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Je mehr ich über den Plan des Hochbootsmanns nachdachte, desto mehr gefiel er mir. Den ganzen Tag lag er mir im Kopfe und übte gleich eine günstige Wirkung, ich konnte wieder schlafen, und das war eine große Wohltat.
Ich wünschte nicht, daß Miß Robertson ihre Mahlzeiten am Kajütentisch einnähme, und hatte Sorge getragen, daß ihr und ihrem Vater jede Mahlzeit gebracht wurde.
Als Stevens sich heute zu mir an den Tisch setzte, rief er dem Steward zu: »Sag dem alten Herrn und seiner Tochter, das Mittagessen warte.«
Ich erklärte ihm hierauf, daß der alte Herr zu krank wäre, um das Bett verlassen zu können.
»Gut, dann mag die Tochter kommen,« erwiderte er rauh.
»Sie kann ihren Vater nicht verlassen,« wandte ich ein.
»Vielleicht ist es weniger das, als weil ich nicht fein genug für sie bin. Sie wird so eine Prinzeß sein, die mit ehrlichen Arbeitern nichts zu tun haben mag. Ich werde ihr wohl zu stark nach Tabak riechen.«
»Ach was, reden Sie doch nicht so; Sie müssen doch einsehen, daß die Tochter den kranken Vater nicht gern verläßt. Wenn Sie wüßten, wie sich die junge Dame mir gegenüber über Sie geäußert hat, würden Sie sicher nicht so von ihr sprechen.«
»Na, was hat sie denn gesagt? Ich möcht's doch wissen.«
»Nun, sie meinte, ihr wäre noch niemals ein Schiffszimmermann begegnet, der so wie Sie seinem Äußern und seinem Wesen nach einem wirklichen Kapitän gliche, auch Ihre Art, Mannszucht zu halten, findet sie bewunderungswürdig. Sind Sie nun zufrieden?«
»Könnt's wohl sein, denn was so ein hübsches Mädchen sagt, muß wahr sein,« schmunzelte er. »Aber jetzt schneiden Sie endlich das Fleisch, frischer Schweinebraten ist mein Leibgericht.« Gleich darauf fiel er wie ein Wolf über das Essen her, nur ab und zu gönnte er sich zwischendurch ein Wort.
Während der Hochbootsmann von acht Uhr abends bis Mitternacht die Wache hatte, besuchte ich auf ein Stündchen den alten Herrn und seine Tochter. Die Gefahr, welche uns bedrohte, wurde natürlich mit keinem Wort berührt; er war ganz ahnungslos und stellte nur einige Fragen über die Fahrgeschwindigkeit des Schiffes.
Mir fiel auf, daß er die Meuterei vergessen zu haben schien und mit mir sprach, als wäre ich der Kapitän; ebenso verriet er keine lebhafte Erinnerung an den Verlust seines Schiffes und die denselben begleitenden Umstände. Es machte mir den Eindruck, als wenn sein Gedächtnis in demselben Maß nachließe, wie seine physischen Kräfte zunahmen. Sein Gehirn schien durch die Leiden, die er durchgemacht hatte, erheblich gelitten zu haben.
Als ich um halb zehn Uhr wieder das Deck betrat, rief der Hochbootsmann gerade dem wachhabenden Matrosen auf dem Vorderdeck zu, scharfen Ausguck zu halten. Ich trat an ihn heran und sagte: »Wenn es Ihnen recht ist, wollen wir unter das Seitenboot an der Leeseite treten und dort miteinander sprechen. Wer befindet sich am Rade?«
»Der Holländer Joe.«
»Dann wollen wir erst zusammen nach dem Kompaß sehen, uns dort über Kurs und Fahrgeschwindigkeit unterhalten und dann nach dem Seitenboot gehen, da wird der Kerl denken, ich erteile Ihnen Befehle für die Segelstellung.«
Das geschah, ich gab dem Hochbootsmann einige Anweisungen, welche der Holländer mit anhörte und ließ sogar, um der Sache mehr Wichtigkeit zu verleihen, loggen, wobei Joe das Glas umdrehte, welche Arbeit er leicht neben seinem Geschäft verrichten konnte.
