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Die Triebfedern dieser außerordentlichen Begebenheit sind offenbar nicht so weit herzuholen, als viele Geschichtschreiber sich Mühe geben. Möglich allerdings und sehr wahrscheinlich, daß die französischen Protestanten emsig daran arbeiteten, in den Niederlanden eine Pflanzschule für ihre Religion zu unterhalten, und eine gütliche Vergleichung ihrer dortigen Glaubensbrüder mit dem König von Spanien durch jedes Mittel zu verhindern strebten, um diesem unversöhnlichen Feind ihrer Partei in seinem eigenen Lande zu thun zu geben; sehr natürlich also, daß ihre Unterhändler in den Provinzen nicht unterlassen haben werden, die unterdrückten Religionsverwandten zu verwegenen Hoffnungen zu ermuntern, ihre Erbitterung gegen die herrschende Kirche auf alle Arten zu nähren, den Druck, worunter sie seufzten, zu übertreiben und sie dadurch unvermerkt zu Unthaten fortzureißen. Möglich, daß es auch unter den Verbundenen Viele gab, die ihrer eignen verlornen Rache dadurch aufzuhelfen meinten, wenn sie die Zahl ihrer Mitschuldigen vermehrten; die die Rechtmäßigkeit ihres Bundes nicht anders retten zu können glaubten, als wenn sie die unglücklichen Folgen wirklich herbeiriefen, wovor sie den König gewarnt hatten, und die in dem allgemeinen Verbrechen ihr eignes zu verhüllen hofften. Daß aber die Bilderstürmerei die Frucht eines überlegten Planes gewesen, der aus dem Convent zu St. Truyen verabredet worden, daß in einer solennen Versammlung so vieler Edlen und Tapfern, unter denen noch bei weitem der größere Theil dem Papstthum anhing. ein Rasender sich hätte erdreisten sollen, den Entwurf zu einer offenbaren Schandthat zu geben, die nicht sowohl eine abgesonderte Religionspartei kränkte, als vielmehr alle Achtung für Religion überhaupt und alle Sittlichkeit mit Füßen trat, und die nur in dem schlammichten Schooß einer verworfenen Pöbelseele empfangen werden konnte, wäre schon allein darum nicht glaublich, weil diese wüthende That in ihrer Entstehung zu rasch, in ihrer Ausführung zu leidenschaftlich, zu ungeheuer erscheint, um nicht die Geburt des Augenblicks gewesen zu sein, in welchem sie ans Licht trat, und weil sie aus den Umständen, die ihr vorhergingen, so natürlich fließt, daß es so tiefer Nachsuchungen nicht bedarf, um ihre Entstehung zu erklären.
Eine rohe zahlreiche Menge, zusammengeflossen aus dem untersten Pöbel, viehisch durch viehische Behandlung, von Mordbefehlen, die in jeder Stadt auf sie lauern, von Grenze zu Grenze herumgescheucht und bis zur Verzweiflung gehetzt, genöthigt, ihre Andacht zu stehlen, ein allgemein geheiligtes Menschenrecht gleich einem Werke der Finsterniß zu verheimlichen – vor ihren Augen vielleicht die stolz aufsteigenden Gotteshäuser der triumphierenden Kirche, wo ihre übermüthigen Brüder in bequemer und üppiger Andacht sich pflegen; sie selbst herausgedrängt aus den Mauern, vielleicht durch die schwächere Anzahl herausgedrängt, hier im wilden Wald, unter brennender Mittagshitze, in schimpflicher Heimlichkeit, dem nämlichen Gott zu dienen – hinausgestoßen aus der bürgerlichen Gesellschaft in den Stand der Natur, und in einem schrecklichen Augenblick an die Rechte dieses Standes erinnert! Je überlegener ihre Zahl, desto unnatürlicher ist dieses Schicksal; mit Verwunderung nehmen sie es wahr. Freier Himmel, bereit liegende Waffen, Wahnsinn im Gehirne und im Herzen Erbitterung kommen dem Wink eines fanatischen Redners zu Hilfe; die Gelegenheit ruft, keine Verabredung ist nöthig, wo alle Augen dasselbe sagen; der Entschluß ist geboren, noch ehe das Wort ausgesprochen wird; zu einer Unthat bereit, Keiner weiß es noch deutlich zu welcher, rennt dieser wüthende Trupp auseinander. Der lachende Wohlstand der feindlichen Religion kränkt ihre Armuth, die Pracht jener Tempel spricht ihrem landflüchtigen Glauben Hohn; jedes aufgestellte Kreuz an den Landstraßen, jedes Heiligenbild, worauf sie stoßen, ist ein Siegesmal, das über sie errichtet ist, und jedes muß von ihren rächerischen Händen fallen. Fanatismus gibt dem Gräuel seine Entstehung, aber niedrige Leidenschaften, denen sich hier eine reiche Befriedigung aufthut, bringen ihn zur Vollendung.
