Johannes Scherr
Die Pilger der Wildnis
Johannes Scherr

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5.

Hopp heisa! Zum lustigen Spiele herbei!
Ein Wald von Gesichtern in jeglicher Reih!
Tripp trapp! Wie schreiten sie stattlich und frei!
Heisa, zum lustigen Spiele herbei!
Lied der Arena.

Das Fort Tabor, wie es puritanischem Brauch zufolge mit einem biblischen Namen genannt wurde, war auf dem linken Ufer des Pawtucket, da, wo die Grenzen der Kolonien von Massachusetts und Plymouth zusammenstießen, durch gemeinschaftliche Fürsorge der beiden Regierungen kurz nach Beendigung des Pequodenkriegs auf einem mäßigen Hügel erbaut worden. Damals hatte man lebhaft das Bedürfnis empfunden, an dem bezeichneten Orte, welcher zwischen den Ansiedelungen an der Seeküste und den weiter im Innern des Landes gelegenen, so ziemlich in der Mitte lag und überdies durch eine sichere Furt über den Fluß ein sehr begangener war, eine befestigte Niederlassung zu gründen, welche bei künftigen Streitigkeiten mit den Eingeborenen den in der Gegend zerstreuten Ansiedlern als Zufluchtsort dienen und zugleich durch Beherrschung der Furt die Verbindung zwischen den beiden Ufern des Pawtucket offen halten könnte. Man darf sich jedoch unter dieser Befestigung keine solche denken, wie sie damals in Europa nach den komplizierten Plänen der militärischen Architektur eines Vauban und eines Koehorn mit Aufwendung ungeheurer Kosten erbaut wurden. Fort Tabor war nicht mehr und nicht weniger als ein echt amerikanisches Blockfort, das heißt eine doppelte Palisadeneinfriedung in Gestalt eines länglichen Vierecks, dessen vier Winkel gebildet wurden durch ebenso viele Blockhäuser, welche der Besatzung zur Behausung dienten und auch solchen Unterkommen boten, die im Fort Sicherheit suchten. Außerdem war für letztere auf dem freien Raum inmitten des Vierecks eine Anzahl von Hütten aufgeschlagen und ein großer Schuppen für das Vieh, welches als eine wesentliche Bedingung ihrer Existenz hierher zu retten die umwohnenden Ansiedler beim ersten Zeichen von Gefahr nicht zögerten. Mitten in der dem Fluß abgekehrten Fronte, welche auf die Pawtucketprärie hinaussah, war der Haupteingang angebracht, ein Bohlentor, dessen zwei Flügel von innen durch einen schweren Balken zugesperrt werden konnten. Über dieser Pforte erhob sich noch eine Aufblockung, eine Warte, welcher man, wenn man sich einige Mühe geben wollte, ansah, daß der Baumeister sich höchlich angestrengt hatte, um ihr eine Art entfernter Ähnlichkeit mit den Zinnen europäischer Festungen zu geben. Auf dieser Warte war der Stolz von Fort Tabor postiert, nämlich eins jener Feldgeschütze, die man im Dreißigjährigen Kriege Falkaunen nannte und welche, zwischen dem Falkonet und der Notschlange mitten inne stehend, Eisenkugeln von zwei bis vier Pfund Schwere schleuderten. Außer diesem Stücke, welches allerdings geeignet war, schon durch seinen Donner den Indianern Respekt einzuflößen, befand sich kein schweres Geschütz in dem Fort.

