Johannes Scherr
Die Pilger der Wildnis
Johannes Scherr

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14.

Es hat verheerender Waldbrand das junge Gras verdorrt,
Und heftig treibt die Windsbraut die trocknen Blätter fort.
Mit Windeseile getrieben umarmt die Feuerglut
Der Bäum' und Sträuche Wipfel, verzehrt mit rascher Wut;
Da springen die roten Funken, als würde von Ort zu Ort
Zinnober und Safranblüte gestreuet fort und fort;
Und wenn in Baumwollstauden das Feuer nun stärker loht,
So dringt aus Baumesritzen die Flamme wie goldnes Rot;
Sie springt mit Zweig und Blättern von Ästen hier und dort
Und rast, vom Winde getrieben, im Walde weiter fort.
Kalidasa

»Död und Duivel! wir haben uns noch gut aus der Klemme gezogen. Hätte verteufelt schlimm ablaufen können, diese Frolick. Der Satan von Annawon da, welcher jetzt ausgekämpft hat für immer, was der für bärenmäßig starke Arme am Leibe hatte! Wie von Eisen, meiner Treu. Werden sich aber, vermut' ich, jetzt die Lust vergehen lassen, in unsere Höhle hereinzuspringen. Ist der Rückweg etwas weniger leicht, als die Burschen glauben mochten. – Nun, wie geht's, alter Sir? Sah Euch hinfallen. Seid Ihr verwundet? Nicht? Desto besser! – Aber das muß man sagen, Kapitän, Ihr habt das Beste getan. Habt gute Arbeit gemacht. Respekt vor Eurem Säbel; sag' Euch, ist das eine so gute Waffe, als nur je eine von der Hand eines Mannes geschwungen wurde. – Thorkil, komm einmal herunter und sieh nach Mistreß Lovely; der Schrecken könnte dem armen Kinde unwohl gemacht haben. Ah so, der Junge ist schon in der Höhle. Und jetzt, weil wir ein bißchen Ruhe haben, wollen wir die Leichen da den Fels hinabwerfen und unsere Gewehre reinigen, so gut es geht. Doch noch eins, Sir,« setzte der Trapper, zu dem jüngeren Oberst sich wendend, hinzu; »ich glaube Euch – Ihr habt's vermutlich im Gedränge der Balgerei übersehen – darauf aufmerksam machen zu müssen, daß mein Freund hier, der Kapitän, welcher auch den grimmigen Annawon in die glücklichen Jagdgründe beförderte, Euch das Leben gerettet hat.«

Der Kapitän machte mit der Hand eine abwehrende Gebärde, als vertrüge sich diese Erinnerung an einen dem Manne, von welchem er sich gehaßt wußte, geleisteten Dienst schlecht mit seinem Stolze.

In der Brust von Lovelys Vater kämpfte tiefeingewurzelter Groll mit dem Schicklichkeitsgefühl des Gentleman. Das letztere war indessen stark genug, eine Art Sieg davonzutragen.

Der starre Puritaner trat dem Flibustier einen Schritt näher und sagte zu ihm mit kalter Höflichkeit:

»Sir, es wird sich ein passenderer Ort und eine bessere Gelegenheit finden, unsern alten Streit auszufechten. Heute wollte es der Herr, dessen Fügungen ich mich zu beugen gelernt habe, daß Ihr, wie ich anerkenne, dieses mein irdisches Leben, welches nur um meines Kindes Lovely willen noch Wert für mich hat, vor dem Mordbeile des roten Heiden bewahrtet. Ich dank' Euch, Sir.«

»Gebt Euch keine Mühe, Sir,« entgegnete De Lussan mit einer stolzen Verbeugung. »Ich würde um einer willen, die ich mehr liebe als mein Leben, diese Gelegenheit, in welcher ich etwas Providentielles sehe, zu dem Versuche benutzen, Euer Vatergefühl auch für Euer erstgeborenes Kind rege zu machen, allein ich bin nicht gewohnt, meine Worte vergebens zu verschwenden.«

Lovely, welche diese Rede vernommen, bog den Kopf aus der Höhle hervor und warf, von dem brennenden Wunsche getrieben, den Augenblick zu einer Aussöhnung zwischen den Ihrigen und De Lussan benutzt zu sehen, ihrem Vater und Großvater demütig flehende Blicke zu. Das Auge des letzteren ruhte nicht ohne ein leises Wohlgefallen auf der edlen Gestalt des Flibustiers, aber der erstere wandte sich, die finsteren Brauen zusammenziehend, unbewegt von seiner Tochter und De Lussan ab, worauf auch dieser mit einem leichten Achselzucken sich wegkehrte und dem alten Trapper die Leichen der gefallenen Indianer den Felsen hinabstürzen half.