(1566.) Der Anfang des Bildersturms geschah in Westflandern und Artois, in den Landschaften zwischen dem Lys und dem Meere. Eine rasende Rotte von Handwerkern, Schiffern und Bauern, mit öffentlichen Dirnen, Bettlern und Raubgesindel untermischt, etwa dreihundert an der Zahl, mit Keulen, Aexten, Hämmern, Leitern und Strängen versehen, nur wenige darunter mit Feuergewehr und Dolchen bewaffnet, werfen sich, von fanatischer Wuth begeistert, in die Flecken und Dörfer bei St. Omer, sprengen die Pforten der Kirchen und Klöster, die sie verschlossen finden, mit Gewalt, stürzen die Altäre, zerbrechen die Bilder der Heiligen und treten sie mit Füßen. Erhitzter durch diese verdammliche That und durch neuen Zulauf verstärkt, dringen sie geraden Wegs nach Ypern vor, wo sie auf einen starken Anhang von Calvinisten zu rechnen haben. Unaufgehalten brechen sie dort in die Hauptkirche ein; die Wände werden mit Leitern erstiegen, die Gemälde mit Hämmern zerschlagen, Kanzeln und Kirchenstühle mit Aexten zerhauen, die Altäre ihrer Zierrathen entkleidet und die heiligen Gefäße gestohlen. Dieses Beispiel wird sogleich in Menin, Comines, Verrich, Lille und Oudenaarde nachgeahmt; dieselbe Wuth ergreift in wenig Tagen ganz Flandern. Eben, als die ersten Zeitungen davon einliefen, wimmelte Antwerpen von einer Menge Volks ohne Heimath, die das Fest von Maria Himmelfahrt in dieser Stadt zusammengedrängt hatte. Kaum hält die Gegenwart des Prinzen von Oranien die ausgelassene Bande noch im Zügel, die es ihren Brüdern in St. Omer nachzumachen brennt; aber ein Befehl des Hofs, der ihn eilfertig nach Brüssel ruft, wo die Regentin eben ihren Staatsrath versammelt, um ihm die königlichen Briefe vorzulegen, gibt Antwerpen dem Muthwillen dieser Bande preis. Seine Entfernung ist die Losung zum Tumult. Vor der Ausgelassenheit des Pöbels bange, die sich gleich in den ersten Tagen in spöttischen Anspielungen äußerte, hatte man das Marienbild nach wenigen Umgängen auf den Chor geflüchtet, ohne es, wie sonst, in der Mitte der Kirche aufzurichten. Dies veranlaßte etliche muthwillige Buben aus dem Volke, ihm dort einen Besuch zu geben und es spöttisch zu fragen, warum es sich neulich so bald absentiert habe? Andere stiegen auf die Kanzel, wo sie dem Prediger nachäfften und die Papisten zum Wettkampf herausforderten. Ein katholischer Schiffer, den dieser Spaß verdroß, wollte sie von da herunterreißen, und es kam auf dem Predigtstuhl zu Schlägen. Aehnliche Auftritte geschahen am folgenden Abend. Die Anzahl mehrte sich, und Viele kamen schon mit verdächtigen Werkzeugen und heimlichen Waffen versehen. Endlich fällt es Einem bei, es leben die Geusen! zu rufen; gleich ruft die ganze Rotte es nach, und das Marienbild wird aufgefordert, dasselbe zu thun. Die wenigen Katholiken, die da waren und die Hoffnung aufgaben, gegen diese Tollkühnen etwas auszurichten, verlassen die Kirche, nachdem sie alle Thore, bis auf eines, verschlossen haben. Sobald man sich allein sieht, wird in Vorschlag gebracht, einen von den Psalmen nach der neuen Melodie anzustimmen, die von der Regierung verboten sind. Noch während dem Singen werfen sich Alle, wie auf ein gegebenes Signal, wüthend auf das Marienbild, durchstechen es mit Schwertern und Dolchen und schlagen ihm das Haupt ab; Huren und Diebe reißen die großen Kerzen von den Altären und leuchten zu dem Werk. Die schöne Orgel der Kirche, ein Meisterstück damaliger Kunst, wird zertrümmert, alte Gemälde ausgelöscht, alle Statuen zerschmettert. Ein gekreuzigter Christus in Lebensgröße, der zwischen den zwei Schächern dem Hochaltar gegenüber aufgestellt war, ein altes und sehr werth gehaltenes Stück, wird mit Strängen zur Erde gerissen und mit Beilen zerschlagen, indem man die beiden Mörder zu seiner Seite ehrerbietig schont. Die Hostien