W. St. Reymont
Polnische Bauernnovellen
W. St. Reymont

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X

Gleich nach Mittag desselben Tages zog die Winciorek ihren Feststaat an und begab sich nach dem Herrenhof, um dort den Vorschlag des Verkaufs ihrer Wiese zu machen.

Es war ihr etwas bange, zu den Herrschaften mit einem geschäftlichen Anliegen zu gehen, sie seufzte besorgt vor sich hin und legte sich unterwegs alles, was sie sagen sollte, im Kopf zurecht, dazwischen berechnete sie, was wohl die Herrschaft für die Wiese zahlen würde und was sie für den Acker und für ihr übriges Hab und Gut bekommen könnte.

... Sechs Morgen Ackerland, zu hundert Rubeln wenigstens ... die Schweine ... und das Kalb ... das Gerät ... das Haus für sich ... die Scheune ebenso ... die Scheune wird der Sulkabauer kaufen, die wollte er schon zum Frühjahr haben ...

Der Herrenhof lag abseits vom Dorf zwischen dem Hügel, auf dem das alte Kloster stand, und dem Bach, der an dem Gewese der Winciorek vorbeifloss, um dann in seinem Lauf den herrschaftlichen Park zu durchschneiden, der einen Hügelabhang bedeckte und an den Klostergarten grenzte.

Die Winciorek begab sich nach der Küche; sie erhielt dort Bescheid, dass die Herrschaft im Gartenzimmer sei.

Das Herrenhaus war ein einstöckiger Bau, auf hoher Untermauerung, jedoch mächtig in seiner Wirkung infolge des spitzen hohen Daches, unter dem die Räucherkammern lagen; von der Gartenseite hatte es eine Terrasse, die in breiten Treppenstufen zu den Rasenplätzen hinabführte, welche von einer leuchtend grünen Hecke eingefasst waren. Zu beiden Seiten der Terrasse, an den Rasenplätzen entlang führten Gänge aus blühenden Rotdornsträuchen und veilchenfarbenen Fliederbüschen bis zum Bach hinab – und von den Fenstern bot sich den Blicken der breite Gürtel der von Wäldern umschlossenen Wiesen und das ganze Dorf dar, das schräg unten im Tale lag. Die Winciorek blieb vor der Glastüre der Gartenterrasse stehen und sah schüchtern hinein.

»Was hat Sie hier zu suchen? ...«

»Zum gnädigen Herrn will ich,« entgegnete sie finster und trat etwas zurück, denn es war der Verwalter, der mit schwerem Tritt die Treppenstufen heraufgestolpert kam.

Er war gross, von roter Gesichtsfarbe und gewöhnlichen Bewegungen, trug einen buschigen Schnurrbart und hatte porzellanblaue Augen im Kopf.

»Ah! Die Winciorkowa! Ergebenster Diener!« rief er ihr höhnisch zu. »Nun, habt Ihr diesen Totschläger gut versteckt? Man wird ihn schon finden, dafür sorge ich und lasse ihn dann dorthin bringen, von woher er zum zweitenmal nicht entwischen wird ...«

»Wenn der Herr Jesus es zugibt, alles ist in seiner Macht, nicht in der des Herrn Verwalters ...«

»Bringt Euch ein Geschäft zum Gutsherrn, was ist denn das für eines?«

»Das geht den Herrn Verwalter ganz und gar nichts an,« entgegnete sie verächtlich.

Er schlug die Tür hinter sich zu und ging.

Sie aber lehnte sich mit dem Rücken gegen das Geländer der mit Blumenvasen geschmückten Terrasse und wartete, in den Anblick der nebelumsponnenen Welt und des wölken verhangenen Himmels versunken; es sah nach Regen aus.

In einem guten Vaterunser kam die Nastka angerannt.

»Der gnädige Herr haben befohlen, dass Ihr hineinkommen sollt!« murmelte sie und küsste die Hand der Alten.

»Seid Ihr dagewesen?« fragte sie leise schon beim Öffnen der Tür nach der Vorhalle.

»Die ganze Nacht habe ich bei ihm zugebracht. Gott bezahl's dir, dass du ihn nicht vergessen hast...«

»Ich würd´ ihm doch ... alles ... alles ...« bekräftigte das Mädchen mit Wärme und sperrte die grosse Glastür nach einem Zimmer voll grüner Gewächse auf.