Als wir unter dem Seitenboot anlangten, sagte ich: »Ihr Plan hat meinen ganzen Beifall. Was auch geschehen mag, Ihre Anwesenheit im Kielraum wird das Anbohren verhindern.«
»Ja, dafür stehe ich. Ein einziger Schlag wird der Sache ein Ende machen, nicht mucksen darf der Kerl mehr, wenn ich zugehauen habe.«
»Ich habe die Absicht, mit Ausführung der Sache nicht zu warten, bis wir in den Golf von Mexiko kommen,« fuhr ich fort; »ich will sechzig, achtzig, auch hundert Meilen, wie es sich gerade tun läßt, unserer täglichen Fahrt zusetzen, so daß ich den Golf ganz in die Nähe der Bermudas bringe; verstehen Sie mich?«
»Natürlich,« lachte er, »ja wahrhaftig, das ist ein guter Gedanke; was nutzt es zu warten, Sie haben ganz recht, je eher die Sache abgemacht ist, desto besser für uns, das meine ich auch.«
»Wir werden durchschnittlich alle vierundzwanzig Stunden eine Fahrt von dreihundert Meilen machen und so oft ich kann, will ich einen Extragrad auf der Karte verzeichnen. Wer soll's merken?«
»Das merkt niemand, nicht zwei Mann sind an Bord, die auch nur buchstabieren können.«
»Das dachte ich mir; selbstverständlich werde ich mich dabei nach dem jeweiligen Winde richten. Eine Brise, wie die gegenwärtige kann uns gut dreihundert Meilen geben und selbst, wenn eine Windstille eintreten soll, kann ich den ›Grosvenor‹ doch wenigstens sechzig Meilen Westsüdwest treiben lassen. Natürlich muß ich doppelte Rechnung führen, eine für die Mannschaft, eine für mich selbst; Sie, als erster Maat, werden immer die Richtigkeit bestätigen.«
»Na, freilich, alles wird bestätigt,« sagte er, schlau grinsend; » Sie werden entdeckt haben, daß das Schiff ein ganz ausgezeichneter Segler ist, und ich werde den Leuten begreiflich machen, daß es nie einen besseren Schiffsführer gegeben hat, als Sie. Sie und ich müssen es uns in unseren Wachen angelegen sein lassen, so viel Leinwand zu setzen, als das Schiff nur tragen kann, es ist um des Scheines willen, und wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich die Loggleine frisch trimmen.«
»Hören Sie, das ist wieder ein kapitaler Gedanke von Ihnen, sofort soll das geschehen; ich werde ihr doppeltes Maß geben. Ha, zwölf Knoten sollen jetzt dem ›Grosvenor‹ selbst bei mäßigem Winde ein reines Spiel sein.«
Wir mußten beide lachen. Darauf ging ich wieder einmal nach dem Kompaß und blieb dort ein Weilchen.
Als ich zurückkehrte, sagte ich:
»In neun Tagen rechne ich ungefähr unter zweiundsechzig Grad Länge, dreiunddreißig Grad Breite zu sein, bei einem Durchschnitt von einhundertachtzig Meilen täglich kann uns das gelingen.«
»Wie weit rechnen Sie von hier, wo wir jetzt sind, bis zum Golf?«
»Ungefähr 3000 Meilen.«
»So, also nicht mehr?«
»Nein; ich sagte den Leuten, wir würden diese Strecke bei anhaltend gutem Winde in drei Wochen zurücklegen, jetzt aber werde ich, nach dem was wir zur Förderung unserer Fahrt beschlossen haben, Stevens gegenüber eine andere Meinung äußern. Meine morgen mittag stattfindenden Messungen sollen einen Sprung ergeben, der ihn in Erstaunen setzen wird. Ich will die Schufte geradeswegs der Gerechtigkeit in die Arme führen. Wenn sie in den Booten sind, werde ich ihnen die Richtung nach Bermuda angeben; hat unsere List Erfolg, und ist der Wind uns günstig, so soll dann einer von uns beiden noch vor ihnen auf der Insel sein, um dem Gouverneur anzuzeigen, welche Vögel er fangen kann.«
»Auch das wird sich machen lassen,« stimmte der Hochbootsmann bei, »es gehört aber eine dunkle Nacht dazu, um wegzukommen, ohne daß es gemerkt wird.«
»Das ist gewiß; aber geben Sie mir Ihre Hand, alter Freund, Ihre Klugheit ist es, die uns, so Gott will, retten wird. Noch diesen Morgen fühlte ich mich schon als toter Mann, dank Ihnen aber darf ich jetzt wieder mit Hoffnung und Zuversicht in die Zukunft schauen.«
Ich drückte ihm herzlich die Hand und ging in bester Stimmung herunter.