streut man auf den Boden und tritt sie mit Füßen; in dem Nachtmahlwein, den man von ungefähr da findet, wird die Gesundheit der Geusen getrunken; mit dem heiligen Oele werden die Schuhe gerieben. Gräber selbst werden durchwühlt, die halbverwesten Leichen hervorgerissen und mit Füßen getreten. Alles dies geschah in so wunderbarer Ordnung, als hätte man einander die Rollen vorher zugetheilt; Jeder arbeitete seinem Nachbar dabei in die Hände; keiner, so halsbrechend auch dieses Geschäft war, nahm Schaden, ungeachtet der dicken Finsterniß, ungeachtet die größten Lasten um und neben ihnen fielen, und Manche auf den obersten Sprossen der Leitern handgemein wurden. Ohngeachtet der vielen Kerzen, welche ihnen zu ihrem Bubenstück leuchteten, wurde kein Einziger erkannt. Mit unglaublicher Geschwindigkeit ward die That vollendet; eine Anzahl von höchstens hundert Menschen verwüstete in wenigen Stunden einen Tempel von siebenzig Altären, nach der Peterskirche in Rom einen der größten und prächtigsten in der Christenheit.
Bei der Hauptkirche blieb es nicht allein; mit Fackeln und Kerzen, die man daraus entwendet, macht man sich noch in der Mitternacht auf, den übrigen Kirchen, Klöstern und Kapellen ein ähnliches Schicksal zu bereiten. Die Rotten mehren sich mit jeder neuen Schandthat, und durch die Gelegenheit werden Diebe gelockt. Man nimmt mit, was man findet, Gefäße, Altartücher, Geld, Gewänder; in den Kellern der Klöster berauscht man sich aufs neue; die Mönche und Nonnen lassen alles im Stich, um der letzten Beschimpfung zu entfliehen. Der dumpfe Tumult dieses Vorgangs hatte die Bürger aus dem ersten Schlafe geschreckt; aber die Nacht machte die Gefahr schrecklicher, als sie wirklich war, und anstatt seinen Kirchen zu Hilfe zu eilen, verschanzte man sich in seinen Häusern und erwartete mit ungewissem Entsetzen den Tag. Die aufgehende Sonne zeigte endlich die geschehene Verwüstung – aber das Werk der Nacht war mit ihr nicht geendigt. Einige Kirchen und Klöster sind noch verschont geblieben; auch diese trifft ein ähnliches Schicksal; drei Tage dauert dieser Gräuel. Besorgt endlich, daß dieses rasende Gesinde, wenn es nichts Heiliges mehr zu zerstören fände, einen ähnlichen Angriff auf das Profane thun und ihren Waarengewölben gefährlich werden möchte, zugleich muthiger gemacht durch die entdeckte geringe Anzahl des Feindes, wagen es die reicheren Bürger, sich bewaffnet vor ihren Hausthüren zu zeigen. Alle Thore der Stadt werden verschlossen, ein einziges ausgenommen, durch welches die Bilderstürmer brechen, um in den angrenzenden Gegenden denselben Gräuel zu erneuern. Während dieser ganzen Zeit hat es die Obrigkeit nur ein einziges Mal gewagt, sich ihrer Gewalt zu bedienen; so sehr wurde sie durch die Uebermacht der Calvinisten in Furcht gehalten, von denen, wie man glaubte, das Raubgesindel gedungen war. Der Schaden, den diese Verwüstung anrichtete, war unermeßlich; bei der Marienkirche allein wird er auf vierhunderttausend Goldgulden angegeben. Viele schätzbare Werke der Kunst wurden bei dieser Gelegenheit vernichtet; viele kostbare Handschriften, viele Denkmäler, wichtig für Geschichte und Diplomatik, gingen dabei verloren. Der Magistrat gab sogleich Befehl, die geraubten Sachen bei Lebensstrafe wieder einzuliefern, wobei ihm die reformierten Prediger, die für ihre Religionspartei errötheten, nachdrücklich beistanden. Vieles wurde auf diese Art gerettet, und die Anführer des Gesindels, entweder weil weniger die Raubsucht als Fanatismus und Rache sie beseelten, oder weil sie von fremder Hand geleitet wurden, beschlossen, um diese Ausschweifung künftig zu verhüten, fortan bandenweis und in besserer Ordnung zu stürmen.Meteren 86. Strada 145–147. Burgund. 294. 295. 300. Hopper. §. 126. Meurs. Guil. Auriac. L. II. 13. 14.