Nachdem dies geschehen und Willem den jungen Jäger aufgefordert hatte, seinen Späherposten in dem Geäste des Baumes wieder aufzunehmen, machten sich die Männer an die Arbeit, ihre Gewehre, von deren Sicherheit im Treffen so viel abhing, vom Pulverschmutz zu reinigen. Sie konnten dies Geschäft ohne Störung zu Ende bringen. Es hatte den Anschein, als hätten die Wampanogen das Unternehmen, den Zufluchtsort der Weißen zu erstürmen, ganz aufgegeben. Der Wald, der freie Platz, das Lager waren wie ausgestorben, und man vernahm nur den Wind, welcher, wenn auch weniger heftig als vor Beginn des Kampfes, in den Wipfeln rauschte.

Diese trügerische Ruhe war ganz geeignet, solchen, welche mit der indianischen Kriegsweise unbekannt waren, eine täuschende Sicherheit einzustoßen. Der alte Trapper verwunderte sich daher nicht sehr, als der ältere Oberst zu ihm sagte:

»Mich dünkt, Freund, die Heiden haben auf die Ausführung ihrer blutdürstigen Absicht verzichtet und sich von diesem Orte zurückgezogen. Ich bin zwar sehr willig, mich Eurer Erfahrung unterzuordnen, glaube Euch jedoch die Frage vorlegen zu sollen, ob wir nicht gut täten, diesen unwirtbaren Platz zu verlassen, bevor es Abend wird und dessen Schatten den Heiden Gelegenheit geben, neue feindselige Ränke zu spinnen.«

»Was die Ränke oder, wie ich es nenne, die Teufeleien der Rothäute angeht, Sir,« versetzte Willem, »so wird es, vermut' ich, daran nicht fehlen, sei es heller Tag, sei es Abend. Es ist einmal ihre natürliche Gabe, derartige Teufeleien auszuspintisieren und ins Werk zu setzen, und sie haben einen merkwürdigen Eifer, besagte Gabe recht tüchtig auszubilden. Das ist nun schon ihre Natur und läßt sich, vermut' ich, wenig oder nichts dawider sagen. Wenn Ihr aber meint, Sir, die Wampanogen hätten ihre Absicht auf diesen Stein aufgegeben, so ist das, vermut' ich, eine mehr europäische als amerikanische Meinung und konnte uns diese Meinung, falls danach gehandelt würde, um unsere Skalpe bringen, bevor wir, rechne ich, eine Viertelstunde älter wären. Sag' Euch, so verlassen und verödet das Lager und der ganze Platz aussehen, so sind wir doch, so wahr ich Willem Klopper heiße, rings von Feinden umgeben, von listigen Feinden, die, so wie die Sachen jetzt stehen, verteufelt kurzen Prozeß mit uns machen würden, wenn wir in ihre Hände fielen. Den Felsen verlassen?« fuhr er fort, mit einem Blick auf die Höhle, in welcher sich Lovely befand, die Stimme dämpfend, damit er von dem Mädchen nicht gehört würde – »den Felsen verlassen? Nein, das geht schlechterdings nicht. Der Fels ist die Mauer, die einzige Mauer, welche zwischen unsern Schädelhäuten und dem Skalpiermesser steht. Den Felsen verlassen, heißt unser Leben aufgeben. Da, wo wir sind, müssen wir ausharren, müssen, komme, was da wolle, ausharren, bis uns Hilfe kommt. Ich baue auf Churchs Rastlosigkeit und auf das mir von Eurem Freund, Kapitän Standish, gegebene Wort.«

»Vergeßt nicht, Freund, die Hilfe des Höchsten mit in Anschlag zu bringen, welcher bisher so gnädiglich seine Hand schirmend über uns gehalten. Also Ihr seid der Ansicht, daß wir den Stein da durchaus nicht verlassen sollen, bevor uns Entsatz kommt?«

»Der Ansicht bin ich, ja.«

»Gut, aber wir haben weder Speise noch Wasser.«

»Sprecht leise, Sir, sprecht leise, ich weiß es nur allzugut. Aber es macht die Leute noch hungriger und durstiger, als sie schon sind, wenn man von Speise und Trank redet. Wir müssen unsere Bedürfnisse bändigen, solange es gehen mag. Doch was ist das?« unterbrach er sich, indem er aufstand, mit starr auf den Wald gehefteten Augen Gesicht und Gehör anstrengte und mit weit geöffneten Nasenflügeln die Luft einsog.

