oder von den Kugeln zermalmt, welche aus dem Bauch der Maschine sprangen. Einige, die man ohne alle sichtbare Verletzung entseelt fand, mußte schon die bloße Lufterschütterung getödtet haben. Der Anblick, der sich unmittelbar nach Entzündung der Mine darbot, war fürchterlich. Einige staken zwischen dem Pfahlwerk der Brücke, Andere arbeiteten sich unter Steinmassen hervor, noch Andere waren in den Schiffseilen hängen geblieben; von allen Orten und Enden her erhub sich ein herzzerschneidendes Geschrei nach Hilfe, welches aber, weil Jeder genug mit sich selbst zu thun hatte, nur durch ein ohnmächtiges Wimmern beantwortet wurde.


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