Die Herrschaft sass an einem runden Tisch auf Schaukelstühlen.

Die Winciorek verbeugte sich an der Türschwelle, indem sie mit der Hand einen tiefen Gruss den beiden Herrschaften darbot, und begann den Grund ihres Kommens darzulegen.

»Gut, ich kaufe Euch die Wiese ab. Im Herbst kommt der Landmesser, dann kann er sie abmessen.«

»Ich muss sie gleich verkaufen, gnädiger Herr, sogleich.«

»Warum? habt Ihr es denn so eilig? Wollt Ihr auswandern, wie? ...«

»Ich brauche das Geld gleich ...«

»Na, Ihr sterbt doch noch nicht ...«

»Wer kann es wissen, wann der Tag und wann die Stunde kommt ... das kann keiner wissen ...«

Und mit einemmal war ihr Stolz wie weggeschmolzen, so schmerzlich hatte sich ihr Herz zusammengekrampft, und Tränen begannen reichlich über ihr Gesicht zu fliessen.

Die Gnädige, die eine gefühlvolle Dame war, sprang auf von ihrem Sitz und sagte:

»Was fehlt Euch, warum weint Ihr?«

»Nur so ... es ist mich so plötzlich angekommen...« Die Worte blieben ihr in der Kehle stecken, bei dem jähen Weinkrampf, der ihren Körper erschütterte.

Die Herrschaft war bestürzt.

Sie aber lehnte sich gegen die Wand zurück und liess ihren Tränen freien Lauf; das Tuch war ihr von dem weisshaarigen Kopf auf den Nacken hinabgeglitten und das edle Gesicht trat scharf hervor, es war so qualzerfurcht, so grau, so von Schmerz und Leid gezeichnet, dass es fast den Ausdruck einer tragischen Maske hatte. Diese Tränen, die sie nicht meistern konnte, rissen ihre ganze Sorge, ihre ganze Leidensgeschichte aus ihrer Seele ans Tageslicht. Weinend und die Knie der Herrschaft umfassend, erzählte sie mit leiser, leiddurchbebter Stimme all ihre Nöte. Das arme gehetzte Mutterherz klagte seinen tiefen Gram. Sie hatte keinen, vor dem sie ihren Gefühlen freien Lauf hätte lassen können, der Herrschaft sagte sie nun alles, denn wie sollten sie eine arme Waise verraten.

Die Gnädige, als gefühlvolle Dame, die sie war, nahm einen solchen Anteil an ihrem Gram, dass ihr die Tränen in die saphirblauen Augen stiegen und die zarten Wangen netzten.

»Niobe! Eine wirkliche Bauernniobe!« flüsterte sie ihrem Mann auf französisch zu.

»Welch steinerner Schmerz in diesem Gesicht! Was für ein Ausdruck! Wie fein ist der Ton dieser weissen Haare, dieses wie aus altem Erz gemeisselten Gesichtes, wie ist sie herrlich in dieser Schmerzensgebärde! Wundervoll! wundervoll!«

»Lasst Euch nicht stören ... Weint Euch ruhig aus,« rief sie begeistert und holte einen grossen photographischen Apparat herbei, denn sie befasste sich leidenschaftlich mit Photographie und Malerei, wobei sie die Photographie für den wichtigeren Teil hielt.

Die Winciorek verstand nichts davon, gegen die Wand zurückgelehnt weinte sie still vor sich hin und die Gnädige wischte die Tränen aus den saphirblauen Augen und nahm indessen mehrmals ihr Gesicht auf.

Der Herr liess sich, nachdem die Alte wieder zu sich gekommen war, sehr gnädig vernehmen:

»Ich habe es vergessen, dass ich kein Bauernland kaufen darf. Das ist wirklich schade, ich hätte sonst Euer ganzes Gewese gekauft, weil es auf der ganzen Länge an meine Felder grenzt.«

»Das kann der gnädige Herr doch tun, denn unser Grund und Boden ist uns nicht durch den Ukas zugeteilt worden, er steht auch nicht in der Tabelle ...«

»Warum denn?«

»Weil der Vater des gnädigen Herrn das Ackerland und die Wiese meinem Verstorbenen aus gutem Willen geschenkt haben. Dafür sind Papiere da ...«

»Ich wusste nichts davon.«

»Meiner hat doch den älteren gnädigen Herrn, damals nach dem Aufstand, ins Ausland gebracht und ihn dort gepflegt, weil er doch krank gewesen ist ... Oh, der gnädige Herr waren damals noch an der Brust ... noch ganz klein ...