Mit einem bedenklichen Kopfruck ging der alte Waldläufer in den Hintergrund des Felsspaltes und richtete flüsternd eine Frage an Thorkil, welcher seinen Posten in der Krone des Wallnußbaumes wieder eingenommen hatte.

»Ich sehe nichts Auffallendes,« lautete die Antwort des jungen Jägers. »Doch, halt! ja, über dem Wald erheben sich an verschiedenen Punkten Rauchsäulen, die der Wind gegen uns hertreibt.«

»Rauchsäulen? Da haben wir die neue Teufelei der ewigen Satanasse. Sie wollen uns haben, lebendig oder tot, um jeden Preis. – Hör, Junge, kehr dich einmal seewärts und luge scharf aus. Siehst du nicht so was von einem Segel?«

»Nicht. Die See ist ganz öde.«

»Desto schlimmer, desto schlimmer,« murmelte der Alte. »Hih-lah-dih konnte entweder gar nicht abkommen, oder sie hat das Schiff nicht getroffen.«

Kopfschüttelnd ging er wieder nach vorn und spähte besorgten Blickes in den Wald hinaus. Der ältere Oberst trat zu ihm und sagte:

»Wie heiß und schwül die Luft auf einmal wird und wie düster der Himmel! Das Wetter scheint sich zu ändern.«

»Das Wetter?« entgegnete der Trapper. »Eine saubere Wetterveränderung das, hol' sie der Duivel!«

»Ei, scht doch, Freund Willem,« sagte der Flibustier, nach dem Wald hin- und aufwärts deutend, »was sind denn das für Dünste? Sie riechen wettermäßig räucherig – foi de gentilhomme! – und jetzt, seht, röten sie sich und wälzen sich uns näher!«

In diese Worte hinein klang vom Wald her etwas wie Knistern, das allmählich lauter und lauter wurde. Zugleich strich ein Flug Wildgänse mit schrillem Geschrei von Norden her seewärts eilends über den Felsen hin. Ihr Krächzen tönte wie eine unheimliche Weissagung.

»Willem,« ließ sich Thorkils Stimme vernehmen, »kommt doch hierher!«

»Ich weiß, was du sagen willst, Junge,« entgegnete der Alte. »Da ist alles Reden nutzlos.«

Das Knistern verstärkte sich von Augenblick zu Augenblick, und bald glich es einem dumpfen Gekrache, als würden in der Ferne in unregelmäßigen Zwischenräumen Gewehre abgefeuert. Bei diesen Tönen wandelte den Vater Lovelys ein Gefühl an, wie das des Schlachtrosses, dessen Gebaren beim Schmettern der Drommeten im Buche Hiob so schon beschrieben ist.

»Horch,« sagte er, »ist das nicht das Knattern des Gewehrfeuers einer Kompagnie Musketiere, die dort drüben, jenseits des Waldes, im Kampfe steht?«

»Wollte, ich könnte glauben, es wäre so, Sir,« entgegnete der Trapper. »Wir wären dann sicher, daß Church mit seinen Milizen heranzöge. Aber da ist von keinem Gewehrfeuer die Rede, und da ferneres Schweigen die Gefahr nicht um das Gewicht einer Wildgansfeder verringern kann, so muß es gesagt werden – ha, der Rauch wälzt sich dicker und dicker heran! Wir haben es mit einem Waldbrande zu tun.«

»Mit einem Waldbrande?« fragte der Oberst. »Ich sehe kein Feuer.«

»Werdet es, vermut' ich, bald genug zu sehen kriegen, Sir, ja, und zu spüren obendrein. Kein Zweifel, die Wampanogen haben den Wald in Brand gesteckt. Wollen uns aus unserem Fort räuchern, wie man Luchse und Füchse aus ihren Höhlen räuchert, die ewigen Satanasse! Hört Ihr hinter dem Rauchknäuel das Knistern und Rascheln und Zischen, wie wenn Hunderttausend Klapperschlangen durch Busch und Röhricht brächen?« Die Männer lauschten, und die von dem Trapper ganz richtig bezeichneten Töne ließen sich zu deutlich vernehmen, um noch irgend eine Täuschung über die Natur des drohenden Schrecknisses zu gestatten.

Die Rauchmassen nahmen von Sekunde zu Sekunde an Umfang, Schwere und Dichtigkeit zu, so daß den Belagerten das Atemholen bereits weniger leicht wurde. Mit dem Rauche kam eine heiße Luftschicht heran, und dann begannen durch das Schwarzgrau der Dunstwolken vom Walde her rote Streifen zu leuchten, welche bald heller und heller, greller und greller schimmerten und flackerten.