In gewöhnlichen Zeiten war die Besatzung desselben eine sehr friedliche, denn sie bestand nur aus einem Halbdutzend Invaliden, welchen die Kolonialregierungen auf diese Art eine anständige Versorgung sicherten und denen ein Sergeant vorgesetzt war, der zugleich die Rolle eines Zwischenhändlers zwischen den Stämmen der Eingeborenen und den Ansiedelungen spielte. Er besorgte auf Rechnung seiner Auftraggeber den Tauschhandel zwischen den Produkten der Wildnis und denen der Zivilisation, ein Geschäft, in welchem ihm freilich die Insassen vom Merry-Mount, der ein Dutzend englischer Meilen nordöstlich vom Fort lag, meistens den Rang abliefen. Dessen ungeachtet hatten die Indianer Fort Tabor als einen wichtigen Punkt ansehen gelernt. Hier waren viele Verhandlungen zwischen ihren Häuptlingen und den Bevollmächtigten der Kolonien geführt worden. Hier hatte das Ratsfeuer gelodert, die Friedenspfeife ihren Umgang gehalten und war mancher Vertrag abgeschlossen worden. Auf der Prärie hatte auch seit langen Jahren John Elliot, der ehrwürdige Apostel der Indianer, die umwohnenden Stämme alljährlich an bestimmten Tagen versammelt, um ihnen die Lehre des Evangeliums zu predigen, eine Lehre, welche im ganzen allerdings geringen Eindruck auf die Kinder des Waldes gemacht, deren Verkündiger sie jedoch um seiner unerschöpflichen Herzensgüte willen ehren gelernt hatten. In Betracht der angegebenen Punkte war Fort Tabor ein von den Eingeborenen vielbesuchter Ort, und unter gewöhnlichen Umständen hätten es Willem und Thorkil gar nicht auffallend gefunden, daß sie, nach Einbruch der Nacht mit Lovely und De Lussan beim Fort angelangt, einen großen Raum auf der Prärie mit indianischen Büffelfellzelten bedeckt sahen. Ihrem Ansuchen um Einlaß in die Garnison – wie diese Grenzfestungen gewöhnlich genannt wurden – war bereitwillig entsprochen worden, und Thorkil hatte in einem der Blockhäuser gegen die Flußseite ein bequemes Plätzchen für Lovely ausfindig gemacht, obgleich das Fort ziemlich mit Menschen vollgepfropft war, namentlich mit Frauen und Kindern, welche von ihren Männern und Vätern hierher geflüchtet worden, nachdem die Katastrophe von Swanzey und der Zug König Philipps gegen die Ansiedelungen im Westen keinen Zweifel mehr übrig gelassen, daß ein ernsthafter Indianerkrieg mit allen demselben anhaftenden Greueln ausgebrochen sei.

Am folgenden Morgen treffen wir den alten Trapper auf der Warte über dem Tore mit einem Manne von soldatischem Aussehen im Gespräche. Dieser Mann, dessen derbe, untersetzte Gestalt seine sechzig Jahre nicht im geringsten hatten beugen können, wurde von Willem mit dem Namen Moseley angeredet und zwar unter Vorsetzung des Titels Major, welchen Rang er wirklich unter den Milizen von Massachusetts einnahm und der bei den damaligen Verhältnissen der Kolonien jedenfalls ein so hoher war als heutzutage der eines Generals in der Union der nordamerikanischen Freistaaten. Als die Regierung von Plymouth die von Boston vom Losbrechen König Philipps in Kenntnis gesetzt, hatte die letztere sogleich einen Trupp von dreißig Milizen unter dem Kommando Moseleys abgesandt, um Fort Tabor zu besetzen. Der Major fand das Fort mit Weibern und Kindern, wie auch mit gerettetem Vieh angefüllt, und da er von dem Sergeanten hörte, daß noch nicht die geringste Feindseligkeit gegen den Platz versucht worden sei, so verwünschte er einen Posten, welcher ihn zwang, untätig hinter den Palisaden zu liegen, statt draußen in den Wäldern auf die grölzenden Giaurs, wie er die Eingeborenen verächtlich nannte, loszuklopfen. Moseley war ein tapferer Soldat. Engländer von Geburt, hatte er, kaum ins Jünglingsalter getreten, unter den Fahnen Gustav Adolfs in Deutschland und später unter dem kaiserlichen Banner in Ungarn gegen die Türken gefochten, von welchen er das Wort entlehnte, womit er die Indianer bezeichnete. Später, ging die Sage, habe er sich auch in Westindien als Bukanier versucht, doch erfuhr man hierüber nichts Bestimmtes. Er war mit einer hübschen Summe Geldes in die Kolonien gekommen, hatte sich an der Massachusetts-Bai angekauft und war, da er, obgleich nicht sehr religiösen Sinnes, dem Glaubensbekenntnis der Bostoner Gemeinde beitrat, um seiner militärischen Eigenschaften willen bald ein angesehener Mann geworden. Er hatte Gelegenheit gehabt, in früheren Konflikten der Kolonisten mit den Eingeborenen seine Tapferkeit so sehr zu bewähren, daß die letzteren den »Häuptling mit den zwei Skalpen« gehörig fürchteten. Dieser seltsame Name war ihm nämlich von den roten Kriegern gegeben worden, weil er eine Perücke trug, die erste, welche in den Kolonien getragen wurde, und diese Perücke zur unbeschreiblichen Verwunderung der Rothäute bei Anfang des Treffens an einen Baum zu hängen pflegte. Groot Willem hatte einmal Gelegenheit gehabt, das kostbare Haarkunstwerk in einem Scharmützel den Händen eines Pequoden zu entreißen, und seither existierte eine Art Freundschaft zwischen dem Major und dem alten Trapper. Ungeachtet der guten Dienste aber, welche Moseley den Kolonien geleistet hatte, war seine Wahl zum Befehlshaber von Fort Tabor, falls man auf die Behauptung dieses Platzes irgendwie Gewicht legte, keine glückliche zu nennen. Denn fürs erste verachtete er die »grölzenden Giaurs« viel zu sehr, um ihnen gegenüber stets die nötige Vorsicht zu beobachten, fürs zweite war er stolz auf seine in der alten Welt gemachten kriegerischen Erfahrungen, ganz darauf versessen, den Krieg nach europäischen Grundsätzen zu führen, gerade wie er es sich nicht nehmen ließ, in der für den Waldkrieg höchst unpassenden Tracht eines Hauptmanns einer Musketierkompagnie Kaiser Leopolds I. an der Spitze seiner Milizen zu marschieren. Er war leichtgläubig, so daß man ihm leicht etwas weismachen konnte, und doch trug er zugleich unter seiner Perücke einen Starrkopf, der sich von einer einmal gefaßten Meinung, war es eine richtige oder falsche, schlechterdings nicht mehr abbringen ließ.