»Ich hin mit meinem Jaschek eine arme Waise geblieben ...« Sie begann wieder zu weinen.

Der Herr, durch ihren Bericht sichtlich gerührt, durchmass erregt das Zimmer.

»Weint nicht, Mutter! Ich tue alles, was Ihr wollt ... Ich werde Euch sofort die Wiese und die ganze Wirtschaft abkaufen ... Ich wusste gar nicht, dass wir Euch so viel Dank schuldig sind... Jetzt erst entsinne ich mich schleierhaft, dass meine selige Mutter mir vor ihrem Tode von Euch gesprochen hat ... Ich war damals ein kleiner Junge ... kaum acht Jahre alt, als sie starb.«

Der Gutsherr hatte Tränen in den Augen vor Rührung zum Erstaunen der Alten.

»Wir kannten Euch kaum!« rief er schliesslich ganz verwundert.

»Versteht sich, wie sollten die gnädigen Herrschaften uns kennen! Sind doch in einem fort auf Reisen und in ihren Geschäften weg ... wie das so sein muss ...«

Sie hatten sich so gut miteinander verständigt, dass die Gnädige der Alten beim Abschied eine Flasche Wein und Kuchen für Jaschek mitgab und der Gutsherr sagte, er würde in drei Tagen einen Verkaufsvertrag ausfertigen lassen und die Kosten bezahlen.

Sie begleiteten sie beide bis in den Garten hinaus.

»Dass euch der Herr Jesus an euren Kindern, an eurem Vermögen und eurer Ehre heimzahlt! Gute Leute seid ihr, sehr gute Leute! ...« murmelte sie vor sich hin, durch diese Gnade berauscht und beseligt. Sie fühlte sich glücklich, als trüge sie den Frühling selbst im Herzen, darum ging sie auch nicht mehr nach Hause, sondern schlich sich durch die Büsche zu Jaschek hin, nachdem sie den Klosterhügel von der entgegengesetzten Seite umgangen hatte.

Sie hatte es gar zu eilig, ihm alles zu sagen und ihm den herrschaftlichen Wein zu bringen.

Jaschek lauschte mit leuchtenden Augen ihrem Bericht und sagte zuletzt:

»Eine Messe muss man für sie lesen lassen.«

»Versteht sich! Sobald wir den Kaufvertrag gemacht haben und das Geld ausbezahlt ist, lasse ich eine Messe lesen.«

»Dann gehe ich auch hin.«

»Hale! damit dich noch einer sieht,« rief sie erschrocken.

»Ih ... wenn ich einmal gesund bin, dann werde ich vor keinem Angst haben.«

Sie antwortete nicht, denn sie wollte ihm nicht widersprechen, im Weggehen aber sagte sie nur:

»Beten sollst du, Jaschek, der Trotz bläht dich auf.«

Aber auch sie unterlag unbewusst diesem Trotz, auch sie hatte die Angst verlassen, so dass sie mutig, mit stolz aufgerichtetem Haupt heimkehrte. Die Sicherheit, Jaschek retten zu können, erfüllte ihre Seele mit Sonnenschein.

Sie machte sich eifrig an die Besorgung der häuslichen Arbeit und nur ab und zu überfielen sie sorgenvolle Gedanken, die neue Schatten auf ihre Seele legten und sie immer wieder ängstigten; mit einem dumpfen Schmerz betrachtete sie die Felder, die Wälder, das heimatliche Dorf... und konnte immer noch nicht begreifen, dass es notwendig sei, von all diesen Dingen auf ewig Abschied zu nehmen.

Ihre Augen leuchteten im Tränenglast einer seltsamen Wehmut, sie stützte sich gegen die Zaunplanke und starrte über Felder und Wiesen ins Weite – schaute und schaute und fühlte einen Schmerz in tiefster Seele, wie ihn nur Bäume fühlen können, die man mit der Wurzel aus dem Mutterboden reisst.

»Einmal muss die Ziege sterben!« murmelte sie schicksalsergeben. »Was kommt, das kommt,« fügte sie dann etwas leiser hinzu und versuchte durch Arbeit solche Gedanken zu betäuben.

Um sich mehr Mut zu machen, begann sie die Tekla zu überreden, mit ihnen auszuwandern.