Die Stadt Gent zitterte indessen vor einem ähnlichen Schicksal. Gleich auf die erste Nachricht der Bilderstürmerei in Antwerpen hatte sich der Magistrat dieser Stadt mit den vornehmsten Bürgern durch einen Eid verbunden, die Tempelschänder gewaltsam zurückzutreiben; als man diesen Eid auch dem Volk verlegte, waren die Stimmen getheilt, und Viele erklärten gerade heraus, daß sie gar nicht geneigt wären, ein so gottesdienstliches Werk zu verhindern. Bei so gestalten Sachen fanden es die katholischen Geistlichen rathsam, die besten Kostbarkeiten der Kirchen in die Citadelle zu flüchten, und einigen Familien wurde erlaubt, was ihre Vorfahren darein geschenkt hatten, gleichfalls in Sicherheit zu bringen. Mittlerweile waren alle Ceremonien eingestellt, die Gerichte machten einen Stillstand, wie in einer eroberten Stadt, man zitterte in Erwartung dessen, was kommen sollte. Endlich wagt es eine tolldreiste Rotte, mit dem unverschämten Antrag an den Gouverneur der Stadt zu deputieren: »Es sei ihnen,« sagten sie, »von ihren Obern anbefohlen, nach dem Beispiel der andern Städte die Bilder ans den Kirchen zu nehmen. Widersetzte man sich ihnen nicht, so sollte es ruhig und ohne Schaden vor sich gehen; im Gegentheil aber würden sie stürmen;« ja sie gingen in ihrer Frechheit so weit, die Hilfe der Gerichtsdiener dabei zu verlangen. Anfangs erstarrte der Gouverneur über diese Anmuthung; nachdem er aber in Ueberlegung gezogen, daß die Ausschweifungen durch das Ansehen der Gesetze vielleicht mehr im Zaum gehalten werden könnten, so trug er kein Bedenken, ihnen die Häscher zu bewilligen.
In Tournay wurden die Kirchen, Angesichts der Garnison, die man nicht dahin bringen konnte, gegen die Bilderstürmer zu ziehen, ihrer Zierrathen entkleidet. Da es diesen hinterbracht worden war, daß man die goldenen und silbernen Gefäße mit dem übrigen Kirchenschmuck unter die Erde vergraben, so durchwühlten sie den ganzen Boden der Kirche, und bei dieser Gelegenheit kam der Leichnam des Herzogs Adolph von Geldern wieder ans Tageslicht, der einst an der Spitze der aufrührerischen Genter im Treffen geblieben und in Tournay beigesetzt war. Dieser Adolph hatte seinen Vater mit Krieg überzogen und den überwundenen Greis einige Meilen weit barfuß zum Gefängniß geschleppt; ihm selbst aber hatte Karl der Kühne von Burgund Gleiches mit Gleichem vergolten. Jetzt, nach einem halben Jahrhundert, rächte das Schicksal ein Verbrechen gegen die Natur durch ein andres gegen die Religion; der Fanatismus mußte das Heilige entweihen, um eines Vatermörders Gebeine noch einmal dem Fluch preiszugeben.Burgund. 315. 316.
Mit den Bilderstürmern aus Tournay verbanden sich andere aus Valenciennes, um alle Klöster des umliegenden Gebiets zu verwüsten, wobei eine kostbare Bibliothek, an welcher seit vielen Jahrhunderten gesammelt worden, in den Flammen zu Grunde ging. Auch ins Brabantische drang dieses verderbliche Beispiel. Mecheln, Herzogenbusch, Breda und Bergen op Zoom erlitten das nämliche Schicksal. Nur die Provinzen Namur und Luxemburg nebst einem Theile von Artois und von Hennegau hatten das Glück, sich von diesen Schandthaten rein zu erhalten. In einem Zeitraum von vier oder fünf Tagen waren in Brabant und Flandern allein vierhundert Kirchen verwüstet.Meteren 85. 87. Strada 149.