Dabei drückte die Schwüle auf Kopf und Brust wie eine Decke von Blei.

»O Gott, was ist das?« fragte Lovely, mit ängstlicher Hast aus der Höhle tretend.

»Mein Kind,« versetzte ihr Großvater, das Mädchen mit Blicken verhaltener Besorgnis ansehend, »der Herr will unsere Geduld und Standhaftigkeit noch weiter prüfen. Geh hinein und richte deine Gedanken auf den, in dessen Hand Glück und Unglück, Untergang und Rettung liegt.«

»Hört, Freund Willem,« sagte der Flibustier zu dem Trapper, welcher das Herankommen des Waldbrandes unverwandten Auges betrachtete, »ich muß Euch sagen, daß das Wasser mehr mein Element ist, als das Feuer – foi de gentilhomme! Auch sehe ich nicht ein, wie wir es, falls das Ding so fort geht, binnen einer Stunde noch hier sollen aushalten können. Ich für meine Person wenigstens fühle nichts von jenem feuerfesten, wie ich glaube, fabelhaften Tier in mir, von welchem der Pater Rens auf dem Collège so viel zu erzählen wußte. Nein, ich bin kein Salamander, ich, und ob ich mir auch nicht einfallen lassen will, in bezug auf diesen Waldkrieg, der allmählich sehr unangenehme Seiten herauskehrt, Eurer Erfahrung mit Vorschlägen beschwerlich zu fallen, so mag ich Euch doch nicht verbergen, daß ich lieber da unten, Mann gegen Mann mit den roten Teufeln fechtend, fallen, als hier oben bei langsamem Feuer geröstet werden will. Was meint Ihr, Mann?«

»Ich meine, Kapitän, daß Ihr ganz Euren Gaben gemäß gesprochen habt, und wenn sich der Wind nicht dreht oder sonst ein glücklicher Zufall uns zur Hilfe kommt und zwar bald, so werden wir allerdings unser Fort zuletzt räumen müssen, um unsere Skalpe so teuer als möglich zu verkaufen. Denn das, Kapitän, läßt sich nicht verbergen, daß auf die Ebene hinabsteigen so viel heißt, als dem Tod in den Rachen laufen. – He, Thorkil da oben, kannst du durch den Rauch hindurch noch die See erblicken?«

»Nein, der höllische Qualm verschleiert alles, und das Feuer kommt rasch heran.«

»Und der Wind? Wie ist's mit dem Wind?«

»Er hat ausgetobt, und mir will scheinen, als rege sich ein Luftzug von der See her.«

»Das ist ein schwacher Trost,« bemerkte der jüngere Oberst düster. »Will es der Gott Israels, daß wir fallen, so sei es lieber im Kampfe mit den ruchlosen Heiden, als daß wir hier elendiglich dem wütenden Elemente zum Opfer werden.«

»Sir, wenn großsprechen zu dieser Stunde mir anstände,« erwiderte Groot Willem, »so wär' ich, vermut' ich, zu sagen berechtigt, daß fechten auch mehr nach meinem Geschmack wäre. Aber wenn ich, ein Mann, der keine hilflose Tochter zu schützen hat, die einzige Möglichkeit der Rettung darin sehe, daß wir nicht von hier weggehen, bevor uns die Kleider auf dem Leibe Feuer fangen, so habt Ihr, denk' ich, keinen Grund, diesem Rat entgegenzuhandeln.«

Unterdessen kamen die roten Streifen immer leuchtender den Wald herab, und vor ihnen her schwamm ein Dunst, dessen Hitze die Poren eintrocknen ließ. Das Pfeifen, Zischen, Rascheln und Brausen des Feuers wurde stärker, und dann schlug durch den erstickenden Qualm eine breite prachtvolle Flamme, eine Feuersäule, ein Feuermeer, das seine Wogen die ganze Länge des Waldsaumes entlang rauschend dahinwälzte.

Ein jubelndes Geschrei der Indianer begrüßte von der Ebene herauf das furchtbare Schauspiel.

»Ah, die Satanasse haben das Ufer besetzt,« bemerkte der Trapper mit seiner unerschütterlichen Ruhe. »Sie wissen wohl, daß wir nach Norden zu nicht entrinnen können und unser einziger Rettungsweg nach dem Wasser hinabführt.«

Der Brand wurde immer großartiger. Die von der Hitze eines ungewöhnlich heißen Sommers durchglühten Pechkiefern, Weymouthsfichten, Tannen, Lärchen und Forchen lohten auf wie riesige Kerzen, wenn die über das zunderdürre Gras und Moos hinfegenden Flammen ihre tief herabhängenden Äste ergriffen. Diese Kerzen schleuderten prachtvolle Funkengarben empor und ringsumher, in allen Farben spielend und wie Millionen glühende Schlangen durch das Rauchdüster zuckend.