Der Major lehnte an der Lafette der Falkaune und war eifrig damit beschäftigt, eine von dem alten Jäger vorgebrachte Meinung zu bestreiten.

»Sag' Euch, Mann,« bemerkte er, »Ihr seid gewaltig auf dem Holzweg, wie die Deutschländer zu sagen pflegen. Ist nicht die Spur eines Schattens einer Idee von Gefahr vorhanden – Passateremtetem! Die grölzenden Giaurs da unten sind gar nicht von der Bande des Sumpfkönigs von Mount Hope, welchem die Pest in den Leib fahren möge! Sag' Euch, 's sind Nipmuken, lauter Nipmuken, kein Bein von Wampanogen oder Pokanoketen oder Naragansettern unter ihnen. Ja, 's sind Nipmuken, pure Nipmuken. Wollte, als sie gestern auf die Prärie kamen, zuerst auf sie lospfeffern, so wollt' ich. Kam aber ihr Häuptling, der Truthahn – was dieses Gesindel für schnakische Namen führt! – ins Fort und überreichte mir die Friedenspfeife, die ich auch annahm.«

»Ah-ton-wi-tuck (der Truthahn) ist unter ihnen?« versetzte Willem, der über die Brustwehr der Warte hinweg das indianische Lager auf der Prärie draußen scharfen Blickes musterte. »Nehmt Euch in acht, Major, dieser Häuptling ist einer der verschlagensten Bursche, welche je eine indianische Teufelei ausheckten.«

»Bah, mit Euren Teufeleien! Ist eitel dummes Zeug – Passateremtetem! Ja, wenn's Türken wären, da wär's noch der Mühe wert, von Teufeleien zu reden. Das Lumpengesindel da unten hat seine Maisernte eingeheimst und ist nun nach seiner Gewohnheit gekommen, das große Ballspielfest zu begehen, wie dasselbe seit unvordenklicher Zeit alljährlich nach der Maisernte auf der Pawtucket-Prärie begangen wird.«

»Das klingt ganz unverfänglich, und möglicherweise ist's auch unverfänglich. Aber dennoch, Major, seid auf Eurer Hut!«

»Ei, zum Teufel, Mann, meint Ihr, ich wüßte nicht, was meine Pflicht sei? Aber Ihr kommt mir ja ganz wunderlich vor, 's ist, als ob Ihr Furcht hättet – Passateremtetem! Sag' Euch, dieser ganze indianische Kriegslärm – wollt' ihm übrigens schnell ein Ende machen, wenn man mir ein paar tüchtige Kompagnien und zwei Kartaunen gäbe – ja, dieser ganze indianische Kriegslärm ist schon am Ausmachen. Da war gestern am späten Abend der Tom Morton von Merry-Mount da – ein lustiger Hund bei Krug und Becher, Passateremtetem! – der gab mir Nachricht, daß Roger Williams in Providence nahe daran sei, den ganzen Span beizulegen. Er hätte namens der Kolonien dem Wampanogen und dem Naragansetter Vergleichsvorschläge gemacht, und die Sachems hätten sich bereit erklärt, dieselben anzunehmen. So wird denn der Spaß ein ganz miserables Ende nehmen.« »Der brüllende Tom war gestern hier?«