Von der nämlichen Raserei, die den südlichen Theil der Niederlande durchlief, wurde bald auch der Norden ergriffen. Die holländischen Städte Amsterdam, Leyden und Gravenhaag hatten die Wahl, ihre Kirchen entweder freiwillig ihres Schmucks zu berauben, oder ihn mit gewaltsamer Hand daraus weggerissen zu sehen. Delft, Haarlem, Gouda und Rotterdam entgingen durch die Entschlossenheit ihres Magistrats der Verwüstung. Dieselben Gewalttätigkeiten wurden auch auf den Seeländischen Inseln verübt; die Stadt Utrecht, einige Plätze in Oberyssel und Gröningen erlitten die nämlichen Stürme. Friesland bewahrte der Graf von Aremberg und Geldern der Graf von Megen vor einem ähnlichen Schicksal.Burgund. 318, 319. Meurs. Guil. Auriac. L. II. 15.
Das Gerücht dieser Unordnungen, das aus allen Provinzen vergrößert einlief, verbreitete den Schrecken in Brüssel, wo die Oberstatthalterin eben eine außerordentliche Sitzung des Staatsraths veranstaltet hatte. Die Schwärme der Bilderstürmer dringen schon weit ins Brabantische vor und drohen sogar der Hauptstadt, wo ihnen ein starker Anhang gewiß ist, hier unter den Augen der Majestät denselben Gräuel zu erneuern. Die Regentin, für ihre eigene Person in Furcht, die sie selbst im Herzen des Landes, im Kreis der Statthalter und Ritter nicht sicher glaubt, ist schon im Begriffe, nach Mons in Hennegau zu flüchten, welche Stadt ihr der Herzog von Arschot zu einem Zufluchtsort aufgehoben, um nicht, in die Willkür der Bilderstürmer gegeben, zu unanständigen Bedingungen gezwungen zu werden. Umsonst, daß die Ritter Leben und Blut für ihre Sicherheit verpfänden und ihr auf das dringendste anliegen, sie durch eine so schimpfliche Flucht doch der Schande nicht auszusetzen, als hätte es ihnen an Muth oder Eifer gefehlt, ihre Fürstin zu schützen; umsonst, daß die Stadt Brüssel selbst es ihr nahe legt, sie in dieser Extremität nicht zu verlassen; daß ihr der Staatsrath nachdrückliche Vorstellungen macht, durch einen so zaghaften Schritt die Insolenz der Rebellen nicht noch mehr aufzumuntern – sie beharrt unbeweglich auf diesem verzweifelten Entschluß, da noch Boten über Boten kamen, ihr zu melden, daß die Bilderstürmer gegen die Hauptstadt im Anzug seien. Sie giebt Befehl, alles zu ihrer Flucht bereit zu halten, die mit frühem Morgen in der Stille vor sich gehen sollte. Mit Anbruch des Tages steht der Greis Viglius vor ihr, den sie, den Großen zu Gefallen, schon lange Zeit zu vernachlässigen gewohnt war. Er will wissen, was diese Zurüstung bedeute, worauf sie ihm endlich gesteht, daß sie fliehen wolle, und daß er wohl thun würde, wenn er sich selbst mit zu retten suchte. »Zwei Jahre sind es nun,« sagte ihr der Greis, »daß Sie dieses Ausgangs der Dinge gewärtig sein konnten. Weil ich freier gesprochen habe als Ihre Höflinge, so haben Sie mir Ihr fürstliches Ohr verschlossen, das nur verderblichen Anschlägen geöffnet war.« Die Regentin räumt ein, daß sie gefehlt habe und durch einen Schein von Rechtschaffenheit geblendet worden sei; jetzt aber dränge sie die Noth. Sind Sie gesonnen,« versetzte Viglius hierauf, »auf den königlichen Mandaten mit Beharrlichkeit zu bestehen?