Am nächsten Morgen war meine erste Arbeit, die Loggleine frisch zu markieren; ich hatte dieselbe während meiner Wache in meine Kajüte geschmuggelt. Die Entfernung zwischen den Knoten kürzte ich beträchtlich, so daß, während der Sand im Glase lief, eine größere Anzahl ablaufen mußte, als sich abgehaspelt hätten, wenn die Leine richtig gewesen wäre.
Um acht Glasen, als der Hochbootsmann wieder auf Deck ging, bat ich ihn, das Logg mitzunehmen. Ich folgte ihm bald, sah mich am ganzen Horizont um, als wenn ich aufs eifrigste das Wetter studierte, und rief, gerade als Stevens das Deck verlassen wollte, dem Hochbootsmann zu:
»Bitte, halten Sie das Logg im Gang; werfen Sie es mindestens jede Stunde.« Darauf wandte ich mich an Stevens und sagte: »Ich werde mich heute ohne astronomische Beobachtung behelfen müssen, bei dem düstern Himmel läßt sich nichts machen.«
»Soll ich es etwa gleich auswerfen?« rief der Hochbootsmann zurück.
»Haben Sie es während Ihrer Wache getan?« erkundigte ich mich bei Stevens.
»Gott bewahre,« erwiderte dieser, »ich habe keine Brasse berühren lassen oder überhaupt irgend welchen Befehl gegeben.«
»Gut, dann wollen wir gleich loggen,« entschied ich; »ich möchte doch wissen, welche Fahrt wir haben.« Ich reichte Stevens das Glas, und während ich das Loggschiff arrangierte, blickte ich über die Seite und äußerte: »Alle Wetter, es rennt, das läßt sich nicht leugnen.«
»Ich denke, wir werden wohl zehn Knoten machen,« bemerkte der Mann am Rade.
»Was, zehn? Gut dreizehn werden es sein,« erwiderte ich.
»Sagen Sie fünfzehn und Sie werden nicht weit davon sein,« warf der Hochbootsmann ein.
Der Zimmermann sah mürrisch auf das Wasser, wagte aber keine Meinung zu äußern; er brummte nur:
»Segeln kann der alte Kasten, das muß man ihm lassen.«
Ich warf jetzt das Logg über Bord und rief:
»Umdrehen!«
Die Loggrolle schnurrte in den Händen des Hochbootsmanns, und als Steven nach Ablaufen des Glases ›Stopp!‹ schrie, faßte ich die Leine und ließ mich von ihr an das Geländer klemmen, als ob sie mich über Bord zerren wollte.
»Wie viele Knoten, Mr. Stevens? Bitte rasch, die Leine schneidet mir beinahe ins Fleisch!«
Er setzte das Sandglas nieder, ergriff die Leine da, wo sich der Knoten befand, und fing an zu zählen.
»Fünfzehn!« brüllte er.
»Potz alle Wetter!« rief der Mann am Rade, »das hätte ich doch nicht gedacht!«
Ich sah Stevens triumphierend an, als wollte ich fragen: Hast du das erwartet?
»Hab ich's nicht genau vorhergesagt?« prahlte der Hochbootsmann; »ich kenne doch das Schiff; meiner Treu, es sind gut fünfzehn Knoten,« fügte er hinzu, die Leine noch einmal mit Kennerblick prüfend, »das heißt doch beinah mit Dampf fahren.«
Die wahre Fahrgeschwindigkeit des ›Grosvenor‹ betrug ungefähr neun Knoten, sicher nicht mehr; meine Arbeit an der Leine lohnte sich also ausgezeichnet.
»Notieren Sie fünfzehn, Hochbootsmann, und messen Sie, wie gesagt, alle Stunden weiter; ich gehe jetzt zum Frühstück.«
Unten angekommen, traf ich Stevens schon in voller Arbeit. Ich setzte mich zu ihm und benutzte die Gelegenheit, ihm mitzuteilen, daß, wenn der Wind anhielte und das Schiff bei seiner gegenwärtigen Fahrgeschwindigkeit bliebe, wir hoffen dürften, in vierzehn Tagen im Golf von Mexiko zu sein.