»Ja, eben der. Der Kerl wollte mir noch mehr sagen, aber da sahen wir gegen Tagesanbruch einen mächtigen Feuerschein über den Wäldern aufgehen, und weil er sich die närrische Idee in den Kopf setzte, sein Merry-Mount stände in Flammen, ist er wie toll weggeritten.«

»So, so!« entgegnete Willem, ein Lächeln verbeißend. »Aber glaubt Ihr denn, Major, das, was Euch der brüllende Tom vormachte, sei wahr? Ihr wißt doch, wie er zu dem Volk in den Ansiedelungen steht?«

»Stand, wollt Ihr sagen, Mann. Ja freilich, schlecht genug stand er zu den Pilgern der Wildnis – ein dummer Name, Passateremtetem! – aber der Hund will sich, scheint es, bekehren und hat der Bostoner Regierung seine guten Dienste angeboten. Man sagt, der alte John Elliot, der die merkwürdige Liebhaberei hat, den grölzenden Giaurs vorzupredigen in ihrer eigenen gottverdammten Gurgelei, welche sie für eine Sprache ausgeben – ja, man sagt, der alte John hätte ein Bekehrungswunder an dem brüllenden Tom getan, was weiß ich? Kurz und gut, ich habe die Order, mich besagten Mortons bei Gelegenheit zu bedienen, weil selbiger vermöge seiner ausgebreiteten Bekanntschaft mit den rothäutigen Lumpen zur Kundschafterei und sonstigen Negotiationen sehr tauglich sei.«

»Was die ausgebreitete Bekanntschaft angeht, so hat es damit seine Richtigkeit. Was Euch aber der brüllende Tom von einem bevorstehenden Friedensschlusse mit den beiden Sachems vorgeflunkert hat, ist, vermut' ich und glaub' ich, pure Teufelei. Ich komme sozusagen auf dem kürzesten Weg von Providence her, und dort weiß man nichts von diesem Frieden. Allerdings hat sich Roger Williams die äußerste Mühe gegeben, einen Vergleich zustande zu bringen, aber ohne allen Erfolg. Metakom und Kanonchet sind auf Leben und Tod verbunden, und ich bin fest überzeugt, daß der kluge Wampanoge es dahin gebracht hat, alle Eingeborenen von Neuengland gegen die Kolonisten zu vereinigen.«

»Und wenn auch, desto besser. Mein alter Pallasch wird gern einmal wieder einen lustigen Tanz mitmachen – Passateremtetem!«

»Wohl, Major, aber seid auf Eurer Hut vor diesen Nipmuken.«

»Blitz, Donner und alle Wetter! Was wollt Ihr nur mit diesen Tröpfen da unten? Sie wollen ihr abgeschmacktes Spiel treiben, weiter nichts. Haben ja auch ihre Weiber bei sich und schleppen doch bekanntlich dieses Zeug nicht mit auf den Kriegspfad. Und sie sind nicht einmal bewaffnet, aber wären sie's auch, ich habe dreißig gute Büchsen im Fort, Euer Roer ist auch in Anschlag zu bringen, wenns je zum Fechten käme, Euer Junge, der Thorkil, weiß auch seinen Mann zu stellen, und was Euren zweiten Begleiter angeht, den mit dem allmächtigen Schnurrbart, so mein' ich, er sehe ganz danach aus, als wüßte er von dem Türkensäbel, welchen er an der Seite trägt – ich sah nie einen schönern, Passateremtetem! – bei Gelegenheit den richtigen Gebrauch zu machen. Aber 's kommt nicht zum Fechten, sag' ich Euch. Und jetzt, Mann, guckt Euch nicht blind an den grölzenden Giaurs da unten, sondern sagt mir lieber, wo ihr das allmächtig hübsche Dämchen aufgelesen, welches ihr in das Fort brachtet.«

»Es ist die Verlobte meines Sohnes,« erwiderte der Trapper ernst. »Die Verlobte Thorkils? Na, beim Kriegsgott Mars, der Junge hat einen feinen Geschmack, das muß man sagen. Aber wie ist er denn zu dieser Eroberung gekommen? Das schöne Kind sieht nicht aus, als wär' es in den Wäldern aufgewachsen.«

»Das ist eine lange Geschichte, Major und – ha, was ist das?« unterbrach sich der Alte und bohrte mit den Augen, alle Sehnerven anstrengend, gegen die Prärie hinab.