« – »Das bin ich,« antwortete ihm die Herzogin. »So nehmen Sie Ihre Zuflucht zu dem großen Geheimniß der Regentenkunst, zur Verstellung, und schließen Sie sich scheinbar an die Fürsten an, bis Sie mit ihrer Hilfe diesen Sturm zurückgeschlagen haben. Zeigen Sie ihnen ein Zutrauen, wovon Sie im Herzen weit entfernt sind. Lassen Sie sie einen Eid ablegen, daß sie mit Ihnen gemeine Sache machen wollen, diesen Unordnungen zu begegnen. Denjenigen, die sich bereitwillig dazu finden lassen, vertrauen Sie sich als Ihren Freunden; aber die Andern hüten Sie sich, ja durch Geringschätzung abzuschrecken.« Viglius hielt sie noch lange durch Worte hin, bis die Fürsten kamen, von denen er wußte, daß sie die Flucht der Regentin keineswegs zugeben würden. Als sie erschienen, entfernte er sich in der Stille, um dem Stadtrath den Befehl zu ertheilen, daß er die Thore schließen und allem, was zum Hofe gehörte, den Ausgang versagen sollte. Dieser letzte Schritt richtete mehr aus, als alle Vorstellungen gethan hatten. Die Regentin, die sich in ihrer eigenen Residenz gefangen sah, ergab sich nun dem Zureden ihres Adels, der sich anheischig machte, bis auf den letzten Blutstropfen bei ihr auszuharren. Sie machte den Grafen von Mansfeld zum Befehlshaber der Stadt, vermehrte in der Eile die Besatzung und bewaffnete ihren ganzen Hof.Burgund. 330. 331. Hopper. §. 128. Vita Vigl. 48.
Jetzt wurde Staatsrath gehalten, dessen endlicher Schluß dahin ging, der Notwendigkeit nachzugeben, die Predigten an den Orten, wo sie bereits angefangen, zu gestatten, die Aufhebung der päpstlichen Inquisition öffentlich bekannt zu machen, die alten Edikte gegen die Ketzer für abgeschafft zu erklären und vor allen Dingen dem verbundenen Adel die verlangte Sicherheit ohne Einschränkung zu bewilligen. Sogleich werden der Prinz von Oranien, die Grafen von Egmont, von Hoorn nebst einigen Andern dazu ernannt, mit den Deputierten des Bundes deßwegen zu unterhandeln. Dieser wird feierlich und in den unzweideutigsten Ausdrücken von aller Verantwortung wegen der eingereichten Bittschrift freigesprochen und allen königlichen Beamten und Obrigkeiten anbefohlen, dieser Versicherung nachzuleben und keinem der Verbundenen, weder jetzt noch in künftigen Zeiten, um jener Bittschrift willen etwas anzuhaben. Dagegen verpflichten sich die Verbundenen in einem Reverse, getreue Diener Sr. Majestät zu sein, zu Wiederherstellung der Ruhe und Bestrafung der Bilderstürmer nach allen Kräften beizutragen, das Volk zur Niederlegung der Waffen zu vermögen und dem König gegen innere und äußere Feinde thätige Hilfe zu leisten. Versicherung und Gegenversicherung wurden in Form von Instrumenten aufgesetzt und von den Bevollmächtigten beider Theile unterzeichnet, der Sicherheitsbrief noch besonders eigenhändig von der Herzogin signiert und mit ihrem Siegel versehen. Nach einem schweren Kampf und mit weinenden Augen hatte die Regentin diesen schmerzlichen Schritt gethan, und mit Zittern gestand sie ihn dem König. Sie wälzte alle Schuld auf die Großen, die sie in Brüssel wie gefangen gehalten und gewaltsam dazu hingerissen hätten. Besonders beschwerte sie sich bitter über den Prinzen von Oranien.Meteren 88. 89. 90. Hopper. §. 128. 129–134. Burgund. 333–337. Meurs. L. II. 16. 17.