»Wie kommt denn das auf einmal?« fragte er, auf beiden Backen kauend; »gestern waren es doch noch drei Wochen.«
»Gewiß, und es hätten auch vier sein können,« antwortete ich, »aber einige Tage solcher Fahrt, wie wir eben haben, machen einen gewaltigen Unterschied in den Berechnungen aus.«
»Wie weit haben wir noch bis zum Golf?«
»Ungefähr ein paar tausend Meilen.«
»So, ein paar tausend Meilen; gut, wie rechnen Sie denn da?«
»Nehmen wir die Fahrgeschwindigkeit des Schiffes auf dreizehn Knoten an – – –«
»Dreizehn? Es waren doch fünfzehn,« fiel er mir, mich argwöhnisch ansehend, ins Wort.
»Ja, aber ich kann nicht erwarten, daß es immer fünfzehn bleiben werden. Der halbwegs sicheren Berechnung halber sagen wir also dreizehn. In vierundzwanzig Stunden würden wir dann dreihundertundzwölf Meilen zurückgelegt haben.«
Er nickte.
»Ist uns also das Glück günstig, d. h. behalten wir vierzehn Tage lang eine Durchschnittsgeschwindigkeit von dreizehn Knoten, so würde das« – (ich zog einen Bleistift und ein altes Kouvert hervor), lassen Sie mich einmal rechnen:
312 multipliziert mit 15 –: 5 x 2 macht 10, – 5 x 1 = 5 + 1 macht 6 – – – 1560 + 3120 = 4680; also 4680 Meilen würde das ergeben, mithin 2680 Meilen mehr, als wir gehen wollen.«
Er war verwirrt durch meine geläufig, schnell hintereinander gesprochenen Zahlen, wollte es sich aber nicht merken lassen und sagte nur: »Ah ja, jetzt verstehe ich.«
»Warten Sie,« rief ich, in meinem Eifer ihn ganz zu überzeugen, »es wird Ihnen gleich noch klarer werden.« Mit diesen Worten sprang ich davon, holte die Karte und breitete sie auf dem Tisch aus.
»Die zweitausend Meilen, die ich Ihnen genannt habe,« fuhr ich fort, »würden uns gerade vor den Mississippi bringen. Die kürzeste Linie dorthin führt aber direkt durch die Bahamas, und das ist ein Weg, den ich unter keinen Umständen ohne Lotsen machen kann; nach einem solchen fühlen wir aber doch wahrhaftig kein Verlangen.«
»Da könnten Sie rechthaben; alle Wetter, so ein Kerl fehlte einem gerade hier an Bord,« murrte er, mich von der Seite anschielend.
»Abgesehen hievon,« fuhr ich fort, »würden wir auf dem Wege von Schiffen aller Art förmlich umschwärmt sein, und uns zwischen den Bahamas die Boote mit all den Verkäufern etc. nicht vom Hals zu halten vermögen. Wollen Sie durchaus nach New-Orleans, dann wird nichts anderes übrig bleiben, als, sehen Sie einmal hierher, um die Karaiben herum und durch das Karaibische Meer in den Golf zu laufen. Das ist aber, wie Sie bemerken werden, ein Stück Umweg.«
»Ja, das kann ein Blinder sehen, verfluchte Geschichte das,« brummte er, sich hinter den Ohren kratzend.