»Nun, was ist? Was ficht Euch an, Mann?«

»Was mich anficht? Hört, Major, ich will mein Roer gegen einen indianischen Bogen wetten, wenn ich nicht da unten den höllischen Annawon, König Philipps rechte Hand, wißt Ihr, aus einem Zelt in ein anderes schlüpfen sah.«

»Bah, vermute, Ihr seht Gespenster am hellen Tag, alter Waldmensch. Wie sollte Annawon, der allerdings ein schlimmes Stück von grölzendem Giaur ist, hierher kommen?«

»Auf seinen Beinen oder auf denen eines der vielen Pferde, die der Schurke schon gestohlen hat. Zum letztenmal, Major, ich fürchte, es ist Unheil um den Weg; habt acht auf das Fort!«

»Ei, so will ich alles rothäutige Strolchenpack mit Haut und Haar auffressen, wenn Ihr mir nicht allmählich höllisch langweilig vorkommt – Passateremtetem! Hört auf mit Eurer Litanei, Mann, und gebt mir die Geschichte von dem schönen Mädchen zum Besten, das Euer Junge irgendwo aufgefischt hat.«

»Död und Duivel!« brummte Willem in den Bart, »dieser Perückenmensch hat einen Schädel, härter als der des ältesten Büffels. Major,« sagte er dann laut, »ich will in das indianische Lager hinab, um zu sehen, ob ich mich getäuscht haben sollte. Ist der bewußte Bursche wirklich da, so müßte es mit dem Satan zugehen, wenn ich ihn nicht aufspürte.«

So sprechend schulterte der Trapper sein Roer und stieg eilends die Treppe oder vielmehr die Leiter hinab, welche von der Warte in den freien Raum innerhalb des Tores führte.

»Da geht er, um seinem Gespenste, seiner Fantasia, wie die Welschen sagen, nachzujagen,« polterte der starrköpfige Kriegsmann dem Alten hinterdrein. »Beim Bart des Propheten, wie die beschnittenen Türkenhunde zu schwören pflegen, die Waldkerle, weiße und rote, sind doch 'ne kuriose Spezies von Menschen; das sind sie – Passateremtetem!«

Zwei Stunden darauf kehrte Groot Willem aus dem indianischen Lager zurück, dessen Zelte etwa tausend Schritte von den Palisaden des Forts entfernt aufgeschlagen waren.

Er hatte weder Annawon noch sonst etwas gefunden, was seinen vagen, aber starken Argwohn hätte bestätigen können, und dennoch konnte er sich desselben nicht ganz entschlagen. Er war in dem Lager wie ein alter Freund aufgenommen worden, da er unter dem Stamme seit alten Zeiten Bekannte hatte, und der Häuptling Ah-ton-wi-tuck war artig genug gewesen, ihm in seinem Zelte einen mit Büffelmark belegten Bärenschinken zum Frühstück vorzusehen. Willem hatte die Einladung angenommen, indem er hoffte, bei dieser Gelegenheit den Hintergedanken seines Wirtes, welche er voraussetzte, auf den Sprung zu kommen. Wenn aber der Truthahn solche Hintergedanken hatte, so war er in den Künsten indianischer Redeweise zu erfahren, um seinen Gast auch nur das Geringste davon merken zu lassen. Im übrigen schien das ganze Aussehen des Lagers von den friedfertigen Absichten der Eingeborenen zu zeugen. Willem sah von Waffen nur wenige Bogen und leichte Jagdspeere. Alles schien in lärmender Fröhlichkeit mit den Zurüstungen zu dem beabsichtigten Spiele beschäftigt, zu welchem unterdessen auf dem freien Platz zwischen dem Fort und dem Lager die nötigen Vorbereitungen getroffen wurden.