Dieses Geschäft berichtigt, eilen alle Statthalter nach ihren Provinzen; Egmont nach Flandern, Oranien nach Antwerpen. Hier hatten die Protestanten die verwüsteten Kirchen wie eine Sache, die dem ersten Finder gehört, in Besitz genommen und sich nach Kriegsgebrauch darin festgesetzt. Der Prinz gibt sie ihren rechtmäßigen Besitzern wieder, veranstaltet ihre Ausbesserung und stellt den katholischen Gottesdienst wieder darin her. Drei von den Bilderstürmern, die man habhaft geworden, büßen ihre Tollkühnheit mit dem Strang, einige Aufrührer werden verwiesen, viele andere stehen Züchtigungen aus. Darauf versammelt er vier Deputierte von jeder Sprache oder, wie man sie nannte, den Nationen und kommt mit ihnen überein, daß ihnen, weil der herannahende Winter die Predigten im freien Felde fortan unmöglich machte, drei Plätze innerhalb der Stadt eingeräumt werden sollten, wo sie entweder neue Kirchen bauen oder auch Privathäuser dazu einrichten könnten. Darin sollten sie jeden Sonn- und Festtag, und immer zu derselben Stunde, ihren Gottesdienst halten; jeder andere Tag aber sollte ihnen zu diesem Gebrauch untersagt sein. Fiele kein Festtag in die Woche, so sollte ihnen der Mittwoch dafür gelten. Mehr als zwei Geistliche sollte keine Religionspartei unterhalten, und diese müßten geborne Niederländer sein, oder wenigstens von irgend einer angesehenen Stadt in den Provinzen das Bürgerrecht empfangen haben. Alle sollten einen Eid ablegen, der Obrigkeit der Stadt und dem Prinzen von Oranien in bürgerlichen Dingen unterthan zu sein. Alle Auflagen sollten sie gleich den übrigen Bürgern tragen. Niemand sollte bewaffnet zur Predigt kommen, ein Schwert aber sollte erlaubt sein. Kein Prediger sollte die herrschende Religion auf der Kanzel anfechten, noch sich auf Controverspunkte einlassen, ausgenommen, was die Lehre selbst unvermeidlich machte und was die Sitten anbeträfe. Außerhalb des ihnen angewiesenen Bezirks sollte kein Psalm von ihnen gesungen werden. Zu der Wahl ihrer Prediger, Vorsteher und Diaconen so wie zu allen ihren übrigen Consistorialversammlungen sollte jederzeit eine obrigkeitliche Person gezogen werden, die dem Prinzen und dem Magistrat von dem, was darin abgemacht worden, Bericht abstattete. Uebrigens sollten sie sich desselben Schutzes wie die herrschende Religion zu erfreuen haben. Diese Einrichtung sollte Bestand haben, bis der König, mit Zuziehung der Staaten, es anders beschließen würde; dann aber Jedem freistehen, mit seiner Familie und seinen Gütern das Land zu räumen.
Von Antwerpen eilte der Prinz nach Holland, Seeland und Utrecht, um dort zu Wiederherstellung der Ruhe ähnliche Einrichtungen zu treffen; Antwerpen aber wurde während seiner Abwesenheit der Aufsicht des Grafen von Hoogstraaten anvertraut, der ein sanfter Mann war und, unbeschadet seiner erklärten Anhänglichkeit an den Bund, es nie an Treue gegen den König hatte ermangeln lassen. Es ist sichtbar, daß der Prinz bei diesem Vertrage seine Vollmacht weit überschritten und im Dienst des Königs nicht anders als wie ein souveräner Herr gehandelt hat. Aber er führte zu seiner Entschädigung an, daß es dem Magistrat weit leichter sein würde, diese zahlreiche und mächtige Sekte zu bewachen, wenn er sich selbst in ihren Gottesdienst mischte, und wenn dieser unter seinen Augen vor sich ginge, als wenn die Sektierer im Felde sich selbst überlassen wären.Meteren 91. Burgund. 349–354. Strada 153. Hopper. §. 136. Meurs Guil. Auriac. L. I. 17. 18.
Strenger betrug sich der Graf von Megen in Geldern, wo er die protestantische Sekte ganz unterdrückte und alle ihre Prediger vertrieb. In Brüssel bediente sich die Regentin des Vortheils, den ihre Gegenwart ihr gab, die öffentlichen Predigten sogar außer der Stadt zu verhindern. Als deßhalb der Graf von Nassau sie im Namen der Verbundenen an den gemachten Vertrag erinnerte und die Frage an sie that, ob die Stadt Brüssel weniger Rechte hätte als die übrigen Städte? so antwortete sie: wenn in Brüssel vor dem Vertrage schon öffentliche Predigten gehalten worden, so sei es ihr Werk nicht, wenn sie jetzt nicht mehr statt fänden. Zugleich aber ließ sie unter der Hand der Bürgerschaft bedeuten, daß dem Ersten, der es wagen würde, einer öffentlichen Predigt beizuwohnen, der Galgen gewiß sei. So erhielt sie wenigstens die Residenz sich getreu.Burgund. 345. 346. 354.