»Und wenn Meiner aus dem Gefängnis zurückkehrt, was soll dann werden?« entgegnete die andere und machte sich an ihrem toten Kindchen zu schaffen, dessen Beerdigung bevorstand.

»Der kommt dann nach.«

»Was hab' ich davon! Ich weiss schon alles, wie es kommen wird: einen Mann hab' ich nicht, Grund und Boden hab' ich nicht, weder Kind noch Kegel, die Jungsau, die Ihr mir geschenkt habt, hab' ich verkaufen müssen, um dem Meinen Geld zu schicken – was soll ich noch viel für mich selbst sorgen. Ich arme Waise, eine ganze Waise bin ich, ganz allein in dieser Welt!«

Sie redeten nicht weiter, denn der Kirchendiener war gekommen, hatte den kleinen Sarg zugenagelt, unter den Arm genommen und nach der Kirchenvorhalle fortgetragen.

Nach der Messe trat der Pfarrer in die Halle, sprach ein Gebet, besprengte den Sarg mit Weihwasser, der Kirchendiener hob ihn an einem Strick auf die Schulter, griff mit der zweiten Hand nach dem Kreuz und der Leichenzug setzte sich in Bewegung.

Der Regen sprühte ununterbrochen auf sie hernieder. Einige Frauen schlossen sich ihnen an und bildeten das Leichengefolge, an den Seiten der aufgeweichten, von alten Weiden umstandenen Landstrasse vorwärts stapfend, auf der die Regenpfützen trüb glasten.

Sie sangen das Lied: »Wer sich in den Schutz des Herrn begibt«, jedoch mit leisen Stimmen, ganz ohne jegliche Kraft, so dass der Sang sich kaum über den Boden zu heben schien, um sogleich wieder wie ein Trauerflor auf die schwärzlichen Saatenfelder und Schlehdornsträucher am Wege niederzusinken, die voll regennasser Blüten starrten.

Auf dem Dorffriedhof schien die Welt noch trüber. Die Bäume standen mit herabhängenden Zweigen unbeweglich da, triefend vor Regen, und schauerten vor Kälte, und die gelben Grabhügel, über die hier und da Hauswurz dahinkroch, kauerten still, wie geduckt unter der Last der schlichten schwarzen Kreuze, die man in ihren Boden gepflanzt hatte. Einige durch das nahende Trauergefolge aufgescheuchte Krähen flogen von den Baumwipfeln auf und flatterten lautlos in der Richtung des Waldes davon. Die Grube war schon geschaufelt, der Kirchendiener liess den kleinen Sarg so derb hinabgleiten, dass der Boden erdröhnte und das Wasser, das sich unten angesammelt hatte, hoch aufspritzte, dann begann er sie eiligst zuzuschaufeln.

Die Tekla aber, die eine ganze Zeitlang wie erstarrt dabei gestanden hatte, erwachte mit einemmal aus ihrer Betäubung und warf sich mit lautem Weheklagen auf den nassen Sand.

»Ich Waise, o ich arme Waise! Keinen Mann hab' ich und keinen Acker, und nicht das kleinste bisschen Trost ... Oh, mein lieber Jesus, alles hast du mir genommen! ... Verlassen hat es mich, mein liebes Kindchen, um deinetwillen verlassen. Oh ... oh ... verlassen ... Hast mich arme Waise allein gelassen mit meinem Weinen und mit meinem Waisentum, mit all meinem Kummer! 0 Jesus, Jesus, Jesus! oh! oh! oh!« und sie wehklagte, zerraufte sich das Haar und schluchzte herzzerbrechend.

Die Gebete, das Gemurmel und die Seufzer der rund um die Grube knienden Weiber waren die einzige Antwort darauf; ... und das Raunen der grünen Birken, die ringsum in ihren weissen Trauerhemden dastanden ... das dumpfe Ächzen des kleinen Sarges unter den herabfallenden Erdschollen ... das Geriesel des Regens, der mit langen Schnüren durch die grünlich verhangene Luft auf sie einpeitschte ...

Da es noch immer stärker zu regnen anhub, entledigten sie sich recht schnell ihrer Pflicht und gingen von dannen. Unterwegs, etwa auf dem halben Nachhausewege kam der alten Winciorek der Schultheiss entgegen, schloss sich ihr an und schien sie nach Hause begleiten zu wollen.