Als der Trapper das Lager verließ, setzten sich auch die Indianer, in zwei Parteien von je hundert Mann geschieden, in ihrem Spielanzuge nach dem Spielplatz in Bewegung. Voran schritten die beiden Spieler, welche die Trupps führen sollten, ihre mit Bändern, Stachelschweinstacheln und anderem Zierat phantastisch aufgeputzten Ballstöcke hoch in den Händen tragend. Zwischen den beiden Reihen der Männer gingen die Squaws, einen monotonen Gesang anstimmend, welcher sich auf das beabsichtigte Spiel bezog, und den Zug beschloß der Häuptling, begleitet von vier alten Powows oder Medizinmännern des Stammes, welche dem Spiel als Preisrichter vorsitzen sollten und mit den Rasseln, welche sie in den Händen schüttelten, einen gewaltigen Lärm machten.

Der Aufzug hatte in seiner wilden Einfachheit viel Anziehendes. Alle, welche das Spiel mitmachen wollten, trugen ihre schlanken, wohlgeformten Leiber ganz bloß. Nur um die Hüften hatten sie einen Schurz gebunden, den sogenannten Breech-Kloth, welcher durch einen mit Glasperlen verzierten Gürtel festgehalten wurde und an welchem hinten ein flügelartiger Schweif von Büffelschwanzhaaren und weißen Federn befestigt war. Mit dem dem Indianer in seinem Naturzustande eigenen franken und stolzen Wesen schritten die Männer und Jünglinge gemessenen und doch elastischen Trittes einher, und in ihren schwarzen Augen und auf ihren dunkeln Gesichtern sprach sich das Vorgefühl der Festfreude unverhohlen aus. Die Insassen des Forts drängten sich, froh, daß in den einförmigen Aufenthalt auf der Prärie einmal eine Abwechslung kam, dem Bohlentor zu, dessen beide Flügel weit offen standen. Die Frauen kamen mit ihren Kindern auf den Armen und an den Händen heraus und vergaßen in ihrer Neugierde alle Furcht vor den roten Männern, mit deren Stammverwandten ihre Männer vielleicht zur nämlichen Stunde in den Wäldern am Konnektikut auf Tod und Leben kämpften. Die Milizmänner, welche die Besatzung des Forts bildeten, wollten des zu erwartenden Schauspiels auch nicht verlustig gehen und folgten hierin nur dem Beispiel ihres Befehlshabers, welcher einhalbhundert Schritte seitwärts von der Pforte auf der Prärie stand und arglos mit dem Sergeanten plauderte.

»Nun, wie ist's Mann?« rief er dem herankommenden Trapper entgegen. »Habt Ihr Euer Gespenst am Kragen gekriegt, oder ist es verschwunden, verdunstet, in Nebel zerflossen, in Rauch aufgegangen?«

»Sag' Euch, Major,« entgegnete Groot Willem unwirsch, »Ihr könntet Gescheiteres tun, als Späße machen. Wollt Ihr nicht wenigstens, um doch einigermaßen auf alle Fälle gefaßt zu sein, die Blockhäuser und das Tor durch Eure Leute besetzen lassen?«

»Wozu denn, Mann? Laßt doch die alberne Grille fahren, 's ist keine Idee von Gefahr vorhanden. Wollen uns in aller Gemütlichkeit die Schnurrpfeiferei ansehen, welche die grölzenden Giaurs da vor uns aufführen werden. Das Ding verspricht amüsant zu werden, wie die Franzmänner sagen, und die ewigen Kupfergesichter mit ihren Flügelschwänzen sehen recht schnackisch aus – Passateremtetem!«

Der alte Jäger antwortete nur mit einem zornigen Kopfruck und ging durch das Tor, um zu der Warte emporzusteigen, auf welcher er Lovely, Thorkil und De Lussan wahrgenommen hatte.

»Nun, der Junge hat doch wenigstens seine Büchse nicht vergessen, wie da unten die törichten Kerle aus den Ansiedelungen,« murmelte er zwischen den Zähnen.

»Wir werden ein Schauspiel haben,« sagte der Flibustier mit der Munterkeit eines Franzosen. »Ich sehe jetzt, Freund Willem, daß es dem Trapperleben nicht an Mannigfaltigkeit und Amüsements fehlt.«

»Ein Schauspiel, ja, hol's der Teufel!«

»Was habt Ihr denn, Willem?« fragte Thorkil obenhin, indem er sich der harmlosen Neugier freute, womit Lovely die fremdartige Szene zu ihren Füßen betrachtete.

»Was ich habe? Nichts, Junge,« entgegnete der Alte. – »Aber,« brummte er in sich hinein, »der lebendige Satan muß mich betört haben, daß ich den Gedanken faßte, das arme Kind in dieses verdammte Fort zu bringen.«


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