Flammen hüpften am Boden hin, und im nächsten Augenblick schon waren sie einen gewaltigen Baum hinangesprungen, in den Harzrinnen hinaufgleitend, wie der elektrische Funke am Draht hinspringt. Unaufhörlich quollen schwerwuchtende Qualmwolken empor und ließen einen Aschenregen niederrieseln. Jetzt sank das Feuer, dann loderte es wieder majestätisch auf. Sein Rauschen und Brausen war schrecklich. Das Gekrach stürzender Stämme brach los und gesellte den Tausenden von Blitzen ein dumpfes Gedonner. Nur die Eichen und Buchen wußten sich des grimmigen Feindes länger zu erwehren als die Nadelholzbäume. Sie standen in dieser Schlacht der Natur, wie Veteranen im Kampfe stehen, während rings ihre jüngeren Kameraden niedergemäht werden. Zuweilen hoben sich die Rauchschichten hoch empor. Dann spiegelte sich der unten rasende Brand droben in der Luft: Feuer unten, Feuer oben, ein flammender Höllenrachen, der alles zu verschlingen drohte. Und immer wieder neue Stürze, neues Donnern, neue Glutgarben, neues Geloder, wütendes Sausen und Brausen.

Das Feuer begann den Felsen heftiger anzuglühen: die Hitze wurde unerträglich. Ein Funkenregen wirbelte in den Felsspalt nieder.

Thorkil, welcher von dem Baume herabgestiegen war, warf Blicke von unsäglicher Angst auf seine Verlobte, die nur durch den stützenden Arm ihres Vaters vor dem Zusammenbrechen bewahrt wurde.

Der Flibustier und der Trapper behaupteten noch immer ihren Standpunkt im Vordergrunde des kleinen Raumes. Jener betrachtete das Entsetzliche, welchem dennoch ein unbeschreiblicher Zauber von Größe und Poesie innewohnte, mit einer romantischen Teilnahme, welche ihn fast die Qualen der Hitze und des Durstes vergessen machte; dieser, welcher heute nicht zum ersten Male einen Waldbrand sah, mit den Späherblicken eines Mannes, welcher das geringste Anzeichen einer günstigen Wendung der Gefahr aufzufassen begierig ist.

»Glorios!«

In diesen Ausruf faßte De Lussan die Gefühle zusammen, welche ihm die Erhabenheit des furchtbaren Schauspiels einflößte.

Groot Willem äußerte sich prosaischer, obgleich er vielleicht die schreckensprühende Schönheit des Anblicks noch tiefer empfand.

»Der Wind hat sich gelegt,« sagte er, »das ist mächtig gut; er springt vielleicht um, das wäre noch besser. Bringt die Gewehre in die Höhlen, damit nicht irgend ein fürwitziger Funke Unheil anrichtet. Wir selber täten gut, in die Höhlen zu treten, um diesem ewigen Sprühfeuerregen zu entgehen. Ha, da scheint auch die alte Eiche Feuer fangen zu wollen. Mißlich das, sehr mißlich! Aber wir müssen noch aushalten, solange unsere Lungen uns nicht den Dienst versagen.«

»Erheben wir unsere Stimmen zu dem, welcher dem Feuer gebietet und den Wasserfluten ihre Bahnen vorzeichnet. Sein ist die Macht und die Hilfe und seine Herrlichkeit reicht hinweg über Raum und Zeit.«

So sprechend erhob der edle Greis seine Stimme und ergoß seine Bekümmernis in das Gebet des Psalmisten, in welches sein Schwiegersohn und seine Enkeltochter alsbald einstimmten:

»Die Augen des Herrn sind gerichtet auf die Gerechten und seine Ohren auf ihr Schreien.

Sie rufen zu ihm, und er erhöret sie und errettet sie aus aller Not.

Der Herr ist nahe bei denen, die zerbrochenen Herzens sind, und hilft denen, deren Gemüt zerschlagen ist.

Viel leiden muß der Gerechte, aber aus allem hilft ihm der Herr..

Die Gottlosen wird töten ihre Bosheit, und die den Gerechten hassen, werden verurteilt werden.

Der Herr erlöset die Seelen seiner Knechte, und alle, die auf ihn vertrauen, werden nimmermehr zugrunde gehen.«


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