Schwerer hielt es, Tournay zu beruhigen, welches Geschäft, an Montignys Statt, zu dessen Gouvernement die Stadt gehörte, dem Grafen von Hoorn übertragen war. Hoorn befahl den Protestanten, sogleich die Kirchen zu räumen und sich außer den Mauern mit einem Gotteshaus zu begnügen. Dawider wandten ihre Prediger ein, die Kirchen seien zum Gebrauch des Volks errichtet, das Volk aber sei nicht, wo die Väter, sondern wo der größere Theil sei. Verjage man sie aus den katholischen Kirchen, so sei es billig, daß man ihnen das Geld schaffe, eigne zu bauen. Darauf antwortete der Magistrat, wenn auch die Partei der Katholiken die schwächere sei, so sei sie zuverlässig die bessere. Kirchen zu bauen, sollte ihnen unverwehrt sein; hoffentlich aber würden sie der Stadt nach dem Schaden, den diese bereits von ihren würdigen Glaubensbrüdern, den Bilderstürmern, erlitten, nicht zumuthen, sich ihrer Kirchen wegen noch in Unkosten zu setzen. Nach langem Gezänke von beiden Selten wußten die Protestanten doch im Besitz einiger Kirchen zu bleiben, die sie zu mehrerer Sicherheit mit Wache besetzten.Burgund. 356. 357. Auch in Valenciennes wollten sich die Protestanten den Bedingungen nicht fügen, die ihnen durch Philipp v. St. Aldegonde, Herrn von Noircarmes, dem in Abwesenheit des Marquis von Bergen die Statthalterschaft darüber übertragen war, angeboten wurden. Ein reformierter Prediger, la Grange, ein Franzose von Geburt, verhetzte die Gemüther, die er durch die Gewalt seiner Beredsamkeit unumschränkt beherrschte, auf eigenen Kirchen innerhalb der Stadt zu bestehen und im Verweigerungsfall mit einer Uebergabe der Stadt an die Hugenotten zu drohen. Die überlegene Anzahl der Calvinisten und ihr Einverständniß mit den Hugenotten verboten dem Gouverneur, etwas Gewaltsames gegen sie zu unternehmen.Burgund. 359 sq.
Auch der Graf von Egmont bezwang jetzt die ihm natürliche Weichherzigkeit, um dem König seinen Eifer zu beweisen. Er brachte Besatzung in die Stadt Gent und ließ einige von den schlimmsten Aufrührern am Leben strafen. Die Kirchen wurden wieder geöffnet, der katholische Gottesdienst erneuert, und alle Ausländer erhielten Befehl, die ganze Provinz zu räumen. Den Calvinisten, aber nur diesen, wurde außerhalb der Stadt ein Platz eingeräumt, sich ein Gotteshaus zu bauen; dagegen mußten sie sich zum strengsten Gehorsam gegen die Stadtobrigkeit und zu thätiger Mitwirkung bei den Prozeduren gegen die Bilderstürmer verpflichten; ähnliche Einrichtungen wurden von ihm durch ganz Flandern und Artois getroffen. Einer von seinen Edelleuten und ein Anhänger des Bundes, Johann Cassembrot, Herr von Beckerzeel, verfolgte die Bilderstürmer an der Spitze einiger bündischen Reiter, überfiel einen Schwarm von ihnen, der eben im Begriff war, eine Stadt in Hennegau zu überrumpeln, bei Grammont in Flandern und bekam ihrer dreißig gefangen, wovon auf der Stelle zweiundzwanzig aufgehängt, die übrigen aber aus dem Lande gepeitscht wurden.Meteren 91. 92. Burgund. 340–343.
Dienste von dieser Wichtigkeit, sollte man denken, hätten es nicht verdient, mit der Ungnade des Königs belohnt zu werden; was Oranien, Egmont und Hoorn bei dieser Gelegenheit leisteten, zeugte wenigstens von eben so viel Eifer und schlug eben so glücklich aus, als was Noircarmes, Megen und Aremberg vollführten, welchen der König seine Dankbarkeit in Worten und Thaten zu erkennen gab. Aber dieser Eifer, diese Dienste kamen zu spät. Zu laut hatten sie bereits gegen seine Edikte gesprochen, zu heftig seinen Maßregeln widerstritten, zu sehr hatten sie ihn in der Person seines Ministers Granvella beleidigt, als daß noch Raum zur Vergebung gewesen wäre. Keine Zeit, keine Reue, kein noch so vollwichtiger Ersatz konnte diese Verschuldungen aus dem Gemüthe ihres Herrn vertilgen.