»Das scheint mir eben auch,« stimmte ich zu, »und da ich wünsche, meine Pflicht gegen die Mannschaft zu erfüllen und uns alle miteinander ungefährdet an Land zu bringen, so möchte ich ganz entschieden abraten, sich zwischen die Inseln, oder überhaupt in den Golf zu wagen. Dort wimmelt es von Schiffen; man würde uns in den Booten bestimmt anhalten und auch den verlassenen ›Grosvenor‹ rasch auffinden.«
Er hatte diese ganze Auseinandersetzung schweigend angehört und fortwährend auf die Karte gesehen, bei meinen letzten Worten goß er hastig den Rest seines Kaffees hinunter und fragte rauh: »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«
»Nun, wie ich schon andeutete, einfach darauf, eine andere Küste anzulaufen, an welcher sich die Gefahren der Entdeckung verringern, und die Aussichten auf sicheres Entkommen verbessern, z. B. sehen Sie hier, Florida.«
Er sah die bezeichnete Stelle längere Zeit an und sagte dann langsam:
»So, also das meinen Sie, und Sie halten diese Küste für unbedingt besser?«
»Ganz unbedingt. Meine Meinung ist: wir landen an einer unbewohnten Stelle der Küste, wandern dann nördlich, bis wir eine Stadt erreichen und geben uns dort für schiffbrüchige Seeleute aus. Sie mögen ja tun was Sie wollen, raten möchte ich Ihnen aber doch, sprechen Sie noch einmal mit den Leuten und fragen Sie, ob ich nicht rechthabe.«
»Hm, ich werde mir die Sache überlegen.«
»Gut, dann will ich noch hinzufügen, daß wenn Sie die Küste von Florida wählen, ich mich verpflichte, bei anhaltend gutem Winde, das Schiff in acht bis neun Tagen dahin zu bringen; wenn Sie mich aber zwingen, trotz meiner Warnung in den Golf von Mexiko zu steuern, so muß ich jede Verantwortung für ein etwa eintretendes Unglück ablehnen.«
Einige Augenblicke fuhr er noch fort, auf die Karte zu blicken, dann aber sagte er:
»Fisch und zwei andere gaben den Ausschlag für New-Orleans; ich drang mit meinem Vorschlag nicht durch; ich wollte nach Afrika, schlug vor, auf Guinea zu halten und dann an der Küste entlang bis nach Kongo zu segeln. Die Küste kenne ich, aber in Amerika war ich nie, und der Teufel soll mich holen, wenn mir der Gedanke, dort anzulaufen, gefällt.«
»Das läßt sich nun freilich nicht mehr ändern,« sagte ich, erschreckt, er möchte am Ende versuchen, die Leute zu überreden, noch jetzt nach der afrikanischen Küste zu segeln; »bedenken Sie doch, wie bedeutend eine Fahrt bis nach Kongo unsere Reise verlängern würde. Der Proviant würde uns ausgehen und wo wollten Sie neuen hernehmen? Wir kämen nur aus dem Regen in die Traufe. Nein, den Plan geben Sie auf, wählen Sie die Küste von Florida, ich sage Ihnen, Sie können nichts Besseres tun.«
»Ja ja, es scheint mir wirklich so, nach dem, was Sie sagen, ich muß mit den Leuten reden; vielleicht weiß der eine oder der andere etwas von Florida, ich bin wie gesagt dort fremd.«
Der ganze Tag verging, ohne daß ich erfuhr, wie mein Vorschlag aufgenommen worden war, am Abend aber kam Stevens und teilte mir mit, daß die Leute meiner Ansicht beistimmten und an der Küste von Florida landen wollten.
Ich fragte ihn, ob ich diesen Entschluß als endgültig betrachten könnte, und auf seine bejahende Antwort gab ich dem Schiff einen mehr westlichen Kurs.
Darauf ersuchte ich Stevens, bei der nunmehr veränderten Sachlage und der dadurch verringerten Fahrzeit, die Mannschaft aufzufordern, sich beizeiten darüber schlüssig zu machen, in welcher Weise sie das Schiff verlassen wollten, ob unter Mitnahme ihrer Sachen oder nur mit dem, was sie auf dem Leibe trügen, auch sollten sie alle Einzelheiten miteinander bereden, unter denen der vorgebliche Schiffbruch stattgefunden hätte.
Ich wußte recht gut, daß dies unter den Leuten schon alles abgesprochen war; mein Grund, trotzdem diese Aufforderung an ihn zu richten, war der, ihn davon zu überzeugen, daß ich keine Ahnung von dem niederträchtigen Verrat hätte, den er gegen mich im Schilde führte.
Der Zimmermann und die andern Leute waren so unwissend in der Seefahrkunst, daß sie sich durch meine falschen Berechnungen und Entfernungsangaben leicht täuschen ließen. Ich bin überzeugt, hätte ich Stevens nicht die Karte gezeigt, so würde ich ihm haben einreden können, daß uns ein südlicher Kurs an die Küste von Amerika bringen müsse. Anfangs war ich zu offen und ehrlich gewesen, jetzt wollte ich diesen Fehler wieder gutmachen und mit dem schönen Rettungsplan im Kopfe mein falsches Spiel unverzagt weitertreiben. Ich wünschte nur, daß die Stunde bald kommen möchte, in welcher die Boote mit den Schurken abstießen und wir allein im Schiff zurückgelassen würden.