»Ich bin bei Euch gewesen, die Leute haben mir gesagt, dass Ihr zum Begräbnis gegangen seid.«

»Daher kommen wir eben, wir haben das Kleine der Tekla beerdigt, Ihr wisst es wohl schon.«

»Verderben soll es, das Diebsgezücht!«

»Hale! hale!«

Sie traute sich nicht, ihm zu widersprechen.

»Ich bin bei Euch wegen dem Grund und Boden dagewesen,« nahm er wieder langsam mit gedämpfter Stimme das Gespräch auf.

»Welchen Grund und Boden?« sie war beruhigt.

»Den Euren, versteht sich. Ich würde ihn kaufen ... Als guter Christ würde ich Euch auch nicht dabei benachteiligen. Und sollt' ihn ein Fremder erwerben, dann kann ihn auch einer aus demselben Dorf kaufen ... Wir sind doch miteinander auch ein bisschen verschwägert, denn Eure Mutter war meines Vaters richtige Tante, wisst Ihr das nicht? ...«

»Versteht sich, dass ich es weiss ...« entgegnete sie mit gedämpfter Stimme, über seinen Vorschlag erschrocken.

»Verkaufen müsst Ihr doch. Allein könnt Ihr auf dem Acker nicht zurückbleiben und der Jaschek muss ja auch so schnell wie möglich von hier fortkommen, denn wenn ich auch ein Beamter bin und mein Bestes für Euch tue, so regiere ich ja nicht allein ... Wollt Ihr mir den Grund und Boden verkaufen, wie?«

Sie antwortete nicht und beschleunigte nur ihre Schritte.

»Ich würde Euch sofort Bargeld bezahlen, dann hättet Ihr was für die Reise ... na, Winciorkowa, wollen wir uns miteinander einigen?«

»Ja, das ist so, als wenn ich meinen Grund und Boden so gut wie verkauft hätte,« sagte sie rasch.

»Wem denn?«

»Dem Gutsherrn.«

»Verkauft habt Ihr ihm? Dem Gutsherrn? So!« schrie er ganz ausser sich über diese Enttäuschung, denn er war schon ganz sicher, dass er den Besitz halb geschenkt bekommen würde. »So! Ihr sollt mich kennen lernen! Hab' ich nicht die ganze Nacht in der Schenke den Gendarmen spendiert, damit sie bei Euch erst am Morgen Haussuchung hielten! Hab' ich ihn nicht wie meinen eigenen Sohn beschützt, und Ihr habt so an mir gehandelt! Mit dem Herrenhof hast da dich beschnüffelt, dann lass den Herrenhof dir helfen, du herrschaftlicher Affe, du Rumtreiber du!« brüllte er immer wütender auf sie ein.

»Halt dein Maul, du Unrechttuer,« kreischte sie mit einemmal auf.

»Du Diebsfratze!«

»Ich bin ein Dieb! Ich?«

»Jawohl, du, du alter Fetzen ...«

»Du Betrüger, du Dieb! Du Mörder! Und wer hat im Wald den Gendarmen totgeschlagen?«

»Hast du es gesehen, tolles Weib, hast du es gesehen?« er sprang auf sie zu mit geballten Fäusten.

»Und wer ist beim Schmied der Brandstifter gewesen, vielleicht ein anderer als du!«

»Du Höllenhexe, dein Maul schlag' ich dir schon zu, wart' einmal!«

»Schlag es zu, versuch' es bloss! Es gibt noch Gerichte ... und Gerechtigkeit ... ich find' schon meinen Weg zu ihnen ...«

Sie warfen einander solche Worte an die Köpfe und gingen dabei so erbittert mit den Krallen aufeinander los, dass die Weiber, die vom Begräbnis heimkehrten, sie erst mit Gewalt auseinanderzerren mussten; der Schultheiss hatte ein ganz zerkratztes Gesicht und das ganze Kopftuch der Alten war mit Strassenschmutz besudelt.

Sie nahmen die Winciorek in ihre Mitte und begleiteten sie bis zu ihrem Hause, der Schultheiss lief hinterdrein, laut schreiend:

»Du sollst deinen Lebtag an mich denken. Ich werd' das gleich euch beiden heimzahlen! Wie ein Hund sollst du noch winseln, wenn sie dir deinen Jaschek in Ketten nach Sibirien fortschleppen werden. Ich zahl' es schon euch beiden heim!« Er keuchte wie ein Hund, den die Tollwut würgt.


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